Читать книгу Medizingeschichte - Robert Jutte - Страница 16
1.2.3 Ausblick
ОглавлениеMan kann sich in der Tat darüber streiten, ob die Medizin wirklich das Wohlbefinden der Menschen verbessert hat. Die moderne Kritik am immanenten Fortschrittsbegriff in der Medizingeschichte hat viele Facetten. Sie beschränkt sich nicht darauf, den positiven Wert medizinischer Entdeckungen zu bestreiten. Die Medizinkritik, die in diesem Falle von Historikerinnen und Historikern unterschiedlichster fachlicher Herkunft kommt, musste sich – wollte sie den vermeintlichen Gegner dort treffen, wo er am überzeugendsten war – darum bemühen, den tatsächlich erzeugten diagnostischen und vor allem therapeutischen Fortschritt zu relativieren. So konnte beispielsweise durch den Hinweis auf die kultur- und zeitspezifische Relativität der jeweiligen Bezugsbasis gegen die Verwendung des Fortschrittsbegriffs in der Medizingeschichte Stellung genommen werden. Da es Medizinhistoriker aber mit sozial konstruierten und damit sehr diffusen Kategorien wie „Gesundheit“ beziehungsweise „Krankheit“ zu tun haben, führt jede Kritik am Fortschritt wie auch seine Apologie in eine hermeneutische Sackgasse. Ob mit dem medizinischen Fortschritt das Leben wirklich „besser“ oder gar „gesünder“ wird, oder ob sich im Grunde kaum etwas verändert, kann letztlich auch vom „Weltgericht“ der Medizingeschichte nicht entschieden werden. Da die Vorstellung eines wissenschaftlich-technischen Fortschritts viel zu stark im Alltagsbewusstsein der Menschen verankert ist, wird sich auch die Medizingeschichtsschreibung selbst in der Zukunft schwertun, ohne eine – wenn auch durchaus kritische – Reflexion oder Berücksichtigung dieses Konzepts auszukommen. [<<33]