Читать книгу Das Geheimnis der Toten von Zerbst - Roberto Schöne - Страница 4
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ОглавлениеAls das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte wartete er noch zwei Sekunden, dann nahm er den Hörer ab.
„Zender, Richie Zender. Was kann ich für Sie tun?”
„Klingt ja wie Bond”, vernahm er eine rauchige Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.
„Dann hätten Sie aber das Telefonbuch von der anderen Seite beginnen müssen. Oder haben Sie sich verwählt?”
„Wenn Sie Privatdetektiv sind bin ich wohl richtig.”
„Ja, und was kann ich als solcher dann für Sie tun?”
„Die Antwort wollen Sie doch nicht hier am Telefon? Ich wohne in Dresden-Hellerau, wann können Sie hier sein?”
„In einer Stunde”, gab er spontan zurück, notierte sich noch die genaue Adresse und legte auf. An der Wand hinter seinem Schreibtisch hing ein Stadtplan, wo er sich flüchtig die Fahrtroute und die Örtlichkeit der Wohnlage einprägte. Dann angelte er seine Jacke vom Haken und verschloss die Tür zum Büro. In der Julius-Otto-Straße hatte Zender sein Auto stehen. Schon vom weiten erkannte er seinen weinroten Skoda Felicia und betätigte die Fernverriegelung. Verdammt. Es schoss ihm die Warnung seines Bruders Anton durch den Kopf, die vielen separat eingebauten Extras mit Bedacht zu nutzen. Schließlich handelte es sich um kein gewöhnliches Fahrzeug. Und eine Fernverriegelung hatte das serienmäßige Felicia Model nicht. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass nur noch fünfzig Minuten bis zu der Verabredung blieben. Richie legte großen Wert auf exakte Zeiteinhaltung. Bis nach Hellerau sollte es in einer halben Stunde zu schaffen sein, auch bei der Verkehrslage in den späten Vormittagsstunden. Zügig fädelte er sein Fahrzeug in den fließenden Verkehr ein und fuhr mitten durch die Stadt in Richtung Norden. An einigen Ampeln waren die Wartezeiten überdurchschnittlich, doch gelangte er im vorhandenen Zeitlimit an sein Ziel. Seine Klientin bewohnte eine Jugendstil-Villa mit großem Garten. Da er auf dem privaten Gelände bis vor das Haus fuhr bekam er einen Eindruck von der Größe. Es roch hier förmlich irgendwie nach Geld, fand er. Und großer Garten war untertrieben. Doch das machte keinen Eindruck auf den Privatdetektiv. Es sah so aus als würde er von der Besitzerin persönlich an der Tür empfangen. Kaum das er seinen Skoda abgestellt hatte erschien eine Frau in den Vierzigern. Modisch geschnittenes Kostüm, lange, blonde Haare, die gewellt bis auf die Schulter fielen.
„Frau Darkow, wie ich annehme?”, sprach Richie sie sofort an.
„Ja, Susanne Darkow, nennen Sie mich doch einfach Susi”, entgegnete sie kurzer Hand und forderte ihn mit einladender Geste zum Eintreten auf. Zender huschte an ihr vorbei. Die Darkow warf noch einen verächtlichen Blick auf sein Auto, rümpfte die Nase und folgte ihm ins Haus.
„Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten?”, fragte die Hausherrin, als sie eine Art Empfangszimmer erreicht hatten.
„Bier, Wein oder einen Saft, da Sie ja mit dem Fahrzeug hier sind?”
„Ein Wasser genügt mir.” Die Einrichtung war vom feinsten. Wie eigentlich alles was er bisher gesehen hatte.
„Setzen Sie sich doch”, meinte die Darkow, als sie Richie das Wasser reichte, und deutete auf ein Sitzmöbel das Zender argwöhnisch musterte. Es sah aus wie ein zu klein geratenes Sofa, oder aber ein überdimensionaler Sessel. Der Detektiv ließ sich hinein plumpsen, wie es so seine Art war, und wurde vollkommen von den Polstern aufgenommen. Er musste sein ganzes Geschick aufbringen um das Wasser nicht zu verschütten. Es gelang ihm. Susanne Darkow grinste, nahm auf einem Stuhl ihm gegenüber Platz und schlug die Beine übereinander. Mit einem Fingerzeig in Zenders Richtung sagte sie:
„Ein Geschenk meines Mannes. Stammt aus Sri Lanka.” Richie nickte nur leicht und versuchte ein dauerhaftes Gleichgewicht in diesem Sessel zu finden.
„Müssen Sie alles hier selbst sauber halten, oder haben Sie Unterstützung?”, fragte Zender, als er fand dass die Pause zu lang wurde.
„Ich habe meinem Reinigungspersonal frei gegeben damit wir uns in Ruhe unterhalten können.”
„Na dann lassen Sie mal die Katze aus dem Sack.”
„Ich stehe nicht auf Haustiere.” Eine seltsame Frau, dachte Zender. Sieht blendend aus, wirkt aber irgendwie einsam. Bestimmt hat sie keine Kinder. Oder Freunde, Freundinnen? Was geht mich das überhaupt an? Susannes Worte rissen ihn aus seinen Gedanken.
„Ich hatte eigentlich die Absicht ihren Dienst in Anspruch zu nehmen…, bin mir aber gar nicht mehr so sicher ob das was bringt.”
„Wegen meinem Auto?”
„Wieso?”
„Glauben Sie ich habe Ihren verächtlichen Blick nicht bemerkt?”
„Das haben sie gesehen?” Die Darkow war peinlich berührt.
„Kommen wir jetzt zur Sache oder soll ich mein Glas austrinken und gehen? Auf das Spielchen Kleider machen Leute habe ich heut keine Lust”, tat Richie gereizt.
