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Als Richie die Zentrale betrat wirkte er müde und abgespannt.

„Und…“, fragte Benno nur, der allein an dem Computertisch saß und irgendwelche Dateien durch sah.

„Es ist Daniela. Und sie wurde umgebracht. Alles deutet auf Aljonow hin, muss aber noch bewiesen werden.“

„Wie willst du vor gehen?“

„Ich denke ich komme um Ermittlungen vor Ort nicht herum. Darum werde ich morgen meine Basis da hoch verlegen und Wolmer und Hartig mit nehmen. Das passiert dann nach meiner Besprechung mit den beiden morgen im Büro am Wasaplatz. Aber jetzt lege ich mich erst mal hin. Wann gibt es Frühstück?“

„Zu der Zeit die du gern hättest.“

„Dann sieben Uhr. Gute Nacht.“ Als Richie in seinem Zimmer war, duschte er ausgiebig. Dann legte er sich aufs Bett und wurde sofort von den Erinnerungen überwältigt. Er sah die kleinen Wassertropfen die in Danielas gekräuseltem Schamhaar entlangliefen und dann auf seine Brust tropften, als sie über ihm stand. Es machte ihn fast wahnsinnig vor Lust und er genoss es, als sie sich lächelnd und mit einem Laut der Befriedigung auf seine prall aufragende Männlichkeit setzte. Sie waren für ein paar Tage in Prag, Wien, Budapest und Berlin gewesen. Daniela liebte das Flair der Großstädte. Sie mochte die ständige Bewegung. Sie hatten noch große Pläne. Paris, New York, L.A. Rio oder auch Honkong. Es war eine ideale Beziehung für ihn. Sie hatten keine Pläne zur Gründung einer Familie. Sie suchten nicht nach ständiger Geborgenheit. Es war wie ein Abenteuer. Und jede Trennung konnte die Letzte sein. Es gab von beiden keine Fragen nach eventuellen sexuellen Aktivitäten des Anderen. Wenn sie zusammen waren genossen sie es. Wenn sie sich trennten konnte es für immer sein. Und nun war es endgültig. Er würde nie mehr etwas von dem Lachen hören das ihm so viel bedeutete. Er spürte Schmerz und Wut zugleich und dann hörte er noch einmal das splitternde Geräusch von Holz. Er hatte gar nicht mehr gewusst dass er noch zu so einer todbringenden Aktion fähig war. Dann dieser Stich in seinen Gedanken, der es klarer denn je formulierte. Aljonow du hast den größten Fehler deines Lebens begangen. Richie spürte das er nicht schlafen konnte. Er war zu aufgewühlt. Er machte Licht und holte seine Jacke um zu sehen was der Doktor ihm vor dem Abflug mitgegeben hatte. Der Anstecker enthielt die Aufschrift „Sondereinsatz im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland“. Als er das Papier entfaltete las er: Dem Besitzer dieses Schreibens ist die uneingeschränkte Unterstützung zu gewähren. Er ist Weisungsberechtigt und seinen Aufforderungen ist unbedingt Folge zu leisten. Auf Zuwiderhandlungen oder Unterlassungen steht Freiheitsentzug. Unterzeichnet, Innenminister der Bundesrepublik Deutschland. Richie legte beide Dokumente beiseite und dachte, dass er bislang stets ohne solche Sachen ausgekommen ist. Er nahm sich vor sie mit äußerstem Bedacht einzusetzen. Zumal das Blatt eine Anweisung enthielt die nicht personengebunden ist und demzufolge von jedem verwendet werden kann. Auch Missbrauch kann nicht ausgeschlossen werden. Nun nahm er sich noch die Unterlagen von Edson vor und las.

