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Die Wiedertäufer

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Inhaltsverzeichnis

Während Zwingli in der Abendmahlslehre sich von Luther trennte und den hohen Wert, den Luther diesem Sakrament beilegte, für eine päpstlich rückständige Gewohnheit hielt, in der Luther steckengeblieben sei, stimmte er in bezug auf die Taufe mit ihm überein. Im Grunde freilich war auch sie für ihn kein Sakrament, sondern ein Abzeichen; aber er ließ das auf sich beruhen. Nun bildete sich eine evangelische Sekte, die die Taufe kleiner Kinder für sinnlos hielt; denn in der Schrift heiße es: wer da glaubet und getauft wird, wird selig werden, neugeborene Kinder aber nicht glauben könnten. Außerdem werde in der Heiligen Schrift, der Quelle des evangelischen Glaubens, die Taufe nur an Erwachsenen, nicht an Kindern vollzogen. Den Reformatoren, die durch diese Bemerkungen in Verlegenheit gesetzt werden mußten, kam Luther mit einer tiefsinnigen Behauptung zu Hilfe. Wenn Glauben Empfänglichkeit für das Göttliche sei, sagte er, warum dann kleine Kinder nicht sollten glauben können? Vielleicht hätten sie mehr Glauben als die Erwachsenen. Ferner legte er Gewicht auf die Paten des Kindes, die mit ihrem Glauben für den seinigen einträten. Hier bewährte sich sein Gedanke vom mystischen Körper der Kirche. Wie er überzeugt war von der Wirkung des Gebetes für andere und, wenn er an schwermütigen Stimmungen litt, seinen Freunden vorwarf, daß sie nicht für ihn beteten, meinte er auch, daß der Glaube der Paten etwa mangelnde Glaubensfähigkeit des Kindes ausgleichen könne. Zwingli begnügte sich damit, daß die Taufe der Christen an die Stelle der israelitischen Beschneidung getreten sei, die man an Kindern vollzogen habe. Immerhin, da die Taufe zur Zeit Christi und der Apostel in der Tat an Erwachsenen vollzogen wurde, hätte ein Festhalten daran Evangelischen nicht als unleidliche Ketzerei zugerechnet werden sollen. Wenn die Wiedertäufer von Katholiken und Protestanten als der Abschaum der Menschen verworfen und verfolgt wurden, wenn unter dem Namen der Wiedertäufer alles zusammengefaßt wurde, was den Bau der Gesellschaft zerstört, so kann das nicht wohl durch den Gebrauch der Erwachsenentaufe erklärt werden. Etwas Unverständliches bleibt wohl in dem zahlreichen Auftauchen der Wiedertäufer bei Beginn der Reformation wie in der Abscheu, die sie erregten. Zum Teil ließen sich die Wiedertäufer auf eine Sekte zurückführen, die in der vorreformatorischen Zeit sich den Vorschriften der katholischen Kirche äußerlich fügten, in ihrem Denken und Handeln aber an das Evangelium hielten und durch die Nachfolge des Erlösers, soweit das der schwachen Kraft des Menschen möglich ist, das Heil zu erlangen suchten. Man nannte sie Evangelische und neuerdings Alt-Evangelische. Es war eine Richtung, die sich an Meister Eckhardt, Suso und Tauler und an die ›Brüder vom gemeinsamen Leben‹ anschloß, aber auch mit waldensischen und hussitischen Elementen vermischt war. Staupitz lebte in diesem Gedankenkreise und hatte auch Luther dafür gewonnen. Die im Dunkel und unter steten Gefahren lebenden Waldenser wurden zusammengefaßt durch wandernde Apostel, die durch Handauflegung geweiht wurden, und von denen man glaubte, daß sie auf diese Art mit der ältesten christlichen Zeit verknüpft seien. In manchen Sekten unterschied man drei Gruppen von Gläubigen: Anfangende, Wachsende und Vollendete, eben die Apostel. Diese durften nichts besitzen und waren auf die allerbescheidenste Lebenshaltung verpflichtet. Die Befolgung der Gebote Christi und die Notlage, in der diese Sekten sich befanden, brachte es mit sich, daß sie nicht kämpfen wollten, sondern gelassene Ergebung in das Leiden für ihre Aufgabe hielten. Ihre großartige Haltung im Martyrium erregte selbst bei ihren Feinden Bewunderung. Sie bequemten sich äußerlich der Kirche an, weil sie sonst ja nicht hätten bestehen können; dabei gewöhnten sie sich daran, alle Gebräuche, auch die, welche mehr als Zeremonien waren, für nebensächlich zu halten. Für sie war das Neue Testament, auf das sie sich hauptsächlich bezogen, so einfach, daß ein Kind es verstehen konnte, was auch Luther zuweilen behauptete; denn sie beschäftigten sich mit dem Beispiel Christi und mit denjenigen seiner Worte, die brüderliche Liebe der Menschen untereinander oder Geduld im Leiden empfahlen. Daß sie Glaubenszwang verwarfen, versteht sich von selbst.