„Ich denke, ich hab Sie falsch eingeschätzt.”
„Na, dass es auch mal jemand zugibt. Bevor wir erst lange um den heißen Brei herumreden. Sie möchten meine Dienste in Anspruch nehmen? Gut. Das kostet 50 000 DM. 20% Anzahlung, dann nehme ich meine Arbeit auf. Der Rest wird bei Ergebnislieferung fällig. Geht das Unternehmen durch mein Verschulden schief, kriegen sie die Anzahlung zurück und ich werde mich entschuldigen. Nun sagen Sie mir endlich was für ein Problem Sie haben.”
„Donner Wetter das war direkt. Aber wenn ich ehrlich sein soll - das gefällt mir.” Unglaublich, dachte Zender, der Susanne Darkow während seiner Rede scharf im Auge behalten hatte. Nicht das geringste Zucken in ihrem Gesicht verriet ihre Gefühle beim Nennen der hohen Geldsumme.
„Ich möchte dass Sie meinen Mann beschatten.”
„So was habe ich mir schon gedacht. Haben sie einen begründeten Verdacht oder soll es eine Routineüberprüfung werden.” Der Blick der Frau war wie gebannt auf Richie gerichtet, doch gedanklich schien sie abwesend.
„Wenn ich etwas wüsste, bräuchte ich Ihre Dienste nicht in Anspruch zu nehmen.”
„Und worauf bauen Sie Ihren Verdacht auf?”
„Ich möchte ganz einfach Klarheit über die ständige Abwesenheit meines Mannes. Er ist in letzter Zeit kaum noch zu Hause. Laufend auf Reisen. Kommt vormittags zurück und geht nachmittags schon wieder auf Tour. Ohne über Nacht hier zu sein. Ich will wissen was er die ganze Zeit treibt.”
„Was arbeitet Ihr Mann eigentlich?”
„Er ist Handelsvertreter.”
„Und bei welcher Firma?”
„Das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Ich habe mich bisher nicht um seine Angelegenheiten gekümmert.”
„Wie lange sind Sie mit ihm schon zusammen?”
„Ich glaube das wird dieses Jahr schon zwanzig Jahre sein.” Mann oh Mann, dachte Zender, und da weiß die nicht was ihr Mann arbeitet. Zumindest nicht konkret. Hat immer schön das Geld abgefasst und den Alten ackern lassen.
„Tja Frau Darkow…”
„Susi”, fiel sie ihm ins Wort.
„Ja, Susi, Sie sehen mich jetzt echt etwas verblüfft. Sie leben die ganze Zeit mit einem Mann zusammen, sind vielleicht sogar verheiratet und wissen nicht was dieser Mensch, der Ihnen am nächsten steht, den ganzen Tag treibt. Das finde ich dann schon komisch. Keine Andeutungen über Kollegen oder Freunde, nichts?”
„Bevor Sie noch eine Reihe dämlicher Fragen stellen so viel in aller Kürze. Geheiratet haben wir 1977, Hochzeitsreise Sotchi Schwarzes Meer. Was anderes ging leider nicht. 1991 haben wir die Reise wiederholt. Ein Monat Hawaii. War ein bisschen kurz, aber schön. Bis zum Anfang unserer zweiten Hochzeitsreise war ich arbeiten, danach hat mein Mann genügend verdient, so dass ich mich dann anderen Dingen widmen konnte. Kinder gibt es keine und ich glaube da haben wir auch nichts verpasst. An den Wochenenden sind wir über Land gefahren, haben mit den Nachbarn gefeiert. Regelmäßige Theaterbesuche, ab und zu Kino. Dreimal die Woche Essen gegangen, wenn mein Mann zu Hause war. Also sie sehen schon, ein normales Leben wie andere Familien auch”, ratterte sie emotionslos, wie auswendig gelernt herunter und blickte Richie aufsässig an.
„Dann müssen die Familien die ich kenne aber alle unnormal sein. Aber das ist sicher eine Frage des Blickwinkels. Wenn alles so schön war wie Sie schildern, ab wann kamen dann Ihre ersten Zweifel?”
Susanne Darkows Blick schweifte zur Zimmerdecke während sie angestrengt nachdachte. Sie zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht zwei Jahre. Ja, vor zwei Jahren wurde es dann anders. Mein Mann blieb nicht nur ein zwei Tage weg. Immer öfter wurde eine Woche daraus.” Aus ihrem Blick war bei den letzten Worten das Feuer gewichen, was Zender sich einbildete die ganze Zeit gesehen zu haben.
„Haben Sie Ihren Mann darauf hin angesprochen?”
„Natürlich habe ich das. Es ist aber nichts dabei herausgekommen. Er hat nur immer wieder abgewiegelt und standardmäßig gesagt: Ohne Geschäfte lässt sich das alles hier nicht halten und das Leben ist verdammt teuer geworden. Das fordert nun mal seinen Preis.”
„Damit dürfte er aber Recht haben”, konnte Zender sich nicht verkneifen zu sagen.
„Wenn diese Zustände, wie Sie sagen Frau Darkow…”
„Susi…”, säuselte sie und Zender hob leicht verärgert über die Unterbrechung die Augenbrauen sprach leise weiter: „…Susi, schon seit zwei Jahren so daher gehen, wieso wollen Sie gerade jetzt das Ihr Mann unter Beobachtung gestellt wird? Gibt es einen besonderen Grund für den jetzigen Zeitpunkt, oder war die Entscheidung eher spontan?”
„Weil er trotz allem an den Wochenenden zu Hause war, oder blieb. Jetzt kommt er Sonnabendvormittag nach Hause und will Nachmittag schon wieder los. Das war schon die beiden vergangenen Wochenenden so und nun reicht es mir aber. Ich will wissen woran ich bin, verdammt noch mal.”
