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KAPITEL I

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In Alexandria

Endlich! Wieder einmal ist es mein Geschick, dem Gefängnisleben eines zivilisierten Europas zu entfliehen und Körper und Geist durch das Studium der Natur in ihrer nobelsten und bewundernswertesten Form zu erquicken. Abermals sollte ich den Anblick der »herrlichen Wüste« genießen dürfen und durch einen kurzen Besuch bei den Wilden in ihrer urtümlichen Heimat Kraft schöpfen.

Dies fügte sich wie folgt: Seine Hoheit, der Vizekönig von Ägypten, hatte von einem gemeinsamen Freund erfahren, dass ich viele Jahre zuvor Kenntnis von der Stätte eines Goldfeldes erlangt hatte, und ehrte mich nun mit der Einladung, über diese Angelegenheit persönlich zu berichten. Ich beantragte einen Monat Urlaub, der mir vom Außenamt Ihrer Britannischen Majestät in Anbetracht des grimmigen Winters und meiner Erschöpfung in der »tagtäglichen Tretmühle« zu Triest zuvorkommend gewährt wurde.

So ging ich denn am 3. März 1877 ungeachtet aller weisen Ratschläge, welche die Gattin dem Ehemann ans Herz legt, an Bord der Aurora, des österreichisch-ungarischen Lloyd-Schiffes von Kapitän Markovich.

Die Reise über zwölfhundert Meilen entlang jener malerischen Küsten von Istrien und der Hochländer und Inseln von Dalmatien verlief über die Maßen angenehm. Jenseits des romantischen Bocche di Cattaro, dem Bosporus des Westens, hatten wir außer schlechtem Wetter nichts zu befürchten und konnten unbesorgt auf die eisgekrönten Gipfel und schneegepuderten Hänge der großartigen Cimariot-Bergkette blicken: Das weithin gerühmte Akrokeraunion wurde in den letzten Jahren vor allem für seinen Feuerstein-Abbau berühmt. Es war wie gewöhnlich schwarze Nacht, als wir vor der Zitadelle und den Forts von Korfu ankerten; früher einmal eine höchst bezaubernde Militärstation, liegt sie seit dem traurigen Jahr 1864 infolge des Unabhängigkeitskampfes in Ruinen.

Vorbei an jener Brandung, die bei Leukas an dem Felsen aufläuft, von dem sich Sappho stürzte, und die noch immer von ihrem Blut gefärbt ist; durch den weithin berühmten Kanal mit dem rauen Theaki (Ithaca) an Backbord und dem erhabenen Kephalonia an Steuerbord; hart an Zante vorbei, dessen liebliche Hänge und befestigte weiße Stadt sie zur Blume der Levante gemacht haben; über den Golf von Patras und zur Stadt Katakolo, mit dem alten Pondiko Kastro, dem venezianischen Fort, das hoch über johannisbeerbewachsenen Tieflanden thront; vorbei an dem von Deutschen heimgesuchten Aipheus des Jupiter Olympius; an dem felsig zerklüfteten und vom Wind gepeitschten Arkadien, das so seltsamerweise zum Geburtsort der lieblichen arkadischen Erzählung und des Gesanges wurde; vorbei auch unter den wilden Mauern des steinigen Peloponnes und über die historische Navarino-Bucht mit ihrem von Ruinen gekrönten Wellenbrecher zur Insel Sphagia … An all diesen erinnerungswürdigen Plätzen dampften wir vorüber und erwachten am Morgen des vierten Tages, als wir in Küstennähe an den südlichen Ufern von Kreta entlangfuhren.