Was für eine Erschütterung mußte über diese Kreise kommen, als ihnen plötzlich durch das erfolgreiche Auftreten Luthers ein Weg ins Licht sich öffnete. Das nächstliegende war für sie, sich an Luther anzuschließen; aber da ergab es sich bald, daß sie in wesentlichen Punkten nicht mit ihm übereinstimmten. Schon Staupitz hatte sich von Luther abgewandt, weil er die Lehre über das Leben stellte; seitdem hatte sich dieser Unterschied noch verschärft. Ihnen war das Dogmatische bei Luther zuwider, da viele von ihnen an eine Offenbarung Gottes außerhalb der Bibel, nämlich im Geiste, das sogenannte innere Wort glaubten, Luther dagegen wollte von diesen persönlichen Offenbarungen, die nur zu oft bares Gefasel waren, nichts wissen und lehnte die Überwachung und den Zwang im täglichen Leben ab, den manche dieser verborgenen Heiligen untereinander ausübten. Immer waren viele ihrer Mitglieder Handwerker gewesen, wohlmeinende, etwas enge, manchmal stiere Leute, denen sich nun ähnlich geartete, die das Luthertum nicht befriedigte, anschlossen. Eine schriftliche Überlieferung hatten die alten Sekten nicht, eigentlich organisiert waren sie auch nicht, so kam es, daß sich große Verschiedenheiten unter ihnen herausbildeten. Weil sie fast alle nicht Kinder, sondern Erwachsene tauften, nannte man sie mit einem unrichtigen Ausdruck Wiedertäufer; aber diese Benennung bezeichnete allerlei Richtungen und Menschenarten. Einige wollten ein Gottesreich von lauter Gerechten errichten, aus dem jeder Sünder ausgeschieden werden sollte, bis er Buße getan hätte, einige verwarfen den Eid und erlaubten den ihrigen nicht, das Schwert zu führen und ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden, einige waren friedlich, wollten abseits von der Welt ein Leben wie die Urchristen führen, andere wollten die Gleichheit, die sie für ein Gebot Gottes hielten, mit Gewalt durchsetzen.

Für die vorreformatorischen, in der Verborgenheit lebenden Sekten hatte sich die Lage der Urchristen insofern wiederholt, als sie ihrer Meinung nach zwischen herrschenden Heiden oder Irrgläubigen lebten. Sie hatten natürlich keine pietätvolle Beziehung zur Obrigkeit, wenn sie auch offenen Widerstand nicht wagen konnten. Die Nichtachtung der Obrigkeit im Vergleich mit den Offenbarungen Gottes in der Schrift oder im eigenen Geiste lag daher diesen Kreisen nahe, und sie konnten, um sich zu rechtfertigen, auf manche Äußerungen Luthers in bezug auf katholische Obrigkeiten hinweisen. So kam es, daß der Verdacht aufrührerischen Wesens ihnen anhaftete. Melanchthon tadelte, daß sie einen Teil der bürgerlichen Pflichten, zum Beispiel die Eidesleistung, ablehnten; er meinte, das werde schließlich zum Aufruhr führen. Zwingli sagte in bezug auf ihre Forderung eines heiligmäßigen Lebens und ihre Abtrennung von der Welt, sie wollten das katholische Mönchswesen wieder einführen. »Sie haben es meist leicht«, sagte er, »der Freuden dieser Erde sich zu enthalten, da sie der Hefe des Volkes angehören. Könnten sie, wie sie wollten, sie würden Sardanapal und Heliogabal hinter sich lassen, jetzt aber machen sie aus ihrer Niedrigkeit sich einen Adel zurecht.« Es war ein liebloses Urteil, das manche traf, und die Erfahrung sollte zeigen, daß die strenge Enthaltsamkeit und gelobte Friedfertigkeit in zügellose Genußsucht und Gewalttätigkeit umschlagen konnte, aber es traf doch nicht alle; es waren, wie Butzer zugestand, echte Kinder Gottes darunter. Das Ausschlaggebende, das, was am meisten gegen sie aufbrachte, war die Gütergemeinschaft, die bei ihnen im Schwange war. Um eine eigentliche Gütergemeinschaft, so daß gar kein Privateigentum geduldet wäre, handelte es sich dabei nicht, sondern um einen begrenzten Verzicht auf das Eigentum zugunsten der Bedürftigen. Es ist die Art des Menschen, daß