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IN MEKKA UND MEDINA

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Im Anschluss an seine Zeit als Offizier in Indien blieb Burton fast vier Jahre in Europa, schrieb und studierte. Zu dieser Zeit, in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts, waren die Menschen in ganz Europa so sehr an Geographie interessiert wie heute an der Weltraumforschung. Es war daher für Burton nicht schwierig, einen Geldgeber für einen gut durchdachten Reiseplan zu gewinnen. Sein Ziel: die islamischen heiligen Städte Mekka und Medina.

Im Herbst 1852 bot Richard Burton der Royal Geographical Society seine Dienste an, um »den gewaltigen weißen Flecken, welcher in britischen Kartenwerken noch immer die östlichen und zentralen Regionen Arabiens ziert, auszutilgen«. Sein Plan war, im omanischen Maskat zu landen und das leere Viertel in Richtung Mekka und Medina zu durchqueren.

Im April 1853 verließ Burton die englische Hafenstadt Southampton in Gestalt eines vermögenden Persers. Während der ganzen Reise war er akribisch bemüht, sich an die orientalischen Sitten anzupassen. Selbst solche Details wie die muslimische Art und Weise, ein Glas Wasser zu trinken, studierte Burton: »Er ergriff den Trinkbecher, als wäre es die Kehle eines Feindes, und beendete den Vorgang mit einem befriedigten Grunzen.«

Nach einem Monat in Ägypten entschied er, die Gestalt des persischen Adligen abzulegen und in die Verkleidung eines wandernden Derwisches zu schlüpfen. Dass er sich seiner persischen Verkleidung entledigte, hatte gute Gründe, waren doch die schiitischen Perser in ganz Arabien als Häretiker ungeliebt und verachtet. Einige Zeit später nahm er seine endgültige Maskierung an: Er gab sich fortan als britischer Untertan afghanischer Herkunft aus, der in Rangun als Arzt ausgebildet worden war. Er kaufte sich die passende Reisekleidung: einen gewaltigen, breiten gelben Regenschirm, einen hölzernen Kamm, eine Ziegenhaut als Wasserbehälter, einen groben persischen Gebetsteppich, welcher außerdem als Bettstatt diente, ein baumwollenes, plüschbesetztes Kissen und ein Betttuch. Ein Dolch, ein Tintenfass aus Messing und ein Federhalter staken in seinem Gürtel, ein Rosenkranz, mehrere Nadeln und »ein erbsengrüner Behälter mit roten und gelben Blumen, der zweimal am Tag vom Kamel fiel«, vervollständigten seine Ausrüstung. Seine Geldmittel für die Reise waren fünfundzwanzig Goldmünzen in einem Gürtel unter seinen Kleidungsstücken.

Burton empfand das Milieu von Alexandria als wohltuend: Er traf dort auf das, was die Araber »Kaif« nennen: »Den Reiz einer tierischen Existenz; das passive Vergnügen des reinen Sinnes; die wohltuende Schlaffheit, die traumhafte Ruhe, das verstiegene Schlösser-Bauen, welches in Asien anstelle des kraftvollen, intensiven, passionierten Lebens in Europa stand.«

Mit einem älteren, schon etwas asthmatischen Dampfer gelangte er nach Kairo und nahm dort Unterkunft in einer Pension für Ägypter, einem sogenannten Wakalah. Er praktizierte dort als Arzt. Seine Wertschätzung unter der Bevölkerung vergrößerte sich außerordentlich, nachdem er zwei abessinische Sklavenmädchen vom Schnarchen kuriert hatte. Burton nahm auch an Disputen der theologischen Fakultät der Al-Azhar teil, denn ein religiöser Irrtum oder ein Verstoß gegen die orthodoxen Regeln in Mekka und Medina würden bei Weitem aufschlussreicher sein als irgendwelche linguistischen Fehler. Es konnte viele Erklärungen für fehlende Perfektion in der Sprache geben, aber keine für eine religiöse Handlung, die kein Muslim durchführen würde.

Burton war fast reisefertig, als er einen interessanten Besucher des Wakalah traf – einen albanischen Offizier, der gerade aus dem Hedschas abgereist war und ihm faszinierende Geschichten von Gold in den Bergen Midians erzählte. Burton lud ihn in sein Zimmer ein. Nachdem sie ihre Dolche weggelegt hatten, gingen die beiden Männer daran, sich zu betrinken. Sie riefen nach Tanzmädchen und taumelten in einen Schlafraum, wo sie von zwei alten Frauen in die Flucht geschlagen wurden. Sie beschimpften in maßlosen Worten die Ägypter, und der albanische Trinkkumpan drohte gerade das Blut des Pförtners zu vergießen, als es Burtons Diener schaffte, den Säufer ins Bett zu bringen. »Kein walisischer Student in Oxford«, schrieb Burton stolz, »hat unter ähnlichen Umständen jemals mehr Unruhe verursacht.«

Es war nach diesem Gelage kaum überraschend, dass Burton es für angebracht hielt, Kairo so schnell wie möglich zu verlassen. Er fand einen Beduinen vom Sinai, der ebenfalls zu Burtons Zwischenstation Suez unterwegs war, und mietete zwei Kamele. Danach begab er sich mit seinem indischen Diener nach Suez. Auf dem Weg dorthin traf er mehrere angesehene Händler aus Medina, die nach Hause zurückkehrten, und einen Einwohner aus Mekka, den er in Kairo getroffen hatte, einen Mann namens Muhammad al-Basyuni. Sie schlossen sich für die weitere Reise zusammen.

