Читать книгу Gesammelte Werke von Ricarda Huch - Ricarda Huch - Страница 85
Der Augsburger Religionsfrieden
ОглавлениеZur Begründung seines Verhaltens führte Melanchthon an, daß man sich dem Kaiser unterwerfen müsse, damit doch wenigstens gute evangelische Pfarrer im Amte blieben und die Kirche nicht ganz veröde. Es ist der Grund, der bei Umwälzungen oder Vergewaltigungen immer von denen vorgeschützt wird, die bequemes Sichfügen dem Widerstand und seinen für sie schädlichen Folgen vorziehen. Sie verkennen, daß eine Regierung, die stark genug ist, sich gewaltsam einem Volke aufzudrängen, erst recht nicht durch die allmähliche Wirksamkeit einzelner beeinflußt wird, daß vielmehr ziemlich schnell diese einzelnen umgewandelt werden. Indessen, es dachten nicht alle wie Melanchthon. Wenn es schmerzlich ist, zu sehen, wie die Führer der Protestanten, militärische und theologische, durch Uneinigkeit, Geiz, Schwäche, Verrat die erkämpfte Glaubensfreiheit einbüßten, so verweilt man gern bei der aufrechten Gesinnung derer, die nicht wankten. Etwa 400 Prädikanten sollen ihre Stellen aufgegeben und ihr Heim verlassen haben. Brenz, der Reformator von Schwäbisch-Hall, flüchtete auf eine Warnung hin, die ihm auf der Straße gegeben wurde, ohne sich von den Seinigen zu verabschieden; er ließ seine kranke Frau zurück, die mit ihren Kindern von der Stadt ausgewiesen wurde und bald darauf starb. Butzer und sein Freund Fagius hielten sich in Straßburg unnachgiebig, bis Jakob Sturm, der einst so tapfere Städtemeister, die treuen Mitkämpfer vieler Jahre zum Wohle der Stadt ihres Amtes zu entsetzen nötig fand. Sie gingen nach England, mit dessen führenden Protestanten Butzer Beziehungen unterhielt. Die meisten Flüchtenden wurden von ihren Gemeinden, die sie liebten und verehrten, ebenso vermißt, wie sie ihren Wirkungskreis vermißten. Von den Städten hielten sich Konstanz und Magdeburg. Mit wundervollem Heroismus warf Konstanz den Überfall eines spanischen Heeres zurück, dann aber, da die katholischen Orte nicht zuließen, daß ein protestantisches Gemeinwesen in den eidgenössischen Bund aufgenommen würde, mußte die tapfere Stadt ihre Reichsfreiheit aufgeben und die österreichische Herrschaft anerkennen. Alle Prädikanten wurden ausgewiesen, der Reformator von Konstanz, Ambrosius Blaurer, der Freund Butzers und Zwinglis, hatte die Stadt schon verlassen. Ungebändigt blieb das stolze Magdeburg, die Zuflucht vieler Vertriebener und Rebellen, darunter Amsdorff, Luthers alter Freund, und Flacius, gleichfalls ein unbedingter Anhänger Luthers.
