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Kapitel 7: Gundolfs Welt

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Rückblick: Vor Annes Verschwinden…

Gundolf saß im Hochsitz und beobachtete die Natur. Mit seinem Fernglas hielt er bevorzugt Ausschau nach Vögeln, besonders die Gattung der Greifvögel, wie Habichte und Bussarde, hatte es ihm angetan. Er bewunderte sie, wenn sie in großer Höhe majestätisch ihre Kreise zogen, um nach Nahrung zu spähen. Wenn er bereits sehr früh hier war, dann konnte er auch Hirsche oder manchmal sogar Wildschweine und Füchse beobachten. Falls es gerade nichts Interessantes zu sehen gab, las er ein Buch oder blätterte in Zeitungen.

Da war sie wieder, seine Joggerin. Das war der Vorteil, wenn er erst am Nachmittag auf seinen Hochsitz stieg. Auf dem Weg, der an der Lichtung entlangführte, war nur sehr selten jemand zu sehen. In letzter Zeit kam sie allerdings öfter und sie war für Gundolf immer eine willkommene Abwechslung. In der Verkleidung des Hochsitzes fehlte ein kurzes Stück einer Latte, das abgebrochen war und dieser Spalt reichte ihm, um sein Fernglas hindurchzustecken. Somit war er bestens getarnt und konnte sich sicher fühlen. Es war ein ziemlich langes Stück, über das er die Frau beobachten konnte. Natürlich genoss er es, wie sich ihre Brüste unter dem Sportshirt mit jedem Schritt auf und ab bewegten und manchmal, je nachdem welchen BH sie trug, konnte er sogar ihre Brustwarzen erkennen. Sie war hübsch und auch ihrer Rückseite, oder besser gesagt ihrem Hintern, schaute er so lange nach, bis er aus seinem Blickfeld verschwunden war. Inzwischen kam sie regelmäßig, immer an den gleichen Tagen und auch zur gleichen Uhrzeit. Natürlich war Gundolf da, wenn sie kam. Eigentlich war er jeden Tag da, wenn er nichts Besseres vorhatte.

Einer geregelten Arbeit ging er nicht nach. Seit Jahren bekam er keine Stelle mehr, was ihn nicht reute. Er war ungepflegt, meist unrasiert und seine dunkelbraunen, zotteligen Haare trug er schulterlang, was gerade außer Mode war. Das auffälligste an ihm war seine Brille, deren Gestell aus dunkelbraunem, schon in Richtung schwarz gehendem Kunststoff bestand, mit rechteckigen, sehr flachen und breiten Gläsern.

Als Kind war er das Nesthäkchen. Im Gegensatz zu seiner älteren Schwester wurde er von seiner Mutter rund um die Uhr betüddelt. Er brauchte keinerlei Arbeiten im Haushalt zu verrichten, was seine Faulheit förderte. Im Laufe der Zeit schaffte es Gundolf, alle um den Finger zu wickeln und gewöhnte sich schnell daran, dass sie nach seiner Pfeife tanzten.

Den Hauptschulabschluss schaffte er mit Hängen und Würgen, allerdings lag es nicht an mangelnder Intelligenz, sondern daran, dass er stinkfaul war. Er verfügte jedoch über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte sich in der Regel fast alles merken was in der Schule vermittelt wurde, weshalb er der Meinung war, zuhause nichts lernen zu müssen.

Nach seinem Hauptschulabschluss durchlief er eine Lehre als Elektroniker. Es war eine Materie die ihn ernsthaft interessierte, weshalb er seinen Abschluss auch schaffte. Als Facharbeiter war er nie über einen längeren Zeitraum bei einer Firma beschäftigt, denn es wurde ihm sehr schnell langweilig, was seinen ohnehin mäßigen Arbeitseifer auf ein Minimum zurückdrängte. Meist wurde ihm bereits nach kurzer Zeit gekündigt, bis er nur noch selten eine Stelle angeboten bekam. Gundolf hatte das Gefühl, dass sich das Arbeitsamt mittlerweile eher um andere kümmerte und ihn in Ruhe ließ. Auf diese Art und Weise konnte er seine Tage unbeschwert genießen. Natürlich war er hin und wieder neidisch auf andere, die es in ihrem Leben zu etwas gebracht hatten, oder auf solche, die vielleicht gar nicht verantwortlich für ihren Reichtum waren und alles geerbt oder geschenkt bekommen hatten. Aber er akzeptierte die Tatsache, dass sich in seinem Leben vermutlich nichts mehr ändern würde und es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden oder zu arrangieren.