er durch nichts so verletzt werden kann, als wenn sein Eigentumsrecht angegriffen wird; er läßt im allgemeinen lieber sein Leben als seinen Besitz. Vielen war und ist die Religion und im besonderen das Christentum deshalb teuer, weil Gott mit seinem Gebot: »Du sollst nicht stehlen« das Eigentum beglaubigt hat. Schon den Bauern hatte man nachgesagt, sie wollten die Gütergemeinschaft einführen, zum Teil im guten Glauben, zum Teil, um ihnen das Ärgste und Unverzeihlichste vorzuwerfen. Sowie die Wiedertäufer in den Ruf kamen, sie wollten mit den Reichen teilen, gab es keine Gnade mehr für sie. Freilich waren unter ihnen wirklich unruhige, verworrene, trübe Köpfe, die in der vorreformatorischen Zeit als eine in Dunkel versteckte Winkelsekte nicht gefährlich werden, die aber in der Öffentlichkeit sich als Unheilstifter, mindestens Ruhestörer erweisen konnten.

Es war nicht ganz leicht für die evangelischen Reformatoren, diese Sekten, die mit dem Christentum Ernst machen wollten, zu widerlegen, aber allmählich zogen sie Beweise aus ihrem System, um sie planvoll zurückzuweisen. In einer Schrift über göttliche und menschliche Gerechtigkeit erklärte Zwingli, daß nach der göttlichen Gerechtigkeit, die lauter und schön sei, der Christ allerdings, wenn man ihm den Rock nehme, auch den Mantel geben solle; weil aber viele Menschen Gott nicht liebten, ja nicht einmal an Gott glaubten, müsse um der Bösen willen die arme, mängelvolle menschliche Gerechtigkeit auf den Plan treten, die zwar, wenn man ihre Gebote halte, vor Gott nicht gerecht mache, aber doch von Gott geordnet sei. Der evangelische Prediger müsse zwar die göttliche Gerechtigkeit predigen, zugleich aber verlangen, daß man sich der menschlichen unterwerfe. Man kann auch sagen: die Christen sollten das Salz der Erde sein; aber man kann nicht von eitel Salz leben.

Ein Konflikt zwischen den wiedertäuferischen Sekten und den Reformatoren war unvermeidlich. Da sie sich anfänglich in der schweizerischen Eidgenossenschaft ansammelten, ließ Zwingli sich zunächst in Gespräche mit ihnen ein und veranstaltete dann auf ihren Wunsch eine Disputation im Großmünster, zu der ein großer Zulauf war. Indessen behaupteten die Wiedertäufer, daß Zwingli immerfort rede und sie nicht zu Worte kommen lasse, und bei der Art des Gegensatzes war es wohl so, daß sie nicht ganz unrecht hatten; warfen sie ihm doch vor, daß er die Kirche der Obrigkeit unterworfen habe. Nach der letzten großen Disputation nahm der Rat an, daß die Wiedertäufer besiegt seien und verbot ihnen bei Strafe der Hinrichtung, im zürcherischen Gebiet die Wiedertaufe vorzunehmen. Da sich Felix Manz nicht unterwerfen wollte, wurde er im Jahre 1527 ertränkt; er war ein Freund Zwinglis gewesen. Es begann nun eine Verfolgung ohnegleichen, am schärfsten in den katholischen Ländern. Die meisten Fürsten gaben sich nicht die Mühe, in die Ansichten der Wiedertäufer einzudringen; daß sie von der Regel abwichen, daß man ihnen Auflehnung gegen die Obrigkeit nachsagte, genügte ihnen, um sie Verbrechern gleichzustellen. Nur wenige wußten die stillen, fleißigen Arbeiter, als die sie sich erwiesen, wenn man sie gewähren ließ, zu schätzen: in Mähren fanden sie Zuflucht und gediehen als willkommene Siedler. Überall sonst floß ihr Blut in Strömen: in Görz und Tirol wurden im Jahre 1531 tausend Hinrichtungen vollzogen. Immerhin befahl ein kaiserliches Mandat, die Bereuenden zu begnadigen, während der Herzog von Bayern entschied: wer widerruft, wird enthauptet, wer nicht widerruft, wird verbrannt. Nur wenige widerriefen. Wenn der Mut für die Überzeugung zu sterben den Menschen Wert gibt, so haben sie sich ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie gingen bewußt, aufrecht in den Tod, der oft durch Martern verschärft wurde.

