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Der Abendmahlsstreit

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Inhaltsverzeichnis

Hutten sagte einmal, es unterscheide ihn von anderen, daß der gemeine Schmerz ihm weher tue als ihnen und tiefer vielleicht zu Herzen gehe. Ähnlich sagte Zwingli: »Wo Haß ist, da hat man nicht Sorge füreinander; so ich nun dem bresthaften Regiment und gemeinem Nutz unter der Eidgenossenschaft gern zu Hilfe käme, ist das nicht ein Zeichen des Hasses, sondern der Liebe, die ich bei Gott all meiner Tage von Kindheit an so groß und stark gegen eine fromme Eidgenossenschaft gehabt habe, daß ich in meinen jungen Tagen deshalb fleißig in allerlei Künsten und Klugheit gewesen bin«. Eine Verwandtschaft der Anlage war es vielleicht, die Zwingli sich des sterbenden Flüchtlings so warmherzig annehmen ließ. Bei beiden war die Liebe zum Vaterlande der stärkste Antrieb des Handelns. Obwohl er der Reformator seiner Heimat geworden ist, war Zwingli aus eigenem Geiste fruchtbar, nicht sosehr auf religiösem als auf politischem Gebiet. Seiner großen Begabung wegen, die sich früh zeigte, ließ sein Vater ihn studieren und Geistlicher werden. Er trieb die theologischen Studien gründlich als ein tüchtiger Mensch, der tut, was ihm obliegt, aber mit ausgesprochener Neigung die humanistischen. Mit den Humanisten teilte er die Bewunderung des Erasmus, dessen religiöse Haltung wurde sein Vorbild. Die Rückkehr zu den Quellen verlangte das Studium der Heiligen Schrift, besonders des Neuen Testamentes, das Erasmus aus dem griechischen Urtext übersetzt und gleichsam in die Reihe klassischer Schriften erhoben hatte. Aus ihm schöpfte Erasmus die Regeln schlichter Frömmigkeit und Milde, worin er das Wesen der Religion sah. Ein Gedicht des Erasmus, in dem er Jesus sich beklagen läßt, daß die Menschen nicht auf ihn allein hören und ihm allein nachfolgen, der der Brunnen alles Guten sei, machte besonderen Eindruck auf Zwingli. Er legte von nun an die Heilige Schrift allen seinen Predigten zugrunde.

Die Bibel und Christus, das waren auch für Luther die bestimmenden Eindrücke; aber sehr verschieden war Ursprung und Art derselben bei Luther und bei Zwingli. Bei Luther war erschütterndes Erlebnis, was bei Zwingli erhellend und befreiend sich aus Studium und Nachdenken ergab. Groß war auch die Verschiedenheit der beiden Persönlichkeiten: um Zwinglis heitere Stirn wehte die Schneeluft seiner Berge, flammte das Blau des Himmels der Alpen; Luthers Stimme scheint bald aus einem feuchten Urwald, bald von den Sternen her zu dringen. Was Zwingli dachte und sagte, war klar, plastisch, abgeschlossen, hinter Luthers Worten tut sich eine unendliche Tiefe auf, in der sie langsam verströmen, indes ihr Klang zurückbleibt. Beide waren sehr musikalisch; von Zwingli wird erzählt, daß er mit allen zu seiner Zeit üblichen Instrumenten – Laute, Harfe, Geige, Trummscheit, Hackbrett, Waldhorn – richtig umzugehen wußte, sowie er sie in die Hand bekam. Aber für Luther war die Musik eine göttliche Kunst, recht für den Gottesdienst geeignet, eine unmittelbare Verkündigung des göttlichen Wortes, während Zwingli die Orgel aus der Kirche verbannte. Auch Zwinglis Sprache hatte gestaltende Kraft und Anschaulichkeit, Luthers war dazu noch voll Melodie, Schmelz und Süßigkeit, sie war vor allen Dingen geladen mit magischer Gewalt. Luther war zugleich Saul und David, das wunderbare Kind, das dem düsteren Gebieter die tröstende Harfe spielt, und der schwermütige Tyrann, der den Speer nach dem Knaben schleudert. Zwingli war ein tapferer Kämpfer gegen äußere Mächte; innere Kämpfe kannte er kaum. Es waren Gegensätze des Lebens, in deren Streit er sich mischte, in denen er siegen oder untergehen konnte; keine unlösbaren, die die Brust zerfleischen, die ihr Schauplatz ist. Es war, als ob die beiden starken Persönlichkeiten, gleich alt, in manchem ähnlich und doch im Grunde entgegengesetzt, durch die große Entfernung hindurch abstoßend aufeinander wirkten.