Nun lebte er schon seit vielen Jahren von der Stütze, was er inzwischen als Selbstverständlichkeit betrachtete. Er war sehr anspruchslos und das Geld, das er jeden Monat auf sein Konto bekam, reichte ihm vollkommen. Was das sparsame Leben betraf, da war er äußerst kreativ. Er wusste sehr genau, zu welcher Zeit und an welchem Ort er etwas kostenlos ergattern konnte. Für besondere Anschaffungen, wie zum Beispiel seinen hochwertigen Feldstecher, fütterte er sein Sparschwein. Zu diesem Zweck besuchte er diverse Veranstaltungen, um Flaschen zu sammeln und das Pfand einzulösen. Es war die einzige Arbeit, zu der er sich überwinden konnte. Ich kann nichts dafür, dass ich keinen Ehrgeiz habe, dachte er. Es liegt alles nur an den Genen, also an dem, was ich geerbt habe, beruhigte er hin und wieder sein schlechtes Gewissen, wenn es sich denn mal wieder meldete.

Inzwischen war er ein ausgesprochener Einzelgänger. Die meisten seiner früheren Freunde waren mittlerweile verheiratet und hatten Familie. Die Interessen gingen auseinander und so nach und nach hatten sie sich von ihm distanziert, bis die Kontakte irgendwann gänzlich abgerissen waren. In früheren Zeiten hatten sie häufig die Nacht zum Tag gemacht, durchgezecht, und ihre Gesundheit herausgefordert. Aber nachdem so ziemlich alle unter der Haube waren, war es mit dem Lotterleben schnell vorbei gewesen.

Gundolf hatte noch nie eine Freundin gehabt und er wusste, dass sich an dieser Tatsache nichts mehr ändern würde. Dass er bis zum heutigen Tag keine Jungfrau war, hatte er einzig und alleine seinen Freunden zu verdanken, die ihn, irgendwann einmal, zu einem Besuch ins Bordell überredet hatten. Nach einigen Schnäpsen, mit denen sie sich gemeinsam etwas Mut angetrunken hatten, ging damals alles sehr schnell. Gundolf war sich hinterher gar nicht sicher gewesen, ob er denn richtig drin war, oder wie sonst ihn die Hure zu seinem Orgasmus gebracht hatte. Das war ihm allerdings auch ziemlich egal, denn es war eine super geile Erfahrung für ihn gewesen, so oder so.

Gundolf entging nichts auf seinem Hochsitz und so kam es, dass er, an einem Donnerstag, Zeuge einer Handlung wurde, die er nicht wirklich einordnen konnte. Es war nicht genau gegenüber der Lichtung, sondern etwas schräg nach links versetzt, dort wo die Bank stand, von der aus seine Joggerin in der Regel startete. Er sah sie bereits, als sie aus der Stichstraße herausschlenderte, die vom Parkplatz auf den Feldweg führte. Nachdem sie sich auf der Bank niedergelassen hatte, wirkte es gerade so, als ob sie sich erst etwas ausruhen und nicht, wie sonst üblich, direkt losjoggen wollte.

Das war für Gundolf die Gelegenheit, sie mit seinem Fernglas etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Sein Blick fiel zuerst auf ihren Busen, der in ihrem eng anliegenden roten T-Shirt mit V-Ausschnitt äußerst gut zur Geltung kam. Fette Möpse, dachte er sich, während er die Schärfe etwas nachjustierte, um den Abdruck ihrer Brustwarzen besser zu erkennen. Wirklich eine attraktive Frau, dachte er, sogar ihr Gesicht ist äußerst hübsch, sehr weiblich.

