Читать книгу Das Geheimnis der Toten von Zerbst - Roberto Schöne - Страница 7

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Als die ersten Szenen der Observation zu sehen waren übernahm Richie das Wort und erklärte den Anwesenden die Zusammenhänge.

„Brauchbare Bilder”, meinte Benno bis zu dem Punkt, als der Kontakt mit dem Pickup Fahrer kam. Dieser hielt sich, wie Richie schon durch seinen Sichtkontakt wusste beständig im Schatten, so dass auch durch die Videoaufnahmen keine Identifizierung möglich werden sollte. Da rief Doktor Strobel auf einmal - Stopp - und Benno ging auf Standbild.

„Noch ein Stück zurück”, drängte Strobel. „Hier!” Für einen Sekundenbruchteil wurden die Gesichtskonturen des Mannes hinter dem Pickup von dem einfallenden Licht der Parkplatzbeleuchtung erfasst. „Vergrößern”, schnarrte Strobel, den das Jagdfieber ergriffen hatte. Doch nach fünffacher Vergrößerung war nur noch ein heller Fleck geblieben.

„Geht das nicht noch schärfer?”

„Leider nein. Auch mit Video oder Bildtechnik kann man nicht zaubern, Herr Strobel.”

„Doch”, sagte eine Stimme vom anderen Ende des Raumes. Und eine kleine untersetzte Person hastete zu ihnen auf den Leitstand. Richies erster Eindruck war das er Einstein vor sich habe. Dann verglich er die Ähnlichkeit eher mit diesem Langhans, der in den späten Sechzigern auf sich aufmerksam gemacht hatte. Er trug eine Brille mit Drahtgestell und einen Dreitagebart. An seinem Kinn waren die Barthaare aber wesentlich älter und verliefen in fünf Zentimeter Länge zu einer Spitze. Am linken Ohr erkannte Richie einen Ohrring. Ständig ruderte er mit seinen Armen in der Luft herum. Seine langen knochigen Finger hielt er auch nie still. Zudem waren die meisten beringt.

„Wenn die Herrschaften mich mal ans Pult lassen würden, dann könnte ich mal sehen ob ich‘s hinkriege.”

„Also doch kein Zauberer”, konnte sich Richie nicht verkneifen dazwischenzurufen.

„Wir brauchen doch nicht zaubern wenn die Technik noch nicht einmal vollständig ausgereizt ist. Und das ist sie noch lange nicht”, plapperte der kleine Mann von gut 1,60 Metern Größe, der sich an Richie vorbei in Richtung Pult schob. Als seine abstehenden Haare an Richies Nase vorbei wallten, musste dieser fast niesen.

„So, als erstes verkleinern wir das Bild wieder bis es eine größere Konturendichte aufweist. Jetzt übertrage ich das Urbild in ein Analyse Programm, wo die einzelnen Farbparameter gemessen und verdichtet werden. Dann erstelle ich einen menschlichen Schädel in der Grundfassung und übertrage meine errechneten Parameter in diesen. In gut fünf Minuten dürften wir dann wissen, wie der Mann im Schatten aussieht.”

„Wieso brauchst du jetzt solange, wo du doch eben in Echtzeit alle Schaltungen vorgenommen hast?”, wollte Richie wissen und auch die anderen Zuschauer zeigten Interesse an der Beantwortung der Frage. Denn das was sie hier zu sehen bekommen hatten war schon gewaltig und grenzte in der Tat an ein bisschen Zauberei.

„Um die wenigen Farbparameter relativ real umsetzen zu können sind einige Millionen Berechnungen nötig. Und das braucht halt seine Zeit. Noch vor rund zehn bis fünfzehn Jahren hätten wir für diese Arbeit hier ein halbes Jahr an Zeit gebraucht. Das zeigt doch auch wie leistungsfähig diese Technik heute geworden ist, und wie gut ausgerüstet diese Station hier ist. Hat jemand Probleme mit den Urlaubsfotos? Ich kann den falschen Partner jederzeit vom Bild verschwinden lassen, ohne das später jemand den geringsten Gedanken an die Echtheit verschwenden wird. Wendet Euch einfach nur an Ed Edson.” Noch bevor die Zuhörer alles verarbeiteten was Edson zum Besten gegeben hatte, machte es klick und alle Bildschirme auf der Wand zeigten das gestochen scharfe Konterfei eines Mannes, Mitte Vierzig, kurzes dunkles Haar, die Nasenspitze leicht nach rechts geneigt. Der Oberlippenbart war kräftig, buschig und erweckte den Eindruck dass er nicht echt war. Die Gesichtsform lief mit dem Kinn eher spitz zu und die Ohren standen leicht ab.