Das lange schmale Felsmassiv, dessen Konturen und Blöcke aus silbern getupften Berggipfeln und Felsspitzen sich mitunter bis auf 8000 Fuß erheben, war das letzte für uns sichtbare Stück Land auf unserem Weg. Es bot uns all seine Schönheit dar, die auf ihre Weise sogar dem unübertroffenen alpinen Charme einer intensiv strahlenden Sonne und des funkelnden Schnees gleichkommt: Goldstaub regnete auf den reinsten Hermelinpelz, und die ganze Szenerie hob sich ab vor dem mittelländischen Blau, während das Meer zur Musik der Winde tanzte. Mit dem tief empfundenen Wunsch, dass Kreta – welches im Jahre des Herrn 1680 von Mohammed IV., dem letzten Sultan, der persönlich im Felde stand, annektiert wurde – sich am Abend seiner Tage über die Wiedervereinigung mit dem Christentum und der Fahne des heiligen Georg glücklich schätzen möge, entboten wir der Insel ein zärtliches Lebewohl und wunderten uns, den Seeweg so von Schiffen verlassen zu sehen. Am 8. März warfen wir Anker im alten Eunostos, dem neuen Hafen von Alexandria, welcher ein vortreffliches Werk und Ägyptens größter Tage würdig ist. Wir Reisende hielten jetzt Ausschau nach einer Gepäck-Anlandungsgesellschaft, die uns vor den Kasteiungen des kreischenden Bootsverleihers und des habgierigen Dragomans bewahren sollte.

Der »libysche Vorort« – die Stadt sowohl des Propheten Daniel, Alexanders des Großen und des Apostels Markus – ist nicht mehr wie im Jahre 1853 eine Stadt falscher Bezeichnungen, wo die Trockendocks immer nass und die marmornen Springbrunnen ewig trocken sind; deren »Nadel der Kleopatra« weder mit Kleopatra verbunden noch eine Nadel ist; deren »Säule des Pompeius« nie den geringsten irdischen Bezug zu Pompeius aufwies und deren »Bäder« der Kleopatra, wahrheitsliebenden Reisenden zufolge, von jeher alles andere als Bäder waren.

Doch es ist ihr unerfreuliches Schicksal, von jedem Reisenden beschimpft zu werden. Nie verbrachte ein Tourist mehr als wenige Stunden im Abbat’s oder im Hôtel de l’Europe, aber jeder wirft einen kleinen Stein auf sie. Selbst die »Gewöhnlichkeit des Westens« wirft man ihr vor! Vom Meer aus betrachtet, verlangt das große Emporium (Handelszentrum), das wir in Karatschi entrüstet ablehnen, einigen Respekt. Die in anderen Mittelmeerhäfen, insbesondere in Triest, »Verbesserungen« genannten Misserfolge sprechen für Alexandria: Die vormals schwierige und gefährliche Einfahrt ist sicher mit Bojen markiert; der das Ufer beschützende vortreffliche Wellenbrecher benötigt nur einen besseren Leuchtturm an diesem Punkt; das Innere des alten Hafens wurde mit Molen und Docks ausgestattet; der Landungsplatz wird vertieft, indem man – vielleicht ein wenig zu sehr – die küstennahen Untiefen auffüllt, und schließlich werden breite, mit Steinplatten gepflasterte Kais entlang des Hafens in absehbarer Zeit Transit und Verkehr erleichtern.

»Semper Libya novi aliquid parit«, sagt der Historiker – und niemals hat Libyen etwas glücklicher hervorgebracht als jenen neuen Hafen.

Besagte Verbesserungen, die in Alexandria wirklich diesen häufig missbrauchten Begriff verdienen, finden sich vor allem um die Place de Consuls, jetzt Méhémet-Ali-Platz genannt. Im Jahr 1853 war dieser große rechteckige Platz eine kahle, von Winden gepeitschte, unfruchtbare Wildnis, die abwechselnd von Staub und dunklem Schlamm bedeckt wurde. Seitdem nun Europa die Sache in die Hand genommen hat, entwickelte er sich zu einem hochgeschätzten Ort, gesäumt von Bürgersteigen und Gehwegen aus Stein. Die den Spaziergängern vorbehaltene innere Fläche, wo der Turban tragende Napoleon inmitten von grünenden Bäumen und fließendem Wasser auf seinem arabischen Ross sitzt, ist von Pfählen und Ketten eingefasst, und allenfalls der verschwenderische Umgang mit Metall dürfte hier als sündhaft bezeichnet werden: Sie sind massiv genug für den Notanker eines Panzerschiffes, und die mächtigen Spitzen erinnern gruselig an die Mamelukenbeys und ihre bevorzugte Bestrafungsart, welche – ohne Musurus Pascha zu nahe treten zu wollen – nicht gänzlich aus der Mode gekommen ist. Den runden weißen Bassins mangelt es nicht länger an Wasser. Es gibt kioskartige Musikpavillons, wo Musik die schönen Sommernächte belebt; die englische Kirche erscheint weniger hausbacken-hässlich, als ihr gewöhnlich nachgesagt wird, und der hellblaue Palazzo Tositza am östlichen Ende beherbergt eine hinlänglich funktionierende Stadtverwaltung sowie den Gerichtshof. Obwohl es die britische Art ist, außerhalb der Stadt zu leben, sind die alten, nach Norden gerichteten Palazzi groß und komfortabel, da sie die Meeresbrise einfangen und zugleich die Sonne ausschließen.