Von Yanbu al-Bahr, dem Hafen Medinas, aus heuerte die Reisegruppe Kamele mit Treibern an, die sie nach Medina bringen sollten. Es war eine Reise von zweihundertfünfzig Kilometern, die acht Tage dauerte, da die Kamele nur dreieinhalb Kilometer pro Stunde zurücklegten. Auf dem Weg hatte die Karawane eine tiefe Schlucht zu passieren, die als Pass der Pilger oder Teufelsschlucht bekannt war. Dort wurde sie erwartungsgemäß von Räubern überfallen. Stammesleute schwärmten wie Hornissen aus und nahmen sie unter Gewehrfeuer. Die Eskorte befand sich in großen Schwierigkeiten, da der Gegner aus eigens zu diesem Zweck errichteten Steinmauern heraus schoss, und falls einer der Beduinen getötet worden wäre, hätte sich die ganze Bevölkerung der Umgegend der Schlacht angeschlossen und die Karawane schließlich überwältigt. In einer solchen Situation musste sich die Reisegruppe glücklich schätzen, mit einem Verlust von »nur« zwölf getöteten Männern entkommen zu können.

Am 25. Juli 1853 erreichte Burton Medina, wo er über einen Monat blieb. Er widmete einen ganzen Band der Beschreibung der Stadt und der religiösen Riten, an denen er teilnahm. Doch er war nicht sonderlich beeindruckt von der Grabesmoschee des Propheten, welche er als »unbedeutend und kitschig« empfand: »Sie vermittelt den Eindruck eines zweitrangigen Museums, eines Kuriositätenladens, voll von Schmuck und mit armseligem Glanz dekoriert.« Burtons Gemüt wurde mehr durch den großen Friedhof al-Baqi‘ bewegt, welcher am Tag des Jüngsten Gerichts Zeuge der Auferstehung von hunderttausend Heiligen mit Gesichtern gleich Vollmonden sein soll.

Für die Fortsetzung der Reise nach Mekka bedurfte es einiger Vorbereitungen – so mussten etwa die Wasserschläuche, die von Ratten angenagt worden waren, repariert und Vorräte für vierzehn Tage besorgt werden. Burton marschierte mit Muhammad und seiner Eskorte hauptsächlich in der Nacht. Ein solcher Reiseabschnitt dauerte von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr am folgenden Morgen. Es gab natürlich wieder einen Hinterhalt auf dem Weg, und nur wenige Meter von Burton entfernt wurde ein Kamel durch einen Flintenschuss getötet.

Am 11. September 1853 erreichte Burton Mekka, wo er alle Riten des Hadschs unter der Anleitung seines Reisegefährten Muhammad durchführte. Dieser arrangierte auch, dass Burton das Innere der Kaaba betreten und den Schwarzen Stein küssen konnte. Burton steinigte den Teufel an den drei vorgeschriebenen Stellen, wie es die orthodoxen Rechtsschulen forderten, und erlebte die große Predigt, die Chutba, welche die Pilgerfahrt alljährlich beschließt. »Ich habe religiöse Zeremonien in vielen Ländern gesehen«, schrieb er, »aber nie war irgendetwas so feierlich, so beeindruckend wie dieses Schauspiel.«

Die Reisegruppe ritt weiter nach Dschidda, wo im letzten Moment auch Muhammad begriff, dass er »einen Sahib aus Indien« eskortiert hatte, »der über unsere Bärte gelacht hat«.

Burtons Bericht über diese Pilgerfahrt beinhaltet, wie alle seine Bücher, eine Unmenge detaillierter Beobachtungen, gelehrte Fußnoten, dazu aber auch haarsträubende Vorurteile, das alles durchsetzt mit einem eher grimmigen Humor. Sein Bericht bereicherte das Wissen der Orientalistik über die heiligen Stätten des Islam, doch vor allem übermittelte er die Atmosphäre der Wallfahrt spannender als irgendeiner seiner Vorgänger und berichtete auch eine Reihe seltsamer Details. So beobachtete er, dass die Augenkrankheit grauer Star mit gerösteten Maultierzähnen behandelt wurde und diese in zermahlener Form den Beduinen auch als Puder dienten. Er erzählte, wie die Affen mit ihren rosaroten Hinterteilen im Hedschas Vögel fangen: Die Affen legen sich mit dem Gesicht nach unten auf die Lauer – und die Vögel stürzen sich auf das vermeintliche Stück Fleisch. Ein anderer Affe, der sich in der Nähe in einem Gebüsch versteckt hält, stürzt sich seinerseits auf den hungrigen Vogel und dreht ihm den Hals um. Burton studierte intensiv die Märkte von Medina und stellte fest, dass man frische Straußeneier kaufen und dass ein äthiopisches Sklavenmädchen mehr als zwanzig Pfund kosten konnte. Schließlich zeigte er auch großes Interesse für die Beduinen und stellte Ähnlichkeiten zwischen den Tänzen der Beduinen und denen der Indianer Amerikas fest. Es verging indes fast ein Vierteljahrhundert, bevor Burton nach Arabien zurückkehrte und sich jenes Zechkumpans entsinnen sollte, der ihm von Gold in den Bergen Midians erzählt hatte.

Die Goldminen von Midian

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