Zerbst

liegt im Bundesland Sachsen-Anhalt, 13 km nördlich der mittleren Elbe, ungefähr auf halben Weg zwischen den Städten Magdeburg und Wittenberg. Bemerkenswert ist das die in Zerbst beheimatete Prinzessin Sophie Auguste Friedrich von Zerbst-Anhalt 1745 den russischen Thronfolger Peter III. heiratete. Sie bestieg den Zarenthron und regierte Russland von 1762-96. Zerbst wurde 1797 dem Fürstentum Anhalt Dessau zugeordnet. Ab dem Jahr 1935 wurde in unmittelbarer Nähe der Stadt ein Militärflugplatz der deutschen Luftwaffe angelegt. Die Fertigstellung erfolgte 1936 und war zu dem Zeitpunkt der größte Militärflugplatz in Europa. Das Areal erstreckte sich auf vierhundertzwanzig Hektar Fläche. Die Start und Landebahnen sind jeweils eintausend zweihundert Meter lang und sechzig Meter breit. Zwischen Herbst 1940-44 war in Zerbst die Jagdfliegerschule 2 stationiert, die mit der Pilotenschulung betraut war. Das Kampfgeschwader (J) 54 und die Nahaufklärungstruppe 1 vervollständigen den Personalbestand des Flugplatzes. Weiterhin befanden sich zu Kriegsende, im März und April 1945, Luftwaffeneinheiten auf dem Flugplatz Zerbst, die mit Strahljägern des Typs Me 262 ausgerüstet waren. Übrigens eine von Hitlers Wunderwaffen. Die Alliierten Streitkräfte bombardierten Zerbst am 16. April 1945 derart das danach achtzig Prozent der Stadt zerstört war. Ebenfalls zu Kriegsende wurde am Rande des Militärflugplatzes ein Arbeitslager errichtet. Dafür zeichnete die Organisation Todt verantwortlich. Jüdische Mischlinge wurden von dort zum Straßen- und Flughafenbau eingesetzt. Nach Beendigung des Krieges übernahm die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland den Flugplatz und stationierte die 126. Jagdfliegerdivision. Weiterhin befand sich bei Zerbst das 56. Gardepanzerregiment. 1992 zogen die sowjetischen Truppen ab. Ab Herbst 92 wurde der Flugplatz in deutsche Verwaltung übergeben und wird heute privat genutzt.

Als Richie die letzte Zeile gelesen hatte fühlte er sich so richtig Bettschwer. Und kaum das er sich hingelegt hatte und das Licht gelöscht war fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Es war schon acht Minuten nach sechs als er aufwachte. Er brauchte ein paar Minuten um sich ins Gedächtnis zu rufen wo er sich befand und was er hier tat. Dann gab er sich einen Ruck und absolvierte die Morgentoilette. Irgendwie hatte er Hunger. Da fiel ihm ein, dass er gestern Abend kein Abendbrot zu sich genommen hatte. Nach den letzten Ereignissen hatte er da auch keinen Hunger gehabt. Doch jetzt verspürte er Hunger wie ein Bär. Dennoch machte er zuerst einen Abstecher in die Zentrale und traf Benno schon wieder vor den Computern an.

„Guten Morgen Benno, du machst wohl nie Feierabend.“

„Hallo Ric, wenn man nicht mehr die Bewegung hat wie ich, dann braucht man nicht mehr so viel Schlaf um sich zu regenerieren. Mir reichen ein paar Stunden. Außerdem hatte ich noch auf eine wichtige Nachricht gewartet, um den Bericht für dich fertig stellen zu können.“

„Welchen…?“

„Über euer Funkproblem. Geh nur was essen. Im Speiseraum ist schon alles vorbereitet.“ Mit Speiseraum meinte Benno den Raum, wo sie am Vortag das Mittagessen eingenommen hatten. Kaum das Richie die Tür dahin geöffnet hatte stieg ihm der Duft von frischem Kaffee in die Nase. Und das Frühstücksangebot stand auf einem großen Buffet. Flüchtig erinnerte es an Urlaub, aber für solche Gedanken gestattete er sich keine Zeit. Mehrere Tische mit vier Stühlen standen dem Buffet gegenüber. An einen von ihnen setzte er sich und frühstückte allein. In Gedanken ging er seinen Tagesablauf durch und fand, dass er jede Menge zu tun hatte. Viel lieber wäre er hier geblieben und hätte sich alles genau angesehen. Es ist immer reizvoll beim Einrichten einer neuen Basis mitzuwirken. Dabei würde er auch die Mitarbeiter genauer kennenlernen. Aber leider musste er diese angenehme Aufgabe mit seiner Eigenen tauschen. Doch er hoffte, dass in absehbarer Zeit Gelegenheit sein würde das mal alle hier zusammenkamen um über ihre gemeinsame Zusammenarbeit zu sprechen. Wieder in der Zentrale angelangt fragte er seinen Bruder: „Was hast Du wegen dem Funkproblem heraus gefunden?“