„Scheiße!”, sagte Strobel und die Anwesenden wandten sich erschrocken zu ihm um.

„Sie kennen das Spitzgesicht doch nicht etwa, Doktor Strobel?”, erkundigte sich Richie.

„Kennen wäre zu viel gesagt. Bei dem Mann auf dem Bild handelt es sich zweifellos um Sergej Aljonow. Ex KGB, Oberst. Vor der Wende war er zuletzt drei oder vier Jahre in Zerbst stationiert. Danach verliert sich seine Spur in den Wirren des Auseinanderfalls der UdSSR. Von Afghanistan war da mal die Rede, aber nichts Genaues. Ich wusste gar nicht das er wieder im Land ist.”

„Hätten Sie es denn wissen sollen?” Strobel stockte leicht, schien sich seine Antwort genau zu überlegen. Schüttelte dann aber leicht den Kopf und antwortete: „Wohl eher nicht, aber lassen Sie uns darüber später reden. Hatten Sie nicht noch ein paar Bilder von der Hinrichtung dieses Darkow oder wie der hieß?”

„Ja die müssten im Anschluss auf der Festplatte zu sehen sein.” Das veranlasste Edson bei der Bildübertragung spontan weiter zu springen. Auf dem Bildschirm erschien aber nichts anderes als eine Lichtblume, die ständig in sich zusammenfiel, um wieder neu zu erstehen.

„Das sieht nicht gut aus”, war Eds lakonischer Kommentar.

„Die Kameras wurden mit zu viel Gegenlicht versorgt. Dann war es vermutlich zu dunkel und die Entfernung war zu weit weg, so dass ein klares Bild nicht möglich sein wird. Auch meine Künste können hier keine Abhilfe schaffen. Ich fürchte diese Aufnahmen sind Schrott.”

„Schade”, fügte Richie hinzu und Strobel klopfte Edson anerkennend auf die Schulter:

„Gut gemacht, Junge. Ich denke dadurch sind wir ein gutes Stück weiter.” Richie fühlte sich von der einen auf die andere Sekunde schmutzig. Er nutzte das Gefühl, sich zurück zu ziehen, um sich frisch zu machen. Als Richie noch einmal zurück kam, saß Edson immer noch vor den Bildschirmen und versuchte etwas aus den Aufnahmen heraus zu holen.

„Fast hätte ich es vergessen. An der Autobahnabfahrt Dessau-Süd ist unser Funk zusammengebrochen. Könnt Ihr nicht mal versuchen rauszufinden ob das zu der Zeit an dem Ort ein globales Problem war, oder ob es an unseren Funkgeräten gelegen hat.”

„Wir überprüfen das gleich mal, Ric”, sprach Benno und fügte hinzu: „Wann hattest du eigentlich mit deinen Partnern Kontakt vereinbart für den Fall von Funkproblemen?”

„Na morgen, am Montag wollten wir uns austauschen.”

