Читать книгу Schwerter gegen Bestien: Fantasy Sammelband 1026 Seiten Sword & Sorcery - Robert E. Howard - Страница 4
ОглавлениеVorwort des Autors
Wie kann im grauen Alltag ich stehn,
Wie lauschen anderen Tönen,
Wenn in meiner Seele stets
Die Trommeln der Pikten dröhnen?
– Die Trommeln der Pikten –
––––––––
ÜBER EINES MEINER STECKENPFERDE bin ich mir selbst heute noch nicht im klaren. Ich will ihm weder eine esoterische noch eine mystische Bedeutung zumessen, doch bleibt die Tatsache bestehen, daß ich es weder erklären noch verstehen kann. Es handelt sich um mein Interesse an einem Volk, das ich der Einfachheit halber stets als Pikten bezeichnet habe. Natürlich ist mir bewußt, daß die Richtigkeit des Begriffs diskutiert werden kann. Das Volk, das in der Geschichte unter dem Namen Pikten bekannt ist, wird verschiedentlich als Kelten, als Ureinwohner und selbst als Germanen bezeichnet. Einige Fachleute behaupten, sie wären nach den Briten, doch kurz vor den Galen nach Britannien gekommen. Die „Wilden Pikten von Galloway“ der frühen schottischen Geschichte und Legende waren zweifellos eine sehr gemischte Rasse, wahrscheinlich hauptsächlich keltischer Abstammung – sowohl cymrischer wie auch gälischer –, und sprachen eine Abart des Cymrischen, vermengt mit Elementen aus dem Gälischen und der Sprache der Ureinwohner sowie einigen Wörtern aus dem Germanischen und Skandinavischen. Wahrscheinlich wurde die Bezeichnung „Pikten“ nur für den wandernden Keltenstamm angewendet, der sich in Galloway angesiedelt hatte und dort die Urbevölkerung unterworfen hatte, worauf er von dieser absorbiert worden war.
Für mich ist der Pikte jedoch stets der kleine, dunkle Ureinwohner Britanniens mediterraner Abstammung. Dies ist nicht weiters verwunderlich, denn als ich zum erstenmal von dieser Rasse las, wurde sie als Pikten bezeichnet. Verwunderlich hingegen ist mein nie erlahmendes Interesse für sie. In schottischen Geschichten stieß ich zuerst auf sie. Da wurden sie nur gelegentlich erwähnt und zumeist in negativem Zusammenhang. Sie müssen wissen, daß meine Geschichtskenntnisse in meiner Kindheit lückenhaft und oberflächlich waren, darauf zurückzuführen, daß ich auf dem Lande wohnte, wo entsprechende Bücher selten waren. Ich war ein Enthusiast der schottischen Geschichte, weil ich aufgrund meiner Herkunft mich mit den Angehörigen der Clans verwandt fühlte. In den kurzen Abhandlungen, die ich las, wurden die Pikten nur selten erwähnt; so zum Beispiel, als sie von den Schotten besiegt wurden, oder in der englischen Geschichte, daß die Briten ihretwegen die Sachsen zu Hilfe gerufen hatten. Die beste Beschreibung, die ich zu dieser Zeit von ihnen hatte, bestand in einer Bemerkung eines englischen Historikers, daß die Pikten rohe Wilde waren, die in Lehmhütten hausten. Und den einzigen Hinweis auf ihr Aussehen, den mir die Legende gewährte, stammt aus einer Beschreibung, die Rob Roy der abnormen Länge seiner Arme wegen mit den Pikten vergleicht und kurz deren gedrungenes Aussehen und affenartige Erscheinung erwähnt. Sie werden erkennen, daß alles, was ich zu dieser Zeit über die Pikten gelesen hatte, nicht gerade dazu angetan war, Bewunderung zu erwecken.
