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Prolog – New York, Sommer 2015

Als John in der Nähe seiner Straße ankam, biss er unwillkürlich die Zähne zusammen. Überall Feuerwehr und Krankenwagen. Sein Kiefer schmerzte und sein Puls ging schneller mit jedem Schritt, den er sich seinem Haus näherte. Menschen liefen aufgeregt durcheinander. Etliche hatten aschfarbenen Staub auf ihren Mänteln und Gesichtern. Einige lagen sich weinend in den Armen. John sah eine Frau, die sich den Kopf hielt. Zwischen ihren Fingern quoll Blut hervor. Der Verkehr staute sich. Ungeduldige Fahrer hupten rhythmisch, lehnten sich aus den Wagenfenstern und fluchten lauthals. John ließ seinen olivgrünen Explorer stehen. Völlig außer Atem rannte er an der Baustelle vorbei, auf der ein paar Investoren ein neues Wahrzeichen der Stadt aus dem Boden stampfen wollten. Es herrschte Chaos. Er schlängelte sich durch einen Wall von Rettungsfahrzeugen mit hektisch blinkenden Blaulichtern, bis er gegen einen Polizisten prallte, der ihn mit ausgebreiteten Armen aufhalten wollte. Er rannte weiter und blieb nach wenigen Schritten unvermittelt stehen.

Dann sah er, was sein Verstand nicht aufnehmen, geschweige denn verarbeiten konnte.

Sein Elternhaus war weg! Es stand nicht mehr da! Da war ein großes Nichts!

Man konnte noch Teile des Nachbargebäudes erkennen, das den alten Quinns gehörte. Wo einst eine gepflegte kleine Villa gestanden hatte, war nur noch ein großer Haufen rußgeschwärzter Ziegelsteine. Es roch nach brennendem Holz und stank nach Rauch und Qualm. Reste des jetzt erbärmlich verbogenen gusseisernen Vorgartenzaunes ließen erahnen, dass hier einst sein Haus gestanden hatte.

John rannte weiter und fühlte sich auf einmal unsanft an den Schultern gepackt. Er hatte das Absperrband nicht registriert. Ein junger Polizist in Uniform hielt ihn auf.

„Hey, Mann, wohin wollen Sie? Sehen Sie nicht, was hier los ist? Das ist gefährlich, niemand geht hinter die Absperrung!“

„Ich muss da rein, meine Frau und mein Sohn sind in dem Haus!“, schrie John den Beamten an und versuchte, sich loszumachen.

„Okay, okay. Ich bringe Sie zur Einsatzleitung, die wird entscheiden, was man machen kann“, sagte der Police Officer und schob ihn – immer noch an den Schultern haltend – durch die Menschenmenge. Staub lag in der Luft, und feine Rußflocken tanzten um ihn her. Funken sprühten aus den offen liegenden Stromleitungen, und er nahm den süßlichen Geruch von Gas wahr. John ließ sich von dem Beamten willenlos führen. In seinem Kopf war nichts als Leere. Die Bilder, die er sah, konnte sein Verstand, so sehr er sich mühte, einfach nicht verarbeiten.

Unvermittelt stand er vor einem provisorischen Zelt und wurde unsanft zum Stehen gebracht.

„Sie warten hier!“, sagte der Officer. „Wie ist Ihr Name?“

„John Brockmann, wohnhaft in der Baker Street 13.“

John hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, bis er erneut angesprochen wurde. Er reagierte nicht, sondern sah wie in Hypnose zu der Ruine, die einmal sein Zuhause gewesen war.

„Sind Sie der Besitzer des Hauses Nummer 13, Baker Street?“

Eine tiefe Stimme weckte John und setzte seinen Verstand halbwegs wieder in Kraft. Er musste nach oben schauen und sah in schwarze, blutunterlaufene Augen, die zu einem dunkelhäutigen Mann gehörten. Ein riesiger Mann stand John gegenüber.