Aber Alexandria wird, gleich Damaskus und ähnlichen Orten, mehr von dem Land-Reisenden geschätzt, der auf anderem Wege eintrifft, wie auch von dem Zurückkehrenden, der die Stadt von Süden her betritt. Die Kairo-Eisenbahnlinie zeigt sich allen anderen weit überlegen: Selbst die von Einheimischen benutzten Bummelzüge sind pünktlich, und die Postzüge legen ihre 131 Meilen in viereinhalb Stunden zurück. In der warmen Jahreszeit ist die erste leichte Meeresbrise so erfreulich wie das erste Glas Nilwasser, und der Anblick des Máryút-Sees erfrischt Orientalen und Abendländern gleichermaßen das Auge, das unter dem blendenden Licht von Kairo und der Wüste gelitten hat. Die Hauptstraßen sind ebenfalls nach der Mode italienischer Städte mit großen Steintafeln aus jenem eolithischen Sandstein gepflastert, mit dem Triest noch immer einen schwunghaften Handel treibt. Die Häuser sind nummeriert, obwohl die Hauptverkehrsstraßen keine Namen haben.

Die europäischen Geschäfte präsentieren sich wie Kaufläden – nicht wie die erbärmlichen französischen Marktbuden der Hauptstadt, wo einem für drittklassige Artikel erstklassige Pariser Preise berechnet werden. Das »Einkaufen« ist in der Tat in ganz Ägypten ein teurer und unbefriedigender Zeitvertreib: Bei Ebners Buchhandlung in Kairo wurde ich um zehn Franken für die letzte Druckschrift meines Freundes Brugsch-Bey erleichtert, welche Leipzig für fünfeinhalb Franken verkauft, während die Zentralapotheke mir vier Franken für Augentropfen – ein halbes Quäntchen Borax in einer Rosenwasser-Phiole – abverlangte.

Der »Kanal der zwei Meere« (Suezkanal) war das erste Unglück für Alexandria, welches einmal so stolz auf seine Vorrangstellung als Hafen-Hauptstadt der Levante war. Der Hafen hatte sich zum erfolgreichen Rivalen von Algier und Smyrna entwickelt. Dem folgte am 19. April ein weiterer Schock, als der Süßwasserkanal »El Ismaelíyyeh«, der den Nil bei Kairo mit dem Timsáh-See verbindet, das Gebiet mit seinen Importen und Exporten auf den absolut kleinsten Umkreis beschränkte. Die Stadt ist arm, und ihre Armut greift um sich.

Ihr bleibt nun nichts anderes übrig, als Fisch aus dem Fieber ausbrütenden Máryút-See gegen Getreide, Wein und Öl zu tauschen, wie es mehr als eine englische Handelsgesellschaft vorgeschlagen hat. Das schwindende Fahrgastaufkommen jedoch macht die Hotels weit angenehmer und bequemer als ehedem.

Doch leider muss ich sagen, dass die Aussicht auf Bankrott keineswegs dazu angetan war, die Lebensgeister von Alexandria zu wecken. Die »Araber«, wie die Ägypter genannt werden – wahrscheinlich weil so wenig arabisches Blut in ihren Adern fließt –, sind mürrisch, und der umtriebige Stamm der Levantiner ist noch verdrießlicher. Bei einem Dschihad, einem heiligen Krieg, und dem drohenden Entfalten des Chirqa Scheríf – des heiligen und apostolischen Banners – werden die Muslime Schutz gegen die Christen anfordern. Kairo ist in Glaubensfragen immer schon gleichgültig gewesen, während Suez nach wie vor fanatisch »gläubig« ist.