„Das sollten wir heute schon mal angehen, denke ich. Vielleicht hatten sie ähnliche Missgeschicke wie du. Und brauchen unsere Hilfe. Ich habe ja ihre Telefonnummern und rufe gleich mal durch. Geh du dich ruhig frisch machen. Wird ja auch langsam Zeit, ich glaube es fängt schon an zu riechen.” Richie zeigte den Stinkefinger, so dass Ed und Benno lachen mussten, doch dann waren sie schön wieder in ihre diversen Arbeiten vertieft. Ric verließ die Zentrale durch die mittlere Tür, so wie sie auch hierher gelangt waren. Nachdem er den Besprechungsraum verlassen hatte, strebte er dem großen Gang zu, welcher immer entlang der Glaswand führte. Wenn man diesen Weg ging, verstärkte sich das Gefühl an der Glasbarriere stehen zu bleiben und einen Blick in die Runde zu werfen. Was Richie dann auch tat. Und nun erkannte er, dass das komplette Gebäude in der Mitte einen Freiraum hatte. Er konnte am Boden Pflanzen bewundern, wie er sie nur aus den tropischen Regionen unserer Erde kannte. Und der Gang führte rund herum. In jeder Etage. Die Sonne, die ihren Zenit für den heutigen Tag bereits lange überschritten hatte, leuchtete noch immer den kompletten Innenhof aus, was Dank einer perfekt ausgeklügelten und angebrachten Spiegelkonstruktion war dies möglich. Als Richie endlich weiter ging, sah er an der rechten Wand Türen, die zum Küchen– und Essbereich auf dieser Etage führten. Bevor der Gang um neunzig Grad links abbog, kam er an einen der beiden diagonal im Innenfreiraum angebrachten Fahrstühle. Spontan fuhr er drei Etagen in die Tiefe, gespannt was sich da befand. Auch hier hatte der Gang die gleiche Breite von drei Metern, wie oben entlang der Glaswand. Diffuses, blaues Licht sorgte für ausreichendes, aber dezentes Licht. Eine Lichtquelle war nicht erkennbar. Mehrere Türen zweigten rechts und links ab ohne erkennen zu lassen was hinter ihnen lag. Die Türen waren verschlossen und konnten nur mittels Zahlenkombination oder Magnetkarte geöffnet werden. Voraus sah er ein drei Mal drei Meter großes Schott, welches an die Türen in einem Raumschiff erinnerte. Es war verschlossen. Auch hier bog der Gang um 90 Grad nach links. Als Richie den Knick dieses unterirdischen Rundweges erreichte, sah er an dessen Ende eine Glastür auf der rechten Seite, die den Gang mit Tageslicht überflutete. Ansonsten befanden sich rechts keine weiteren Türen. Bis er sich bewusst wurde, dass es sich um die nördliche Außenmauer des riesigen Gebäudes handeln musste. Interessiert ging er auf das Licht zu. Was er dann sah überwältigte ihn. Obwohl er hier ja schon mehrere Superlative gesehen hatte. Hinter der Glastür führte ein zehn Meter langer transparenter Tunnel zu einem Areal von bestimmt fünfzig Metern Durchmesser, das auch aus Glas bestehen musste. Die Höhe vermutete er mit den drei Etagen, die der Fahrstuhl ihn in die Tiefe befördert hatte. Alles überspannt von einer riesigen durchscheinenden Kuppel. Und darunter das Paradies auf Erden, oder vielmehr in der Erde. Exotische Pflanzen, freifliegende Vögel und im Hintergrund entdeckte er sogar einen Wasserfall, der tosend in die Tiefe stürzte und über einen Bach einen kleinen See speiste. Keine Frage, dass er ähnliches bei seinen Aufträgen rund um den Globus schon gesehen hatte. Zum Beispiel in Dubei. Aber hier rechnete er beim besten Willen nicht damit. Er betrat den tropischen Garten durch eine Schleuse. Wohlige Wärme und eine hohe Luftfeuchtigkeit schlugen ihm entgegen. Noch bevor er seine weitere Aufmerksamkeit den zahlreichen bunten Vögeln und Schmetterlingen widmen konnte, die auf Lianen und einer Unmenge blühender Orchideen saßen, sah er sie. Cassandra Fischer. Sie hatte ein Badetuch um ihren Körper geschlungen und trat hinter einem künstlichen Felsen hervor. Ihr nasses, noch leicht tropfendes Haar hatte von seiner vorherigen Fülle eingebüßt. Es fiel aber noch immer in Strähnen bis auf ihre Schulter. Die künstlich aufgetragene Umrahmung der Augen war zwar jetzt durch die Einwirkung des Wassers verschwunden, was aber ihrem verführerischen Aussehen keineswegs einen Abbruch tat. Die himmelblauen Augen strahlten und leuchteten Richie entgegen. Sie schüttelte ihren Kopf ruckartig, was noch übrig gebliebene Wassertropfen abperlen lies und für Richie zu einer kleinen Dusche wurde. Das war zwar ein Moment den Richie nicht leiden konnte, doch fand er es in diesem Fall eher belustigend als abstoßend.

