Читать книгу Ich muss fast nichts und darf fast alles! - Richard Kaan - Страница 12
Wer ein Hobby hat, macht aus Freizeit Freuzeit3
ОглавлениеAls Beispiel fällt mir Angeln ein, das allerdings für mich persönlich wenig Anreiz hat. Denn entweder muss ich den gefangenen Fisch töten, oder, sofern ich ihn wieder ins Wasser werfe, habe ich ihn – meiner Meinung nach – davor sicherlich gequält. Dessen ungeachtet kann ich durchaus verstehen, dass zum Beispiel Fliegenfischen eine besondere Herausforderung bedeutet. Auch das Jagen ist vermutlich eine Quelle der Freude, wenngleich Treibjagden mit weiß Gott wie vielen erlegten Tieren für mich eher abstoßend denn animierend sind. Dass aber das Wild gefüttert, im Winter gehegt und dessen Bestand reguliert gehört, ist wohl in Ordnung. Selbst wenn Jagen im fortgeschrittenen Alter noch gut möglich wäre, so sehe ich dennoch Limits, was die körperlichen – und geistigen – Voraussetzungen betrifft.
Unzählige harmlose(re) Möglichkeiten für Hobbys kommen mir in den Sinn, wenn ich über freudvolle Tätigkeiten nachdenke: Papierfalten (Origami), Zügen nachsehen, Landkarten lesen, Gedichte reimen, Streiken gehen, Gerichtsverhandlungen vor Ort verfolgen, Briefmarken oder Autoquartetts – vielleicht sogar ganze Oldtimer – sammeln, Schnitzen, Karten spielen, Wolken beobachten, Stadtführungen mitmachen, Baumhäuser für Enkel bauen, Theater spielen, Töpfern, Tanzen, einem Chor beitreten und vieles andere mehr. Wichtig ist bei allen Tätigkeiten aber nicht nur die Beschäftigung an sich, sondern ebenso, dass wir dabei oft unseren Körper und unser Hirn miteinbeziehen müssen. Gelegentlich sogar beide Hirnhälften auf einmal, so beim Tanzen oder Musik machen. Musizieren stellt überhaupt ein Feld dar, bei dem ein gemeinsames Erleben, sowohl was Aufführungen betrifft als auch das Üben, gleichzeitig Herausforderung und Freude sein können.
Und selbst wenn man es allein betreibt, kann es große Zufriedenheit auslösen. Lassen wir Michael berichten: „Ich erinnere mich ganz genau an den Tag, an dem es ‚ZOOOM‘ machte. Zartes Noch-Jungenalter, im Sommer 1969. Familienurlaub am Kärntner Badesee, in der Pension beim Bauern Allesch. Der Frühstücksraum erfüllt vom Duft frischer Semmeln, Kaffee, Butter, Marmelade. Ich hatte gerade diese lange, legendäre Fernsehnacht der ersten Mondlandung hinter mich gebracht. Trotz bleierner Gliedmaßen gestattete mir das aufgewühlte Gehirn keine Ruhepause, ich zog mich daher in das kleine Extrazimmer zurück; und da stand sie: die Musicbox. So ein Wurlitzer mit vielen kleinen schwarzen Scheiben. (Für unsere Digi-Generation: Das waren sogenannte Schallplatten, Singles mit einer A- und einer B-Seite.) Beim eingehenden Betrachten der Musiktitel fielen mir einige englischsprachige auf, die ich nicht kannte. Ich investierte ein paar eingesteckte Schillinge (für Millennials: damalige österreichische Landeswährung), nicht ahnend, dass genau diese Münzen die weitere Entwicklung meiner musikalischen Geschmacksnerven nachhaltig beeinflussen sollten. Mit drei Songs.
Dann nämlich kam der ‚ZOOOM‘. Ein sägendes Gitarren-Riff drang über die Gehörgänge Richtung Cerebral-Lappen, meine möglicherweise vorhandene „Rock’n’Roll-Sicherung“ brannte durch. Von den Haar- bis zu den Zehenspitzen spürte ich: das ist neu, rau, das ist schmutzig, und ja, es fährt dir in die Knochen! Emotion pur.
Über Jahrzehnte hinweg durchlebte ich die verschiedensten Genres, von Folk über Mainstream, Blues, Jazziges bis hin zu klassisch Orientiertem. Zum Glück hat es die Opern-Hochkultur kaum in meine Rock’n’Roll-Seele geschafft. Wie auch, wenn man im Jahr des Woodstock-Festivals (das ich erst später retrospektiv nacherlebte) seine grundsätzliche Prägung erfährt.
Viel Erlebtes, Freudiges, Trauriges, persönliche Highlights plus Katastrophen liegen zwischen diesem Tag damals und heute. Eines steht unverrückbar fest: Rock’n’Roll will never die.“
Klassische Konzertabende eignen sich ebenfalls hervorragend dazu, sie allein zu genießen, wenngleich ich meine, dass das Vergnügen zu zweit oder in Gesellschaft größer ist. Gerne gehen meine Frau Herta und ich zu diesen Abenden, was aber nicht heißt, dass wir alles gemeinsam tun.