In dieser schreckensvollen Zeit der Verfolgung schwand vollends dahin, was noch von alter Überlieferung und Ordnung in diesen Sekten gewesen war. Anstatt der durch Handauflegung berufenen Apostel traten Propheten auf, die durch das unmittelbare Wort des Herrn beauftragt zu sein behaupteten. Einer von ihnen war Melchior Hofmann, der sich eine Zeitlang in Straßburg aufhielt und von dem beredten und klugen Butzer in einer Disputation besiegt wurde. Schön sagte einer von den Täufern: meine Zunge könnt ihr bezwingen, Gott aber bezwingt mein Herz. Mit Disputationen konnte vollends nichts ausgerichtet werden, wenn ein Teil nur die Heilige Schrift als Maßstab gelten ließ, der andere nicht. Das war auch der Fall bei dem Propheten Mathys, einem Bäcker aus Haarlem: Die Niederlande hatten von jeher Ketzer erzeugt, solche, die der römischen Kirche und ihren festen Formen und Lehren, ihrem Zeremoniell, ihrer Pracht und Weltlichkeit tiefsinnige Mystik, solche, die ihr praktische Verständigkeit und fromme Betätigung durch Wohltun entgegensetzten. Beides konnte zuweilen in schwärmerische Verstiegenheit umschlagen, besonders als die schonungslose Verfolgung die Gläubigkeit der Gequälten zum Fanatismus steigerte. Ausgewiesen und gehetzt fand Mathys mit seinen Anhängern eine Zuflucht in der westfälischen Stadt Münster, an deren schönen Dom sich alte Erinnerungen aus der Zeit des unter den Sachsen sich entfaltenden Christentums knüpfen. Es gelang den Täufern, den begabten Pfarrer Rottmann, der erst kürzlich das Evangelium in Münster eingeführt hatte, für ihre Ansichten zu gewinnen. Man ging ernstlich an die Bereitung des Gottesreiches, das zu dem bevorstehenden Ende der Zeiten überleiten sollte. Der Glaube, daß man am Ende der Zeit stehe, war damals verbreitet, auch Luther überkam er zuweilen; wenn schon die Umwälzung und Verstörung weit und breit dazu führte, um wieviel mehr mußte er sich derer bemächtigen, für die jeder Tag ein grauenvoller letzter sein konnte. Neben Mathys trat ein junger Mann, ein Schneider aus Leyden, Jan Bockelson hervor, ein schöner, sehr begabter und kühner Mensch; beide, Mathys und Bockelson, waren durch ihre Sicherheit und ihren unerschütterlichen Mut geeignet, die Menschen und namentlich die Frauen hinzureißen. Ein Teil der Münsterschen Einwohner widersetzte sich allerdings den Täufern, und eine Auseinandersetzung mit den Waffen stand bevor; da brachte der Bürgermeister, um Blutvergießen zu verhindern, eine Versöhnung zustande, wonach gegenseitige Duldung gewährleistet wurde. Als nun der Bischof von Münster, Franz von Wartenberg, sich in Bewegung setzte, um das Regiment in seiner Stadt an sich zu nehmen, bemächtigte sich Mathys der Regierung und besetzte den Rat sowie alle Ämter mit seinen Anhängern. Es waren außer einem einzigen Patrizier lauter Handwerker, jene Schicht also, die zur Sektenbildung und zu religiös gefärbtem Tugend- und Niedrigkeitszwange stets geneigt war. Bald darauf wurden im Interesse fester Zusammenfassung aller Kräfte diejenigen ausgewiesen, die sich nicht taufen lassen wollten. Trotzdem blieben an Widerstrebenden noch einige 100 Mann und 2000 Frauen zurück. Man rühmt das Geschick und die Umsicht der Regierenden, den Heroismus der gesamten Bevölkerung, dann, daß die belagerte Stadt beinah anderthalb Jahre lang, vom Februar 1534 bis zum Juni 1535 standhielt. Nachdem Mathys, bei einem Ausfall tapfer kämpfend, gefallen war, wurde Jan von