Als Zwingli zuerst von Luthers Auftreten gegen den Papst hörte, nannte er ihn freilich bewundernd einen Elias. Luther reihte sich ein in die Schar der geistlichen Humanisten, die die Sache der Freiheit und Vernunft und echten Religiosität gegen Scholastik, Aberglauben und Verderbtheit führten. Zwingli war gerecht genug, dies, daß Luther der erste war, der sich offen gegen die päpstliche Zwingherrschaft und Glaubensverfälschung erhob, nie zu vergessen. Daneben aber war er von Eifersucht nicht frei, die ihn trieb, seine Unabhängigkeit zu betonen. Er hielt darauf, daß man wisse, er habe den evangelischen Grundsatz, den Glauben auf die Heilige Schrift zu gründen, selbständig, ohne Luthers Einfluß erfaßt und befolgt. Als er im Jahre 1518 an das Großmünster in Zürich berufen wurde, fing er an, das ganze Evangelium des Matthäus auf der Kanzel zu erklären, eine aufsehenerregende Neuheit. Ein zufälliger, alltäglicher Umstand gab im Jahre 1522 den Anlaß zur kirchlichen Umwälzung. Eine kleine Gesellschaft angesehener Züricher, unter ihnen Zwingli, fand sich an einem Freitag bei dem berühmten Buchdrucker Christoph Froschauer zusammen und wurde, da es Fastentag war, mit Küchlein bewirtet. Vielleicht war einer der Geladenen oder Froschauer selbst ein Liebhaber von Wurst, vielleicht wollten sie auch ihren freien Standpunkt zeigen, genug, der Gastgeber brachte eine Wurst herbei, zerschnitt und verteilte sie. Zwingli beteiligte sich nicht; hernach aber, als der Rat die Übertretung strafen wollte, verfaßte er eine Schrift über die christliche Freiheit, die den Umschwung einleitete.

Während Luther, allerdings unter der Hand von seinem Fürsten beschützt, sich allein mit seiner Person für das, was er lehrte, einsetzen mußte, ging Zwingli von Anfang an Hand in Hand mit der Züricher Regierung vor. Sie schlug den Untertanen gegenüber einen befehlshaberischen Ton an: »Wenn aber jemand weiterhin widerstreben und seine Lehre nicht mit der Heiligen Schrift beweisen würde, so werden wir gegen ihn nach unserem Gutfinden so scharf vorgehen, wie wir es lieber nicht tun möchten.« Als verstehe sich das von selbst, nahm die Regierung, und zwar mit Zwinglis Einverständnis, das Recht in Anspruch, den Glauben ihrer Untertanen zu bestimmen. Auch Luther unterstellte die Kirche der weltlichen Obrigkeit, aber er tat es aus Not, weil sie sich sonst überhaupt nicht hätte halten können, und nicht ohne quälendes Bedenken. Allerdings war Luther Untertan eines Fürsten, Zwingli der eines republikanischen Stadtrates, der annähernd als Vertretung der Gemeinde aufgefaßt werden konnte. Trotzdem blieb die Tatsache, daß die Kirche von einer weltlichen Regierung beherrscht wurde. In der Eidgenossenschaft war dieser Wechsel nicht so spürbar wie im Reich, weil die eidgenössische Regierung sich schon seit geraumer Zeit in vielen Dingen, besonders in den finanziellen, unabhängiger vom Papst gemacht hatte. Nach der vollständigen Loslösung wurde in den reformierten Kantonen das staatliche Wesen so mit dem kirchlichen verschmolzen, daß, ähnlich wie in England, Staatszugehörigkeit und Kirchlichkeit zu einem einheitlichen Patriotismus zusammenschmolz. Beide, Vaterlandsliebe und Religion, verstärkten sich gegenseitig, eher mehr noch die Religion die Vaterlandsliebe als umgekehrt. Sowohl Zwingli wie Luther hatten einen so mächtigen Einfluß auf die Regierung ihrer engeren Heimat, daß sie in ihrer nächsten Umgebung schädliche Übergriffe des weltlichen Regiments einigermaßen verhindern konnten; aber Luther blieb sich doch des häßlichen Widerspruches bewußt, in den er sich durch die Auslieferung der Kirche an die weltliche Regierung zu seiner Befreiertat setzte.

