Читать книгу Das Ketzerdorf - In Ketten - Richard Rost - Страница 8
1
ОглавлениеKonstantinopel, Frühjahr 1577
Eine bunte Versammlung von Trägern verschiedenster Uniformen, glänzender Rüstungen und blinkender Waffen, von denen jeder glaubte, wichtiger zu sein als die anderen, lieferte sich im Diwan, dem Versammlungsraum des Sultans, ein ohrenbetäubendes Geschrei. Einmal im Jahr, zum Halbmond nach Ramadan, fand diese Zusammenkunft der Legaten und Abgesandten des Militärs, Schiffbaus, der Versorgung und des Straßenbaus statt. Es galt, die Erfolge, Verluste und Nachschubfragen des Osmanischen Reiches zu erörtern.
Der Reichswesir Sokollu Mehmed, ausgestattet mit den Insignien eines Paschas, verschaffte sich nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich Gehör: »Ihr verehrungswürdigsten Offiziere, Befehlshaber, Kommandeure und Kapitäne. Welch große Taten habt ihr vollbracht zu Ruhm und Ehre unseres erhabenen und allmächtigen Sultans. Ihr habt das Reich vergrößert, Städte, Häfen und Meere gesichert, unseren Widersacher, den Habsburger, in die Schranken gewiesen und damit die Überlegenheit des Osmanischen Reiches demonstriert. Kaiser Rudolf II. lenkt nun seit einem halben Jahr die Geschicke des Habsburgerreiches. Er legt sein Augenmerk nicht auf die große Politik, sondern fördert die Künste, die Kultur und die Wissenschaften. An seinem Hof in Wien arbeiten die berühmtesten Mathematiker, Astronomen, Maler und Architekten. Militärische Angelegenheiten, Grenzsicherung und Waffenkammern interessieren ihn nicht. Zudem ist er mit Religionsstreitigkeiten beschäftigt, die das ganze Land in Zwist und Unruhe versetzt haben. Und so frage ich euch: Wie können wir im Reich von der Schwäche des Monarchen profitieren?«
»Zuerst einmal sollten wir nicht über die Grenzen blicken, sondern im eigenen Land für Fortschritt und Verbesserung sorgen!«, rief eine Stimme aus dem Hintergrund.
»Ne tür aptalsınız!1 Egal, ob der Kaiser schwach ist, das westliche Kriegswesen ist uns um mehr als eine ganze Generation voraus, daran müssen wir arbeiten. Wir sind nicht einmal in der Lage, die beschlagnahmten Waffen zu bedienen, geschweige denn, sie nachzubauen«, ertönte die hohe Stimme eines untersetzten Offiziers mit schwarzem Bart, rotem Kopf und funkelnden Augen.
Die Umstehenden nickten zustimmend.
»Wir haben unsere Flotte wieder aufbauen können, viertausend Galeeren liegen kampfbereit in den Häfen. Aber was nützt es uns? Mit Armbrüsten haben wir jämmerlich versucht, unsere Schiffe gegen die Kanonen der Habsburger zu verteidigen. Schande über uns!«, ergänzte ein hochdekorierter Kapitän.
»Die Zeit ist günstig, das Abendland wird von Hungersnöten und Seuchen geplagt. Manch einer der Handwerker denkt vielleicht daran, sein Glück in der Ferne zu suchen«, verkündete ein anderer Minister mit großer Gestik.
»Wie stellt ihr euch das denn vor, meine Freunde? Nur ein Einfaltspinsel, wie ich einer bin, entschuldigt den Begriff, Sokollu Mehmed, verlässt freiwillig seine Heimat und seine Familie. Die Pfaffen im Abendland rufen es täglich von den Kanzeln, dass wir Türken für alles Böse in der Welt verantwortlich sind. Die Stimmung ist gegen uns. Und außerdem: Jeder Meister ist strengstens darauf bedacht, seine Geheimnisse besser zu hüten als die Jungfräulichkeit der eigenen Töchter.« Die Turbane wippten unter dem Gelächter ihrer Besitzer. »Wir brauchen Spione, die versuchen, sich Zugang zu den Gießereien und Werkstätten zu verschaffen. Wir brauchen das Wissen, und wenn wir die Waffen bauen können, dann können wir sie auch bedienen«, fuhr der Dolmetsch fort und jeder im Diwan wusste, dass dieser sicherlich nicht zu den Einfältigen gezählt werden konnte.
Der Minister kam auf ihn zu. »Ich werde mit dem Sultan über dieses Problem sprechen, das meiner Meinung nach dringend angegangen werden muss, und vielleicht brauchen wir dann auch deine Hilfe. Ich habe eine Idee, wie wir uns das Wissen über die neueste Technik beschaffen könnten.«
»Mein Herr, es ehrt mich, und ich bin beschämt, Euer geschätztes Vertrauen genießen zu dürfen. Ihr könnt dem Sultan bestellen, dass er immer auf meine Hilfe zählen kann.« Insgeheim hoffte der Dolmetsch, dass der Minister ihn nicht in die finsteren und unsicheren Städte des Abendlandes zurückschicken würde.
1 Was seid ihr doch Dummköpfe!