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Wir Fanboys

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Ich steh auf der Straße. Schon wieder. Ein halbes Jahr ist es her, da feierte ich meine 15 Minuten Weltruhm, als Käufer des ersten iPads. Damals hatte ich an der Fifth Avenue in Manhattan campiert, um das Gerät möglichst schnell in die Finger zu bekommen. Mit mir: Tausende von Apple-Fans, die vor dem New Yorker Flagship-Store ausharrten. Für einen Computer! Jetzt stehe ich hier in München. In der Schlange. Wieder mal. Geschichte wiederholt sich.

Man hätte ja auch im Internet bestellen können – aber mal ehrlich, wo bleibt denn da der Spaß? „Steh’ an, wenn Du ein Fanboy bist!“ Public Cueing ist das neue Public Viewing. Fehlt nur noch die Vuvuzela.

Es gibt Regeln in so einer Schlange. Beim Austreten zum Beispiel. Auf internationalem Asphalt hat sich eine Viertelstunde bewährt. Wer länger wegbleibt, verliert den Anspruch auf seinen Platz. Nur 15 Minuten – damals in New York nicht ganz unproblematisch. Vor allem nachts, wenn die Bars und Restaurants in der Nachbarschaft dicht machen. Der Pförtner des Plaza, ein 5-Sterne-Nobel-Hotel schräg gegenüber, zeigte sich gnädig. Sicher auch ein Fanboy.

In der Schlange damals habe ich auch viele neue Bekanntschaften gemacht. Dean, 26, Informatik-Student aus den Hamptons. Der hatte extra seine Vorlesung geschwänzt. „Das ist das iPad“ sagte er mit funkelnden Augen. „Vielleicht das größte Ding überhaupt!“

Jetzt stehe ich also wieder in der Schlange und beobachte die Menge. Was sind das für Leute, die sich sowas antun? Haben die nichts Besseres zu tun? Was auffällt: wie schon in New York stammen auch hier alle aus einer Generation. Was die wohl beruflich machen, dass die es sich leisten können, an einem gewöhnlichen Werktag hier auf der Straße rumzulungern? Und woher haben die das Geld? Ist ja nicht ganz billig, der Spaß. Der Mann hinter mir heißt Günther. Er sagt, er habe noch nie gern gearbeitet. Lieber genießt er das Leben. Wie Recht er hat!

Unruhe kommt auf. Das Gerücht macht die Runde, dass die Kontingente schon restlos ausverkauft seien. Ein Fotograf kommt vorbei und macht Fotos für die Lokalseite. Einen solchen Menschenauflauf hat es hier schon lange nicht mehr gegeben.

Ich weiß noch, was zuhause los war, als ich in New York in der Schlange stand. In der Arbeit haben sich meine Kollegen die Mäuler zerrissen: Schlange stehen! Öffentlich! Sowas könne man doch nicht tun! Das schade der journalistischen Glaubwürdigkeit! Sagen ausgerechnet jene Kollegen, die immer ganz vorne mit dabei sind, wenn es Presse-Geschenke oder Journalistenrabatte gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein Mitarbeiter kommt aus dem Gebäude und verkündet, es sei alles weg, restlos ausverkauft. Ein Raunen geht durch die Menge. Günther, der Mann hinter mir, zuckt mit den Schultern. „Kann man nichts machen“, sagt er. Der nächste Vorverkauf ist in zwei Wochen. Dann wird der pensionierte Lehrer wieder hier stehen. „Die Karten im Internet bestellen?“, der 68jährige winkt ab. „Das Anstehen ist er mir wert, der Dieter Hildebrandt.“

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