Es zeigte sich hier, wieviel besser eine entschiedene, klar ausgeprägte Überzeugung dem Unglück widersteht, als eine, die vielleicht reicher und eindringender, aber unbestimmter ist; Sicherheit und Bestimmtheit hatte auch Luther immer als das Wesen des Glaubens bezeichnet. Johann Friedrich, der von Anfang an unerschütterlich fest, bisweilen unbequem starr im Glauben gewesen war, zeigte in der Gefangenschaft eine so großartige Haltung, daß er, der so manchen Anlaß zu Tadel und Spott gegeben hatte, der Dicke, Schwerfällige, Ungestalte, nicht nur die Bewunderung der Glaubensgenossen erregte, sondern auch von den Spaniern, die ihn zu bewachen hatten, mit Ehrerbietung behandelt wurde. Das Interim lehnte er ab, da er durch Annahme eines Buches, dessen Inhalt dem Wort Gottes widerspreche, die Sünde wider den Heiligen Geist begehen würde. Als der Kaiser ihm, um ihn mürbe zu machen, seine lutherischen Bücher wegnehmen ließ, sagte er lächelnd, er habe das gelernt und bei sich, was in den Büchern stehe. Sein Gesellschafter blieb Lukas Cranach, der sich von dem ihm wohlwollenden Kaiser die Gnade ausgebeten hatte, die Gefangenschaft seines Fürsten teilen zu dürfen. Der unglückliche Philipp, eine ganz auf Tätigkeit eingestellte Natur, noch jugendlich beweglich, geriet über den Verlust seiner Freiheit in solche Verzweiflung, daß er sich erbot, das Interim anzunehmen und auch seine Untertanen dazu zu veranlassen; als der Kaiser nicht darauf einging, nahm er eine würdigere Haltung an. Gelassen sich zu fügen lag nicht in seinem Temperament; einen Fluchtversuch, den er plante, mußten die Unglücklichen, die ihm dabei behilflich gewesen waren, mit dem Tode büßen. Ein Fußfall der Königin Maria und der Landgräfin Christine, Philipps zurückgesetzter Frau, die fußfälligen Bitten verschiedener Fürsten erweichten den Sinn des Kaisers nicht; er war überzeugt, Philipp würde, was er auch etwa verspräche, sowie er frei wäre, wieder Unruhen erregen, und er wollte die unvergleichliche Stellung, die er errungen hatte, nicht gefährden lassen. Seit Karl dem Großen hatte sich kein Kaiser wieder so wie er jetzt als Herr des Erdkreises betrachten können. Als in den Jahren 1546 und 1547 nacheinander Luther, Heinrich VIII. und Franz I. starben, mochte es ihm scheinen, als habe Gott selbst ihm seine Feinde und Nebenbuhler vor die Füße gelegt. Auch Paul III. starb, der böse Greis, der ihn so oft getäuscht und umgarnt hatte, es starben Herzog Wilhelm von Bayern und sein Kanzler Leonhard von Eck, die falschen Freunde, die Ergebenheit heuchelten, während sie Ränke gegen ihn spannen, und der Thronfolger, Herzog Albrecht, war mit einer Habsburgerin verheiratet. In diesem Augenblick der Verwirklichung seines hohen Strebens beging Karl einen Fehler, zu dem ihn fast ebenso wie staatsmännische Berechnung sein Herz drängte. Er glaubte seinen Sohn Philipp zu seinem Nachfolger in der Kaiserwürde machen zu können. Das Kaisertum, ein aus dem Altertum abgeleitetes, durch uralte Weissagungen geheiligtes Weltamt, sollte zugleich ein habsburgisches Familienunternehmen werden. Sämtliche Glieder der Familie waren zu ihm berufen und mußten ihm dienen. Wenn Karl V. dies seinem Sohne zuwenden wollte, so glaubte er wohl, es durch die spanische Macht, am sichersten zu stützen; aber es trug dazu auch sein Gefühl für diesen, seinen Eltern so unähnlichen Sohn bei, auf den er die Liebe für seine verstorbene Frau übertragen hatte. Ihm wollte er auch Mailand geben, um seine italienische Stellung zu stärken; Neapel war ohnehin