Die neue Polizei in Alexandria hat einiges zur Verminderung der Plage getan, welche jeder Fremde in der »düsteren und herzbedrückenden Stadt« des Jahres 1852 zu beklagen hatte. Als der Handel mit Baumwolle und Getreide den Hafen bereicherte, verkam sie zum Diebesnest – zur gewöhnlichen Gosse für all den Abschaum und Auswurf des Mittelmeeres. Ab und an wurden energische Maßnahmen gegen die griechischen und italienischen Proleten mit ihren schnellen Messern ergriffen: Man wies sie aus, aber irgendwie gelang es ihnen, immer wieder zurückzukommen. Während meiner letzten zwei Besuche bemerkte ich jedoch eine deutliche Verbesserung in dieser Hinsicht, und zweifellos wird die Zeit das Ihre dazu tun.

Der Zustrom von Ausländern birgt gewiss Nachteile – dennoch dürfen wir unsere Augen nicht vor der Kehrseite der Medaille verschließen. Man vergleiche Ägyptens aufstrebende Hauptstadt, seinen ausgezeichneten Hafen, seinen Meeresund Süßwasser-Kanal sowie seine fünfzehn Eisenbahnlinien mit dem unglücklichen Syrien, dessen Beirut lediglich ein Dorfhafen und dessen Hauptstadt Damaskus, das »Auge des Orients«, ein baufälliger Haufen geworden ist. Seit jenen Tagen, als Ibrahim Pascha Ägypten durch Eroberungsfeldzüge zu erweitern und mit Verwaltungsreformen und verschiedenen fortschrittlichen Maßnahmen zu modernisieren suchte, kann das Heilige Land kein einziges bedeutendes öffentliches Bauwerk mehr vorweisen außer denjenigen, die ihm von den Ägyptern selbst vermacht wurden. Ibrahim Paschas Bestrebungen wurden allerdings von Lord Palmerston vereitelt, der drohte, »Mohammed Ali in den Nil zu werfen«, und dabei unabsichtlich zum Helfershelfer Russlands wurde.


Nil-Landschaft

Hätte sich Letzterer in Stambul auf den Thron gesetzt, wäre die Türkei nicht zum hoffnungslose Bankrotteur geworden – ein erobertes Königreich und Schatten seines früheren Selbst.

Die Hauptaufregung in Alexandria verursachte selbst in jenen Tagen, als die Russen am 24. April den Pruth überquerten, die große Obeliskenfrage. Mohammed Ali Pascha hatte 1801 England den Zwillingsobelisken von »Kleopatras Nadel« angeboten, der einmal den Tempel des Sonnengottes Tom in On (Heliopolis), der Stadt der untergehenden Sonne, zierte; aber England, von liberalen Wirtschaftsideen geplagt und zu arm, um 10 000 Pfund zu zahlen, hatte das Geschenk abgelehnt, das infolgedessen null und nichtig geworden war. Das Angebot wurde durch Scheríf Pascha unter dem gegenwärtigen Vizekönig wiederholt und diesmal angenommen – obwohl die Oberfläche des Obelisken im Laufe von 3500 Jahren stark gelitten hatte. Auf der nach Norden weisenden Seite ist nur die Kartusche Pharao Thuthmoses’ III. gut erhalten. Von der Unterseite, die im Erdboden gelegen hat, wurde die Erde abgekratzt, und einer örtlichen Legende zufolge kroch eine königliche Hoheit persönlich unter den »hässlichen alten Felsblock« – wie eine englische Zeitung ihn profan bezeichnet –, um festzustellen, dass der Stein in seinem feuchten Grab keinen ernsthaften Schaden gelitten hat. Ist außerdem Dr. Richard Lepsius nicht jederzeit bereit, Obeliskenschäden aller Art zu restaurieren? Anfang 1877 trat der Streit um die Große Nadel in eine absonderliche Phase, denn nun ging es um die Eigentumsfrage. M. Giovanni de Demetrio, der Antiquitätensammler, hatte Anspruch auf das Monument erhoben und war am Gericht vor Ort mit seiner Klage abgewiesen worden. Er benahm sich indessen sehr großmütig, und aus Ehrerbietung gegenüber der englischen Regierung verzichtete er auf weitere Hemmnisse. Dies wäre einige Jahre zuvor, als Ägypten noch das glückselige Jagdrevier der westlichen Barbaren war, undenkbar gewesen. Von Said Pascha – einem geistreichen Prinzen, der einen guten Scherz zu schätzen wusste – erzählt man sich, dass er, als ein wohlbekannter »Anspruchsteller« in seiner Gegenwart den Hut zog, ausgerufen haben soll: »Mein Herr, bedecken Sie sich! Wenn Sie sich eine Erkältung holen, verlangen Sie gewiss Schadenersatz von mir.«