Daß Zwingli so einig mit der Regierung gehen konnte, kam auch daher, daß er als Politiker fühlte, man kann vielleicht sagen als Eidgenosse, dem das Wohl seines Landes in jeder Hinsicht am Herzen lag. Er wollte sein Volk ehrbar, gesund, tüchtig machen, durch Gottesfurcht der Gnade Gottes teilhaftig, blühend und glücklich. Vor allem war er zur Einsicht der Gefahr gekommen, die der Schweiz aus ihrer Teilnahme an den kriegerischen Verwicklungen der benachbarten Großmächte erwuchs, einer Gefahr, die den Bestand des ganzen Gemeinwesens und den moralischen Charakter der einzelnen bedrohte. Indem die verschiedenen Kantone verschiedenen Mächten Werbungen gestatteten, geschah es, daß Eidgenossen gegen Eidgenossen im Felde standen; die Annahme von Pensionen beförderte Bestechlichkeit und den Hang zu Luxus und mühelosem Genießen. Nachdrücklich bekämpfte er vom Standpunkt des Christen aus den Krieg überhaupt. Vielleicht sprach da der Einfluß des Erasmus mit, in dessen Augen der Krieg unchristlich, unsozial, unprofitabel, wider Vernunft und Natur war. Da die meisten Orte sich von Frankreich, der zahlungsfähigsten Macht, gewinnen ließen, bekämpfte Zwingli Frankreich. Wie gänzlich änderte sich das, als die altgläubig gebliebenen Orte der vorwärtsstrebenden reformatorischen Bewegung Halt geboten, ja sie zu unterdrücken suchten. Mit solcher Energie ging Zwingli zu kriegerischer Haltung über, daß man darin seine eigentliche Natur und sein Temperament zu erblicken glaubt. Sofort faßte er nicht nur ein engeres Bündnis mit den bedeutendsten eidgenössischen Orten Bern und Basel ins Auge, sondern auch mit den süddeutschen Städten, die das Evangelium bereits angenommen hatten oder dazu neigten, und scheute sich nicht, der zugewandten Stadt St. Gallen den Besitz des in ihrem Gebiet liegenden Klosters zu versprechen, ja sogar den sogenannten gemeinen Herrschaften, an denen die katholischen Orte ebensoviel Anrecht hatten wie Zürich, Selbständigkeit und Gewinn an einzuziehenden geistlichen Gütern in Aussicht zu stellen. Noch bedenklicher war es, wenn er die Möglichkeit erwog, die aufständischen Tiroler durch lockende Versprechungen heranzuziehen. War das alles zunächst auch nur Entwurf, so war es doch ernst gemeint.

Als im Jahre 1528 Bern die Reformation einführte und eine engere Verbindung unter den Neugläubigen wirklich vorgenommen wurde, glaubten die fünf Orte, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug, der Verstärkung ihrer Gegner eine ebensolche entgegensetzen zu müssen, und schlossen eine Vereinigung mit König Ferdinand. Dieser war sehr erbittert über den Anschluß der Stadt Konstanz an die reformierten Eidgenossen, die durch ihre Lage wichtig war, und die er als österreichische Landstadt betrachtete. Ein Bund mit Österreich, durch dessen Bekämpfung sich einst gerade die fünf Orte unvergänglichen Ruhm erworben hatten, mußte bei ihnen selbst schwere Bedenken erregen, aber die Sorge um die Erhaltung ihrer Religion überwand sie. Die Glaubensgenossenschaft zeigte sich stärker als jede andere. »Hängen denn diejenigen«, schrieb Oekolampad an Zwingli, »die in Christus verbunden sind, nicht enger zusammen als die, die nur die Gewohnheit des Fleisches verbindet?« Der Spalt, der die Neugläubigen von den Altgläubigen trennte, ging mitten durch starke Gebilde, die historische Entwicklung, nationale und geographische Zusammengehörigkeit hatte entstehen lassen. Ein Teil der Eidgenossen fühlte sich durch Eidgenossen so bedroht, daß er mit dem Erbfeind Österreich sich verbündete, Zwingli dachte an die Möglichkeit eines Anschlusses an das vorher bekämpfte Frankreich. Das katholische Frankreich, auf welches sich auch die deutschen evangelischen Stände mit Vorliebe stützten, bildete einen merkwürdigen Fremdkörper in der Glaubensfront, neben dem zuweilen auch Bayern auftauchte. Im Reiche mischte sich der Streit über die Religion mit dem alten Kampf der Fürsten gegen die Zentralgewalt, der sie einst das Bündnis mit dem jetzt für einen Teil von ihnen zum Antichrist gewordenen Papst eingehen ließ.