„Hat die vermehrte Abwesenheit Ihres Mannes Auswirkungen auf Ihr Liebesleben?” Susanne Darkow blitzte Richie übertrieben entsetzt an.
„Sex? Das geht Sie gar nichts an.”
„Hätte ja einen Aufschluss geben können”, meinte Richie mit einem sparsamen Lächeln.
„Ich denke wir können es für heute bei dem gesagten belassen. Wenn mir noch Fragen einfallen komme ich noch einmal vorbei, oder rufe einfach an.” Bei den letzten Worten federte er aus dem Sessel hoch, was erstaunlich leicht ging. Es hatte fast den Eindruck, dass selbst das Sitzmöbel froh war, dass die Fragestunde beendet war. Der Darkow konnte man die Erleichterung regelrecht ansehen.
„Noch etwas geschäftliches. Da wir heute schon Donnerstag haben und ich am Sonnabend aktiv werden soll, müssen Sie sich mit der Überweisung der 20% aber sputen.” Er holte eine Karte aus der Brusttasche seines Hemdes und überreichte sie Susanne Darkow, die sie lächelnd wegsteckte, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
„Da steht auch die Bankverbindung mit drauf.” Susanne schien gar nicht zuzuhören. Sie war an den kostbar, verzierten Sekretär getreten, welcher neben dem Kamin stand, zog ein Fach auf, entnahm zwei Bündel mit Geldscheinen und warf sie aus dem Handgelenk Richie zu. Lässig fing er sie auf.
„Brauchen Sie eine Quittung?”
„Bei einem Gentleman wie Ihnen wird das wohl nicht nötig sein, oder?”
„Na dann lassen Sie mich mit der Arbeit beginnen.” Frau Darkow war Richie durch die Diele vorausgegangen, öffnete die Haustür und wies nach draußen. Sie selbst blieb aber im Türrahmen stehen. Das war provokant, erkannte Zender auf den ersten Blick und beschloss das Spiel mitzumachen. Er drängelte sich einfach an ihr vorbei. Rücksicht nahm er dabei nicht. Die Jacke des Kostüms war nicht mehr geschlossen, so das Richie deutlich die Konturen der Brustwarzen unter dem Stoff erkennen, und beim Vorbeigehen mit dem rechten Oberarm spüren konnte. So ein Biest, dachte er. Lies sich nichts anmerken, verabschiedete sich, sprang in seinen Skoda und verließ das Gelände. Richie war noch keinen Kilometer unterwegs, als eine rote Ampel seine Fahrt unterbrach. Wie ein Blitz zuckte die Erkenntnis durch seinen Kopf etwas vergessen zu haben. Ich hab sie nach keinem Bild ihres Mannes gefragt, sagte er in Gedanken zu sich. Egal, vergangen, vorbei. Wie kann ich es effektiv ausbügeln? Wenden! Gedacht. Getan. Vollgas, Einhundert achtzig Grad Drehung und schon ging es zurück. Zum Glück spielte die Ampelfarbe mit. Und der anfahrende Trabant auf der Gegenspur kam eh nicht in die Gänge. So bin ich letztens gut durch Bangkok gekommen, warum soll der Fahrstil nicht auch für Deutschland reichen? Da hatte er auch schon Susanne Darkows Nummer gewählt. Als sie abhob sagte er nur: „Zender hier, hab was vergessen.”
„Ich warte”, hauchte sie durch die Leitung und legte auf. Als er erneut vorfuhr stand die Darkow schon in der Eingangstür und wartete tatsächlich schon auf ihn. Sofort registrierte Richie die Veränderung. Sie trug einen weißen Bademantel.
„Das wir uns so schnell wiedersehen hätte ich nicht gedacht”, sprach sie während Zender das Auto verließ.
„Ich habe Sie doch wohl nicht von einer wichtigen Tätigkeit abgehalten?”
„Doch, ich wollte gerade schwimmen gehen.”
„Das tut mir aber leid.” Als Richie vor ihr zu stehen kam, reichte sie ihm ein Foto. Er staunte.
„Woher wussten Sie…?”
„Lag schon bereit, Sie fragten nicht danach und ich hab dann auch nicht mehr daran gedacht.” Zender steckte das Foto ein ohne es weiter zu betrachten.
„Was fährt Ihr Mann eigentlich für einen Wagen?”
„Ja was wohl?”
„Silbergrau?”
„Genau.”
„Na dann viel Spaß beim Schwimmen und immer einen Finger breit Luft unter der Nase.” Er verließ das Grundstück zum zweiten Mal. Hatte die Darkow bei der Abfahrt ihm zu gewunken? Das Handzeichen hätte aber auch alles bedeuten können. Da das Wetter nun immer besser wurde, beschloss Richie Zender seine vorbereitenden Arbeiten von hier aus zu veranlassen und nicht in sein stickiges Büro zurückzufahren. Außerdem konnte er in der Natur besser nachdenken. So steuerte er den Skoda auf einen Waldweg auf dem Heller. Als er sein Handy in die Hand nahm klingelte dieses.
„Zender”, meldete er sich kurz.
„Hier auch Zender.”
„Hallo Benno, alles in Ordnung?”
„Bei mir schon. Ich wollte eigentlich nur Bescheid sagen, dass es am Sonnabend reicht wenn du um 15.00 Uhr hier in Copitz bist. Der eigentliche Empfang beginnt 17.00 Uhr.” Richie hielt den Atem an.
„He, Bruder bist du noch dran?”
„Scheiße”, brach es aus Richie hervor. „Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.”
„Sag bloß du Trottel hast den Einweihungstermin unserer Kommandozentrale vergessen?”
„Das hättest du aber auch netter sagen können.”
„Volltrottel!”