spanischer Erbbesitz. Er wußte, daß er dadurch seinen Bruder Ferdinand und dessen Sohn Maximilian kränkte, die sich als Herren von Österreich zum Kaisertum bestimmt glaubten, ebenso die Kurfürsten, in deren Wahlrecht er eingreifen würde, und schließlich das deutsche Volk, das seinen Sohn als Ausländer betrachtete; aber er glaubte die Schwierigkeiten durch kluge Diplomatie und durch das Übergewicht seiner Macht überwinden zu können. Sein feines Urteil versagte auch seinem Sohne gegenüber nicht; er wußte, daß er nicht geeignet war, den Deutschen zu gefallen; aber auch das, glaubte er, würde sich durch guten Rat und vorsichtiges Benehmen ausgleichen lassen. Den deutschen Fürsten zu gefallen, mußte sich Philipp sogar im Trinken üben, ohne es doch zu einem richtigen »überschwenglichen Saufen« von innen heraus bringen zu können. Auch die Höflichkeit, die er aufbrachte, glaubte man ihm nicht; er konnte nicht verhehlen, daß er ein verschlossener, versteckter, hochmütiger, gefährlicher Fremder war. Nach vielen unfreundlichen Auseinandersetzungen mit Ferdinand trafen die Brüder ein Abkommen, wonach eine zwischen den Linien abwechselnde Nachfolge verabredet wurde; aber die Besorgnisse und Unzufriedenheit der deutschen Habsburger waren nicht beschwichtigt. Auch die katholischen Fürsten wollten von Philipp nichts wissen, während Maximilian, Ferdinands Sohn, in dem ein Überschuß habsburgischer Liebenswürdigkeit und Verführungskunst zusammengeströmt war, alle Herzen gewann. Die Aussicht auf eine Nachfolge Philipps, der nun einmal Spanier war und blieb, nicht wie sein Vater auf sein edles deutsches Blut pochen konnte, brachte dem deutschen Volk zum Bewußtsein, wohin es geraten war. Die Anwesenheit der spanischen Regimenter, die Karl ins Reich geführt und noch nicht entlassen hatte, erregten allgemeinen Widerwillen. Man haßte die spanischen Soldaten wegen ihrer Habgier und Grausamkeit; sie waren in dieser Beziehung wirklich ärger als die deutschen. Dieser Haß des Volkes, dessen König Karl war, griff auf ihn hinüber: man fing an, den Fremden in ihm zu sehen. Der religiöse Gegensatz trat vorübergehend zurück vor dem nationalen Gegensatz gegen Spanien und vor den gemeinsamen Standesinteressen. Allen Fürsten war ihre Souveränität das höchste Interesse: zerfleischten sich auch die Raben untereinander, darin waren sie einig, daß sie keinen Geier haben wollten. Am meisten zum Widerstande entschlossen waren natürlich die protestantischen Fürsten, die sich am meisten gedrückt und geschädigt fühlten, von denen zwei in Gefangenschaft waren. Es waren noch nicht zwei Jahre nach Karls großem Siege verflossen, als sie auf Mittel sannen, das Joch abzuwerfen.
Es ist ein unseliges Verhängnis, daß unterdrückte Parteien sich einer feindlichen Übermacht meist nur mit ausländischer Hilfe erwehren können, die sich teuer zu verkaufen pflegt. Daher kommt es, daß oft diejenigen, die Befreier sein wollten, sich mit dem Vorwurf des Verrats beladen. Sowie nach dem Schmalkaldischen Kriege unter den deutschen Fürsten die Absicht sich regte, dem Kaiser entgegenzutreten, knüpften sie auch mit Frankreich an. Die Möglichkeit, ohne französisches Geld und französische Unterstützung selbständig vorzugehen, kam ihnen nicht in den Sinn. Die Hochzeit des Herzogs Albrecht von Preußen mit einer braunschweigischen Prinzessin gab den Anlaß zur Begegnung einiger norddeutscher Fürsten, die sich gegenseitig Hilfe gelobten, wenn sie der Religion wegen angegriffen würden: es waren außer dem Herzog Albrecht