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Viertes Kapitel.

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Rasputins Aufstieg ging mit derselben Selbstverständlichkeit vor sich, die sich in dem Wesen dieses merkwürdigen Mannes ausprägte und Natur zur Unnatur, Sinnlosigkeit zur Logik werden liess.

Rasputin kehrte von Zarskoje Selo, wohin ihn die Grossfürstin Elisabeth Feodorowna gebracht hatte, mit einem siegessicheren Lächeln in das Schusterheim am kleinen Prospekt zurück.

Akulina erwartete ihn in grosser Erregung.

„Nun?“ fragte sie, als er eintrat und den schwarzen Mantel ablegte.

Rasputin nahm ihre Hände.

„Es kam, wie ich es voraussah!“

„So sprich!“

„Ich habe den Zaren gesehen!“

„Du . . . hast . . . den Zaren gesehen? Und — gesprochen?“

„Und gesprochen!“

„Und gesprochen! Ich habe den Zaren nie von Angesicht zu Angesicht gesehen. Sprich! Wie sieht er aus?“

„Er ist ein seelenreiner, aber schwacher Mann. Er sehnt sich nach der Aufklärung durch das Licht. Ich werde es ihm bringen. Ich werde meine Hände auf das Haupt des Zarewitsch legen, Tag um Tag, bis der böse Geist, der ihm Krankheit gebracht hat, daraus vertrieben ist. Und die Zarin! Unglückliche, schöne Frau!“

In seine Augen trat ein Leuchten. Seine Lippen umspielte ein Lächeln. Akulinas Arme weckten ihn zur Wirklichkeit.

„Du wirst also jetzt öfters bei Hofe erscheinen?“

„Ja, Akulina.“

„Oh, Grigori, wie bin ich stolz auf dich!“

Er hob ihre schlanke Gestalt zu sich empor. Seine Brust weitete sich. Sein Haupt hob sich . . . Und so schien er wahrhaft grösser zu werden. Die aufgeregte Phantasie Akulinas sah seine Gestalt bis zur Decke wachsen …

Von einer nervösen Leidenschaft ergriffen, presste sie ihre Lippen auf die feinen. Er hielt ihren schlanken jungen Leib mit dem selbstsicheren Griff unüberwindlicher Kraft. Akulina seufzte unter dieser Brutalität und war doch namenlos glücklich.

Der Schuster war nicht zuhause. So störte sie niemand.

Akulina atmete schwer und stammelte:

„So erzähle doch, Grigori! Erzähle!“

„Täubchen, es ist nicht viel zu erzählen. Ich wurde nicht nach Zarskoje Selo geführt. Die Zarin wünschte mich im Winterpalast zu sprechen. Ich weiss nicht warum. Man führte mich durch die Gärten der Eremitage. Ich schritt durch schwer duftende Beete von arabischen Anemonen und chinesischer Bengalrosen. Schwere klosterartige Bogengänge nahmen mich auf. Man geleitete mich über einsame, marmorne Treppen. Dann stand ich in einem Saale, der Kaiserin gegenüber. Sie ist edel und schön, mein weisser Wolf . . . ihre Augen leuchteten mir entgegen wie Sterne in der Nacht. Um sie standen mehrere Damen ihres Dienstes, die Grossfürstin Sergius, zwei Herren in Uniform, die mir nicht bekannt waren.

Die Grossfürstin benahm sich gegen mich mit derselben Freundlichkeit wie auf der Soiree. Sie führte mich zur Zarin. Ich küsste ihr Gewand. Die Zarin fragte mich mit leiser Stimme, die ebenso melancholisch wie ihr Lächeln ist, ob es wahr sei, dass ich mich besonderer Kräfte rühmen dürfe.

Ich antwortete, dem sei wohl so, denn ich sehe oft die Mutter Gottes von Kasan und habe auch sonst nächtlich sonderbare Begegnungen. Ich hätte ein Gesicht gehabt, in dem ich von Petersburg aus weit in das Land einen Strom von Blut habe fliessen sehen, viele weisse Körper seien darin getrieben . . . alle westwärts, nach Polen zu . . .

Die Kaiserin wandte sich erschüttert ab.

„Es ist noch nicht genug,“ hörte ich sie murmeln. „Es ist noch nicht genug.“

Die Grossfürstin Sergius weinte. Über alle Damen kam eine grosse Bewegung, und dies war meinem Gesicht günstig. Denn ich erkannte nun, dass Russland in Bälde in einen furchtbaren Krieg würde verwickelt werden, dessen Ausgang nicht den Wünschen des Zaren entsprechen könnte. Die Zarin sah mich mit tränenschweren Augen an.

„Ich ahne es,“ stammelte sie. Einer der Herren aus der Umgebung der Kaiserin schien von meinen Worten nicht erbaut zu sein. Er bat ihre Majestät, einige Fragen an mich richten zu dürfen, und ich merkte wohl, dass er mich prüfen wollte. So fragte er mich nach einigen Dingen, die mir nicht bekannt sein konnten, und über die nur die Anwesenden unterrichtet waren, so über den Gesundheitszustand des Zaren, über einige Regierungshandlungen seiner Majestät und über ein Vorkommnis in einer der letzten Nächte. Ich weiss nicht wie es kam — aber ich las den Anwesenden die Gedanken von den Mienen ab, und meine Antworten erschütterten die Kaiserin so sehr, dass sie befahl, ich möchte hier warten, sie begebe sich nur zu ihrem Gemahl.

