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Aufgaben des Zelebranten

Als Fachperson für rituelle Handlungen ist ein Zelebrant auf die zentralen menschlichen Übergangsrituale spezialisiert. Somit beziehen sich die Hauptaufgaben auf die Taufe, die Pubertätsinitiation, die Hochzeit, die Scheidung und das Bestattungsritual. Da verbindliche Grundlagen und Vorschriften für diese Rituale fehlen und die Betroffenen explizit keine bestehenden kirchlichen Rituale wünschen, müssen Alternativen gesucht, entwickelt und angeboten werden. Das bedeutet nicht zwingend, dass für jeden Kunden ein neues Ritual erfunden werden muss. Bestehende Rituale können auch reaktiviert, angepasst und weiterentwickelt werden, stets mit dem Ziel verbunden, bei den Betroffenen eine «heilende» Wirkung auszulösen. Oft ähneln diese Rituale den bestehenden kirchlichen Ritualen, sie unterscheiden sich aber im Wesentlichen in der freien Wahl des Durchführungsorts, der Inhalte und des Ablaufs. Das Miteinbeziehen der Kunden in die Planung stellt sicher, dass die Beteiligten vom Ritual bewegt und gleichzeitig keine Tabus gebrochen werden.

Selbstverständlich kann der Aufgabenbereich eines Zelebranten auf andere rituelle Handlungen ausgeweitet werden – stets unter der Voraussetzung, dass die ethischen Grundwerte eingehalten werden (siehe weiter unten «Ehrenkodex für Zelebranten»).

Entwickeln, Anpassen und Verändern von Übergangsritualen

Übergangsrituale werden in allen Kulturen und Religionen in unterschiedlichen Formen durchgeführt. Wichtige Funktionen dieser Rituale sind die Festigung des Glaubenssystems und die Bindung an die Gemeinschaft beziehungsweise an die Kirche. In den meisten Religionen werden diese Rituale nach einem festen Ritus durchgeführt, der von Zeit zu Zeit an gesellschaftliche Veränderungen angepasst wird. Jüngstes Beispiel einer solchen Anpassung in der katholischen Kirche ist die Heraufsetzung des Firmalters von 13 auf 18 Jahre. Damit wird die Firmung1 der staatlichen Volljährigkeit mit 18 Jahren gleichgestellt. Als weiteres Beispiel sind die Bestattungsrituale in säkularisierten Ländern Europas zu nennen. Da heute eine Mehrheit die Kremation2 einer Erdbestattung vorzieht (in der Schweiz werden ca. 85 Prozent der Menschen kremiert), müssen auch die Bestattungsrituale diesen Veränderung angepasst werden.

Die Entwicklung von Übergangsritualen ist in der Regel ein evolutionärer und stetiger Prozess. Das heisst, die bestehenden Rituale werden bei Bedarf mit kleinen Änderungen angepasst. In unseren multikulturellen Gesellschaften werden Elemente unterschiedlicher Rituale miteinander kombiniert, verändert und weiterentwickelt. Dieser Adaptionsprozess wurde schon früher praktiziert. Beispielsweise haben Christen rituelle Elemente der Kelten, die in der Bevölkerung sehr verbreitet und stark verankert waren, übernommen. Dies erklärt beispielsweise, weshalb der Tannenbaum das Symbol des christlichen Weihnachtsfest ist, obwohl er einer vorchristlichen Tradition entstammt.

Rituale und ihre Symbole werden oft mit einer Religion gleichgesetzt, sind manchmal negativ besetzt oder werden tabuisiert. Das Kreuz beispielsweise wird häufig mit dem Christentum assoziiert, obschon das Symbol schon in vielen vorchristlichen Religionen verwendet wurde. Deshalb ist es wichtig, diese scheinbaren Details bei der Anpassung von Ritualen zu berücksichtigen. Kleine Adaptionen der Rahmenbedingungen oder Hilfsmittel können die Wirkung eines Rituals massgebend verändern.

Es ist davon auszugehen, dass die meisten Rituale irgendwo auf der Welt schon einmal praktiziert wurden. Da Rituale von unterschiedlichen Faktoren (Ort, Zeitpunkt, Teilnehmende, Hilfsmittel, Leitung u. a.) abhängen, sind unzählige Variationen möglich. Werden überlieferte Rituale in einen bestimmten Kontext gestellt, wirken sie für die Betroffenen wie «neue» Rituale. Beispielsweise ist eine Jazzbeerdigung (New Orleans Funeral) bei einer protestantischen Abdankung in der Schweiz nicht üblich und kann deshalb bei einigen Gläubigen Unverständnis und Verunsicherung auslösen. Unbekannte Rituale müssen deshalb im Vorfeld transparent gemacht werden, damit die Betroffenen nicht überfordert sind und auch von der Möglichkeit Gebrauch machen können, dem Ritual fernzubleiben.

Rituale können gesellschaftlichen Veränderungen angepasst, müssen aber nicht ständig verändert werden. Erfolgreiche Rituale sollen wiederholt werden, so lange sie eine positive Wirkung erzielen und von den Betroffenen nachgefragt werden.

Unbekannte Rituale müssen den Teilnehmenden unbedingt im Voraus erklärt werden, damit sich diese darauf einstellen oder auf die Teilnahme verzichten können.

Durchführen von Übergangsritualen

Die Durchführung beziehungsweise die Leitung von Ritualen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die einen hohen Grad an Verantwortung erfordert. Im Gegensatz zu vielen anderen Tätigkeiten kann ein Übergangsritual in der Regel nicht wiederholt werden – eine Taufe, eine Pubertätsinitiation oder eine Beerdigung sind einmalige Momente, die dadurch noch bedeutungsvoller werden. Dies erfordert eine besondere Achtsamkeit und Sorgfalt. Der Kunde legt die Verantwortung für das Gelingen des Rituals in die Hände des Zelebranten, der dafür sorgen muss, dass alles wunschgemäss abläuft. Dies setzt aber auch voraus, dass dem Zelebranten die uneingeschränkte Leitungsverantwortung übertragen wird. Leitung heisst in diesem Zusammenhang nicht nur Begleiten, sondern auch Führen. Somit übernimmt der Zelebrant in seiner Rolle die Gesamtverantwortung, was oft grossen Erwartungsdruck und eine entsprechende Belastung erzeugen kann.

Übergangsrituale können meistens nicht wiederholt werden, weshalb sie für die Beteiligten einmalig sind.

Handbuch für Zelebrantinnen und Zelebranten

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