„Was euch Probleme bereitet hat? Sonnabend in der Zeit als ihr an der Abfahrt Dessau wart ist in der ganzen Gegend von Empfangsproblemen geredet worden. Von Funk als auch Rundfunk und TV. Die Probleme hatten eine Zeitdauer von ca. zwei Stunden. Danach war wieder alles in Ordnung. Beim Technischen Dienst von Sachsen-Anhalt habe ich mir Informationen geholt. Sie wissen nur, dass es aufgetreten ist, kennen aber die Ursache nicht. Das sind auch die Auskünfte von Kabelbetreibern. Unsere Technik wurde von Anton überprüft. Dieser sagt das nicht die geringste Abweichung von der Normalfunktion festgestellt werden kann.“

„Und hat er einen Verdacht? Irgendwas das dazu geführt haben kann?“

„Er sagt, dass es ein Störsender gewesen sein kann. Aber das muss ein ziemlich starker gewesen sein.“

„Wenn ich vor Ort bin, werde ich das klären. Erst mal mein Treffen mit Hartig und Wollmer. Danach werde ich der Darkow noch einen Besuch abstatten. Vielleicht hat sich bei ihr etwas Neues ergeben.“

„Du meinst ihr Mann ist wieder aufgetaucht?“

„Das vielleicht nicht gerade. Aber vielleicht hat sie was von ihrem Mann gehört, oder einen Anruf erhalten? Um sicher zu gehen muss ich einfach hin und dann wissen wir woran wir sind.“

„Mach es doch telefonisch, dann sparst du dir die Zeit.“ Richie druckste herum bevor er sprach. „Du kennst mein Prinzip?“

„Ja verstehe, du willst ihr das Geld zurückgeben.“ Richie nickte.

„Und dann noch Danielas Mutter aufsuchen. Das wird das Schwerste.“

„Wird es nicht. Ihre Mutter ist vor einem knappen Jahr gestorben, sagt Maier. Und der weiß Bescheid. Bevor du abhaust, sollst du noch bei Cornelia vorbeischauen. Die wartet auf dich im Medizintrakt.“

„Was unsere Schwester ist auch hier. Es sind wohl jetzt alle hier eingezogen?“

„Nein, außer dir vielleicht.“

„Ich finde es witzig. Aber ich habe Termine und möchte nicht zu spät kommen.“

„Dauert auch nicht lange, aber es ist wichtig.“ Nachdem Richie von Benno die Wegbeschreibung bekommen hatte ging er los. Er stellte schon wie gestern fest, dass dieses gewaltige Gebäude bestens geeignet ist sich zu verlaufen. Doch er fand die Tür wo stand: -„Doktor med. Cornelia Zender“-. Er klopfte und betrat den Raum. Es roch alles nach frisch gestrichenen Wänden.

„Guten Morgen Conny, Benno sagt du wolltest mich sehen.“

„Hallo Ric, schön das du dir die Zeit genommen hast. Ich muss dich mal kurz an die Apparatur hier anschließen und deine Gehirnströme messen.“ Sie wies auf die Liege im Nachbarzimmer. Irritiert sagte Richie: „Ich bin aber nicht krank.“

„Das weiß ich aber es ist wichtig.“

„Ich sehe du willst mir nicht sagen. Warum? Was soll die Geheimnistuerei?“ Trotz des leichten Protestes legte er sich auf die Liege und lies Cornelia schalten und walten. Da nicht gesprochen wurde lenkte er sich damit ab den Raum etwas gründlicher unter die Lupe zu nehmen. Beide Zimmer hatten große Fenster die viel Tageslicht herein ließen. Die Zimmer waren ungefähr gleich groß. Betreten konnte man sie nur durch die Tür, welche in Cornelias Büro führte. Der Raum, hier wo er lag, diente offensichtlich mehr für die technischen Zwecke, denn an den Wänden standen Apparaturen deren Verwendungszweck er nicht im Einzelnen kannte. Er sah auf die Uhr, was seine Schwester mitbekam.

„Ich kann dich gleich von den Kabeln erlösen.“

„Und du willst mir wirklich nicht sagen warum du das machst?“ Cornelia lächelte.

„Du benimmst dich wie ein Kind zu Weihnachten, das die Bescherung nicht abwarten kann. Vielleicht verrate ich es dir, wenn du heute gegen fünfzehn Uhr noch mal vorbei kommst. Ich glaube es soll eh eine Besprechung stattfinden. So nun kannst du wieder verduften und bleib schön Neugierig.“

„Das sieht dir wieder ähnlich“, murmelte Richie noch als er das Zimmer seiner Schwester verließ. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage wo er seinen Bruder Anton traf.

