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Vorwort zur ersten Auflage

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Medizingeschichte ist heute nicht nur Pflichtfach (neben Theorie und Ethik) im Curriculum des Medizinstudiums an deutschen Universitäten und bedeutendes Element im Kanon der übrigen wissenschaftshistorischen Disziplinen. Auch andere akademische Fächer haben die Geschichte der Heilkunde in ihrer jeweils kulturgebundenen Ausprägung sowie wegen ihrer Kulturgrenzen überschreitenden Konzept- und Praxisvielfalt als unverzichtbares Forschungsthema von hoher kultur-, gesellschafts- und politikwissenschaftlicher Relevanz für sich entdeckt. In erster Linie sind hier die allgemeine Geschichts- und Literaturwissenschaft zu nennen; aber auch für die theologischen Wissenschaften, die Philosophie, die historische Rechtswissenschaft, die Psychologie, die Volkskunde, die Anthropologie und Ethnologie eröffnet die Geschichte der Medizin (um eine Geschichte der Gesundheit erweitert) inzwischen durchaus wichtige Deutungsfelder. Dass gerade die der Medizin unmittelbar benachbarten Bereiche der Pharmazie und der Pflegewissenschaften in besonderer Weise auf methodische und inhaltliche Kenntnisse auf dem Feld der Medizingeschichte angewiesen sind, muss nicht eigens betont werden.

Dem Umstand, dass diesem großen und wachsenden interdisziplinären Interesse bislang keine neuere methodische Handreichung zum Einstieg ins Studium und in die Forschung zur Verfügung stand, wird durch das vorliegende Werk Rechnung getragen. Der letzte Versuch einer „Einführung in die Medizinhistorik“ mit dem Ziel, die Methoden und Themenvielfalt des Faches zu vermitteln, stammt aus dem Jahre 1949 und ist – inzwischen selbst historisch geworden – zwar immer noch lesenswert, aber doch veraltet und zudem nur noch antiquarisch zu erwerben. Der Verfasser, der Mainzer Medizinhistoriker Walter Artelt, hielt es damals noch für geboten, sein Werk mit dem Hinweis auf das in der Medizingeschichte weitverbreitete Dilettantentum zu rechtfertigen. Die Zeiten haben sich inzwischen gewandelt. Die professionelle Geschichtsschreibung hat sich längst der Medizingeschichte angenommen, doch eine Einführung in das Fach, die diesem Paradigmenwechsel Rechnung trägt, war bislang ein Desiderat, wenngleich ansonsten an Einführungen in die unterschiedlichsten historischen (Sub-)Disziplinen (von der Historischen Anthropologie bis zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) kein Mangel herrscht. Zwar hat vor einigen Jahren eine Gruppe [<<7] jüngerer Medizinhistoriker den Versuch unternommen, das Methodenbewusstsein des Faches zu schärfen (Paul, Norbert/Schlich, Thomas (Hg.): Medizingeschichte – Aufgaben, Probleme, Perspektiven. Frankfurt am Main 1998), doch kann dieser heterogene Aufsatzband eine umfassende Einführung in das Fach, die auch Hilfsmittel und Werkzeuge benennt sowie Fähigkeiten wissenschaftlichen Arbeitens auf diesem Gebiet vermittelt, nicht ersetzen. Eine solche Arbeitshilfe fehlt bislang nicht nur auf dem deutschen, sondern auch auf dem internationalen Buchmarkt.

Das vorliegende Werk, das zum Eigenstudium und besonders zum Einsatz in Einführungsveranstaltungen gedacht ist, stellt vor diesem Hintergrund den Versuch dar, die wesentlichen Voraussetzungen und Grundkenntnisse zum Studium der Medizingeschichte und für Forschungen auf diesem Gebiet zu vermitteln. Das geschieht sowohl unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands als auch mit Blick auf die Wege der Forschung. Dabei werden grundlegende Aspekte der allgemeinen Methodik des historischen und wissenschaftsgeschichtlichen Arbeitens ebenso thematisiert wie Besonderheiten der Medizinhistorik, die es als eigenständiges Fach erst seit etwa 100 Jahren gibt.

Auf die Einleitung, in der unter anderem auf die Aufgaben und generelle Bedeutung der Medizingeschichte sowie auf die Geschichte dieser Disziplin eingegangen wird, folgt ein erster Teil, in dem Quellen, Literatur, Hilfsmittel und Forschungseinrichtungen vorgestellt werden. Im Anschluss daran werden die Methoden und die unterschiedlichsten theoretischen Ansätze knapp skizziert. Des Weiteren richtet sich der Blick auf die Grenz- und Nachbargebiete, wozu unter anderem auch die Pflegegeschichte und die Geschichte der Zahnmedizin gehören. Abschließend werden die wichtigsten Grundbegriffe (z. B. Medikalisierung, retrospektive Diagnostik), die in der modernen Medizingeschichtsschreibung immer wieder an zentraler Stelle auftauchen, dargestellt und kritisch hinterfragt.

Am Ende eines jeden Kapitels finden sich umfangreiche bibliographische Angaben und Weblinks. Diese Informationen ermöglichen die Vertiefung des hier präsentierten methodischen und theoretischen Grundwissens. Hinsichtlich der aufgeführten Weblinks ist freilich auf das kurze Verfallsdatum solcher Angaben zu verweisen, dem in den Folgeauflagen dieser Einführung jeweils Rechnung zu tragen sein wird. Die im Anhang abgedruckte Liste der wichtigsten medizinhistorisch relevanten Zeitschriften (darunter auch solche, die ihr Erscheinen bereits eingestellt haben) dient ebenfalls der Orientierung und nimmt für sich nicht in Anspruch, vollständig zu sein.

Heidelberg/Stuttgart, im September 2007

Wolfgang Uwe Eckart/Robert Jütte [<<8]

Medizingeschichte

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