Leyden sein Nachfolger. Er zog allen Besitz ein, um ihn gleichmäßig zu verteilen, und führte die Vielweiberei ein; alle Frauen mußten entweder heiraten oder sich in den Schutz eines Mannes begeben. Diese Maßregeln hingen mit den Bedürfnissen der Verteidigung zusammen, aber sie kamen auch den ausgelassenen Trieben vieler und Jan Bockelsons selbst entgegen. Die Feinde benutzten es, um die Täufer viehischen Lebens und der gottlosen Gütergemeinschaft zu bezichtigen. Den Belagerten nützte nicht nur, daß in den Truppen des Bischofs Unordnung herrschte und manche zu ihnen übergingen, sondern hauptsächlich, daß die angreifenden Stände sich nicht darüber einigen konnten, wie es mit der Stadt nach ihrer Unterwerfung gehalten werden sollte. Gemäß der Reichsverfassung mußten nämlich die benachbarten Kreise dem Bischof bei der Herstellung der Ordnung Hilfe leisten: die evangelischen wollten nicht, daß sie einem katholischen, die Städte nicht, daß sie einem Fürsten ausgeliefert würde. In der Verlegenheit wurden Vermittlungsversuche gemacht; sie scheiterten aber an Johanns unbeugsamer Weigerung, sich mit den Papisten zu vertragen. Endlich bequemten sich die Kreise zur Hilfeleistung, und da das nichts fruchtete, bequemte sich auch das Reich; aber doch brachte erst Verrat die unglückselige Stadt zu Fall. Nach dem Aufstand in Münster, der eine so lange, kostspielige Rüstung nötig gemacht hatte, nach den Ausschreitungen, die alle verketzernden Anklagen rechtfertigten, war der Haß auf die Wiedertäufer noch ärger als zuvor. Der einzige Fürst, der sich weigerte, ein Todesurteil an ihnen zu vollstrecken, war Philipp von Hessen; wenn Sektierer in seinem Lande gefangen wurden, bemühte er sich persönlich oder durch seine Geistlichen, sie durch gütliches Zureden für die Kirche zu gewinnen. Luther hatte anfänglich Mitleid mit den Verfolgten und hielt mit endgültigem Urteil zurück, weil er nicht genügend Bescheid über sie wisse, verstand sich aber schließlich doch zur Billigung von Hinrichtungen. Die Probleme indessen, die die Täufer anrührten, haben ihn zeitlebens beschäftigt. Schon im Jahre 1526 schrieb er: »Diejenigen, die mit Ernst Christen wollen sein und das Evangelium mit Hand und Mund bekennen, müßten mit Namen sich einzeichnen und abgesondert von dem allerlei Volk in einem Haus allein sich versammeln, zum Gebet, zum Lesen, zum Taufen, die Sakramente zu empfangen und andere christliche Werke zu üben. In dieser Ordnung könnte man die, so sie sich nicht christlich hielten, kennen, strafen, bessern, ausstoßen oder in Bann tun. Hier könnte man auch ein gemeines Almosen der Christen auflegen, das williglich gegeben und unter die Armen ausgeteilt würde.« Es waren täuferische Ideen, die ihn da bewegten, Erinnerungen vielleicht auch an die Alt-Evangelischen und ihren Führer Staupitz. Immer wieder hat er sich gefragt, ob es nicht möglich sei, Menschen, denen es mit der Nachfolge Christi Ernst sei, in kleinen Kreisen zusammenzufassen, wo seine Gebote eher verwirklicht werden könnten, als es innerhalb seiner Kirche möglich war. Wenn er gelegentlich ausgesprochen hat, daß es eine dreifache Kirche geben sollte, eine für die Einfältigen, Kinder und Bauern, eine für die werdenden Christen und eine für die Vollendeten, wo die Kuppel fällt, um den offenen Himmel einströmen zu lassen, so muß man an die bei Ketzern und Mystikern geltende Stufenreihe denken.

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