Kurz nach meiner Abreise aus Ägypten erhielt Herr Dixon, von löblicher Wissbegierde getrieben, am 20. Juni 1877 die Erlaubnis, den Sockel des stehenden Obelisken »Kleopatras Nadel« freizulegen. Ihm waren gewisse »eigentümliche Kerben« im Sockel des umgestürzten Pendants sowie mysteriöse Bronzestatuen am antiken Modell im Madrider Museum aufgefallen. Er stellte fest, dass die vier unteren Ecken des Monolithen abgeschlagen worden waren und eine in den Säulenschaft eingelassene Metallstange erkennen ließen, welche ihn mittels bemerkenswert gut gearbeiteter, Krabben darstellender Bronzefüße mit dem Granitsockel verbindet. Ursprünglich waren nur die Tiere sichtbar, und glücklicherweise blieb eines der südlichen erhalten und zeigt zwei bedeutende Inschriften. Diejenige an der Außenseite trägt in gut leserlichen Buchstaben fünf achtel Zoll hoch folgende Inschrift:

H KAIΣAPOS

BAPBAPOS ANEΘHKE

APXITEKTONOΥNTOS

ΠONTIOY.

Und auf der richtigen Seite oder der südsüdwestlichen Klaue lesen wir:

ANNO VIII

AVGVSTI CAESARIS

BARBARVS PRAEF

AEGYPTI POSVIT

ARCHI TECTAN TE

PON TIO

Für diese Informationen und die begleitenden Skizzen habe ich den Herren W. E. Hayns und Willoughby Faulkner zu danken. Sie fügten hinzu, dass alle Füße der erhalten gebliebenen Krabbe verstümmelt worden sind und durch grob behauene Steinbrocken ersetzt wurden, die man mit Lehm und schlechtem Kalk eingepasst hat. Da der Obelisk etwa acht Zoll vom Sockel angehoben worden ist, ruht das ganze Gewicht auf dem Mauerwerk und dem Metallträger; denn die Nadel hat eine »Schräglage« in Richtung Meer nach Nordwesten; die steinernen Stützen sind gesprungen und das ehrwürdige Relikt wird alsbald fallen, wenn nicht umgehend etwas getan wird. Wollen wir hoffen, dass es nicht das Schicksal des alten Orotava-Drachenbaumes auf Teneriffa teilen muss, dessen von ständigem und widerstreitendem Rat gequälter Eigentümer schließlich gar nichts unternahm, um ihn zu retten.

Herrn Hayns zufolge gab die Mauer in der Nachbarschaft des Obelisken, als sie zerstört wurde, den Abschnitt eines Pfeilers frei, der eine fragmentarische lateinische Inschrift in einer Einfassung enthielt. Sie scheint ebenfalls aus Kaiser Augustus’ Tagen zu datieren und bestätigt so die Inschrift auf der Krabbe. Man liest auf der Spitze EIA, gefolgt von einigen unentzifferbaren Schriftzeichen, und an der Basis AVG LIB.