selbst Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und Markgraf Hans von Küstrin, wozu später noch zwei andere kamen. Die Verbündeten mußten den Kurfürsten Moritz als Gegner betrachten; er hatte die Exekution der Reichsacht gegen das rebellische Magdeburg übernommen und sich dadurch neuerdings als Anhänger des Kaisers und Bedränger der Protestanten gezeigt. Als er vom Entstehen des Bundes erfuhr, legte er sich die Frage vor, auf welche Seite er sich stellen wollte. In der Politik kannte er einzig das Interesse seines Landes, das heißt seine Vergrößerung, und die Sicherung seiner Macht, für diesen Zweck hielt er jede Treulosigkeit für erlaubt. Ein anderes war seine persönliche Ehre. Es war ihm vielleicht gleichgültig, daß er im Volk der Judas von Meißen genannt wurde, daß die Stände des ehemaligen Kurstaates und seine eigenen ihm mißtrauten, daß ihm etwas Anrüchiges anhaftete; aber er hatte sich für die Freiheit seines Schwiegervaters verbürgt und hatte sein Wort gegeben, falls Philipp gefangengesetzt würde, sich in Kassel bei seinen Schwägern zur Gefangenschaft zu stellen: hier hielt er seine Ehre gebunden. Er fühlte sich verpflichtet, alles zu tun, um die Freiheit Philipps, der ihm noch dazu lieb war, zu erlangen. Die Beute hatte er in Händen; also konnte er nun wieder einen anderen Weg einschlagen. Daß der Kaiser ihm seine mehrfache Fürbitte für Philipp abschlug, brachte ihn auf; überhaupt fand er sich nicht genug von ihm berücksichtigt. Er hatte außer dem größten Teil des Kurstaates auch das Erzstift Magdeburg haben wollen und es nicht bekommen; hauptsächlich aber ärgerte ihn, daß der Kaiser den Ernestinern die fürstliche Würde gelassen hatte. Solange sie Reichsfürsten waren, fühlte er sich nicht ganz sicher in seinem neuen Besitz. Er argwöhnte und wohl nicht mit Unrecht, daß der Kaiser sich die Möglichkeit vorbehielt, ihm den gefangenen Johann Friedrich entgegenzustellen. Wäre er des Kaisers und seines Raubes ganz sicher gewesen, hätte er sich eher über die offenen und versteckten Vorwürfe seiner Glaubensgenossen hinweggesetzt; da das nicht der Fall war, genügte er zugleich seinem Vorteil und seiner Ehre, wenn er im Verein mit ihnen die Waffen gegen den Kaiser kehrte. Der Kaiser glaubte, ihn benützt zu haben; er wollte zeigen, daß er den Kaiser benützt hatte, um Kurfürst zu werden. Nachdem er den folgenschweren Beschluß gefaßt hatte, verständigte er sich zuerst mit seinem jüngeren Bruder August, dann mit seinen hessischen Schwägern, die bereits mit Frankreich in Verbindung getreten waren. Heinrich II., der Sohn und Nachfolger Franz I., erklärte sich nur unter der Bedingung bereit, den protestantischen Fürsten Hilfe zu leisten, wenn ihm Gewinn an Land und der Schutz der geistlichen Fürsten im Reich zugestanden würden. Das hätte die Verbündeten stutzig machen müssen: nicht nur einen Gebietszuwachs verlangte der König, er brachte ihnen selbst zum Bewußtsein, daß er ein katholischer Fürst war, der in seinem Lande die Protestanten verfolgte. Von seinem Vater, der zuweilen den Freidenker herausgekehrt hatte, konnten sich die Deutschen einreden, er werde die Reformation annehmen oder wenigstens dulden, Heinrich II. hatte von Beginn seiner Regierung an es sich angelegen sein lassen, die Ketzerei in seinem Lande auszurotten. Dieser Umstand war den Verschworenen unlieb, schreckte sie aber doch nicht ganz ab: für sie handelte es sich jetzt in erster Linie um die Libertät, das heißt um ihre Unabhängigkeit vom Kaiser. Die offenkundige Absicht Karls, die kaiserliche Gewalt zu