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bb) Verwaltungsinterner Rechtsschutz
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In Deutschland erscheint die Gleichsetzung von Rechtsschutz gegen die Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit fast schon selbstverständlich. Die Verwaltungsgerichte stellen indessen nicht die einzige Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Verwaltung dar. Grundsätzlich ist nach der VwGO dem Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ein administratives Vorverfahren in Form eines Widerspruchsverfahrens für einige Klagearten zwingend vorgeschaltet. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO sieht vor, dass vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind, § 68 Abs. 2 VwGO ordnet dessen entsprechende Geltung für Verpflichtungsklagen in der Variante der Versagungsgegenklage an. Der Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren ist, wenn er gelingt, für den Einzelnen kostengünstiger als das Gerichtsverfahren.[198]
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Allerdings gestattet § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO einige Ausnahmen. Danach bedarf es einer verwaltungsinternen Nachprüfung nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Auch wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, findet kein Widerspruchsverfahren statt, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt. Auch wenn der Abhilfebescheid der Ausgangsbehörde oder der Widerspruchsbescheid der Widerspruchsbehörde erstmalig eine Beschwer enthält, findet kein Widerspruchsverfahren statt.
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Das Widerspruchsverfahren ist in jüngerer Zeit immer stärker zurückgedrängt worden,[199] möglicherweise weil ein Entlastungseffekt der Verwaltungsgerichte durch vorgerichtliche Konfliktbeilegung im Widerspruchsverfahren immer weniger spürbar war. Gelangt der Streit regelmäßig ohnehin zu den Gerichten, dann wird ein zwingend durchzuführender, aber letztlich absehbar erfolgloser Verfahrensschritt auf administrativer Ebene eher zum Rechtsschutzhindernis.
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Auch deswegen ist in einigen Ländern das Widerspruchsverfahren Gegenstand von Reformen geworden. Maßgeblich ist insofern die landesrechtliche Ausgestaltung im jeweiligen AGVVwGO.[200] In Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen[201] ist das Widerspruchsverfahren in weiten Teilen abgeschafft worden.
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In Nordrhein-Westfalen ist diese Reform 2007 in Kraft getreten. Nach Evaluation der Neuregelung wurden die Ergebnisse in der Summe positiv bewertet und die Befristung aufgehoben, das Widerspruchsverfahren ist damit auch in Nordrhein-Westfalen bis auf einige Ausnahmen auf Dauer abgeschafft. Allerdings wurde die Liste der Ausnahmen von der Reform – also der Fortgeltung des Widerspruchsverfahrens – nach der Evaluation um einige Bereiche ergänzt. Insgesamt wird in der Evaluation deutlich, dass die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens auch unter dem Aspekt der Einsparung von Stellen in der Verwaltung erfolgte. Der entsprechend anwachsende Stellenbedarf in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit wird dabei immerhin gesehen.[202] Ein solch höherer Stellenbedarf könnte indessen auch so gedeutet werden, dass die Vorverfahren eben doch nicht völlig erfolglos waren.[203]
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Ombudsverfahren, wie sie einer skandinavischen Tradition entsprechen, in Großbritannien[204] und in den Niederlanden erhebliche Bedeutung haben,[205] aber auch mit dem Médiateur de la République (1973 bis 2011) bzw. heute Défenseur des droits in Frankreich[206] und mit der Volksanwaltschaft 1977 in Österreich[207] eingeführt worden sind, bestehen in Deutschland nur als systemfremde Ausnahme. Zu nennen ist hier der Wehrbeauftragte des Bundestages für den Bereich der Militärverwaltung.