Noch immer saß sie da und wartete. Gundolf fiel auf, dass sie häufig auf ihre Armbanduhr schaute und schloss daraus, dass sie eventuell auf jemanden wartete, der sie begleiten würde. Als sie sich nach circa zehn Minuten selbst eine schwarze Augenbinde anlegte, zweifelte Gundolf daran, ob er noch bei Verstand war oder vielleicht schon unter Halluzinationen litt. Er hielt drauf, aber es änderte nichts. Seine Joggerin saß mit einer schwarzen Augenbinde auf der Bank und wartete.

Gundolf war äußerst gespannt, wie das nun weitergehen sollte. Er konnte sich absolut keinen Reim darauf machen. Erst im letzten Moment bekam er mit, dass plötzlich ein „feiner Herr“ im dunklen Anzug neben seiner Joggerin stand und ihr die Hand reichte. Gundolf konnte beobachten, wie er sie in die Stichstraße zum Parkplatz führte, währenddessen sein Blick an ihrem wohlgeformten Hintern klebte, der sich in ihrer engen, kurzen Laufhose wirklich eins zu eins abbildete. Dass dort der Wagen des Mannes abgestellt war, bekam er erst zu dem Zeitpunkt mit, als dieser die hintere Tür öffnete und die Joggerin einsteigen ließ. Nun richtete Gundolf sein Fernglas auf den feinen Herrn und versuchte, sich sein Gesicht einzuprägen, was in der kurzen Zeit sehr schwierig war.

Wenige Sekunden später entfernte sich der Wagen. Vom Standort des Hochsitzes aus war er teilweise von Ästen verdeckt, trotzdem bekam er das Kennzeichen kurz zu Gesicht. Gundolf hatte nichts zum Schreiben dabei, aber er ritzte die Kombination mit seinem Schlüssel auf die Titelseite eines Sexheftchens, das er heute zum Lesen mitgebracht hatte. Im Moment konnte er sich keinen Reim auf das machen, was vor seinen Augen abgelaufen war. Eines war jedoch klar, es handelte sich nicht um eine Entführung. Die Joggerin hatte wohl ganz bewusst ihre Augen verbunden und auf den Mann gewartet, der sie sehr zuvorkommend und ohne Eile zu seinem Wagen geführt hatte.

Vielleicht ist es einfach ein Rollenspiel, das sie mit ihrem Freund oder Mann praktiziert. Er wird mit ihr irgendwohin fahren und sie, vielleicht direkt im Wagen, mit verbundenen Augen durchvögeln, überlegte Gundolf. Shirt hoch, Höschen runter und auf dem Rücksitz flachlegen, ist schon eine geile Vorstellung.

Aber eines war sicher, seine heiße Joggerin würde heute leider nicht an seinem Hochsitz vorbeilaufen, was ihn enttäuschte. Gerne hätte er sich, auch heute wieder, ihre wippenden Brüste und ihren sexy Po beim Joggen genauer angesehen, was ihn fast jedes Mal erregte. Aber das, was er heute beobachtet hatte, beflügelte seine Phantasie ebenfalls. Die Frage, ob er ein Spanner war, stellte er sich schon hin und wieder, aber er zählte sich nicht wirklich zu dieser Sorte von Menschen. Er war ja schon immer hier und konnte nichts dafür, dass die Joggerin den Weg an seinem Hochsitz vorbei gewählt hatte.

Die Vorstellung, was die beiden jetzt vielleicht gerade trieben, weckte die Lust in Gundolfs Lenden. Eigentlich könnte ich mir auch etwas Gutes tun, hier oben kann mich ohnehin niemand sehen, dachte er. So war es das erste Mal, dass er auf dem Hochsitz seine Hose herunterließ. Mit gespreizten Beinen saß er auf der Holzbank, packte das, was inzwischen schon auf eine ordentliche Größe angeschwollen war, und holte sich, in Gedanken an ein geiles Rollenspiel, einen runter. Gundolf saß noch eine Weile mit nacktem Hintern auf den ungemütlichen Holzstäben und hoffte darauf, dass seine Joggerin in Zukunft wieder ihre Runden drehen würde.

