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Um Asche
Um Asche ging es natürlich letztendlich auch bei der Express-Meldung, dass Heiraten wieder in! sei: schließlich mache es nicht nur glücklich, den richtigen Partner zu haben – dank Steuerersparnis lohne es sich doch auch. Sollte ich vielleicht Vera mal ausschneiden.
So eine funktionierende Familienpartnerschaft war ja wirklich was wert, wie man auch an dem Fall des 29-jährigen Fensterputzers Walter P. sehen konnte. Der hatte am Sonntagnachmittag mit seinem Schwiegervater stundenlang Schach gespielt und Kräuterschnaps gesoffen, bis es einen erst lautstarken, dann handfesten Streit um einen fragwürdigen Damenzug gegeben hatte. Walter bugsierte den Alten in dessen Schlafzimmer, damit der sich dort beruhigen und seinen Rausch ausschlafen könnte. Als der aber nicht aufhören wollte zu randalieren, warf sein Schwiegersohn ihn kurzerhand aus dem Fenster des dritten Stocks. Hals- und Beinbruch, Schädeltrauma. Erschrocken und halb wieder nüchtern schleppte Walter ihn wieder nach oben, Frau und Schwiegermutter beseitigten alle Spuren des Streits, riefen nach über einer Stunde den Notarzt und behaupteten einmütig, den Papa so vor der Haustüre gefunden zu haben, nachdem er ewig nicht vom Bierholen zurückgekehrt sei.
Aber natürlich gab es in dem ganzen Vorweihnachtsrummel genug Nachbarn, die mit Päckchen beladen umher wuselten und den wahren Hergang bezeugen konnten, so dass Walter sich schließlich zu einem Geständnis gezwungen sah. It’s a family affair* …
Draußen war es schon eine ganze Weile stockdunkel. Gelegentlich huschten die Reflexe eines Autoscheinwerfers über die kahlen schwarzen Bäume auf dem Mittelstreifen, zuckten die Blitze einer elektrischen Entladung hoch, wenn die Straßenbahn vom Rheinufer kreischend auf den Ubierring bog. Gegenüber, durch die Scherenschnitt-Äste hindurch, konnte ich zwei recht korpulente Mädels in weißen Unterröcken einen Rock and Roll tanzen sehen, kichernd, mit wippenden Locken und Brüsten. Wirkte sehr merkwürdig, schon weil bei mir Pearls Before Swine gerade ihre Miss Morse anbeteten. Das kleine gelbe Auge meines Plattenspielers blinkte träge, das fette grüne des Verstärkers glotzte unbewegt ins Zimmer. Die Uhr läuft! schien das gelbe zu signalisieren, komm in die Gänge, Büb!, während das grüne gleichgültig tat: Ah ja, die Zeit vergeht … Was juckt es mich? Was geht es dich an? Aber ich konnte das Gefühl nicht mehr loswerden, dass ich mich das jetzt schon lange genug gefragt hatte.
Kill all the echoes / Still around / From the sound / Of calendars crumbling*, nuschelte Thomas Rapp, und die anderen Perlen klimperten um ihn herum, als ginge auch sie das alles gar nichts an, als horchte jeder von ihnen nur auf die Echos in seinem eigenen Schädel, von weit weg, von lang her, verdammt lang her; und auch mein Kalender zerbröselte, mürbe von süßer Wehmut.
Ich zog mir meine Lederjacke an und die Tür hinter mir zu und machte mich auf den Weg ins Session. Ließ die Echos in der leeren Wohnung umher zirpen, wo sie auf der Suche nach Harmonie verklangen, während ich die Treppe runter stapfte, den Kragen hochgeklappt, die Hände tief in den Taschen vergraben, die Schultern schon bis an die Ohren gezogen, mich gegen die Kälte wappnend, die mich erwartete, gegen die Stadt da draußen, das Gewusel und Geschiebe, das Gehabe, Getue und Gefeilsche, die Schnorrer, die Sünder, die Säufer, den Suff. Die Mörder?