In der Eidgenossenschaft war es Zwingli, von dem der Antrieb zum Kriege ausging. Er wollte die neue Lehre, sein Werk, über die ganze Eidgenossenschaft ausbreiten, damit sie dann wieder ein einiges Ganzes bilden könne; er wollte aber auch verhindern, daß Zürich durch ihn seiner Vormachtstellung verlustig gehe. Er fühlte sich eins mit Zürich, das er mit seinem Geist durchdrungen hatte. Pietät für die fünf Orte empfand er nicht, er sah in ihnen die Feinde, die unschädlich gemacht werden mußten. Als der Ammann von Glarus den bevorstehenden kriegerischen Einbruch der Evangelischen in das Gebiet der fünf Orte verhinderte, damit es zu keinem Blutvergießen zwischen Brüdern komme, sagte Zwingli zürnend zu ihm: »Gevatter Ammann, du wirst Gott Rechenschaft geben müssen. Jetzt, wo die Feinde eingerückt sind, geben sie gute Worte. Du glaubst ihnen und vermittelst. Hernach aber, wenn sie gerüstet sind, werden sie unser nicht schonen und wird auch niemand vermitteln.« Er wollte für seine Überzeugung mit dem Schwerte kämpfen; Luther, dem es an Mut nicht fehlte, lag es näher, für seinen Glauben leiden zu wollen. Lange hielt er an dem Grundsatz fest, daß der Christ zur Erhaltung seines Glaubens keine andere Waffe als das Wort gebrauchen solle. Wird der Christ von den Feinden seines Glaubens getötet, wohlan, so stirbt er dem Herrn: Der Herr wird andere auferwecken, das Blut der Märtyrer wird nicht umsonst geflossen sein. Die Kurfürsten Friedrich und Johann hatten für Luthers Gesinnung Verständnis; ganz anders war Landgraf Philipp geartet. Sein Gefühl drängte ihn zum Kampf; er setzte vom Gegner dasselbe voraus, und daß der umstrittene Gegenstand die Religion war, verstärkte die Kampflust, anstatt sie zu dämpfen. Gegen einzelne, die von seinem Glauben abwichen, war er viel milder, als seine Zeitgenossen für richtig und begreiflich hielten; Fürsten gegenüber war er der Fürst, der auf allen Gebieten seine Macht zu wahren und zu mehren hat. Wie in der Eidgenossenschaft, so gingen auch im Reich Gerüchte von Rüstungen und arglistigen Plänen der Gegner um. Beide Parteien versahen sich des Schlimmsten voneinander. Aufregenden Nachrichten Glauben schenkend, ließ sich der Landgraf zu einem Angriff auf die Bischöfe von Bamberg und Würzburg hinreißen; nachdem die Nachrichten als unbegründet erwiesen waren, verlangte und erhielt er von den hilflosen Bischöfen eine große Summe als Entschädigung für die von ihm aufgewendeten Kriegskosten. Ob nicht der Schatten Sickingens vor ihm aufstieg und ihn mahnte? War er nicht auch ein Landfriedensbrecher, als welchen er jenen bis in den Tod verfolgt hatte? Wie tief hatte die jagende Zeit die beiden frühen Freiheitskämpfer in die Vergessenheit des Grabes gleiten lassen! Es war nicht die Art des Landgrafen, zurückzublicken. Ohne Bedenken ließ er sich Hilfsgelder von Frankreich zahlen, sah er sich nach Bundesgenossen um für den Fall, daß es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung käme. Diese Kampfesfreudigkeit verband ihn mit Zwingli, der ihn als Theologe ganz besonders befriedigte und an staatsmännischer Begabung ihm ähnlich war, wenn man darunter die Fähigkeit verstehen will, mit Umsicht kühne Pläne zu entwerfen und vorzubereiten und für die Ausführung auf die Gunst des Glückes zu hoffen.