***

Weiter am Samstagabend…

Mittlerweile hatte Anne bereits den dritten Strich in den Boden geritzt. Während sie auf ihren Schänder wartete, überlegte sie, welche vielfältigen Möglichkeiten er noch hatte, um sich an ihr zu vergehen. Wird es bei den Vergewaltigungen bleiben oder wird er noch einen Schritt weiter gehen? Ist er vielleicht ein Sadist und wird mir ganz bewusst Schmerzen zufügen? Wieder musste sich Anne dazu zwingen, ihre Gedanken nicht weiter zu verfolgen, was ihr sehr schwerfiel. Gerade in dem Moment, während sie überlegte wie lange ihr Martyrium noch andauern würde, riss sie das Knacken des Schlosses jäh aus ihren Gedanken. Timo trat herein, ebenso wie am Vortag, nackt und mit seiner schwarzen Maske über dem Kopf.

Anne

Ich habe Angst, kann nur hoffen, dass es heute nicht schlimmer wird.

„Aufstehen und Fußfesseln anlegen, aber flott“, schnauzt er mich an und auch heute stäubt sich alles in mir bei dem Gedanken, dass ich die Fußfesseln eigenhändig anlegen soll. Seine kalten Augen, die mich aus den Löchern der schwarzen, furchterregenden Maske heraus anschauen, jagen mir einen Schauder über den Rücken, aber ich verharre in meiner Ecke. Ich sehe, wie er sich die Seilenden schnappt und im gleichen Moment zieht es meine Arme schmerzlich in Richtung der Decke. Sekunden später stehe ich ihm schon wieder auf Fußspitzen gegenüber und fühle, wie er seine Macht über mich auskostet.

„Lass mich frei“, bitte ich erneut und verstumme sofort wieder, als er mit dem Klebeband droht.

„Ich werde meine Sklavin für ihren Ungehorsam bestrafen“, droht er und verschwindet sogleich wieder.

Ich bereue, seine Anweisungen nicht befolgt zu haben, habe Angst vor dem, was gleich passieren wird.

Timo

Ihr Ungehorsam bietet mir die Gelegenheit das Rollenspiel weiter auszukosten. Früher oder später hätte ich mich ohnehin nicht mehr zurückhalten können. Schon alleine der Gedanke daran erregt mich. Rasch streife ich etwas über und verlasse das Klarahaus mit einem Taschenmesser. Ich finde eine schöne, dünne und biegsame Weidenrute, die ich abschneide und von den wenigen Blättern befreie. Ich zucke zusammen, als ich sie auf meiner Handfläche ausprobiere. Sie ist genau richtig für ihren Hintern, so werde ich sie schon gefügig machen.

Anne

Mir stockt der Atem, als ich die Rute erblicke.

„Nein, bitte nicht, ich werde mir die Fesseln anlegen“, flehe ich mehrmals, aber er steht nur stumm vor mir und ich glaube seinen Augen anzusehen, dass ihn meine Worte im Moment nicht interessieren. Ich weiß es bereits in diesem Augenblick; er wird mich bestrafen und er wird mich gerne bestrafen. Mich packt die Wut, ich lasse mich an meinen Armen hängen und versuche, so gut es mir möglich ist, auf ihn einzutreten. Aber er weicht zurück, um sich gleich darauf neben mir zu platzieren. Während er ausholt schließe ich die Augen und als der erste Hieb meinen Po trifft, zucke ich zusammen und schreie laut auf.

Timo

Ich steigere mich langsam, höre erst auf, als sich mehrere rote Striemen auf ihrem Po zeigen. Erst jetzt erhöre ich ihr Flehen und lasse die Handfesseln so weit ab, dass sie sich die Fußfesseln selbst anlegen kann.

Anne

Ich befinde mich in der gleichen Position wie am ersten Tag, den ich so genossen habe, aber jetzt macht es mir Angst. Während mein Po noch immer brennt, lasse ich alles über mich ergehen, versuche erneut, mich im Geiste an einen sehr schönen Ort zu beamen, ihm nur meinen Körper zurückzulassen.