Als Zwölfjähriger befand ich mich eine kurze Zeit in New Orleans und entdeckte in einer Bibliothek in der Canal Street ein Buch über die Geschichte Britanniens von prähistorischen Zeiten bis zur Eroberung durch die Normannen. Es war für Jugendliche geschrieben und in romantischem Stil abgefaßt. Wahrscheinlich enthielt es viele historische Unkorrektheiten, doch erfuhr ich dadurch zum erstenmal von dem kleinen, dunkelhäutigen Volk, das als erstes Britannien besiedelte und das als Pikten bezeichnet wurde. Ich habe stets ein eigenartiges Interesse für den Namen und das Volk gehabt, und danach wurde die Faszination noch stärker. Der Autor beschrieb die Ureinwohner auch nicht in besserem Licht, als es die anderen Historiker getan hatten: Sie waren verschlagen, hinterhältig, unkriegerisch und den nachfolgenden Völkern gänzlich unterlegen. Zweifellos entsprach dieses Bild der Wahrheit, und doch fühlte ich starke Sympathie für dieses Volk und machte sie damals zu meinem Bindeglied mit den alten Zeiten. Ich machte aus ihnen eine starke, kriegerische Rasse von Barbaren, gab ihnen eine ehrenhafte Geschichte vergangenen Ruhmes und erschuf einen großen König für sie: Bran Mak Morn. Ich muß gestehen, meine Phantasie hat mich bei der Namensgebung dieser Figur ziemlich im Stich gelassen, die plötzlich und völlig ausgereift in Gedanken vor mir stand. Viele Könige in den piktischen Chroniken haben gälische Namen, doch in Einklang mit meiner Vision der piktischen Rasse sollte ihr großer König einen nicht-arischen Namen haben. Aber ich nannte ihn Bran nach einer anderen meiner historischen Lieblingsgestalten, dem Gallier Brennus, der Rom einnahm. Das Mak Morn stammt von dem berühmten irischen Helden Gol Mac Morn. Ich veränderte die Schreibung des Wortes Mac, um ihm ein nicht-gälisches Aussehen zu verleihen, nachdem das gälische Alphabet kein k kennt und das c stets wie k ausgesprochen wird. Während also Bran Mac Morn „Der Rabe, Sohn des Morn“ auf gälisch heißt, hat Bran Mak Morn keine gälische Bedeutung, sondern eine rein piktische, deren Wurzeln sich im nebligen Labyrinth der Vergangenheit verlieren. Die Ähnlichkeit mit dem gälischen Ausdruck ist ganz einfach ein Zufall!
Bran Mak Morn hat sich im Laufe der Jahre nicht verändert; er sieht noch genauso aus, wie er mir plötzlich vor dem geistigen Auge erschien: ein Mann mittlerer Größe mit unergründlichen, schwarzen Augen, schwarzem Haar, dunkler Haut und pantherhaften Bewegungen. Als ich von den Pikten las, ergriff ich stets ihre Partei gegen die einwandernden Kelten und Germanen, die ja eigentlich meine Vorfahren sind. Meine Vorliebe für dieses fremdartige Steinzeitvolk war besonders in frühen Jahren so stark, daß ich mit meinem nordischen Aussehen unzufrieden war. Und wäre es nach meinen Kindheitsträumen gegangen, so wäre ich heute klein, untersetzt, besäße starke, gedrungene Glieder, kleine schwarze Augen, eine niedrige, fliehende Stirn und glattes, dickes, schwarzes Haar. So stellte ich mir den typischen Pikten vor. Ich vermag diese Vorliebe nicht mit Bewunderung für eine Person gleichen Aussehens aus meinem Bekanntenkreis zu erklären. Nein, sie erwuchs allein aus meinem Interesse an dieser mediterranen Rasse, die als erste Britannien besiedelte.