„Mensch Benno, da ist jetzt ein Termin dazwischen gekommen, aber halbe Sache. Eh ihr dort alle richtig betrunken seid bin ich auch da. Nur eine kurze Observierung, paar Fotos und Ruck Zuck bin ich beim Fest.”
„Kannst du nicht verschieben…?”
„Nein geht leider nicht, ist Termingebunden.”
„Dann läuft die Feier ohne dich. Nimm dir ruhig Zeit, wir kommen schon ohne dich klar.” Dann war die Leitung tot. So ein dämlicher Mist, das ist jetzt voll schief gegangen. Da wurde in Pirna-Copitz seit drei Jahren an ihrer neuen Zentrale gebaut mit Technik vom feinsten, zur besseren Koordinierung ihrer Einsätze und ich bin nicht in der Lage einen einzigen wichtigen Termin zu halten. Ob er mir das jemals verzeihen wird? Doch alles Jammern und Klagen hilft jetzt auch nicht. Ich habe einen Job zu machen. Und bei Susanne Darkow abzusagen, kam für Richie Zender nicht in Frage. Egal, Blick nach vorn. Er wählte die Nummer von Rufus Maier. Dieser hatte eine eigene Privatdetektei und Mitarbeiter, die Richie sich von Zeit zu Zeit gegen ordentliche Bezahlung ausborgte. Er selbst war ja nur Einzelkämpfer und das Unternehmen nur zur Tarnung. Rufus galt als Dino in der Branche. Er hatte die 60 auch schon überschritten. Doch an Ruhestand oder ähnliches verschwendete er keinen Gedanken.
„Maier.”
„Hallo Rufus, alte Kanalratte.”
„Mensch Richie alte Schnorchellaus, in welchem Pelz sitzt du denn dieses Mal?”
„Immer da wo es warm ist und gut riecht. Aber mal Spaß beiseite. Ich brauche für Sonnabend 3 Leute für eine Observation. Geht das?”
„Du weißt doch, dass ich für dich alles möglich mache. Du kannst mit den Leuten rechnen. Wann sollen sie wo sein?”
„13.00 Uhr Auffahrt Nord in Richtung Berlin. Danke Rufus.”
„Keine Ursache. Man hört voneinander.” Richie lehnte sich im Fahrersitz zurück und schloss die Augen. Was muss ich noch in die Wege leiten damit am Sonnabend alles seinen Gang läuft? Sie würden die Beschattung mit 4 Fahrzeugen absichern. Technisch waren die Mitarbeiter von Rufus Maier auf dem gleichen Niveau wie Richie. Auch hatten sie bei einigen früheren Fällen schon miteinander gearbeitet. Also dürften keine Probleme im Weg stehen. Richies Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an.
„Ja.”
„Hallo Richie, Reinhard hier.” Na prima. Wenn hier die ganzen Geschwister durchtelefonieren dann stehen ja noch 2 Telefonate aus. Jetzt hatte er seinen Bruder Reinhard in der Leitung, der Staatsanwalt beim Amtsgericht Dresden ist.
„Rufst du jetzt auch wegen Sonnabend an? Keine große Debatte, ich bin der Trottel und gut.”
„Was willst du jetzt von mir? Oder hast du einen getrunken? Ich wollte dich fragen, ob du im Moment verfügbar bist um einen Fall anzunehmen. Es geht um Mord und Kunst -Diebstahl oder umgekehrt. Ist Brandaktuell und von hoher Brisanz.”
„Besteht die Gefahr dass der Fall in 2 Tagen gelöst ist?”
„Wohl kaum.”
„Dann lass uns am Montag darüber reden wenn ich mein neustes Projekt abgeschlossen habe. Im Moment gehen mir andere Dinge im Kopf herum.”
„Ja, oder am Sonnabend…”
„Deswegen der Trottel… lass es dir von Benno erklären. Ich melde mich wenn ich zurück bin.“ Richie unterbrach die Leitung. Er hatte heute das Zeug es sich mit allen zu verderben. Und plötzlich spürte er seinen Magen. Mann hab ich einen Hunger, dachte er. Erst mal ordentlich essen gehen, dann sieht die Welt schon viel freundlicher aus.
Neuer Tag, strahlender Sonnenschein, eine leichte Brise Westwind. Das Thermometer kratzt an der 20 Grad Grenze. Das hat mit Aprilwetter gar nichts zu tun. Ostern war dieses Jahr zeitig, schon Ende März. Aber das Wetter ist jetzt Klasse. Da habe ich nichts gegen den Klimawandel, dachte Zender und sah, dass es erst 12.00 Uhr war. Sein Team kommt ja erst in einer Stunde. Er stellte MDR - Radio Sachsen ein und döste noch ein etwas vor sich hin. Es war noch keine 13.00 Uhr. Da fuhr Daniela Straube auf ihrer Honda neben Richie auf den Parkplatz an der Autobahnauffahrt Nord. Zender erkannte die Motorradfahrerin trotz Integralhelm, da er bei früheren Einsätzen bereits mit ihr zusammengearbeitet hatte. Und auch privat waren sie sich näher gekommen. Vielleicht mehr als nahe, doch komischerweise kannten sie sich beide dennoch nicht. Ich glaube sie ist 29 Jahre alt, versuchte er sich zu erinnern. Ihre super Figur ließ sich trotz der schweren Motorradkombi erkennen. Mit ihren 1,68 war sie für Zenders Begriffe etwas klein geraten, der sie mit seinen 1,85 deutlich überragte. Sie nahm ihren Helm ab, schwenkte ihren Kopf um die Frisur zu richten. Das wäre aber gar nicht notwendig gewesen, denn sie trug eine dieser modischen Igelfrisuren. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte sie noch langes schwarzes Haar, was ihr irgendwie einen rassigen Ausdruck verliehen hatte. Als sie gerade zu ihm herüber kommen wollte, hielt mit einem rasanten Bremsmanöver ein schwarzer BMW neben ihrer Maschine. Der Junge der ausstieg, Zender taufte ihn insgeheim Baby Face, schritt zügig auf Daniela zu und begrüßte sie mit Handschlag.