Ich schließe die Augen und versetze mich an einen sonnigen Sandstrand. Die Wärme der Strahler unterstützt mich in meinen Gedanken und ich schaffe es tatsächlich, dem Geschehen ein paar Sekunden zu entfliehen.

Timo versorgte seine Sklavin mit ausreichend Essen, Getränken und einem Stapel Zeitschriften. Danach ließ er die Seile herunter und verließ den Raum kommentarlos, um nach Hause zu fahren. Anne sank auf den kalten Boden nieder und saß nun mit gespreizten Beinen regungslos da, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schlüssel für die Fußfesseln lag vor ihr und erst, als die Kälte des Bodens schmerzte, befreite sie ihre Fußgelenke, um sich anschließend unter die warme Dusche zu begeben. Auch dieses Mal schrubbte sie ihren Körper so lange, bis ihre Haut schmerzte.

Nachdem sie wieder auf der Matratze lag, musste sie erneut über ihre Situation nachdenken. Seine Lust ist mein Leid, meine Hölle ist für ihn nur ein harmloses Rollenspiel. Er ist der Herr, erteilt die Befehle und ich bin seine untertänige Sklavin, die nur reden darf, wenn es dem Herrn genehm ist.

Anne versuchte, ihren Schlafrhythmus beizubehalten. Vielleicht ein oder zwei Stunden nachdem sich der Maskenmann an ihr vergangen hatte, war sie eingeschlafen.

Nach dem Aufwachen ritzte Anne einen weiteren Strich in den Boden und wenn sie richtig lag, war heute Sonntag, vermutlich Vormittag. Sie wusste absolut nichts von ihrem Peiniger und hoffte, dass er vielleicht Familie hatte und sie wenigstens heute verschonen würde. Vielleicht war das der Grund, dass er sie mit einem Stapel Zeitschriften versorgt hatte. Anne lag auf dem Rücken und während sie an die kahle Decke starrte, gingen ihr immer wieder die gleichen Gedanken durch den Kopf. Was ist er eigentlich für ein Mensch, hat er keine Frau abbekommen oder ist er mit seinem Sexualleben unzufrieden? Braucht er die Macht, das Gefühl andere zu erniedrigen? Liebt er die Gewalt oder ist das alles nur reiner Sexualtrieb? Ich kann es nicht ergründen, auch nicht verstehen warum er es tut und ich habe im Moment keine Ahnung, wie lange er mich noch festhalten wird.

Werde ich überleben? Wird er mich am Ende umzubringen? Das sind zurzeit die wichtigsten Fragen für mich, auf die ich keine Antwort finden kann. Wie würde meine Zukunft aussehen, wenn ich denn überhaupt noch eine habe? Es liegt alles einzig und alleine in seiner Hand. Wieviel Zeit gibt er mir noch? Wenn ich Pech habe, dann liegt der größte Teil meines Lebens bereits hinter mir. Eben noch war ich, zusammen mit Jan, sehr glücklich und vielleicht ist schon morgen alles vorbei. Die Welt würde mich nicht vermissen, ich würde nicht einmal Kinder zurücklassen.

Selbst wenn ich jemals wieder freikommen sollte, müsste ich mich erklären. Ich müsste zugeben, dass es sich ursprünglich nicht um eine Entführung handelte, sondern dass ich freiwillig in den Wagen gestiegen bin, um Sex mit einem fremden Mann zu haben. Falls Jan es jemals erfährt, wird er mich verlassen. Ich bin selbst schuld, ich habe es eigentlich nicht anders verdient. Vielleicht ist es die gerechte Strafe für das, was ich Jan angetan habe. Aber ich darf die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht wendet sich alles noch zum Guten. Natürlich habe ich eine Chance, dass mich der Entführer irgendwann freilässt. Warum kommt er denn jedes Mal mit Maske? Vermutlich will er einfach nicht erkannt werden und wenn er vorhätte mich zu töten, dann müsste es ihm doch egal sein, ob ich ihn sehe oder nicht.