Die Grossfürstin drückte mir die Hand und sagte, ich sei ein geweihter Mann mit ungewöhnlichen Gaben. Die Herren unterhielten sich flüsternd. Da trat der Kaiser ein.

Er sah müde und abgespannt aus. Hinter ihm trat ein hoher, finsterer Mann in der Uniform eines Generals ein und musterte mich mit scharfen grauen Augen. Ich erkannte an der Nase sofort den Grossfürsten Nikolajewitsch, und nun begann der Kaiser in seiner und der Kaiserin Gegenwart, nachdem das Gefolge den Saal verlassen hatte, ein Verhör mit mir, in dessen Verlauf ich ihm viele Dinge sagte, die seinen Beifall und sein Erstaunen hervorriefen. Als ich auf mein Gesicht zu sprechen kam, das wohl den Krieg gerkündete, nickte der Grossfürst beifällig und schnitt mir jede weitere Bemerkung ab mit dem Zwischenruf: „Dieser Krieg, Majestät, wird als letztes Diadem Konstantinopel in Eure Krone fügen.“

Der Kaiser nickte und lächelte verloren, wie es so seine Art ist. Die Kaiserin wagte nicht, wie ich sofort bemerkte, zu widersprechen oder mich aufzufordern, meine wahre Meinung kundzugeben. Und ich war zu klug, sie auszusprechen. Später werde ich auch ihm die Stirne bieten.“

Das Mädchen schauerte. Rasputin sprach, als gelte es die gleichgültigsten Dinge der Welt. In der Tat hatte er die Gabe des zweiten Gesichts, und seine Äusserungen und Vorausahnungen waren geradezu erstaunlich. Aber mit dieser seltenen und wundersamen Gabe verband sich eine Eitelkeit, die zur Prahlerei neigte, eine Selbstüberhebung, die entschlossen war, jeden Weg zu gehen, der zur Höhe führte.

Akulina strich über sein Haar und legte den Schwur ab, ihn nie zu verlassen. Sie wollte weder seine Gattin noch seine Geliebte sein. Sie begnügte sich damit, ihm als Sklavin zu dienen.

Rasputin erwiderte, sie sollte seine Sekretärin werden, er wolle sie zur Mitwisserin all seiner Geheimnisse machen, denn er sei überzeugt von ihrer Treue und Ergebenheit.

Sie sass auf seinem Schosse und hielt sich an seinen Armen fest. Da ging die Tür auf und Dr. Wassilieff trat ein.

Er ging seit mehreren Tagen mit düsteren Entschlüssen umher. Das veränderte Wesen seiner Braut war ihm nicht entgangen. Er vertraute sich schliesslich Pureschkiewitsch an, der sein Freund war.

„Überzeuge Dich, ob der verdammte Mönch und Spion ihr Gemüt verwirrt hat,“ antwortete dieser. „Dann nimm ihn dir vor und vertreibe ihm die Luft, solch edles Wild zu jagen.“

Mit diesem Rat war Wassilieff nicht gedient. Aufgewachsen in Armut, von Studium und Sorgen zermürbt, mit keiner besseren Nahrung als Tee und Zwieback, war Wassilieff nicht imstande, einen Entschluss zu fassen, der Kraft zur Durchführung voraussetzte.

Er war ein armer Neurastheniker, dessen ungewöhnliche Energie nur im Geistigen wurzelte, wo ihm freilich eine bedeutende Zukunft zu winken schien.

Der Gedanke, Akulina könnte sein Vertrauen missbrauchen, raubte ihm jede Überlegung und rief eine Panik seiner Gedanken und Gefühle hervor.

So umschlich er seit Tagen das Haus, ohne den Mut zu finden, sich einmal zu überzeugen.

An diesem Tage nun trat er ein, gerade in dem Augenblick, als die helle Stimme Akulinas dem düsteren Liebhaber Treue und sklavische Ergebenheit zusicherte.

Wassilieff fand die Geliebte in den Armen dieses robusten Mönches, und augenblicklich setzte sein Herz aus. Er fühlte einen Schwindelanfall, bezwang sich aber und trat näher. Akulina war in der ersten Bestürzung von Rasputin weggerückt. Sie sah fassungslos auf den Jüngling, der bis dahin ihre Lebenshoffnung gewesen war und dem sie sich keineswegs entfremdet fühlte. Im Gegenteil, sie litt unter der Erkenntnis, dass sie ihn liebte, vielleicht ihn allein, und dass doch eine andere, fremde Macht es nicht duldete.

Dass ein fremder Wille von ihr Besitz ergriffen hatte. Dieser Wille lähmte ihre Zunge.

Die Anklagen Wassilieffs ergossen sich wie ein Strom gegen ihr Herz. Er klagte wie ein zu Tode Getroffener und verfluchte Rasputin, der diese Worte mit der Gleichgültigkeit eines Menschen auf sich wirken liess, der gegen jeden fremden Schmerz gepanzert ist.

Schliesslich stürzte Wassilieff gänzlich verzweifelt fort. Akulina wollte ihn aufhalten, da sie Schlimmes befürchtete.

Aber Rasputin hielt sie zurück. Vor seinen Augen verkroch sich ihr Wille.

Hätte sie in diesem Augenblick erfahren, dass dieser Ahasver eine Frau mit zwei Töchtern besass, sie hätte doch nicht anders handeln können, denn er behauptete: „Was ich tue, tue ich unter göttlicher Gnade. Unreines wird rein, denn die Gnade ist in mir.“

Rasputin

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