stärken, eine Erbmonarchie zu gründen, machte sie zu seinen entschlossenen Gegnern. Sie beklagten sich gelegentlich, daß er ihnen das Recht, mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nehmen wolle. Man kann nicht sagen, daß sie dies Recht verfassungsmäßig besaßen, sicherlich nicht, wenn es gegen Kaiser und Reich gerichtet war; aber sie übten es aus und betrachteten es als zum Begriff der Souveränität gehörend. Im Februar 1552 kam nach mehreren vorbereitenden Versammlungen das Bündnis zwischen Heinrich II. einerseits und Moritz von Sachsen, Wilhelm von Hessen und Joh. Albrecht von Mecklenburg auf dem Schlosse Friedewald bei Hersfeld zum Beschluß. Es wurde darin festgesetzt, daß der König die Städte, die von alters zum deutschen Reich gehört »und nit deutscher Sprach sein«, nämlich Cambrai, Metz, Toul, Verdun »und was derselben mehr wären« einnehme und als Vikar des deutschen Reiches behalte, doch vorbehalten die Gerechtigkeit des Reiches. Weiter hieß es, weil der König in diesem Werk nicht allein wie ein Freund, sondern wie ein treuer Vater gehandelt habe, würden die Fürsten ihm zur Erlangung seiner ihm abgewendeten erblichen Possession helfen – womit auf Artois angespielt war – keinen Kaiser wählen, der ihm nicht wohlgefalle, und sich so mit ihm verständigen, daß er sie mit Land und Leuten auf ewig beschütze. Die Kriegführenden sollten unter des Königs Wappen ausziehen, auf dem stehen solle: vindex libertatis Germaniae et captivorum principum. In dem Manifest, das die deutschen Fürsten ausgehen ließen, um ihren Angriff zu rechtfertigen, klagten sie über die viehische Servitut, die der Kaiser habe Deutschland aufdrängen wollen und führten als Beweis das Verbot auswärtigen Kriegsdienstes an, das fremde Kriegsvolk, das der Kaiser ins Reich geführt hatte, den Ausschluß fremder Gesandter vom Reichstage und den Umsturz der städtischen Verfassungen. Zu dieser Sorgfalt für die Freiheit der Städte bekannte sich auch der Feind und Verfolger der Städte, Markgraf Albrecht Alcibiades, welcher übrigens den Krieg auf eigene Faust betrieb und auch ein besonderes Kriegsmanifest erließ, in dem er als Ziel angab, die übermäßige Gewalt der Bischöfe und Prälaten zu brechen, so nämlich, daß er die Stifte, die dem deutschen Adel zum Unterhalt dienten, nicht ausrotten, sondern reformieren, das heißt weltlich machen wolle. Da König Heinrich II. die deutschen Prälaten schützen wollte, konnte dieser Punkt nicht in das Programm der mit ihm verbündeten Fürsten aufgenommen werden, obwohl auch sie es auf einige Stifte abgesehen hatten. Albrecht Alcibiades erwähnte in seinem Manifest noch die von einem Spanier verfaßte Geschichte des Schmalkaldischen Krieges, worin von den Deutschen in herabsetzender Weise die Rede sei: »Da sollte ja jedem ehrliebenden Deutschen das Herz erkalten … daß die Deutschen, die edelste und fürnehmste Nation der ganzen Christenheit also mit Unwahrheit abkonterfeit, als ob sie irgendeine barbarische, unbekannte Nation und darin ehrliche, mannhafte und adelige Tugenden unbekannt wären.« Es wäre falsch, den Landesverrat der Fürsten damit entschuldigen zu wollen, daß Bündnisse mit fremden Mächten damals im Reich als zulässig gegolten hätten: die Fürsten wußten, daß sich der Vorwurf gegen sie erhob, sie führten Franzosen und Türken ins Reich und verwahrten sich dagegen. Einzig das entlastet sie, daß der Kaiser die Deutschen mit spanischer Macht bezwungen und vergewaltigt hatte und durch seinen Sohn den spanischen Einfluß auf Deutschland noch verstärken wollte.