In die auf allen Seiten erhitzte Stimmung fiel der Reichstag zu Speyer. Schon als Ferdinand, um die Tagung zu leiten, ins Reich kam, besorgten die Städte, wo er unterwegs sich aufhielt, eine Überrumpelung. Kurz vorher hatten Straßburg und Basel die Messe abgeschafft; Erasmus verließ die Stadt, die ihm lieber als jede andere war, und begab sich nach Freiburg. Memmingen wurde wegen seiner evangelischen Haltung aus dem Schwäbischen Bund ausgestoßen, Straßburg wurde aus dem gleichen Grunde sein Sitz im Reichsregiment abgesprochen. Die kaiserliche Proposition, mit der Ferdinand Mitte März 1529 den Reichstag eröffnete, forderte zuerst Hilfe gegen die Türken, dann in schroffer Weise Einhaltung des Wormser Edikts. So sicher fühlte sich die Krone, daß sie die dringend notwendige Türkenhilfe in Anspruch nahm, ohne den evangelischen Ständen Zugeständnisse zu machen. Der Kaiser, hieß es, habe jetzt, nachdem ein gutes Verhältnis zum Papst hergestellt sei, begründete Hoffnung, daß bald ein Konzil berufen werde, auf welchem die kirchlichen Dinge geordnet werden würden. Bis dahin sollten alle gewaltsamen Säkularisationen und Verleitung zum neuen Glauben unter Acht und Aberacht gestellt werden. Der Abschied des letzten Reichstages, wonach sich jeder Stand in kirchlichen Angelegenheiten so verhalten solle, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne, unter dessen Schild sich das Evangelium in den drei besten Jahren hatte ausbreiten können, dieser Abschied wurde ausdrücklich aufgehoben. Ein Ausschuß, darüber zu beraten, wurde eingesetzt, in dem die Katholiken, wie auf dem Reichstage überhaupt, weit überwogen. Sie machten den Vorschlag, diejenigen Stände, die die Neuerung bereits eingeführt hätten, sollten bis zum Konzil dabei bleiben dürfen, doch sollten sie gehalten sein, die Messe in ihrem Gebiet zu dulden. Die Sekten, welche dem hochwürdigen Sakrament und wahren Fronleichnam und Blut Christi entgegen wären, sollten nirgendwo zugelassen sein. Damit waren die Zwinglianer und die Wiedertäufer gemeint. Es war ein Versuch, die evangelische Partei dadurch zu trennen, daß man der einen eine verhältnismäßige Duldung gewährte, die anderen gänzlich unterdrückte. Noch glückte der geschickte Zug nicht. Eine Minderheit von Fürsten und Städten verwarf das Bedenken des Ausschusses und erklärte, bei dem Reichstagsabschied von 1526 bleiben zu wollen. Die Altgläubigen meinten gesiegt zu haben, hatte sich doch eine Mehrheit von Städten, und auf diese Geldmächte wurde großes Gewicht gelegt, ihnen angeschlossen. Ferdinand war im Begriff, den Reichstag zu beendigen, indem er die Vorlage für verbindlich erklärte, da faßten angesichts der Gefahr einige evangelische Stände einen raschen Entschluß. Nach kurzer Beratung kehrten sie in den Saal zurück und überreichten eine schnell abgefaßte Protestation und Appellation gegen den Abschied, der ohne ihre Einwilligung versiegelt sei und sie deshalb nicht verpflichte. Einen ausführlichen Schriftsatz ließen sie folgen, in dem sie erklärten, daß sie, obwohl dem Kaiser unwandelbar ergeben, doch dem Abschied nicht gehorchen wollten, da der vorige durch einmütige Vereinigung und nicht durch Mehrheitsbeschluß zustande gekommen sei und deshalb auch nur durch einhellige Bewilligung aufgehoben werden könne, »zusamt dem«, so hieß es in dem Schriftstück, »daß auch ohne dies in den Sachen Gottes Ehre und unser Seelen Heil und Seligkeit belangend ein jeglicher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben muß, also daß sich des Orts keiner auf anderer, minderes oder mehreres, Machen oder Beschließen entschuldigen kann.«

Sie hätten sich mit der Berufung auf die rechtliche Unanfechtbarkeit des Speyerer Abschieds von 1526 begnügen können; aber sie fügten der weltlichen Begründung ihres Handelns die göttliche hinzu, weil sie von ihr aufrichtig erfüllt waren, aus ihr den Mut zu ihrer Tat schöpften. Man tut ihrem Andenken Unrecht, wenn man annimmt, daß auch der Vorteil, den die Reformation ihnen gebracht hatte, insbesondere durch die Einziehung der Kirchengüter, bei ihrem Entschluß ins Gewicht fiel und daß sie doch keine Heuchler waren. Einem Manne, der ein reiches Mädchen heiratet, darf man wohl glauben, daß er sie liebt, wenn er sie auch, im Fall sie arm gewesen wäre, nicht geheiratet hätte. Die Selbstsucht haftet dem Menschen so wesentlich an, daß auch seine Gefühle echter Hingebung und Opferwilligkeit nicht ganz frei von ihr sind. In diesem schicksalvollen Augenblick überwog sicherlich bei den Anhängern des Evangeliums die Frömmigkeit. Sie waren sich bewußt, daß sie von der Acht getroffen werden konnten, daß die Menge der Gegner sie wahrscheinlich überwältigen werde, daß sie auf ihren Untergang gefaßt sein mußten; aber sie wollten das lieber ertragen, als das Wort Gottes preisgeben. Ihre Herzen waren voll von dem Schall der großen Bibelworte, die sie zu lesen und zu hören gewohnt waren: Wer mich bekennt, den werde ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Solche Sprüche hatten mehr Wirklichkeit für sie als die Reichstagsabschiede. Die Protestation war unterzeichnet vom Kurfürsten Johann von Sachsen, dem Markgrafen Georg von Brandenburg-Bayreuth, dem Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, dem Landgrafen Philipp von Hessen, dem Fürsten Wolfgang von Anhalt. Dazu kamen 14 Städte, darunter Konstanz, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Nürnberg, Straßburg, Ulm. Neben dem Landgrafen Philipp waren der Stättmeister von Straßburg, Jakob Sturm, und der Vertreter Nürnbergs, Kren, am meisten für entschlossenes Handeln eingetreten.

Seit diesem Reichstag erhielten die Neugläubigen den rühmlichen Namen der Protestierenden oder Protestanten. Wenn der Name Evangelische auf das Evangelium der Liebe und den Erlöser Christus hinwies, so zeigte der neue Name die stolze Gesinnung, die das Gewissen Gott, aber keinem menschlichen Zwange unterwirft. Die Unterzeichner der Protestation hatten öffentlich und ausdrücklich das entscheidende Merkmal des neuen Glaubens vorgewiesen, das Recht und die Pflicht ihres Glaubens ausgeübt, in jeder menschlichen Beziehung die Beziehung zu Gott vorzubehalten und die Folgen zu tragen.

