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II. Robert de Taube und das Horster Grashaus
ОглавлениеRobert de Taube besuchte bis 1906 die jüdische Volksschule in Neustadtgödens, die zu diesem Zeitpunkt knapp 20 Schüler aufwies. Wie er selbst erzählte, schwänzte er, bis die Sache schließlich aufflog, mit Unterstützung eines Knechts des Vaters häufig den Unterricht in der Volkschule, um lieber den Vormittag auf den Weiden zu verbringen. Anschließend trat er in die Sexta des Wilhelmshavener Kaiser-Wilhelms-Gymnasiums ein. Dort machte ihm der Lateinunterricht aber so große Schwierigkeiten, dass ihn der Vater auf die Oberrealschule schickte. Nach einem Konflikt mit einem Lehrer musste er 1912 diese Schule verlassen und machte seinen Abschluss 1914 auf der Oberrealschule in Oldenburg, wo er im Haus des Landesrabbiners David Mannheimer Kost und Logis hatte. Durch ständige Mithilfe und Beobachtung lernte er auch in den Jahren danach von der Pike auf alle Facetten des Berufs des Landwirts kennen und besuchte zusätzlich die Berufsschule in Wilhelmshaven. Seine Militärzeit während des Ersten Weltkriegs absolvierte er von Herbst 1916 bis Ende 1918, unter anderem bei einem Garderegiment in Berlin.
Anfang der 1920er Jahre verpachtete Samuel de Taube das Horster Grashaus an Robert und dessen sieben Jahre älteren Bruder Ernst, der ebenfalls eine Ausbildung zum Landwirt durchlaufen hatte. Ernst hielt sich meist in Wilhelmshaven auf, regelte im Wesentlichen die geschäftlichen Abläufe und führte zusammen mit dem Bruder Kurt, einem Kaufmann, ein gemeinsames Kontor mit einer Sekretärin im Souterrain der Adalbertstraße 34. Kurt besaß direkt daneben, in der angrenzenden Viktoriastraße 10, ein Haus, in dem er auch wohnte. Als Hauptlandwirt zog Robert zusammen mit seinem Vater nach Horsten, während die Mutter wegen des höheren Wohnkomforts das Wilhelmshavener Haus dem rustikalen Gutshaus vorzog. Dieses besaß nämlich nur eine stinkende Außentoilette neben der Scheune, ein zweisitziges Plumpsklo mit beweglichem Kindersitz. Das Frischwasser musste mit der Handpumpe gefördert werden.4
Bereits 1923 erhielten die „Gebr. de Taube“ bei der „Friesenwoche Leer“ ein Diplom „für hervorragende Leistungen“ verliehen. Es folgten Zertifikate der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (1927) sowie eine ganze Reihe von Auszeichnungen durch das Ostfriesische Stutbuch e.V. Norden für die Zucht des ostfriesischen Warmblutpferdes. Das Horster Grashaus galt selbst in der NS-Zeit noch als Musterbetrieb und wurde bei der landwirtschaftlichen Ausbildung vorgeführt. Samuel de Taube kaufte um das Jahr 1930 herum außerdem das Gut Cospa von 120 Hektar bei Eilenburg in Sachsen und ließ es ebenfalls unter Mithilfe seiner Söhne bewirtschaften. Im Juli 1932 brannte durch plötzliche Selbstentzündung der Heumassen die Scheune des Grashauses völlig ab, einige Kälber kamen um. Das Wohnhaus konnte durch Einsatz der Feuerwehren gerettet werden.5 Umgehend erfolgte der Neuaufbau.
Ein Grund für den großen Erfolg des Grashauses war neben dem agronomischen Wissen, dem Gespür für die Bedürfnisse der Märkte und der soliden betriebswirtschaftlichen Führung sicherlich auch, dass die de Taubes es vermochten, besonders qualifizierte Mitarbeiter an sich zu binden, die häufig Jahrzehnte lang bei ihnen arbeiteten. Sie schreckten auch selbst vor keiner körperlich harten Arbeit zurück, schnackten meistens Plattdeutsch und blieben trotz des Wohlstands volkstümlich in Auftreten und Kleidung. Am frühen Morgen nahmen alle, also auch Samuel und Robert de Taube, in der „Stube“ des Gutshauses ein kräftiges Frühstück ein, bei dem auch das jeweils folgende Tagewerk besprochen wurde. In den Vorkriegsjahren arbeiteten auf dem Grashaus neben den beiden Wirtschafterinnen drei Mägde, die für das zweimal täglich anfallende Melken und die allgemeine Sauberkeit zuständig waren, sowie fünf Knechte beziehungsweise Landarbeiter. Vorabeiter war Harm Eilers, der insgesamt über 50 Jahre im Dienste der de Taubes stand. Mägde und Landarbeiter wohnten teilweise in Verschlägen in der Scheune.
Die Scheune des Horster Grashauses mit dem Pferdestall im Mai 1971
(© Sammlung Pohl, Lexington, Kentucky)