„Hallo Ric”, sagte sie zu Richie und zeigte auf Baby Face.
„Das ist Andreas Wollmer… unser neuer Mann.”
„Hallo”, sagte auch Wollmer und setzte einen Blick auf wie Zender ihn vor zwei Tagen bei der Darkow gesehen hatte, als diese sein Auto abschätzend einer Wertung unterzog. Ein Blick auf die Uhr.
„Es ist 13.00 Uhr, kommt noch jemand?”, fragte Richie Daniela, als er ausstieg.
„Ja, Mike. Er wollte eigentlich schon hier sein. Wartest du schon lange?”
„Nein, ich bin auch erst kurze Zeit hier.” Na das Mike Hartig die Zeit nicht unbedingt einhält brauchte Richie keiner zu sagen. Mike war auch im Jahr 1960 geboren. Sie hatten sich das erste Mal auf der Polizeischule getroffen. Nach der Grundausbildung verloren sie sich aus den Augen. Später sind sie sich bei verschiedenen Anlässen wieder über den Weg gelaufen. In letzter Zeit hatten sie wieder einige Einsätze zusammen. Mike war ein Mann auf den man sich verlassen konnte. Einziger Makel, er kam fast nie pünktlich. Mit 10 Minuten Verspätung fuhr er dann mit seinem weißen Mazda auch schon vor.
„Hallo Ric, altes Haus. Von mir aus kann es los gehen.”
„Wird wohl noch eine Weile dauern bis der Coup startet. Ich musste aber so einen zeitigen Termin anberaumen, da ich nicht wusste mit wie viel Verspätung du eintreffen würdest”, frotzelte er, um die kleine Kritik unauffällig anzubringen. Damit war alles gesagt. Und keiner sprach das Thema mehr an. Stattdessen äußerte sich Andreas Wollmer zu dem Auto von Richie. Mit einem Kopfnicken in Richtung Zenders Skoda fragte er: „Du willst doch wohl die Observierung nicht mit dem Auto fahren? Das fällt doch auseinander wenn du 100km/h überschreitest.” Das war ein dicker Hund. So war Zender schon lange nicht mehr angegangen worden. Doch er blieb ganz die Ruhe in Person. Na, ein bisschen Dampf ablassen gönnte er sich schließlich doch.
„Als ich mit wesentlich schlimmeren Autos Einsätze gefahren habe, hast du noch in den Windeln gelegen. Und wenn du deine Tomaten von den Augen nehmen würdest und dir das Fahrzeug mal etwas genauer anschaust, dann würdest du bestimmt erkennen, was Sache ist. Schon mal etwas von Unauffälligkeit gehört? Ich glaube, ich kann schon froh sein das du deinem BMW nicht noch Rally Streifen verpasst hast. Im Übrigen ist der Skoda eine Sonderspezialanfertigung. Der Rahmen ist verstärkt wie bei einem Tourenrennauto, die Türen kompakter als beim Original. Der Motor ist getunt und schafft 290 km/h. Und den Rest haben wir bei James Bond abgekupfert. Wenn dir das immer noch nicht reicht dann lass uns eine Wettfahrt machen. Verlierst du sowieso.” Das hatte aber gesessen. Wollmer murmelte ganz kleinlaut eine Entschuldigung und zog sich in den Hintergrund zurück.
„Wie wär’s wenn du uns nun mal sagst was anliegt?”, erkundigte sich Daniela bei Richie.
„Oder willst du noch einen Fachvortrag halten?” Zender grinste. Er holte eine Mappe aus dem Skoda und reichte jedem ein DinA4 Blatt mit der Scankopie eines Fotos.
„Das ist Wilfried Darkow, der heut hier die Hauptrolle spielt”, sagte Richie Zender und warf die Mappe zurück in sein Auto. Er legte seinen 3 Mitstreitern die Sachlage klar, und wies sie in ihre Aufgaben ein.
„Sind bis hierher Fragen, dann stellt sie.” Ein Blick in die Runde zeigte dass alles soweit verstanden wurde.
„Wie die Observation im Einzelnen aussieht brauche ich euch ja nicht zu erklären. Wir wissen nicht ob der Vogel, Funksprache, in der Lage ist eine Verfolgung zu erkennen. Dennoch ist äußerste Vorsicht geboten. Fahrt nicht zu weit auf, denkt aber auch daran das Ampelschaltungen kurz sein können. Und… wenn der Vogel weg ist, ist er weg. Es wird kein Kopf und Kragen riskiert, es geht nicht um Leben oder Tod. Wird jemand geblitzt so trage ich die Kosten. Für die Punkte in Flensburg ist jeder selber verantwortlich. Sollte irgendetwas in der Richtung schief gehen, dass wir uns verlieren, der Funk ausfällt und so weiter, schlägt sich jeder Eigenständig nach Hause durch. Wir treffen uns zur Auswertung dann am Montag, 10 Uhr, am Wasaplatz in meinem Büro. Voraussichtlich fährt der Vogel einen silbergrauen Mercedes. Wir machen noch eine kurze Funkprobe und dann begibt sich jeder an seinen Ausgangsort. Und denkt daran, Funkdisziplin. Jetzt Fragen? Dann los.” Sie testeten den Funk. Alles I.O. Zender hatte den weitesten Weg zu seinem Stellplatz. Er stand unweit der Einmündung, wo die Straße von dem Grundstück der Darkows auf die Hauptstraße stieß. Zu seiner Erleichterung hatte Richie am rechten Sandsteintorpfosten eine Miniaturkamera angebracht, die den Vorplatz des Hauses abdeckte. Am gleichen Platz wo er vor 2 Tagen den Skoda geparkt hatte, stand heute der silbergraue Mercedes. Von den Darkows selbst war nichts zu sehen. Richie ging zu seinem Auto zurück, setzte sich ans Steuer, fuhr den kleinen Bildschirm am Armaturenbrett aus und stellte die Funkverbindung zur Mini Cam her. Bild lag an, nur etwas klein. Deshalb, schob er eine Vergrößerungsscheibe vor den Bildschirm. So war es schon besser. Ein Blick auf die Uhr, 14.10 Uhr, und das Warten begann. Als Zender wieder zur Uhr sah waren 2 Stunden vergangen. In Gedanken ging er die Stellplätze seiner Partner nochmals ab. Am einfachsten hatte es Wollmer gehabt. Er konnte nämlich da bleiben wo sie sich getroffen hatten. Da für lange Warterei ein Motorrad etwas ungeeignet war, hat Richie Daniela und Mike in Ränitz postiert. So konnte Daniela die Wartezeit mit Mike im Auto verbringen. Der wird bestimmt schon wieder an der Matratze horchen, so wie Richie ihn kannte. Ein kleines Zeichen zur Aufmunterung konnte da sicher nicht schaden.