„Man sollte fast meinen das du mir nachspionierst“, warf sie Richie entgegen und verschränkte ihre Arme vor dem Körper, um zu verhindern, dass sich das Tuch eventuell selbstständig machte. Sonst blickte sie ihm aber keck und provozierend entgegen.

„Ich hatte dich eher bei der Arbeit vermutet als hier im Urlaub, oder hast du schon Feierabend? Ich denke, dass du so die Termine nicht halten kannst”, entgegnete Ric.

„Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Abgesehen davon arbeitet die Aufgabe selbst. Gibt halt für alles heute Computer. Ich ernte dann die Früchte. Ist doch okay, oder?”

„Wenn das Ergebnis für sich spricht soll mir der Weg egal sein. Was machst du hier eigentlich? Wenn ich das hier so sehe, denke ich das sich mein Bruder paar Leute eingeladen hat, die hier ihre Kur verbringen können.”

„Nun ganz so ist das nicht, doch dieser Bereich hat schon einen tollen Entspannungseffekt. Ich komme immer wieder gern hierher. Doch neuerdings scheint es ganz schön überlaufen zu sein“, schmunzelte sie und machte Anstalten weiter zu gehen.

„Das klingt ja so als wärst du schon länger hier.“

„Nun es ist jetzt schon fast ein Monat. War aber eine arbeitsreiche Zeit. Nun raus mit der Sprache, was suchst du hier?”

„Ich wollte mich eigentlich nur etwas frisch machen, hab mich dabei wohl verlaufen.” Cassandra lächelte, zupfte an ihrem Badetuch, das nun doch Anstalten machte sich zu öffnen und erwiderte mit einem Fingerzeig ihrer rechten Hand nach oben, woher Richie kam:

„Du hättest ganz einfach nur auf dein Zimmer fahren brauchen. Da findest du alles was notwendig ist. Die Unterkünfte liegen im dritten Stock. Da liegt auch eine kleine Broschüre die alles hier beschreibt.”

Schelmisch fügte sie hinzu: „Damit du dich nicht mehr verläufst. Komm einfach mit, ich muss sowieso nach oben.” Sie ging an ihm vorbei, passierte Schleuse und Tunnel und strebte dem Aufzug zu. Richie beeilte sich ihr zu folgen. Als sie im Fahrstuhl standen und hoch fuhren meinte Cassandra: „Wenn mich nicht alles täuscht habe ich deinen Namen auf einem Schild gelesen. Das ist hier alles ordentlich durchorganisiert. Das mag ich nämlich. Es muss alles seine gerade Linie haben.“

„Hast du denn keine Wohnung außerhalb dieses Bauwerkes?“, wollte Richie von ihr wissen.

„Nein, ich bin ja nicht aus dieser Gegend und habe noch keine Zeit gehabt mich umzusehen. Aber das ist schon okay so.“ Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich und die beiden traten auf den großen Flur in der dritten Etage. Sie wandten sich nach links. Cassandra zeigte auf die Tür vor ihnen. „Da, dein Zimmer. Der Name steht auf dem Türschild.“ Tatsächlich stand sein Name auf dem Schild links neben der Tür. „Und du? Welches Zimmer hast du belegt?“

„Ich hoffe es stört dich nicht das mir das Nachbarzimmer gehört?“

„Wenn du nicht so laut schnarchst das ich nicht schlafen kann, habe ich kein Problem damit.“

„Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich schnarche nicht. Na dann gute Nacht und träum was Schönes“, flötete sie noch vor sich hin und verschwand in ihrem Zimmer. Richie tat das gleiche und war überrascht von der Geräumigkeit des Zimmers, eigentlich der zwei Zimmer, denn es handelte sich um eine Zweiraumwohnung. Allerdings ohne Küchentrakt. Der Wohnraum hatte eine Größe von gut fünfzig Quadratmetern. Rechts befand sich eine geräumige Eck Couch, welche durch ein kleines Beistelltischen komplettiert wurde. Genau gegenüber hing ein Flachbildschirm an der Wand. Auch an einen Schreibtisch hatte Benno gedacht. Der größte Wert wurde auf natürliches Licht gelegt, das durch die zahlreichen, großen Fenster fiel. Im zweiten Zimmer befand sich ein großes Doppelbett. Rechts führte eine Tür zum Sanitärbereich, mit Dusche, Eckbadewanne, Toilette, sowie Waschtisch, alles was man brauchte und das noch mit viel Platz kombiniert. Nun sah er auch die zweite Tür die zum Sanitärbereich führte. Aber nun erst mal ab unter die Dusche. Endlich fühlte er sich wieder Tatendurstig. Nichts geht doch über eine ausgiebige heiße Duschmassage. Benno hatte offensichtlich an alles gedacht. Für Richies Geschmack stellte sich hier alles eine Spur zu protzig dar. Bei Gelegenheit wollte er Benno daraufhin ansprechen. Was natürlich nicht bedeutete das Richie gepflegtem Luxus abgeneigt war. Seine Fenster zeigten nach Norden. Wenn er hinausschaute konnte er links drei Stockwerke tiefer die Glaskuppel der exotischen Entspannungsoase sehen, die trotz der geschätzten Entfernung von fünfzig Metern noch gewaltig wirkte. Dahinter befand sich, durch eine Wand von Bäumen verdeckt, noch ein großes Haus. Richie nahm an das es sich um das Gästehaus der Zenders handelte. Eine identische Glaskuppel erhob sich auch rechts des gewaltigen Gebäudes. Laut Lagebroschüre befindet sich unter der zweiten Glaskuppel der Abstell- und Landeplatz des Helikopters. Richie nahm sich vor das Gelände noch gründlich zu erforschen, hielt jedoch im Moment ein Gespräch mit Dr. Strobel für wichtiger. Doch wo suchen? Er verließ sich auf seine Intuition. Die Lagebroschüre wies den zweiten Stock als Bürokomplex aus. Also versuchte er es da. Die Tür des Aufzuges hatte sich noch nicht geschlossen, als Strobel aus einer Tür des langen Ganges getreten war.

„Sie wollen zu mir Herr Zender? Dann kommen Sie rein und entschuldigen Sie die Unordnung, aber ich bin gerade beim Um- bzw. Einzug und bin weder auf Besuche eingestellt, noch vorbereitet.”

„Wie kommen Sie darauf dass ich zu Ihnen will Doktor?”

„Weil ich im Moment der einzige in dieser Etage bin. Sie können natürlich Ihren Spaziergang durch das Gebäude fortsetzen. Ich halte Sie nicht auf. Wenn Sie aber etwas auf dem Herzen haben, dann kommen Sie rein, und nehmen Sie Platz.” Richie schob sich an ihm vorbei und lies sich auf dem einzigen freien Stuhl nieder. Strobel setzte sich in einen Sessel der gegenüber Ric’s Stuhl stand.

„Leider kann ich Ihnen hier nichts anbieten, da ich noch unzureichend eingerichtet bin”, entschuldigte er sich nun schon zum zweiten Mal. Zender winkte ab.

„Also wo drückt denn der Schuh?”

„Ich möchte noch mal auf unser Gespräch im Auto zurückkommen, wo Sie mich über meinen Auftrag fragten. In groben Zügen dürfte Ihnen ja bereits bekannt sein um was es bei dem missglückten Beschattungsversuch ging.”

„Ja den Werdegang Ihres Unternehmens habe ich mitbekommen, ebenso ihre Situation in Dessau. Und Sie zerbrechen sich jetzt den Kopf über den Russen und meine Rolle, die ich bei der ganzen Sache spiele?” Richie blinzelte mit dem linken Auge und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.

„Nicht nur…”, gab Richie wahrheitsgetreu zu.

