Читать книгу Bob Dylan - No Direction Home - Robert Shelton - Страница 33
UND SEI ES NOCH SO SPIESSIG
ОглавлениеBobs Eltern versuchten, ihm die Musik nicht direkt auszureden, aber natürlich konnten sie seine Leidenschaft nicht teilen. Manchmal brachte er Le Roy und Monte zu Proben mit nach Hause, meistens dann, wenn seine Eltern nicht da waren. Erst im Rückblick begriffen Abe und Beatty, dass etwa ab seinem 14 Lebensjahr Bob sich unerbittlich von allem, was ihnen teuer war, entfernte. Dylan kam auf die Flucht aus Hibbing in Form einer metaphorischen Frage zu sprechen: »Kennst du den Geruch von Geburt? Das ist der Grund, warum ich immer weg muss, wenn sich etwas Neues ereignet hat.« Hier ging es im Speziellen darum, dass er in Woodstock jedes Mal nach der Beendigung eines Albums in ein neues Haus umgezogen war. Er betonte aber, dass dieses Fliehen vor einer Art Tod, diese Flucht vor einer Geburt einfach fest in seinem Charakter verwurzelt sei. Ein anderes Mal sagte er: »Es gab eine Menge Leute, die mich ganz geradeaus und einfach nett behandelt haben, damals, als ich noch ein Niemand war. Weißt du, ich war nie einer, der nach Hause gehen konnte. Ich hatte nie ein Zuhause, wohin ein Bus mich so einfach gebracht hätte. Ich bin nicht stolz drauf. Ich würde das nicht in einem Text rezitieren. Ich habe meinen Weg ganz allein gemacht. Ich konnte das nur machen, weil es mir egal war. Aber jetzt bin ich hier … Ich muss akzeptieren, was ich getan habe, wo ich gelandet bin und was aus mir geworden ist.«
Seine Eltern hätte es entsetzt, zu erfahren, dass ihr Sohn sich bei ihnen nicht zu Hause fühlte. Abe glaubte immer noch, dass Bob die Schule beenden und ins Familiengeschäft einsteigen würde. So oft er konnte, erfand Abe etwas, was Bob im Geschäft erledigen musste. Es war von Anfang an eine verlorene Schlacht. Bob pflegte »wegzulaufen« zu seiner Musik, seinem Schreiben, seiner Lektüre hinter der verschlossenen Tür seines Zimmers. »Bist du da, Bobby?«, rief seine Mutter oft die Treppe hinauf. Er könnte geantwortet haben: »It's all right, Ma, I'm only reading« (Ist schon gut, Ma, ich lese bloß)[61].
»Er hat sich nie von der Familie oder den Freunden abgesondert, nur sehr viel geträumt«, erzählte mir Beatty 1966. »Er träumte von dem, was er werden würde … Architekt oder Astronaut … Wie oft dieser Junge seiner Großmutter gesagt hat: ›Oma, eines Tages werde ich ganz berühmt sein. Du wirst dir nie um irgendwas Sorgen machen müssen.‹ Er hat ihr gesagt, er würde viel Geld verdienen und es ihr nie an etwas fehlen lassen.« Immer wieder fragte ich die Eltern ausdrücklich danach, wie es mit seinem Schreiben anfing.
Die Mutter: »In aller Heimlichkeit hat Bob oben in seinem Zimmer mit dem Schreiben begonnen. Er hat alle Bücher gelesen, die er kriegen konnte … An Comics hat er nur gekauft, was ihm intelligent vorkam, wie die Illustrierten Klassiker. Er war sehr viel in der Bücherei. Wir haben uns kaum je über die Bücher unterhalten … Wir haben nur viel gelacht und geredet.« Der Vater: »Ich habe Robert immer gesagt, er soll mir Bescheid sagen, wenn er irgendwie Hilfe bei seinen Schularbeiten braucht. Ich habe ihm beim Rechnen geholfen … Geschichte war bei ihm immer ein Problem. Er hat sich einfach geweigert, gute Noten in Geschichte zu kriegen. Ich habe ihm vorgehalten, dass man sich in Geschichte doch nur merken muss, was man liest. Er sagte, in Geschichte gäbe es nichts zu verstehen, nichts rauszukriegen … Ich habe ihn gefragt, was denn daran so schwierig sei, und er hat bloß gesagt: ›Ich mag es nicht.‹ Ich weiß noch, wie er sagte: ›Physik nehme ich nicht, ich mag es nicht.‹ Ich habe ihm angeboten, ihm einen Nachhilfelehrer zu besorgen. Er sagte: ›Ich mag keine Physik. Bitte, bitte, lass es mich abwählen.‹«
»Bobby konnte schreiben und malen wie ein Künstler. Er hat immer gezeichnet oder Figuren gemacht, die man ausmalen konnte. Ich habe versucht, ihn zur Architektur zu bringen. Ich dachte, damit kann er sich wenigstens seinen Lebensunterhalt verdienen. ›Mit diesen Gedichten wirst du erst sterben und danach entdeckt werden.‹ Ich habe ihm gesagt: ›Bitte, geh zur Schule und sieh zu, dass du von etwas leben kannst. Von diesen Gedichten kannst du nicht leben.‹ Das war im neunten und zehnten Jahrgang. Diese Gedichte, die er in der High School geschrieben hat, wollte er keinem zeigen, nur mir und seinem Dad. Ich habe Bobby gesagt, dass man nicht einfach immer weiter und weiter herumsitzen und träumen und Gedichte schreiben kann. Ich hatte Angst, dass er als Dichter enden würde! Wissen Sie, welche Sorte Dichter ich meine? Einen, der keinen Ehrgeiz hat und nur für sich selbst schreibt. Zu meiner Zeit waren Dichter arbeitslos und hatten keinen Ehrgeiz. Wir waren hinter ihm her wie mit einer Mistgabel. ›Bobby, du musst was essen.‹ Er isst ja noch immer nicht genug … Er isst, um zu überleben.«
Ich fragte sie, ob er sich jemals selbst als Dichter bezeichnet hätte: »Nein!«, betonten beide einhellig. Beatty: »Ich habe ihn niemals einen Dichter genannt. Als er aufs College gehen wollte, habe ich gesagt: ›Bobby, warum belegst du da nicht was Nützliches?‹ Er sagte: ›Ich mach was in Naturwissenschaft, Literatur und Kunst, ein Jahr lang, und dann werd ich sehen, was ich tun will.‹ Ich habe gesagt: ›Bitte, schreib keine Gedichte mehr, bitte nicht. Geh zur Schule und tu was Konstruktives … mach ein Examen.‹«
Nachdem sie ihre Gleichgültigkeit gegenüber Bobs früher Leidenschaft für Dichtung und Musik enthüllt hatten, sprachen sich Beatty und Abe ein für sie schmerzliches Thema: Er hatte ihnen oft Geld geschickt, doch darüber hinaus durften sie nicht Anteil an seinem Erfolg haben. Sie waren ratlos über seine Formulierung, er sei aus ihrem Zuhause fortgelaufen. Einige Zeit beschuldigten sie seinen Manager, Albert Grossman, derjenige zu sein, der sie nicht »ins Rampenlicht lassen« wollte. Beatty: »Sollen die Leute auf der ganzen Welt glauben, dass Bob ein Waisenkind ist?« Abe: »Ich habe zu Albert gesagt: ›Das kann nicht immer so weitergehen, dass man uns so vor der Welt versteckt.‹ Wir hätten ja etwas, worauf wir stolz sein könnten. Wir haben doch Robert seinen Start ins Leben gegeben, die Ermutigung, die er am Anfang benötigt hat.«