„Pik 7 an alle, der Vogel sitzt noch im Nest.”
„Pik 1 verstanden”, das war Wollmer.
„Pik 3 und 5 verstanden”, gab Daniela als 3 ihr Zeichen. Na klar da schläft Mike wieder.
„Pik 5 Frage: Wie viel Eier sind im Nest?” Na als ob er meine Gedanken erraten hatte.
„Pik 7, da muss ich zählen gehen.” Und auf dem Vorplatz tat sich noch immer nichts. Er zwang sich nicht ständig auf die Uhr zu sehen. Davon wurde es auch nicht besser. Als dann irgendwann seine Beine eingeschlafen waren schaute er doch wieder zur Uhr. Donner Wetter schon 18.00 Uhr. Und noch immer nichts. Müsste es nicht langsam dunkel werden? Ach Sommerzeit. Hatte die Darkow nicht gesagt ihr Mann wollte Nachmittag abfahren? Ist eben alles relativ. Zender musste sich noch eine ganze Stunde in Geduld üben ehe auf seinem kleinen Bildschirm etwas in Bewegung kam. Der Herr Darkow stellte einen kleinen schwarzen Aktenkoffer auf die Rückbank seines Mercedes und setzte sich selbst ans Steuer. Hatte wohl noch Abendbrot gegessen. Komisches Date, wenn es überhaupt eines war. Susi, so sollte er sie ja nennen, stand in der Tür und winkte kurz zum Abschied. Es ging also endlich los.
„Pik 7, der Vogel fliegt“, gab Richie über Funk durch. Für seine Kollegen das Zeichen sich bereit zu halten. Es war Punkt 19.00 Uhr, das nur fürs spätere Protokoll. Richie konnte den Mercedes jetzt aus dem Grundstück fahren sehen, startete seinen Skoda und hängte sich mit sicherem Abstand dran. Noch war über die Richtung nichts klar. Sein Handy klingelte.
„Ja.”
„Er ist jetzt losgefahren”, hörte er Susanne Darkow mit ihrer unverkennbaren Stimme am anderen Ende der Leitung sagen.
„Ich weiß, wo will er hin?”, entgegnete Richie mit einem tiefen Atemzug.
„Arbeiten.”
„Na dann noch schönes Wochenende.” Zender unterbrach die Leitung. Wilfried Darkow hatte die Radeburger Straße erreicht, setzte den Blinker links und musste warten, da der Verkehr um diese Zeit noch beträchtlich war.
„Vogel fliegt Richtung Zentrum. Mercedes Ken DD WD a53f.” Während Richie die Meldung absetzte war er etwas langsamer gefahren. Nun musste er sich aber beeilen um zu dem Mercedes aufzuschließen, da er nach Möglichkeit an dem Darkow dran bleiben wollte. Doch dazu kam er nicht mehr. Ein gelber Ford Mustang mit blauen Rally Streifen überholte ihn haarscharf und setzte sich in die Lücke. Als der Mercedes abfuhr rollte der Ford nur langsam bis an die Radeburger Straße und hielt. Idiot blöder, murmelte Zender vor sich hin. Erst drängeln und dann nicht fahren.
„Vogel Freiflug”, rief Richie über Funk. Der Ford stand immer noch. Verdammt, schon drei Autos hinter Darkow. Richie musste die aufkommende Panik bekämpfen. Der Ford Fahrer duselte immer noch vor sich hin und dröhnte mit lauten Bässen durch die Gegend.
„Pik 5, übernehme, Vogel in Sichtweite.” Gott sei Dank, dachte Richie. Das hätte schief gehen können. Da zog der Ford mit quietschenden Reifen an, hätte fast einen Motorradfahrer in den Graben gedrängt und zog ab wie eine Rakete. Endlich war Richie auch auf der Radeburger Straße als ihm bewusst wurde das der Motorradfahrer Daniela Straube war. Das war alles verdammt knapp. Dürfte aber das Pech ihrer Aktion nun vollkommen aufgebraucht haben, dachte Zender.