„Sie haben sich sicherlich gefragt warum ich gerade hier bei Ihnen auftauche, wie ich überhaupt hergekommen bin, wie ich den Kontakt hergestellt habe und was ich außer Koffern voller Geld zu bieten habe. Natürlich Aljonow nicht zu vergessen. Wie sie sich bestimmt denken können, darf ich auf verschiedene Fragen keine Antwort geben, aber so viel. Ich wurde Anfang der achtziger Jahre in ein Team berufen das die Aufgabe hatte eine länderübergreifende Polizeiorganisation zu schaffen. Ähnlich von Interpol aber auf die RGW-Länder bezogen. Das brachte ein riesiges Paket von Verhandlungen und Gesprächen mit den einzelnen Staaten und deren Sicherheitsorganen mit sich. Und mir eine große Anzahl von Kontakten. Es war ein sehr zäher Verhandlungsmarathon der sich dann Ende der achtziger Jahre mit der Wende in Wohlgefallen auflöste. Danach war ich mehr oder weniger freischaffend tätig oder als Berater. Irgendwann kam der Kontakt mit Ihrem Bruder Reinhard, wo ich auf Ihre Aktivitäten aufmerksam wurde. Das heißt Sie sind in gewissen Kreisen sowieso bekannt, vor allem Ihre Erfolge. Und nun bin ich hier und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Bitte machen Sie Reinhard keine Vorwürfe, dass er im Vorfeld nicht mit Ihnen über mich gesprochen hat. Es lag alles unter dem Verschwiegenheitssiegel. Und er hat sich nur an die Abmachung gehalten. Eigentlich wissen Sie doch wie das in der Branche läuft. Was ich zu bieten habe ist neben meinen Kontakten auch die Möglichkeit an Zusammenhänge heranzukommen, die Ihnen auf dem normalen Weg verschlossen bleiben. Ich denke wir werden sehen wie fruchtbar unsere Zusammenarbeit ist. Aber ich glaube wir sollten die Möglichkeiten ausleuchten und nach den ersten Ergebnissen neu ordnen und weitere Ziele abstecken. Fakt ist, dass ich solch ein Projekt wie dieses schon lange gesucht habe. Und da habe ich meine Zeit nicht groß mit Abwägungen verbracht, die zu nichts führen. Wenn Sie, nun ja die Spende genauer betrachten, so werden Sie feststellen, dass ein großer Teil des Geldes aus meinem Privatvermögen stammt. Ich bin überzeugt, dass es hier am besten angelegt ist. Ach und noch was. Die Zukunftsanalyse geht eindeutig von mehr Sicherheitsbedürfnis im Einzelnen und der Tatsache des Heranwachsens einer ganz neuen Form der Kriminalität aus. Das vereinte Europa stellt in der grenzenlosen Variation eine ganz neue Größenordnung in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens dar. Und ich habe mein Leben irgendwie dieser Sache verschrieben und freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Dieser Ex-Oberst Aljonow war in Zerbst in der Zeit von 1987-92 stationiert. Er hielt sich da bei der 126. Jagdfliegerdivision auf. Welche Aufgaben ihn da genau zugeteilt waren ist mir nicht bekannt. Ich werde noch Informationen beschaffen. Ich hoffe das Ihr Wissensdurst wenigstens zum Teil gestillt ist, Richie.“

„Hatten Sie zu dem Oberst persönlichen Kontakt?“

„Ja zweimal.“ Richie entschied sich es dabei zu belassen. Er bedankte sich für die Auskünfte. Verabschiedete sich und verließ die Etage, wo Doktor Strobel mit dem Einräumen seines Zimmers fortfuhr. Zender schwankte zwischen einer weiteren Forschungstour in dem großen Gebäudekomplex oder seiner Rückkehr in die Zentrale. Er hielt das Letztere aber dann für den wichtigeren Schritt im Moment. Die Gebäude würden ihm nicht weglaufen und auch in den nächsten Tagen noch da stehen. Schließlich hatte Benno ihm ja angeboten eine Führung durch das Haus mit ihm zu unternehmen. Also ging er in die Zentrale zurück. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Edson ließ den Drucker heiß laufen, während er schon nach weiteren Informationen im Internet suchte und Benno beendete gerade ein Telefonat.