„Ich bin Chief Inspector Banks, Spezialeinheit, ich muss wissen, ob Sie der Besitzer des Hauses Baker Street 13 sind!“

John wurde etwas wackelig in den Knien, aber er antwortete mit fester Stimme. „Das bin ich. Ich suche meine Frau Emma und meinen Sohn Felix, die beide in dem Haus waren, als ich heute Morgen ins Büro gefahren bin!“

Der Chief Inspector musterte ihn eingehend von oben bis unten: „Hören Sie, wir sind noch dabei, die betroffenen Gebäude zu durchsuchen. Die Suchhunde und unsere Spezialisten sind vor Ort, Bombenräumkommando, Minensuchgeräte und alles, was wir während Nine Eleven gelernt haben, bringen wir zum Einsatz, okay? Bislang wurde niemand gefunden, und niemand sonst geht dort rein. Sie bleiben hier und halten sich zu unserer Verfügung, haben wir uns verstanden?“

Banks bemerkte, dass John immer noch unter Schock stand, und fügte deshalb nachdrücklich hinzu: „Haben wir uns definitiv verstanden, Mr. Brockmann?“

John nickte stumm.

Die Zeit schien stillzustehen. In diesem Moment spürte John, wie sich ein Arm auf seine Schultern legte. Als er sich umdrehte, stand sein Freund Marco da und zog ihn schweigend zu sich heran. Als hätte diese Geste einen Damm gebrochen, stürzten die Tränen ungehemmt aus John heraus. Umgeben von gestikulierenden Polizisten, Menschen in Schutzanzügen, Feuerwehrleuten, Sanitätern und Notärzten, die sich aufgeregt Kommandos zuriefen, standen die beiden Freunde für einen Herzschlag lang wie unter einer Glasglocke.

Dann sah John in Marcos Augen. „Was zur Hölle ist hier los? Wo ist Emma? Wo ist Felix? Was ist passiert?“

Marco hielt seinem Blick stand. „Es gab eine riesige Explosion, bei uns sind die Fenster aus dem Haus geflogen. Die Bilder fielen von den Wänden, hörst du? Es war wie bei einem Anschlag in Bagdad! Ich rannte auf die Straße. Die Explosion musste aus deinem Haus gekommen sein! Ich habe sofort bei euch angerufen, weil ich dachte, du wärst womöglich im Homeoffice!“

Sie blieben schweigend eine ganze Weile so nebeneinander stehen.

In John arbeitete es und er versuchte, das Gehörte zu verstehen. Eine Woge neuer Energie fing an, sich in seinem Körper auszubreiten. Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zum Zelt der Einsatzleitung. John sah den Chief Inspector in einer Ecke des Zeltes mit zwei weiteren Uniformierten. Er steuerte direkt auf ihn zu. „Sie sagen mir jetzt sofort, was hier passiert ist, und lassen mich zu meinem Haus rübergehen. Ich stehe seit einer halben Stunde vor diesem verfluchten Zelt und will endlich wissen, was hier verdammt noch mal los ist!“

Banks’ Blick verfinsterte sich, aber er antwortete mit völlig ruhiger Stimme: „Wir haben geräumt und die wichtigsten Strukturen gesichert. Sie können mit einem meiner Officers zu Ihrem Haus gehen. Sie betreten es auf gar keinen Fall oder turnen mir auf dem Schutt rum! Habe ich mich klar ausgedrückt? Wir haben bisher keine Personen in den Trümmern aufgefunden.“

John nickte und verließ wortlos das Zelt. Erneut knirschte er mit den Zähnen. Eine alte Angewohnheit aus Studienzeiten, wenn er unter Druck stand.

Vor dem Zelt stand der junge Police Officer und deutete mit einer Armbewegung an, dass John ihm folgen solle. Langsam realisierte John, was er eben gehört hatte: keine Personen gefunden! Wo waren Emma und sein Sohn?

Die Explosion hatte sich am Mittag ereignet, gewöhnlich waren beide zu Hause. Emma kochte häufig für Felix das Mittagessen. Vielleicht hatte er Glück, und sie waren auswärts essen gegangen oder Felix war bei einem Freund und Emma hatte ihn gefahren.

Er musste über Mauerreste steigen und lief gegen einen Balken, der Teil seiner alten Dachkonstruktion gewesen war.

Sie waren an den Überresten seines Elternhauses angekommen. John blickte auf den Rauch und die Asche, die überall, wie feiner Schneefall, durch den kalten Januarwind aufgewirbelt wurde. Marco trat neben ihn.

„Ich habe eben die gute Nachricht gehört, keine Menschen im Haus während der Explosion! Hast du eine Ahnung, wo Emma und Felix sein könnten?“

John packte Marco unsanft an der Schulter: „Hier stimmt etwas ganz und gar nicht!“

Die Grump-Affäre

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