„Vogel fliegt A4 West”, gab Mike durch den Funk. Na wenn der Darkow weiter so gemächlich fuhr war auf der Autobahn erst mal Durchatmen angesagt. Endlich waren sie auf der A4 als Mike Hartig durchgab: „130 Formation.” Das besagte das der Mercedes konstant 130 fuhr und kein Grund zur Sichtablösung bestand. Wenn Richie alles mitbekommen hatte, fuhren sie in loser Reihe hinter dem Objekt her. Mike Hartig mit Sichtkontakt, dann Daniela Straube, und nun sah Zender auch Andreas Wollmer aufschließen. Sie hatten den tiefsten Punkt der Dresdner Autobahn erreicht und mussten nun wieder aus dem Elbtal heraus. Durch die sich stellenweise überholenden LKW am Berg fiel die Geschwindigkeit auf 100 km/h. Richie rechnete mit einem Anstieg der Geschwindigkeit eigentlich erst nach dem Tanneberger Loch, das seit jeher einen Unfallschwerpunkt darstellte. Da der Herr Darkow alle Abfahrten ungenutzt ließ, war der nächste kritische Punkt das Autobahndreieck Nossen. Hier hielt er sich rechts, also mögliche Fernziele, Leipzig, Halle, Magdeburg oder Hannover, oder gar noch weiter. Sie fuhren weiter in Formation, da die Fahrt des Mercedes exakt bei 130 lag. Kurz vor dem Autobahnrast- und Parkplatz Hansens Holz sagte Mike über Funk:
„Vogel dreht ab. Ich gehe voraus. Ende.” Das bedeutete das Darkow eine Rast einlegte, Hartig aber weiterfuhr. Mit der Anzahl Fahrzeuge konnte man derartige Spielchen leicht bewältigen. Richie fuhr auf den Parkplatz als Darkow seinen Mercedes neben einen dunkelgrünen Audi abstellte. Er schaltete sofort die Videokamera ein, deren Linse im linken Scheinwerfer eingebaut war. Das aufgenommen Bild kontrollierte Richie auf dem kleinen Bildschirm. Als Darkow sein Fahrzeug verlassen hatte stieg aus dem Audi eine Frau. Richie schätzte sie Anfang dreißig. Sie begrüßten sich mit einer Umarmung. Schnell zoomte Richie ran. Das ersparte lange Personenbeschreibungen. Die Frau hatte rötlich, glänzendes Haar das auf ihrem Hinterkopf mit einer Spange zusammengehalten wurde. Über einem weißen Pullover trug sie eine braune Lederweste, blaue Jeans. Die Füße waren nicht sichtbar. Na also, dachte Zender. Wie ich vermutet hatte. Der Alte fährt zu einem Schäferstündchen. Alles auf Band. Beweismaterial genug. Er blickte zur Uhr, obwohl die Videoaufzeichnungen Datum und Zeit anzeigten. 19.43 Uhr und die Sonne tauchte am Horizont ein. Ob er noch zur Einweihungsfeier kam? Wer weiß. Richtig geküsst hatten sie sich ja nicht. Aber das konnte ja noch etwas werden. Vielleicht später. Wilfried Darkow holte seinen Aktenkoffer vom Rücksitz, verschloss sein Auto und stieg bei der Rothaarigen ein. Die startete umgehend. Kein Techtelmechtel am Steuer. Zender ordnete an: „Pik 7 schickt Pik 1, Vogel fliegt ab. Neu Audi grün BTF AI 175f.”
„Pik 1, Abflug bestätigt.” Wollmer setzte sich hinter den grünen Audi. Als die Honda mit Daniela den Parkplatz verlassen hatte startete auch Richie seinen Skoda und folgte den anderen. Als sie die Ausfahrt Döbeln-Ost passierten hängte sich Mike Hartig, der vorausgefahren war, mit seinem Mazda wieder an. Die Rothaarige fuhr etwas zügiger, 150, aber ohne Kapriolen. Also kein Problem für das Kleeblatt. 20.14 fuhr der Audi am Schkeuditzer Kreuz auf die A9 Berliner Ring in Richtung Norden. Das konnte als Ziel bedeuten das es nach Dessau ging, oder gar Berlin? Man wird sehen. Auf Sichtkontakt fuhr jetzt Daniela mit ihrer Honda. Beim Rasthof Köckern kam die Funknachricht: „Vogel dreht ab. Ich geh voraus. Ende.” Daniela fuhr voraus um bei der nächsten Abfahrt auf ihre Partner zu warten. Ein Randstreifenstopp kam nicht in Frage. Das wäre viel zu auffällig. Als Richie auf den Parkplatz auffuhr sah er trotz beginnender Dämmerung den grünen Audi sofort. Er stand neben einem schwarzen Nissan Pickup. Richie hatte zu der Videokamera im Scheinwerfer noch eine zweite im rechten Außenspiegel aktiviert. Die beiden Personen aus dem Audi waren ausgestiegen und unterhielten sich mit einem Mann, der am Pickup lehnte. Sie hatten sich zuvor mit Handschlag begrüßt. Die Rothaarige schien den Darkow mit dem anderen Mann bekannt zu machen. Da der Skoda einen günstigen Winkel zu der Dreiergruppe hatte hielt er einfach an und schaltete das Licht aus. Normalerweise müsste er Warnleuchte setzen, aber das erschien ihm zu auffällig. Eine Beschreibung des Pickup Fahrers dürfte trotz des günstigen Winkels verdammt schwer werden, da er bislang stets irgendwie im Schatten blieb. Richie konnte nur hoffen das die Kameras in seinem Wagen, oder aber seine beiden Partner zu günstigeren Ergebnissen kommen konnten. Die Pause war nur von kurzer Dauer. Darkow holte seinen Aktenkoffer und stieg zu dem Unbekannten in den Pickup. Die Rothaarige schwang sich hinter das Steuer ihres Audis. Dann fuhren beide gleichzeitig rückwärts und zogen in Richtung A9 davon.