Es kann in Erstaunen setzen, daß die Reformation mit dem kühnen Schritt der Protestierenden nicht durchaus einverstanden waren. Melanchthon, der sehr unter der Trennung der Nation und der Auflehnung gegen den Kaiser litt, war aufs schmerzlichste bewegt. Luther, der sich im Gegensatz zu Zwingli und seinen Anhängern wußte, mißbilligte dazu noch das gemeinsame Vorgehen mit diesen. Beide waren in Sorge vor neuen, unbedachten Schritten des feurigen Landgrafen.

Der Ausbruch des Krieges schien bevorzustehen. Man wußte, daß der Kaiser nach langer Abwesenheit ins Reich kommen wollte, befestigt in seiner Macht durch den Friedensschluß mit Frankreich und dem Papst; ohne Zweifel hatte er nun die Absicht, die Lutherei gründlich abzustellen. In aller Heimlichkeit verständigte sich Philipp schon in Speyer mit einigen Städten. Die Städte verfügten über Geld, über Geschütze und eine ausgesprochen evangelisch gesinnte Bevölkerung; sie auf seiner Seite zu haben, war ein bedeutender Vorteil. Der Landgraf sah ein, daß es vor allem notwendig war, den Gegensatz zwischen Luther und Zwingli auszugleichen, damit alle Evangelischen, namentlich alle Städte, zu einer Macht zusammengefaßt werden könnten. Neigte doch eine Anzahl gerade der mächtigen oberdeutschen Städte, wie der Landgraf selbst zur Lehre Zwinglis.

In der Verwerfung der Messe als Opferhandlung stimmten Luther und Zwingli überein. Beide teilten das Abendmahl in beiderlei Gestalt aus, indem sie die Einsetzungsworte Christi nach dem Evangelium des Matthäus der Abendmahlsfeier zugrunde legten. Auch verwarfen sie beide die von der Kirche gelehrte Transsubstantiation, wonach unter dem Wort des Priesters das Brot sich in den Leib des Herrn verwandelt, so daß nur die Akzidenzien als Farbe, Gestalt, Geschmack bleiben. Luther verwarf aber diese Lehre deshalb, weil er sie für gekünstelt und nicht durch die Einsetzungsworte gerechtfertigt fand, die eine Verwandlung überflüssig machen; Zwingli verwarf sie, weil er überhaupt nicht glaubte, daß irgendwelches Brot und Wein, Fleisch und Blut, Christi sein könnte, sondern das Abendmahl als eine Gedächtnisfeier ansah, wobei er sich auf die Worte Christi berief: »Solches tut zu meinem Gedächtnis.« Gelegentlich hat er es mit der Gedächtnisfeier der Glarner für die Schlacht bei Näfels verglichen. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß eine Menge Menschen, auch Priester, an die Identität von Brot und Wein mit dem Fleisch und Blut Christi niemals ernstlich geglaubt hatten. Zwingli sprach die Meinung vieler aus, wenn er sagte, daß hier ein Wunder vorliegen würde, das dem Verstande widerstrebe, und dessen Zweck nicht ersichtlich sei. Als er nach dem Beispiel eines nordischen Theologen das Wort »ist« in den Einsetzungsworten durch das Wort »bedeutet« ersetzte, traf er das, was allen einleuchtete. Es fehlt in der Bibel nicht an Beispielen figürlicher Rede, wo etwa Christus sich den Weinstock oder die Rebe oder das Brot des Lebens nennt, die Zwingli zugunsten seiner Ansicht anführen konnte. Luther flößte diese Auffassung Schrecken ein. An diesem Punkte wurde es deutlich, wie die Religiosität sich verändert hatte, so daß auch gute und fromme Leute den Unterschied von Religion und Sittenlehre oder Religion und Philosophie nicht begriffen. Mit dem Aberglauben und dem sinnlosen Wunderglauben, der sich in die alte Kirche eingeschlichen hatte, wollten sie das Wunder überhaupt, das Übermenschliche und Unbegreifliche abschaffen. Was Luther entsetzte, war nicht nur, daß man Christi Worte nicht einfach gläubig hinnahm, wie sie gesprochen waren, daß man sich sträubte, Wunder zu glauben, es war das, daß man die Religion zu einem Gedankenwerk machen wollte, daß man die Wirklichkeit Gottes und sein Einswerden mit dem ganzen körperlich-geistigen Menschen und die Verwandlung des ganzen Menschen in göttliches Wesen leugnete. Dies war der Punkt, wo sich jenseitige Wirklichkeit zur diesseitigen herabließ; wer nicht glauben konnte, daß göttliches Wort als Fleisch und Blut im Brot und Wein den Menschen zur Vergebung der Sünde speise, der konnte auch nicht glauben, daß das göttliche Wort zur Vergebung der Sünde in Christus Fleisch geworden und zur Erde herabgestiegen sei. Glaubte Zwingli überhaupt, daß Christus Gott ist? Glaubte er an einen anderen Gott als das absolute Sein, das übrigblieb, nachdem von allem Sinnlichen abgesehen war?