Mein Interesse an den Pikten war stets mit einem Fantasy-Element versehen. Damit will ich sagen, daß sie für mich nie so real waren wie die Iren oder die Schotten. Das heißt nicht, daß ich sie weniger deutlich vor mir sah, aber als ich über sie schrieb, geschah dies durch fremde Augen. So erzählte ich Die im Dunkeln wohnen, meine erste Bran-Mak-Morn-Geschichte, von der Warte eines gotischen Söldners der römischen Armee aus. In einem langen erzählenden Gedicht, das ich nie fertigstellte, war ein römischer Zenturio auf der Mauer des Hadrian die Hauptperson, in Das verschwundene Volk ein Brite und in Herrscher der Nacht ein gälischer Prinz. Nur in meiner letzten Bran-Erzählung, Würmer der Erde, sah ich durch piktische Augen, sprach ich die piktische Zunge!
In Beherrscher der Nacht beschreibe ich die Anstrengungen Roms, die wilden Völker Kaledoniens zu unterwerfen. Die Personen und die Handlungen sind fiktiv, der Hintergrund aber ist historisch. Wie Sie wissen, ist es den Römern nie gelungen, ihre Grenzen weit in die Heidelandschaften vorzutreiben, und sie zogen sich nach mehreren erfolglosen Unternehmungen hinter ihre große Mauer zurück. Ihre Niederlage muß durch eine kurzzeitige Allianz zustande gekommen sein, wie ich sie etwa beschrieben habe: ein Zusammengehen von gälischen, cymrischen, piktischen und eventuell germanischen Kräften. Ich bin mir ziemlich sicher, daß germanische Siedler bereits lange vor der Völkerwanderung Kaledonien infiltriert hatten.
In Würmer der Erde griff ich wiederum Brans ewigen Kampf gegen Rom auf. Ich kann ihn mir kaum in einem anderen Zusammenhang vorstellen. Manchmal glaube ich, Bran ist nur das Symbol meines eigenen Antagonismus gegen das Römische Reich –ein Antagonismus, der bei weitem nicht so leicht zu verstehen ist wie meine Vorliebe für die Pikten. Zum erstenmal las ich das Wort „Pikten“ auf Landkarten, und jedesmal außerhalb der weitgestreckten Grenzen des Römischen Imperiums. Diese Tatsache erregte mein besonderes Interesse, sie deutete heftige Kriege an, wilde Schlachten, erbitterten Widerstand, Ruhm, Heldentum und Erbarmungslosigkeit. Ich war ein instinktiver Feind Roms, und daraus ergab sich meine instinktive Vorliebe für die Feinde Roms und besonders diejenigen Feinde, die sich allen Unterwerfungsversuchen erfolgreich widersetzt hatten. Als ich in meinen Träumen –richtigen Träumen, nicht etwa Tagträumen – gegen die gepanzerten Legionen Roms focht und verwundet zurücktaumelte, erschien vor meinen Augen wie aus einer fernen Zeit das Bild einer Landkarte mit dem Römischen Reich und außerhalb dessen Grenzen der Unterwerfung die mystische Bezeichnung „Pikten und Schotten“. Und jedesmal verlieh mir ein Gedanke neue Kräfte, der Gedanke, bei den Pikten Zuflucht finden zu können, um nach der Verheilung meiner Wunden erneut den Kampf aufzunehmen.
Eines Tages werde ich einen Roman schreiben, der in diesem nebligen Zeitalter spielt. Mir die Freiheiten erlaubend, die dem Verfasser historischer Romane angeblich erlaubt sind, wird die Handlung etwa folgendermaßen aussehen: Gleichzeitig mit dem Nachlassen des römischen Druckes auf Britannien nimmt die Einwanderung der Germanen vom Osten her zu. Von der Küste Kaledoniens ausgehend, drängen diese weiter nach Westen, bis sie in heftigen Konflikt mit den älteren gälischen Siedlern geraten. Auf den Ruinen des uralten Königreichs der Pikten treten diese kriegerischen Stämme gegeneinander an, wenden sich dann jedoch einem gemeinsamen Feind zu, den einfallenden Sachsen. Ich plane die Erzählung als Geschichte von Nationen und Königen anstatt von Individuen. Zweifellos werde ich sie nie schreiben.
Robert E. Howard