„Seit wann ist unsere ganze Familie unter die Frühaufsteher gegangen? Hallo Anton, welchen Wagen darf ich nehmen?“ Mürrisch nickte Anton zur Begrüßung und deutete wortlos auf den silbergrauen Audi, der neben dem Skoda stand. Mit zwei Türen, mal eine sportliche Variante, dachte Richie und fuhr seinerseits ohne weitere Worte weg. Er war zehn Minuten vor neun an dem Haus worin sich sein Büro befand. Die beiden Männer warteten schon auf ihn. Leider hatte er ganze fünfzehn Minuten gebraucht um einen Parkplatz zu finden.

„Wir haben schon geklingelt, aber niemand hat aufgemacht“, sagte Hartig ohne Begrüßung. Wollmer nickte wenigstens Richie zu.

„Dir scheint es aber finanziell immer noch nicht besser zu gehen, da du dir keine Sekretärin leisten kannst“, stichelte Hartig weiter und Richie hatte schon eine scharfe Bemerkung auf der Zunge, verkniff sie sich aber und fragte stattdessen: „Habt Ihr das von Daniela schon gehört?“ Die Minen der Männer verfinsterten sich und sie schauten plötzlich düster drein.

„Rufus hat uns informiert“, sagte Hartig und sein Tonfall hatte sich geändert.

„Das Schwein ist schon tot, er weiß es nur noch nicht.“ Wütend fügte Wollmer hinzu: „Dem schneide ich die Eier und verarbeite ihn zu Fischfutter.“

„Dazu müsst ihr ihn erst mal haben. Kommt rein damit wir reden können.“ Nachdem Richie die Zwei über das Wesentlichste in Szene gesetzt hatte fragte er.

„Ich gehe doch davon aus, dass ihr beide mit von der Partie seid?“

„Darauf kannst du Gift nehmen“, knurrte Hartig und Wollmer nickte bestätigend.

„Sag uns was zu tun ist und dann legen wir los.“

„Also ihr beide fahrt noch heute Nachmittag da hoch und sucht ein Quartier zwischen Roßlau und Zerbst. Ich gehe ganz einfach davon aus das unser Mann da sein Hauptbetätigungsfeld hat. Wir nehmen die Spur vom Tatort aus auf und versuchen heraus zu finden wohin er gegangen sein könnte. Aber das machen wir morgen zusammen. Heute kümmert ihr euch noch um diese Mareike Schmand, aus Bitterfeld, oder genauer dem Ortsteil Grepin. Ich will alles wissen was rauszufinden geht. Auf dem Rückweg seht ihr mal nach ob ihr an der Autobahnabfahrt etwas entdeckt.“

„Du meinst wir sollen einen Störsender suchen?“ Wollmer schüttelte den Kopf.

„Ich habe beim Bund mal einen Einblick in die Technik bekommen. Da suchen wir die Nadel im Heuhaufen.“

„Schaut erst mal nach ob euch etwas komisch vor kommt. Ich werde versuchen Technik mitzubringen, wenn ich Dienstag komme, die uns das Suchen erleichtert. Fahrt mit zwei Autos, einer davon ein Lieferwagen, damit wir flexibel sind. Und vergesst nie, Sergej Aljonow ist gefährlich wie eine Klapperschlange. Geht keine unnötigen Risiken ein.“ Er schaute die Männer der Reihe nach an und sagte dann: „Also wenn alles klar ist dann wünsche ich uns gutes Gelingen. Für Daniela.“

„Für Daniela“, sagten beide im Chor und gingen. Richie starrte noch lange auf die geschlossene Tür. Es war schon bemerkenswert mit welchem Elan die Männer an die Arbeit gingen. Ein Mann muss tun, was er tun muss. So hieß das alte Westernsprichwort aus längst vergangenen Tagen. Kurz dachte Richie nach ob er nicht doch mit einem Anruf bei der Darkow die Zeit sparen sollte. Entschied sich dann aber für das Hinfahren. Eine Erkenntnis, die er durch jahrelanges Ermitteln Weltweit gewonnen hatte. Mach die Arbeit gründlich, sonst musst du sie zweimal machen. Richie dachte, dass er mit dem Besuch bei der Frau diese Schiene wenigstens teilweise zum Abschluss bringen konnte. Er schloss das Büro ab Dann ging er zu seinem Auto. Termindruck hatte er nicht, so ließ er es gemächlich angehen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er zum Mittag bei Frau Darkow eintreffen würde. Vielleicht hat sie für mich schon das Essen bereitet? Den Gedanken verwarf er wieder, denn sie machte bei seinem Besuch nicht den Eindruck, als ob sie kochen könnte.

Das Geheimnis der Toten von Zerbst

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