„Hallo Ric, ich habe gerade mal bei deinem Team von gestern durchgerufen. Nur Daniela habe ich nicht erreicht. Hartig und Wollmer sind noch in der Nacht hier in Dresden angekommen. Mike sagt, dass wir uns wegen Daniela keine Gedanken zu machen brauchen, da sie eine Oma in Dessau hat. Bei der wird sie sich nach dem Funkproblem sicherlich eingefunden haben. Warum soll man nicht die Gelegenheit nutzen, wenn man schon mal in der Gegend ist, meinte Hartig.“ Richie schüttelte missbilligend mit dem Kopf und noch bevor er etwas zu Benno sagen konnte, fügte dieser hinzu: „Er hat noch einmal gesagt, dass ihr euch wie verabredet morgen früh in deinem Büro trefft. Vielleicht meldet sich Daniela bis dahin auch noch?“

„Habt Ihr schon was über den Audi herausgefunden?“

„Ja“, antwortete Edson und sah von seiner Arbeit auf. Indem er Richie ein Blatt mit Daten reichte sagte er: „Ist auf eine Mareike Schmand zugelassen, die in Grepin, einem Ortsteil von Bitterfeld wohnt. Steht aber alles noch mal hier mit beigefügter Karte.“ Ed, der sich wieder seiner PC-Arbeit widmete sah nicht den erstaunten Gesichtsausdruck von Richie als dieser die wenigen Zeilen überflog. Gerade als Richie das gefaltete Blatt einstecken wollte kam Cassandra Fischer angerauscht und sagte zu Ric.

„Die ersten Einschätzungen zur Überprüfung der Bodenprobe liegt vor.“

„Schön dass du Zeit gefunden hast zu unserer Arbeit etwas beizutragen“, warf Richie ein. Cassandra ging darauf nicht ein und fuhr unbeirrt fort.

„Die Probe setzt sich aus vier Bestandteilen zusammen.

1. Sand vermengt mit Schmutzpartikeln, typischer Schmutz von Fahrbahnrändern

2. Humus

3. Öl – Getriebeöl W 5 – 30

4. und Blut

Bei dem Blut kann ich auf die Schnelle nicht sagen ob es tierischen oder menschlichen Ursprungs ist. Das erfordert noch einige Tests. Allerdings vermisse ich bei den Blutbestandteilen Knochensplitter, oder Gehirnmasse. Das sind aber typische Spuren bei einem Kopfschuss. Das sage ich nur, weil ich von einer Art Hinrichtung hörte. Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Ich denke dass ich morgen Mittag das Ergebnis vorlegen kann. Jetzt kommt der Kracher.“ Sie legte eine weitere Pause ein, um sich der Aufmerksamkeit der Zuhörer sicher zu sein und fuhr in dem Moment fort, als Doktor Strobel mit einer kleinen Mappe unter dem Arm eintrat.

„Bei dem Motoröl handelt es sich zweifelsfrei um reines, unbenutztes Öl das noch nicht verwendet wurde.“

„Kann es sein, dass ein Fahrer Öl bei seinem Fahrzeug nachgefüllt hat und ein paar Tropfen danebengingen, die dann zu der Verunreinigung des Bodens geführt haben können?“, wollte Strobel wissen.

„Nein, die Menge und Dichte des Öls in der Probe weist eher nicht auf ein paar Tropfen hin. Und ich habe mal hoch gerechnet. Bei der verunreinigten Fläche gehe ich schon von einem Liter Öl aus.“

„Das könnte stimmen“, warf Richie ein. „Also auf keinen Fall nur eine Restmenge.“ Als Richie von Strobel den Bericht zurück bekam wandte er sich an die Laborantin: „Vielen Dank Cassandra, gute Arbeit.“ Darauf nickte diese nur und ging.

„Ich glaube, dass Ihre These durch die Probe unterstützt wird“, sagte der Doktor.

„Das könnte man so sagen, nur ohne Leiche oder verwundeten Körper ist der beste Verdacht nichts wert. Und nach dem Ergebnis von Cassandra wackelt meine Hinrichtungstheorie. War eigentlich auch unlogisch. Bei der Entfernung hätte es dem Opfer den Schädel weg gerissen. Ich glaube ich muss morgen wieder nach Dessau.“

„Danach sieht es aus“, bestätigte Strobel und schlug seine Mappe auf.

Das Geheimnis der Toten von Zerbst

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