Luther war fest entschlossen, seine Auffassung vom Abendmahl nicht preiszugeben. Er haßte Zwingli, der unter dem Schein evangelischer Frömmigkeit seine freigeisterische Lehre verbreitete. Er zählte ihn den Wiedertäufern zu, die überall verfolgt und hingerichtet wurden, weil auch er, so meinte Luther, alles auf seinen Geist abstelle und von dem geoffenbarten Gott nichts halte. Andererseits dachte er doch auch so praktisch, daß er den Landgrafen nicht gern verstimmen wollte, und wiederum wußte er, daß es ihm schwer wurde, dem gesellig Liebenswürdigen, im persönlichen Umgang hart zu bleiben. Als die Einladung des Landgrafen, an einem Religionsgespräch zur Ausgleichung der Verschiedenheiten in der evangelischen Lehre teilzunehmen, an ihn gelangte, wäre es ihm lieb gewesen, wenn der Kurfürst ihm die Reise verboten hätte. Anders Zwingli, der dem Landgrafen sofort antwortete, er werde kommen, selbst wenn der Züricher Rat aus Sorge um seine Person ihm die Reise verbieten sollte. Er dachte hauptsächlich daran, daß er mit dem Landgrafen und anderen evangelischen Staatsmännern seine kriegerischen Pläne ausarbeiten könnte, freute sich auch wohl darauf, den Landgrafen persönlich kennenzulernen, der ihm mit so unbefangener Wärme entgegengekommen war. Luther war gequält von dem Streit menschlicher Rücksichtnahme und der göttlichen Wahrheit, die auf Erden zu verkündigen sein Auftrag war. Wie Gideon die Sonne stillstehen hieß, damit die Schlacht gewonnen werden könne, wollte er den mächtigen Strom der Zeit, der der Gottesferne zustrebte, aufhalten und die Erkenntnis des lebendigen Gottes wieder anfachen.

Es war eine ansehnliche Gesellschaft, die Philipp im Herbst 1529 auf seinem Schloß in Marburg über der schlanken, seiner Ahnfrau, der heiligen Elisabeth geweihten Kirche, versammelt hatte, so eifrig und achtlos seiner selbst um seine Gäste besorgt, daß Luther später sagte, er sei wie ein Stallknecht einhergegangen, so daß ihm niemand den Fürsten hätte ansehen können. »Und ging doch«, setzt er herzlich hinzu, »mit großen, hohen Gedanken um.« Von Sachsen waren die Theologen Luther, Melanchthon und Justus Jonas gekommen; Zürich und die oberdeutschen Städte hatten auch Staatsmänner mitgeschickt, da es für sie sich gleichzeitig um ein etwaiges politisches Bündnis handelte. Die Straßburger Theologen Butzer und Hedio begleitete Jakob Sturm, von Basel kam der allerseits geliebte und bewunderte Oekolampad, von Philipps Theologen waren der Franzose Lambert und Schnepf anwesend. Der Landgraf hatte es Luther weislich verschwiegen, daß Zwingli selbst erscheinen würde: man durfte also wohl besorgt sein, wie die Begegnung verlaufen würde. Indessen waren die Herren doch so an Förmlichkeiten gewöhnt, daß sich alles zunächst glatt abwickelte; man machte sich gegenseitig Besuche und sagte sich Artigkeiten. Am 1. Oktober morgens um 6 Uhr begannen die Sitzungen, und zwar nahm man zuerst die weniger heiklen Gegenstände vor. Zwingli war in der hohen Stimmung des Siegers: die fünf Orte hatten sich unterworfen, hatten die Urkunde des österreichischen Bündnisses ausgeliefert, hatten sogar versprochen, Lästerungen des Evangeliums in ihrem Gebiet nicht zu erlauben. Wenn der günstige Augenblick erfaßt würde, hoffte er, daß der Widerstand der Altgläubigen auch im Reich und vielleicht sogar jenseits des Reiches, in Frankreich, zusammenbrechen würde. Luther war überrascht, daß sich Zwingli in bezug auf die Dreieinigkeit und die Gottheit Christi zufriedenstellend vernehmen ließ. Wie alle diejenigen, die das Ethische für das Wesentliche in der Religion ansehen, das Sakral-Mystische für etwas Zufälliges, historisch Bedingtes, war er duldsam in den dogmatischen Fragen. Einzig in der Abendmahlsfrage war er hartnäckig, denn er hatte sich eingehend damit beschäftigt und glaubte, daß Luther in einem schädlichen, häßlichen, beinah komischen Aberglauben befangen sei, den man dem Gebildeten nicht zumuten, zu dem man das Volk nicht verleiten dürfe.