Die nun wieder vermehrte Türkengefahr richtete sich wie immer hauptsächlich gegen Österreich, und deshalb wünschte Ferdinand um jeden Preis Frieden mit den Protestanten, damit das Reich ihm Hilfe leiste. Überhaupt zeigten sich nun die üblen Folgen, die Karls Absicht, seinem Sohne das Kaisertum zu verschaffen, für ihn hatten; die Entfremdung der Brüder, die dadurch eingetreten war, ging so weit, daß manche glauben konnten, Ferdinand habe sich im Kriege auf die Seite der Protestanten gestellt. War das auch nicht der Fall, so vermittelte er doch, anstatt sie anzugreifen. Zuerst versuchte er den Kaiser zu bewegen, daß er Philipp aus der Gefangenschaft entlasse, auch Moritz und die anderen Fürsten taten noch einmal darauf bezügliche Schritte. Daß der Kaiser unerbittlich blieb, gab ihnen das Zeichen zum Losschlagen. Heinrich II. zog auf Metz, Toul und Verdun, Albrecht Alcibiades warf sich auf die fränkischen Bistümer, Sachsen und Hessen führten ihre Truppen nach dem Süden; der Kaiser hielt sich in Innsbruck auf. Es ist bemerkenswert, daß einige große Städte, nämlich Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Straßburg sich Moritz nicht anschlossen; Frankfurt und Ulm widersetzten sich standhaft der Belagerung. Das Mißtrauen gegen Moritz und der Unwille gegen Albrecht Alcibiades waren in diesen Kreisen so lebhaft, daß sie, obwohl in der städtischen Bevölkerung die evangelische Überzeugung am aufrichtigsten und opferwilligsten war, es vorzogen, dem Kaiser treu zu bleiben. Während Ferdinand die Vermittelungsversuche fortsetzte, rückte das Heer immer näher; der Kaiser suchte nach Brüssel zu entkommen, fand aber den Weg schon versperrt. Er hatte an Moritzens Verrat, den er so sehr begünstigt hatte, durchaus nicht glauben wollen und so den richtigen Zeitpunkt versäumt. Nach der Erstürmung der Ehrenberger Klause durch Georg von Mecklenburg mußte sich der gichtkranke Kaiser zu eiliger Flucht entschließen. Wenn nicht ein feindliches Regiment gemeutert hätte und dadurch eine Verzögerung entstanden wäre, würde er seinen Gegnern in die Hände gefallen sein; er entkam bei Nacht auf zum Teil noch verschneiten Wegen über den Brenner nach Bruneck und von da nach Villach in Kärnten. Vorher hatte er Johann Friedrich die Freiheit gegeben, doch mit der Bitte, ihn einstweilen noch freiwillig zu begleiten; er dachte ihn gegen Moritz auszuspielen.