Was der Reisende in Alexandria und Kairo sofort bemerkt, ist das Fehlen humanitärer Schutzvereine. Das gemeine Volk ist in der Regel weder wild noch brutal, wie gewiss einige seiner nördlichen Nachbarn es sind, aber die Menschen sind gedankenlos grausam, ähnlich Kindern, die anderen Lebewesen Schmerz zufügen, ohne es zu wissen. Die Mietdroschken und Zugtiere übertreffen jene zu Kairo bei Weitem, und wo die Europäer zahlreich sind, hat sogar der Eseljunge gelernt, dass der Ungläubige stets einen Esel mit möglichst wenig wunden Stellen bevorzugt und ein vierbeiniges einem dreibeinigen Kutschpferd vorzieht. Aber sogar hier müssen wir oft überflüssige Hiebe und Schläge mit ansehen, die jeden empören, der auch nur einen Funken Mitgefühl hat; in der Regel wird hemmungslos von der Peitsche Gebrauch gemacht. Viele, die nicht mit dem Lande vertraut sind – insbesondere Damen –, haben vorgeschlagen, die grausame Behandlung durch gesetzliche Maßnahmen einzudämmen. Seine Hoheit hat Zustimmung zu dem Unterfangen bekundet, und seine Beamten befürworten im Allgemeinen die Schaffung zivilisierter Sitten. Getan worden ist indes nichts. Zweifellos wären folgende Schritte erforderlich: Umlauf einer Petitionsliste, Bemühung um einen Abgeordneten aus London – einen sachkundigen Mann mit Erfahrung, der eine Zeit lang in Ägypten residieren würde – und schließlich Durchsetzung von Anordnungen, wonach die Polizei summarisch alle skandalösen Fälle von Tierquälerei verfolgen und mit Körperstrafen ahnden dürfte, die ihr von tadellos beleumundeten Einwohnern zur Kenntnis gebracht werden.


»Kleopatras Nadel« Obelisk und Krabbe

Schon bald würde eine solche Schulung eine spürbare Verbesserung im Benehmen eines Volkes bewirken, das so fügsam wie intelligent ist.

Die Europäer, und besonders die Engländer von Alexandria, sind glücklich, ihren eigenen Bezirk, den »Ramleh« (der Sandhaufen) zu haben. Dies war das alte Juliopolis und Nicopolis, das römische Zeltlager. Heute trennen es nur vier kurze Meilen unbewohnten Gebiets von der Stadt, welche sich früher etwa vier Wegstunden ostwärts bis zum Kap Zephyrion von Aboukir ausdehnte und gut und gern drei Millionen Seelen beherbergte. Eine Eisenbahnlinie, die von morgens früh bis Mitternacht in Betrieb ist, verläuft parallel zu der römischen Streitwagenstraße. Sie durchquert einen Haufen von Ruinen, die jetzt als Steinbrüche dienen, und schlängelt sich durch die Töpferei-Hügel, montes testacei genannt, das Kerámia der Griechen. Wahrscheinlich sind deshalb nur wenige Funde gemacht worden, weil es keine planmäßige Grabung gegeben hat; und das Wenige, was gefunden wird, wird nicht aufbewahrt. So zum Beispiel das kleine dorische Heröon, ein aedicula-in-antis an der Ramleh-Küste, von dessen elf aus dem Sandstein gehauenen und mit dem härtesten Muschelkalk einzementierten Säulen nur drei übrig geblieben sind; die christliche, in der südlichen Flanke des Karmús-Plateaus eingegrabene Begräbniskapelle aus dem 4. Jahrhundert auf der anderen Seite Alexandrias ist vollständig ausgeplündert worden.

Die Franzosen besetzten »an dem denkwürdigen 1. März 1801« die höchsten Punkte der heutigen Ramleh-Eisenbahnstrecke und begingen den fatalen Fehler, eine beherrschende, durch Geschützbatterien verstärkte Stellung zu räumen, während die Engländer zwischen Casa Grace und der Station auf »Cäsars Zeltlager« ungünstig postiert waren. Die Schlacht wurde auf jenem Streifen lockeren Sandes ausgefochten, der das Meer von dem schönen Seeausläufer Khazrá, einer östlichen Fortsetzung des Máryút-Sees, trennt. Reverend Davis, Kaplan in Alexandria, bestreitet, dass die Engländer hier Meerwasser eingeleitet und das Land ruiniert hätten. Er behauptet, sie hätten lediglich den Süßwasser-Kanal unterbrochen, der die zwei benachbarten Nilarme verbindet; außerdem sei an den tiefsten Stellen des Máryút-Sees, die sich etwa acht Fuß unter dem Niveau des Mittelmeeres befanden, schon immer Sickerwasser eingedrungen. Die militärischen Fehler auf beiden Seiten waren augenscheinlicher als in den meisten Schlachten: Wir hätten starke Verluste vermeiden können, wenn wir am Ausläufer des Sees entlangmarschiert und in die Flanke des Feindes eingeschwenkt wären. Nur wenige wissen, dass Abercrombie zu der kleinen Moschee von Ramleh gebracht wurde, nachdem er seine tödliche Wunde empfangen hatte. Wir können aber kaum erwarten, die bescheidenen Monumente unserer ritterlichen Landsleute dort noch vorzufinden, wo doch selbst das »Soma« Alexanders und das Heiligtum des heiligen Markus vergessen sind: Der Evangelist wurde – wie allgemein bekannt ist – ordentlich in einem Ballen oder einem Fass Schweinefleisch verpackt nach Venedig abtransportiert.