Nein, er ist kein Mörder, beruhige ich mich. Vielleicht ist er gar nicht so hart wie er sich gibt. Warum darf ich mich nicht mit ihm unterhalten? Ist es wirklich nur das Rollenspiel mit der Sklavin oder hat er nur Angst von mir beeinflusst zu werden? Angst, sich von mir in ein Gespräch verwickeln zu lassen, etwas von sich preiszugeben oder vielleicht schwach zu werden? Vielleicht braucht er aber auch nur eine Frau aus Fleisch und Blut, die er durchvögeln kann und alles andere interessiert ihn nicht.

Natürlich gibt es eine gewisse Chance, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und zu beeinflussen, dachte sie. Allerdings war Annes Erinnerung daran, als er ihr den Mund zugeklebt hatte, wirklich schrecklich. Obwohl sie durch die Nase hatte atmen können, war das Gefühl in ihr aufgekommen, nicht genügend Luft zu bekommen. Es war äußerst beklemmend gewesen und sie musste sich damals dazu zwingen, ganz flach zu atmen, damit kein Erstickungsgefühl in ihr aufkam. Danach hatte er sie einfach mit dem Klebeband zurückgelassen und sie hatte sehr lange gebraucht, bis sie das komplett um Kopf und Haare gewickelte Band lösen konnte. Es war eine sehr schmerzliche Erinnerung. Die Haut brannte beim Abziehen fürchterlich und die verklebten Haare musste sie einzeln vom Band lösen, wobei sie sich viele ausgerissen hatte. Nein, wenn er es nicht wollte, dann würde sie ihn nicht provozieren.

Was ihr die meisten Sorgen machte, das war die Ungewissheit, wie weit er gehen würde. Ja, die Züchtigung mit der Rute war schmerzlich und ihr Po brannte noch immer, trotzdem war er mit einer gewissen Vorsicht vorgegangen. Außer den seelischen Schmerzen der Vergewaltigungen, musste sie bisher keine großen körperlichen Schmerzen ertragen und sie betete, dass das so bleiben würde.

Was ist, wenn ihm etwas zustößt, dachte sie? Wer weiß, ob mich in diesem Kellerloch überhaupt jemand finden würde? Vielleicht erst nach Wochen oder Monaten und ich wäre in der Zwischenzeit qualvoll verhungert oder verdurstet. Elend verrecken würde ich hier. Im Moment muss ich dankbar dafür sein, dass er jeden Tag kommt, denn er ist auch mein Versorger.

Während die Suche nach Anne am frühen Vormittag wieder aufgenommen wurde, saß Gundolf bereits auf seinem geliebten Hochsitz. Er wusste, dass er für sein aktuelles Buch maximal noch zwei Stunden benötigte und es war zurzeit kein kostenloser Nachschub in Sicht. Aus dem Grund hatte er heute Morgen erst seine Mutter besucht, um die Zeitungen der letzten Tage abzuholen. Sie war bereits in Rente, trotzdem stand sie täglich um sechs Uhr auf, um als Erstes die Zeitung Zeile für Zeile durchzuarbeiten. Deshalb konnte Gundolf sogar das aktuelle Exemplar mitnehmen. Natürlich war es für ihn nicht wichtig, ob er die Zeitungen am gleichen Tag oder erst ein paar Tage später las, trotzdem war es ein gutes Gefühl, wenn er, so wie die meisten Leute, einmal etwas Aktuelles in der Hand hielt.

Auf der Lichtung war nicht viel los, weder eines der zahlreichen Rehe noch ein Hirsch ließ sich blicken, dazu war er heute einfach zu spät dran. Lediglich ein Bussard zog seine Kreise, dessen Beobachtung er nach einer Viertelstunde einstellte, um sich wieder seinem Buch zu widmen und die restlichen Seiten in einem Zug durchzulesen. In dieser Hinsicht hatte er unendliche Ausdauer, worüber er sich selbst wunderte.