Sofort nach dem Einzug der Sieger in Innsbruck begann ein Waffenstillstand, dem Friedensverhandlungen in Passau folgten. Die endgültigen Bestimmungen desselben sollten auf einem Reichstage festgesetzt werden. Der Kaiser indessen, tief getroffen, erfüllt von dem Wunsche, sich zu rächen, raffte sich auf, sowie der Gichtanfall überwunden war, um Metz zurückzuerobern; wie immer war es der Kaiser, der die Grenze gegen den räuberischen Nachbarn schützte. Moritz führte indessen entsprechend seinen Beziehungen zu Ferdinand seine Truppen gegen die Türken. Im Kampfe gegen die Bistümer fuhr Albrecht Alcibiades fort, das deutsche Land zu verwüsten. Die Kriegsfurie dieses Fürsten, der roh aber nicht unbegabt war, der statt aller Grundsätze und Richtlinien den Kampf gegen Pfaffen und Städte proklamierte, dessen von Haß erfüllte Kampflust zuweilen an Raserei streifte, war ein schauerliches Zeichen der allgemeinen Verwilderung. Um die Verworrenheit und das Mißtrauen aller gegen alle zu vermehren, ließ sich der Kaiser aufs neue mit dem ketzerischen Markgrafen ein, während Moritz, der Vorkämpfer der Protestanten, sich mit dem katholischen Herzog Heinrich von Braunschweig verband, um Albrecht Alcibiades, der sich nach Norddeutschland gewendet hatte, unschädlich zu machen. In der ungewöhnlich blutigen Schlacht bei Sievershausen verlor der Herzog von Braunschweig drei Söhne und Herzog Moritz das Leben. Er war nur 32 Jahre alt geworden. Es scheint nicht, daß ihm jemals ein Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns gekommen ist, und doch bereute er im Sterben den Wildschaden, den seine Untertanen durch seine Jagdlust erlitten hatten, und setzte eine Summe aus, um sie zu entschädigen. Durch die Gründung der Schulen von Meißen, Grimma und Pforta aus den eingezogenen Kirchengütern hat er seinem Lande eine dauernde Wohltat erwiesen. Menschen, die Herrschersinn und entschlossenen Willen haben und das, was sie wollen, klug und umsichtig ausführen, kann man nicht umhin, in dieser ihrer Art zu bewundern, auch wenn ihre Zwecke nicht edel und ihre Mittel verwerflich sind.
Nachdem Markgraf Albrecht Alcibiades geächtet und nach Frankreich geflüchtet war, kam die Ruhe der Erschöpfung über das Reich. Die Stände einigten sich über die Streitfragen, die sie trennten: die mit Weimar, Eisenach, Koburg und Gotha abgefundenen Ernestiner ergaben sich in den erlittenen Verlust und erhielten dafür mehr Geld, Bayern verzichtete auf die Pfälzische Kur, auch der noch immer schwebende Anspruch Österreichs auf Württemberg wurde aufgegeben. Anderthalb Jahre nach Moritzens Tod, im Jahre 1555, konnte zu Augsburg der Reichstag eröffnet werden, auf welchem die Befriedung der Religionsparteien endgültig vorgenommen wurde. Der Kaiser konnte sich nicht entschließen, den Protestanten, denen er bisher nur einen zeitlich begrenzten Frieden gewährt hatte, einen dauernden zuzugestehen und damit sein Ziel, die Einigung, aufzugeben; er überließ es deshalb, bereits entschlossen, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, seinem Bruder Ferdinand, den Reichstag zu leiten und so zu handeln, wie er es vor Gott verantworten könne. Trotz der allgemeinen Sehnsucht nach Frieden und der Einsicht, daß es zu einem Ausgleich kommen müsse, dauerte es doch acht Monate, bis die Verständigung erzielt war. Im Kurfürstenrat überwogen die protestantischen, im Fürstenrat die altgläubigen Stimmen, die Städte, die überwiegend protestantisch waren, traten auf diesem Reichstag sehr zurück, zum Teil weil der alte Kämpfer Jakob Sturm, der Stadtmeister von Straßburg, kürzlich gestorben war. Überhaupt hatte das republikanische Element im Reich, das bei der religiösen Umwälzung so tatkräftig mitgewirkt hatte, in den letzten Jahrzehnten starke Einbuße erlitten. Es war ein unaufhaltsamer Niedergang.