„Pik7 Order, Pik5 an Audi. Pik 1 Sicht.” Das Nummernschild des Pickup war nicht erkennbar. Also hart dran bleiben. Richie startete durch und folgte. Doch jetzt ging die Post ab. Der Nissan mit den beiden Männern fuhr als erster auf die Autobahn auf, gefolgt von der Rothaarigen mit ihrem Audi. Dann folgten Hartig, Wollmer und als Dritter Zender. Der Unbekannte fuhr gleich weiter auf die zweite Spur und beschleunigte zügig. Andreas Wollmer hatte zu tun mit seinem BMW aufzuschließen, schaffte es aber dann.
„Pik 1, Vogel fliegt 170.” Die Rothaarige fuhr nur 110 km/h, was für Mike Hartig kein Problem darstellte. Richie musste aber nun zusehen das er dem Pickup folgte. Das bedeutete den Mazda und den Nissan zu überholen. Auf gleicher Höhe mit der Rothaarigen verhielt Zender kurz bei 110 km/h. Mehr ließ auch der Verkehr vor ihm nicht zu. Vom BMW und Pickup war nichts mehr zu sehen. Plötzlich wurde vor Zender die Straße frei, da gleich drei PKW auf die rechte Fahrspur wechselten. Er wurde langsam immer schneller um nicht mit einem Raketenstart unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem war nicht klar ob die Rothaarige nach eventuellen Beschattern Ausschau halten sollte. Nun hatte er schon auf 180 km/h beschleunigt. Zwischen den LKWs auf der rechten Fahrspur erkannte Richie die Ankündigung der Abfahrt Dessau Süd. Plötzlich musste Richie an Daniela denken. Als sie die Abfahrt nach Bitterfeld passiert hatten war von ihr nichts zu sehen gewesen.
„Pik 7, an Pik 3. Wo bist Du?” Nach kurzer Pause hörte Richie Danielas Stimme.
„Pik 3 steht Dessau Süd, hatte Abfahrt Bitterfeld verpasst.” Als Wollmer aufgeregt dazwischen sprach: „Pik 1, Vogel dreht ab, ich weg.” Dann überschlugen sich die Ereignisse. Wer ist dran, fragte sich Zender. Noch einen Kilometer bis zum Abzweig. Ein LKW nach dem anderen. Und Zender fuhr immer noch mit 180 km/h. Da die Lücke und durch, auf dem Randstreifen weiter. Rechts Begrenzung, links LKWs, dann die Überführung, dahinter die Ausfahrt. Vollbremsung. Fünfzehn Meter Rutschen, dann Beschleunigung und ordentlich in die Rechtskurve getragen. Das war knapp. Aus den Augenwinkeln sah er Daniela. Sie stand an der Autobahnauffahrt, bereit in die weitere Verfolgung einzugreifen. Sie musste nun aber wenden, da sie mit der Abfahrt nicht gerechnet hatte. Hier erwies sich das Zweirad als beweglichere Variante. Als sie die B 184 erreichten war von dem Pickup keine mehr Spur zu sehen. Rechts ging es nach Dessau und links nach Bitterfeld. Richie entschloss sich kurzer Hand für Dessau, was für Daniela bedeutete dass sie links abdecken sollte. Er zog zügig an, als sein Handy klingelte. Ein Blick auf das Display sagte das sein Bruder Benno anrief, dann schaltete sich das Handy selbstständig aus. Richie hatte die Autobahn überquert. Sah die Auffahrt aus Richtung Dessau und registrierte rechts ein Schild, das auf eine Abfahrt Richtung Zörbig hinwies. Die sollte links sein. Dann sah er in der Ferne rote Bremslichter. Im Unterbewusstsein stellte er die Scheinwerfer ab, startete die Videokameras im Nachtsichtmodus und setzte sich selbst ein Nachtsichtgerät auf, um trotz der Dunkelheit sehen zu können. Zum Glück hatte er es schon nach der Abfahrt vom Parkplatz Köckern bereitgelegt. Den Wagen ließ er nur noch ausrollen. Um seinen Mitstreitern Bescheid zu geben das er den Vogel wieder eingefangen hatte, betätigte Richie das Funkgerät. Es ging nicht. Er konnte sich aber nicht weiter damit befassen, da die Konturen des Pickup nun deutlich mit dem Nachtsichtgerät erkennbar wurden. Zum Glück war es ein Spezialgerät das einfallendes Licht automatisch abschwächte, sonst hätten die Rücklichter des Pickup zur Verblendung der Augen geführt. Zender bekam gerade noch mit wie der Unbekannte Darkow vom Beifahrersitz zerrte und zu Boden stieß. Dann sah er plötzlich übergroß den Revolver in der rechten Hand des Mannes. Ohne zu zielen schoss er Darkow eine Kugel in den Kopf. Sofort nach dieser Tat verschwand die Waffe, wahrscheinlich in ein Schulterhalfter. Der Unbekannte schlug die Beifahrertür zu. Rannte um das Auto, sprang hinter das Lenkrad und fuhr mit quietschenden Reifen in Richtung Dessau davon. Zenders Gedanken überschlugen sich. Dann hatte er sich entschieden. Zuerst wollte er nach Darkow sehen. Erste Hilfe leisten hatte Vorrang. Schnelle stellte Richie fest das kein Puls mehr vorhanden war. Im schwachen Schein seiner Stiftaschenlampe erkannte er den größer werdenden Blutfleck. Hier kam jede Hilfe zu spät. Also zusehen dass er den Unbekannten im Pickup noch erwischte. Auf dem Weg in sein Auto ging es ihm durch den Kopf: Warum eigentlich? Sein Auftrag liegt dort am Straßenrand und damit Basta. Doch wer Zender kannte wusste, dass es nicht sein Ding war mit halben Sachen aufzuhören. Denn seine eigentliche Aufgabe war nicht die Männer reicher Frauen, oder umgekehrt, zu beschatten, sondern die Verbrechensbekämpfung im allgemeinen Sinn.