Langweilig, so ein Sonntag, dachte er sich. Die Joggerin würde erst wieder am Dienstag kommen und Spaziergänger gab es hier ganz selten bis gar nicht. So musste er sich zwangsläufig den Zeitungen widmen, auf denen er die ganze Zeit gesessen hatte. Er lupfte seinen Hintern kurz an und zog das dickste Exemplar heraus. Es war die aktuelle Samstagszeitung und er begann, wie fast immer, auf der letzten Seite. Für den hinteren Bereich der Zeitung interessierte er sich wesentlich mehr, als für den Rest. Dort gab es die ganzen Angebote, Anzeigen, Stellenangebote und so weiter. Natürlich suchte er keine Arbeit, er war froh, dass er keine mehr angeboten bekam, trotzdem interessierte er sich für den Markt.

Nachdem er aus Langeweile fast jede Seite komplett studiert hatte, widmete er sich der Vorderseite. Es war eine riesengroße Schlagzeile, die ihm sofort ins Auge sprang: „Frau beim Joggen spurlos verschwunden!“ Das interessierte ihn natürlich brennend, weshalb er den Bericht aufmerksam durchlas. Die Beschreibung der genauen Stelle, an der es passiert war, stand zwar nicht dabei, aber es war ein Ort in der Nähe als Anhaltspunkt genannt. Gundolf folgerte daraus, dass es sogar in der Gegend rund um seine Lichtung vorgefallen sein könnte. Genau genommen könnte es sogar meine Joggerin sein, dachte er. Aber das was ich beobachtet habe passt nun wirklich nicht mit einer Entführung zusammen. Schade, dass kein Bild dabei ist, sonst könnte ich mir die Frage gleich selbst beantworten. Na ja, spätestens am Dienstag werde ich sehen, ob sie zum Joggen kommt oder nicht.

Die Sache mit der Joggerin ließ ihm allerdings keine Ruhe. Nicht, dass er sich Sorgen um sie machte, nein, es war eher seine Neugier, die ihn plagte. Aber was konnte er tun? Er überlegte hin und her und beschloss, spontan an die Lichtung zu fahren, um vielleicht einen Anhaltspunkt zu finden. Er bestieg seine alte klapprige Enduro, die er vorsorglich auf seine Mutter angemeldet hatte, um Ärger mit dem Amt zu vermeiden. Mit einem elektrischen Anlasser konnte die Maschine allerdings nicht dienen. Vermutlich gab es damals keinen der stark genug gewesen wäre, den von Haus aus unwilligen Motor zum Laufen zu bringen. So klappte er den Kickstarter heraus und brachte den Kolben durch feinfühligen Druck in die richtige Position. Gundolf hatte riesigen Respekt vor dem fünfhundert Kubikzentimeter großen Einzylinder, der dann, wenn er zu zaghaft oder nicht richtig durchtrat, beim Starten zurückschlug.

Am Anfang, nachdem er sich die Maschine mit dem rot-weißen Tank zugelegt hatte, passierte es regelmäßig und ein Mal war der Kickstarter so heftig zurückgeschnellt, dass er, wegen der Schmerzen in seinem Knie, mehrere Tage humpeln musste. Trotzdem liebte er seine Maschine über alles und versuchte sie so gut es ging in Schuss zu halten.

Mittlerweile beherrschte er das Starten und es kam nur noch selten vor, dass es eine Fehlzündung gab. Gundolf trat kräftig durch, und bereits beim dritten Versuch, erwachte der Motor mit einem dumpfen Grollen. Ist halt noch ein richtiges Motorrad, dachte er sich, als er ein paar Mal am Gasgriff drehte, um den Sound zu genießen. Nach circa zehn Metern bekam das Vorderrad wieder Boden unter die Stollen und Gundolf nahm Kurs auf den Parkplatz der Lichtung. Er war nicht sehr weit entfernt und er kam bereits nach wenigen Minuten dort an. Gundolf wusste nicht, nach was er suchen sollte, trotzdem schritt er den Ort Stück für Stück ab. Von der Bank ausgehend, jeden Meter bis zu der Stelle, an der sich der Wagen zu dem Zeitpunkt befand, als die Joggerin einstieg. Auch den Parkplatz suchte er nach einem Hinweis ab, aber es war nichts zu finden.

Lenas Hölle

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