Es ist bekannt, daß Luther während einer Sitzung die Tischdecke zurückschlug und mit Kreide die Worte » Hoc est corpus meum« auf die Tischplatte schrieb. Das Wort »ist« setzte er wie einen unübersteiglichen Block in die Verhandlungen, um damit jede Verständigung unmöglich zu machen, so daß den Zuhörern, denn es führten immer nur zwei das Gespräch, das aussichstlose Hämmern auf den Worten »ist« und »bedeutet« schließlich langweilig wurde. Zwingli selbst war überzeugt, Luther in die Enge getrieben und überwunden zu haben, was dieser nur aus Hochmut und Eigensinn nicht zugeben wolle. In Wahrheit war Luthers Genialität in der Auffassung des Göttlichen Zwingli unendlich überlegen. Gerade die große Schrift über die Abendmahlsfeier, die 1527 erschien, gewährt einen Einblick in die Großartigkeit seines anschauenden Denkens und die ganze Unzulänglichkeit von Zwinglis Betrachtung der Frage. Zwinglis Verachtung des Standpunktes der Gegner, als wären sie nicht besser als Menschenfresser, weil sie Christi Fleisch verzehren wollten, verrät eine grobmaterielle Auffassung, die Luther fernlag. Seine Begründung, Christus könne nicht im Brot und Wein sein, weil er zur Rechten Gottes sitze, war so kindisch, daß die hinzugesetzten philosophischen Schnörkel sie nicht diskussionsfähiger machten. Die Abschnitte in Luthers Schrift, wo er solche Unterstellungen zurückweist, gehören zu den herrlichsten Phantasien über das Wesen des Göttlichen, die er in Worte gefaßt hat. Er sah die ewige Kraft wirken über allen Geschöpfen und in allen Geschöpfen von den Sternen zu seinen Häupten bis zum Kraut zu seinen Füßen, er sah sie aufglühen in der menschlichen Sehnsucht, ihr zu begegnen, er war sich ihrer unendlichen Ferne, Unbegreiflichkeit und Unzugänglichkeit bewußt und fühlte sie in der Nähe seines Herzens. In seinen Worten spiegelte sich das Geheimnis der Trinität, des Einzelnen in seiner Beziehung zum Ganzen, das zugleich Person und All und die Einheit von beiden ist. Was Zwingli dem entgegenzusetzen hatte, war trocken und eng, aber es war verständig und kam der Fassungskraft der Menschen entgegen. Seine scharfe Trennung des Menschlichen und Göttlichen in Christus, auf die er sich berief, bedeutete im Grunde ein Beiseiteschieben des Göttlichen, worauf der Mensch Christus übrigblieb. Nur als Mensch konnte er dem Menschen Lehrer und Vorbild sein, und das war, worauf es Zwingli ankam.

Zu seinem Kummer mußte sich der Landgraf überzeugen, daß es unmöglich war, das Abendmahl betreffend, eine Formel zu finden, auf die die beiden Reformatoren sich hätten einigen können. Um aber doch eine Frucht des Gesprächs zu gewinnen, setzte er es durch, daß ein Verzeichnis aller Punkte zusammengestellt wurde, in denen die anwesenden Geistlichen übereinstimmten; es waren alle mit Ausnahme des Abendmahls. Luther war nicht zufrieden damit; denn er empfand, daß der wesentliche Unterschied in seiner und Zwinglis Auffassung sich ebensowohl auf die anderen Punkte bezog, wenn auch Zwingli sich darin teils nachgiebig zeigte, teils in einem gewohnten Geleise sich bewegend, die Verschiedenheit nicht bemerkte. Luther faßte den Eindruck, der sich ihm aufgedrängt hatte, in die Worte: »Ihr habt einen anderen Geist als wir.« Um dieses anderen Geistes willen glaubte er Zwingli nicht als Bruder betrachten zu dürfen. Einen bitteren Beigeschmack hatte die Scheidung dadurch, daß die Reichsgewalt den Anhängern Luthers bis zu einem gewissen Grade Duldung gewährte, die Zwinglis als offenbare Ketzer verwarf. Indem Luther von sich aus eine Trennung vollzog, schien er aus dem Urteil der Altgläubigen Vorteil ziehen zu wollen, schien er einen Teil der evangelischen Brüder zu verleugnen, um sich bei den Feinden beider, den Anhängern des Antichrists, beliebt zu machen. Seine Feinde konnten sagen, er habe ja auch die Bauern preisgegeben, um selbst ungefährdet zu bleiben. Melanchthon waren berechnende Gedanken nicht ganz fern.

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