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Martha

Das von leisen, glockigen Untertönen begleitete Ticken der alten Uhr mit den vier goldenen Rokoko-Tänzerinnen unter der Glaskuppel teilte den Nachmittag in schläfrige kleine Walzer-Rhythmen. Irgendwo draußen in den Gärten hielt ein automatischer Rasensprenger träge gezischte Breaks dagegen – ein Schlagzeuger mit Jazzbesen auf irgendeiner die Welt verlangsamenden Droge. Die Frau hatte ihren Kopf auf den mächtigen Brustkorb ihres Mannes gelegt, ihre blassvioletten Fingernägel kraulten in den grauen Locken herum, ziellos, absichtslos. Seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet, dachte sie, und immer noch Sex – ehelichen Sex – zweimal die Woche. An den anderen wollte sie jetzt gar nicht denken, an den hastigen, fast gewalttätigen, der zwar oft beeindruckend explosiver und physisch befriedigender war, aber dafür anderes nicht bieten konnte – den vertrauten Platz, das sanft-gemütliche Ausklingen, den Rokoko-Walzer …

»Ich hab’ gehört, Betziger ist mit Kläusjen in Südfrankreich – zum Sondertraining?«, murmelte sie in den grauen Pelz hinein. Ihr Mann nahm einen Zug von seiner Robusto, in ihrem linken Ohr ein Rasseln und Fauchen, als hätte jemand die Tür eines Hochofens geöffnet.

»Dä Jung macht sisch«, brummte ein Geist in dem Hochofen und ließ offen, welcher jetzt der Junge war. Ja, dachte sie und kicherte in sich hinein, der Junge macht sich ganz schön, mein Lieber, und ein leichtes Vibrieren ging durch ihre Lenden. Letzten Monat hat er sich einmal so gut gemacht, dass ich fast einen Kreislaufkollaps gekriegt hätte. Aber da sieht man mal wieder, dass nichts vollkommen ist im Leben – hinterher hat der’s dann immer recht eilig, unangenehm eilig – schlechtes Gewissen als Liebhaber, Angst vor Entdeckung, schlechtes Gewissen als Leistungssportler … Als der er natürlich auch nicht raucht – kein Duft von diesen edlen Zigarren, die ich am Anfang meiner Ehe so gehasst habe und die jetzt für mich zum Beischlaf gehören wie ein Vorspiel. Und die geheimnislose träge Unterhaltung danach. Auch die Zeichen eines Vertrauens, das sie mit diesen Jüngelchen nie erreichen würde – gar nicht wollte.

»Meinst du das Kläusjen?« Wieder eine Wolke des kubanischen Duftes, der sich so angenehm vermischte mit den Düften, die sie eben gemeinsam erzeugt hatten, und die sie so angenehm in dieser lasziven Stimmung hielten, wie der Nachhall eines schönen Konzerts auf einem Mondscheinspaziergang nach Hause, wenn alle anderen im Taxi weg sind und niemand mehr dazwischen quatscht.

»Beide, Liebschen, beide.« Da kam doch jetzt noch was … »Wobei et im Moment dat Wischtigste is, datt dä Betziger sisch macht. Un dat sieht janz jut aus. Un dann hammer den Holländer im Sack. Dem Kläusjen zeischt der Rudi dabei nur en bissjen von der jroßen Welt.« Und hoffentlich am Sack, mein Guter, auf den freu’ ich mich schon, mit seinem knackigen Hintern und den langen blonden Locken. Was seine Frau wohl von Dreiern hält …?

»Das heißt, du hast gute Nachrichten von ihm.«

»Könnten schleschter sein.« Ah, er wollte seinen Triumph noch auskosten, noch nicht mit ihr teilen. Das hieß aber auch, dass es derzeit keine akuten Probleme gab – von denen würde er ihr jetzt sonst erzählen. Ach, ich hab’s schon gut, dachte sie und streckte sich genüsslich, damit hätte ich nicht gerechnet, als er mir damals den Antrag gemacht hat – ein Vierzigjähriger, der eine siebzehn Jahre Jüngere umwirbt wie ein Pennäler, na ja, nicht ganz, ein ziemlich reicher Pennäler, mit all den täglichen Rosenmeeren, Perlenketten zum Abendessen und Wochenenden an Seebadeorten mit Spielbanken. Sie kicherte wieder in sich hinein. Keine schlechte Überraschung nach diesen beschissenen drei Jahren hinter dem Hauptbahnhof, wo in ihrem Apartment, gleichzeitig ihr Arbeitsplatz, ein großes goldenes Tuch an die Wand gegenüber dem französischen Bett gepinnt war, auf das sie eigenhändig ihr damaliges Lebensmotto gestickt hatte: Geboren werden, das ist das Schwierige – danach geht’s doch bequem bergab. Sie lachte und richtete sich auf; sie war sehr glücklich, dass man sich als junger Mensch so täuschen konnte. Sie nahm ihrem Mann den Stumpen aus dem Mund und küsste ihn.

»Wat denn – noch mal?«

»Ganz ruhig, Lieber, es reicht, glaub’ ich, wenn du mir ein bisschen hilfst … « Sie drehte sich um und griff in ihr Nachtschränkchen.

»Un dat auf meine alten Tage«, brummte er, grinste aber halb freundlich, halb lüstern und umfasste derb eine ihrer Hinterbacken. In ihrem Kopf vermischte sich der Rokoko mit einem alten Jaques Brel-Song, gesungen von Scott Walker: Quick, give us your lips, give us your thighs / Give us your sad and devouring eyes / Cascading tears for every hot beat / Tonight we’ll sleep with the girls from the streets*

Eine Alte Dame Ging Hering

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