Читать книгу „So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher - Страница 18
„SO GEBET DEM KAISER, WAS DES KAISERS IST, UND GOTT, WAS GOTTES IST“
ОглавлениеLiebe Maria!
Im Folgenden würde ich mich gerne mit einem der „Großen“ der deutschen Geschichte befassen, dessen Denken und Wirken vor einem halben Jahrtausend für die „deutsche“ Geschichte von überragender Bedeutung ist. Bis heute. Wenn auch auf andere Art als uns kundgetan. Will meinen: Weisgemacht.
Festzuhalten gilt: Unter Berufung auf die „Heilige Schrift“ walzte Luther rigoros nieder, was ihm im Wege stand: „Ego quidem credo me debere Domino hoc obsequium iatrandi contra philosophiam et suadendi ad Sacram Scripturam“: In der Tat glaube ich, dem Herrn den Gehorsam zu schulden, gegen die Philosophie zu wüten und zur Heiligen Schrift zu bekehren.
„Von Gott und vor Gott gerechtfertigt zu werden, ist für Luther … nicht nur die zentrale soteriologische [heils- und erlösungsgeschichtliche] …, sondern sie ist – … umfassender und grundsätzlicher – auch die zentrale anthropologische Aussage. Daher lautet Luthers theologi- sche Definition des Menschen: ´Hominem iustificari fide´ – allein durch den Glauben ist und wird der Mensch gerechtfertigt. Und gottgefällig.“
In diesem Sinne schuf Luther das Fundament einer neuen Glaubensrichtung. Und lehrte die Menschen vornehmlich eins: die Angst. Luthers Antwort auf eben diese Angst lautete: „Ich armes, verworfenes Menschlein muss mich … lediglich zur Einsicht durchringen, dass Gott sich meiner erbarmt, gerade weil ich erbärmlich bin.“
Und weil die menschliche Natur durch und durch verderbt sei, schrieb er, zudem: „Sündige tapfer, aber tapferer glaube!“ Folgerichtig ist das Menschenbild Luthers düster; der Mensch selbst könne zu seinem Heil nicht beitragen, insofern sei sein Wille unfrei: „Der freie Wille ist nichts als ein Pferd, das vom Satan geritten wird; es kann nicht befreit werden, wenn nicht durch Gottes Finger der Teufel hinausgeworfen wird.“
In Anbetracht solch lutherisch-soteriologischer Vorstellungen – der Mensch kann sein Heil nur in Gottes Erbarmen finden, insofern ist sein Wille unfrei – müsste man eher „Von der [Un-]Freyheyt eyniß Christen menschen“ sprechen. Luther selbst führt mit gespaltener Zunge aus: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Luther „löste“ den Konflikt, indem er seine weltlichen Herren, also die Fürsten und den Adel, aufforderte, die „Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“ – die sich, wohlgemerkt, auf Luthers Worte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan“ beriefen –, Luther also „löste“ die Dichotomie von vermeintlicher geistiger Freiheit und bedingungsloser gesellschaftlicher Unterordnung, indem er die gedungenen Mörderbanden aus Landsknechten und sonstigem käuflichem Gesindel aufforderte, die geschundenen Leibeigenen – die ein wenig Menschlichkeit, ein Quäntchen soziale Gerechtigkeit, gar etwas wie Menschenwürde forderten – rücksichtslos zu massa-krieren: „[M]an soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“
„Die grausame Schrift Wider die räuberischen Horden der Bauern, in der er die Herrschenden zum Massenmord aufruft – sie wäre gar nicht mehr nötig gewesen. Die Vernichtung hatte schon ihren Lauf genommen …
´Ich habe alle Bauern erschlagen!´, bekennt er, und im gleichen Atemzug: ´Gott hat es mir befohlen.´ Sein Körper straft seine Rechtfertigung Lügen. Drehschwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Ohnmachten, alle nur denkbaren Malaisen des Leibes.“