Die Duldung der Neugläubigen erstreckte sich nur auf die Anhänger der Augsburger Konfession; alle anderen Sekten, auch die Calvinisten, waren davon ausgeschlossen. Eine weit schlimmere Beschränkung der nunmehr erreichten freien Religionsübung war, daß sie nur die Stände, also die Regierungen, nicht die Untertanen betraf. Doch wurde den Untertanen, die vom Glauben des Landesherrn abwichen, gestattet, mit ihrer Habe auszuwandern; einzig der burgundische Kreis, die Stammlande des Kaisers, wurden davon ausgeschlossen. Die heikelste Frage betraf die geistlichen Fürstentümer und Stifte, um die so viel Streit bereits entbrannt war. Wenn es den Prälaten, die zum evangelischen Glauben übertraten, freistand, das Gebiet, das sie als gewählte Fürsten auf Lebenszeit regierten, in ein erbliches, ihnen gehöriges Fürstentum zu verwandeln, so war anzunehmen, daß dem Beispiel des Hochmeisters Albrecht von Preußen noch mancher folgen würde, sei es aus eigenem Antrieb oder auf das Drängen der Untertanen. Da der Reichstag sich über diesen Punkt aufzulösen drohte, verkündigte Ferdinand mit Einwilligung der Stände den sogenannten geistlichen Vorbehalt, daß ein geistlicher Reichsstand, der zum neuen Glauben übertrete, seines Amtes entsetzt werde. Damit war, wenn der Vorbehalt in Anerkennung blieb, der Ausbreitung des Protestantismus eine Schranke gesetzt. Die Reichsritterschaft war in den Frieden inbegriffen. Für die Städte wurde bestimmt, daß, wo beide Religionen in Übung gewesen wären, beide bleiben sollten; keine sollte das Recht haben, die andere abzuschaffen. Am Reichsgericht wurden protestantische Beisitzer zugelassen.
Nach vierunddreißigjährigem Ringen hatte sich der neue Glauben das Recht des Daseins im Reich erkämpft. Wenn auch der Papst den Augsburger Frieden nicht anerkannte, wenn auch die Feindseligkeit und das Mißtrauen der Parteien nicht überwunden waren, so bestand nun doch eine Grundlage für das Zusammenwirken beider und für eine neue Gestaltung des öffentlichen Lebens. Wurde die christliche Freundlichkeit, die den Ständen zum Gebrauch empfohlen wurde, auch nicht immer innegehalten, es machte sich doch geltend, daß zwischen den Fürsten, welche Konfession sie auch bekannten, etwas Gemeinsames war, namentlich der Gegensatz zum Kaiser. Der Augsburger Friede war denn auch mehr ein Sieg der Fürsten als ein Sieg des neuen Glaubens. Die Fürsten gewannen, da sie die Religion des Territoriums bestimmten, an Gewalt über die Untertanen, und die Macht über die Kirche, die die protestantischen Fürsten als oberste Bischöfe erhielten, wurde den katholischen zum Vorbild, dem sie mit Erfolg nacheiferten. Der Grundsatz, daß der Fürst die Religion des Landes zu bestimmen habe, in die lateinische Formel cujus regio ejus religio gefaßt, wirkte sich naturgemäß zum Schaden der Bevölkerung aus. Denen, die nicht in der Lage waren auszuwandern, und die wenigsten waren es, blieb nichts übrig, als sich den Überzeugungen und Launen ihrer Landesherren anzubequemen, was einen verderblichen Einfluß auf ihren Charakter ausüben mußte. Daß Unkatholische, außer wenn sie einer Sekte angehörten, nicht verbrannt wurden, war für das Volk der einzige Zuwachs an Glaubensfreiheit, den sie vor der Vergangenheit voraushatten, immerhin ein unschätzbarer. In der Carolina, dem durch Karl V. eingeführten neuen Reichsgesetzbuch, ist der Artikel über den Ketzerprozeß nicht mehr enthalten. Der Übergang des Absolutismus von der Kirche auf den Staat hatte begonnen; erst im Staat vollendete er sich, da ja, wenn auch die Fürsten und namentlich die Kaiser sich zu Vollstreckern der kirchlichen Gebote gemacht hatten, doch auch ein Gegensatz zwischen Staat und Kirche bestanden und beiden Mächten eine Beschränkung auferlegt hatte. Einstweilen jedoch war der fürstlichen Regierungsgewalt noch eine Schranke durch die Landstände gesetzt; dieser sich zu entledigen war das nächste Bestreben.