Der Zug, welcher die Schlachthäuser passiert, wo die Paria-Hunde besonders bei Nacht und am frühem Morgen ihres Lebens nicht sicher sind, hält an einem der Paläste, mit denen Unterägypten dieser Tage in sämtlichen Himmelsrichtungen übersäet ist. Der Hof aber besucht ihn niemals, da er Schauplatz schmerzlicher Ereignisse war. Er ging in Flammen auf, und Aufbau und Wiederaufbau sollen eine Million Pfund Sterling verschlungen haben. Noch im Jahr 1853 schlugen Besucher von Ramleh auf dem Sandkamm, der sich am kühlen, sanftblauen Meer erhebt, ihre Zelte auf; bald danach begannen sie, hier und da Bungalows auf den Klippen zu bauen, welchen jetzt die Zerstörung durch die Wellen droht. Das Land gehört niemandem, aber etwa vierzehn Stämme elender Zeltbewohner – ein Viertel Beduinen und drei Viertel Fellachen – wittern Piaster; und wie es die allgemeine Gewohnheit dieses Volkes ist, gelingt es ihnen, sich einen Besitztitel zu verschaffen. Ramleh hat seine eigene kleine aus Holz gebaute Station, offensichtlich in japanischem Stil, sein Geisterhaus, sein »Tollhaus« und sein Hotel, das »Beauséjour«, welches seit dem Tod des armen Bulkeley in voller Blüte steht, und es hält die traditionelle Gastfreundschaft aufrecht, für die Alexandria, anders als Kairo, immer berühmt gewesen ist.

Die Lektion, die wir in Alexandria lernen und bei Kairo wiederholen, besagt, dass seine Interessen umso besser befördert werden, je mehr (ehrliche) Ausländer in Ägypten beschäftigt werden. Im Jahr 1840 gab es 6150; 1871 waren es bereits 79 696 und für 1877 können wir von insgesamt mehr als 80 000 ausgehen. Pfarrer F. Barham Zincke bemerkt in seinem einfühlsamen Band – mit einem allerdings unlauteren Titel – treffend, dass die Nil-Niederung zwischen der Zeit der Pharaonen und der Khediven immer nur dann in Blüte stand, wenn sie selbstständig war; das sei die logische Auswirkung ihrer geographischen Eigenheiten, ihrer Entwicklung und ihrer Bevölkerung. Ich will sogar so weit gehen zu behaupten, dass Syrien an Ägypten wieder angegliedert werden sollte, um es zu vervollständigen. So will ich denn hoffen, dass es bald seine Unabhängigkeit wiedererlangen wird. Ich bin überzeugt, dass sein Fortschritt und seine Entwicklung, welche allein durch die Abhängigkeit von Stambul behindert wird, die Welt in Staunen versetzen wird, sobald es nur seine Freiheit zurückerhalten hat. Es bietet Raum für seine Bevölkerung, und dies nicht nur in den reichen Weideländern am Isthmus und in der oberen Nilregion, sondern auch überall westwärts, in Darfur, Waday und der Somali-Küste über Zaylá und Berbera; und es hält Harar besetzt, welches bald eine wichtige Station auf der Hauptfernverkehrsstraße zwischen dem Roten Meer und den Seegebieten von Zentralafrika werden wird. Ein Land, dessen Winterklima köstlich und dessen Luft der Vorbeugung gegen die Gicht zuträglich ist, sollte dem britischen Herzen stark zusagen.

Die Strecke zwischen Alexandria und Kairo führt durch eine wunderbare Landschaft, die sich mit der südenglischen Surrey-Ebene vergleichen lässt. Sowohl Städte als auch Dörfer zeigen Anzeichen von Prosperität, die ihnen 1820 vom großen Mohammed Ali aufgezwungen wurde, einem Fürsten, dessen Andenken mit jeder Generation strahlender erscheint. In Birket el-Sa’ab, der Station zwischen Tantah-Nord und Benhá-Süd, erkundigte ich mich nach der Kutn el-Bámiyeh, der Hibiskus-Baumwolle, die dort von einem Kopten etwa 1873 entdeckt und 1877 geerntet wurde – und wahrscheinlich schon 1878 den Markt beeinflussen wird. Der arabische Name scheint die Theorie der Araber zu belegen, wonach die Pflanze eine Kreuzung von Baumwollstrauch und Hibiskus sei. Dies ist offensichtlich unmöglich, und doch wird ernsthaft damit experimentiert, beide gemeinsam anzupflanzen. Die »Malven-Baumwolle« präsentiert sich als ein gerader einzelner Stängel von zwölf bis siebzehn Fuß Höhe, der dreißig bis sechzig, ja sogar bis zu neunzig Kapseln trägt. Sie wird im März gepflanzt und im September herausgerissen; pro Feddán2 oder dem kleinen ägyptischen Morgen erbringt sie achtzehn bis achtundzwanzig Kantár (Zentner), statt vier bis fünf der El-Aschmuni’-Sorte, die bisher als die höchste Qualität galt. Das trockene Exemplar, das mir von Herrn Vetter aus Zagázig gezeigt wurde, hat vier Stängel, und in der Blüte und der Kapsel entdeckte ich sofort die gewöhnliche baumartige gossypium religiosum, mit den lockeren schwarzen Samen und der feinen langfaserigen Linterolle (Fussel) der Sorte Unyamwezi. Die Abart hat zweifellos per Zufall ihren Weg von Zentralafrika herauf gefunden, und möglicherweise schon bevor der clevere Kopte auf den Gedanken verfiel, sie zu sammeln. In Triest wurde sie von meinem gelehrten Freund Cav. de Tommasini sorgfältig untersucht, der mit Dr. de Marchesetti in der oben gegebenen Beschreibung übereinstimmt.

Bis jetzt hat sich die Neuentdeckung allerdings als Misserfolg erwiesen. In den Exemplaren, welche mir Herr Clarke geschickt hatte, war die Baumwolle in den Samenkapseln am unteren Stängel gut, wurde aber schlechter und schlechter, je höher die Kapseln am Stängel standen; an der Spitze schließlich, wo sie schnell verdorrte, taugte sie überhaupt nichts mehr. Züchter haben versucht, Fehler in der Pflanzzeit, schlechte Pflege, ungünstiges Wetter und dergleichen mehr ins Feld zu führen, aber die Entschuldigungen sind nicht stichhaltig.

Der große Strauch gedeiht unter den feuchten Himmeln von Unyamwezi; aber im trockenen Ägypten bringt er eine armselige Faser hervor, die sich kaum mit den bunten einheimischen Sorten vergleichen lässt, obwohl das Gegenteil beteuert wurde. Überdies laugt das üppige Wachstum den Boden aus und erfordert mehr Düngung, als der Fellache sich leisten kann, denn er ist gezwungen »Kuhfladen« als Brennstoff zu nutzen. Wenn man das Experiment weiterführen will, muss man diesen Baumwollstrauch frühzeitig auf den nährstoffreichsten Böden anpflanzen, die vom »großen Vater«, dem Nil, fruchtbar gemacht wurden.

Der untere Nil bestätigt bemerkenswerterweise das von – wie ich glaube – den Russen zuerst entdeckte Gesetz der Flüsse. Der Strom wird westwärts durch die Erdrotation abgelenkt, welche sich auf jeden Abschnitt entlang eines Meridians in nordsüdlicher bzw. in südnördlicher Richtung auswirkt. Die von mir auf dem Indus angestellten Beobachtungen fanden durch die Ingenieure der alten französischen Expedition ihre Bestätigung. Sie sagten einen Rückgang der Wassermenge im östlichen Arm des Deltas voraus, und jetzt bemerken wir, dass sich das Wasser allmählich verringert und der Damietta-Zweig bereits zu verschlammen beginnt.

Die Goldminen von Midian

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