Читать книгу Der Sieg des Abendlandes. Christentum und kapitalistische Freiheit - Rodney Stark - Страница 5
Der Plan des Buches
ОглавлениеDer Sieg des Abendlandes besteht aus zwei Teilen. Der erste wendet sich den Fundamenten zu. Er untersucht die Rolle der Vernunft im Christentum und zeichnet nach, wie sie der politischen Freiheit und dem Aufkommen von Wissenschaft und Kapitalismus den Weg bereitet hat. Teil zwei befasst sich damit, wie die Europäer auf diesen Fundamenten etwas errichteten.
Kapitel 1 widmet sich den Ursprüngen und Konsequenzen des christlichen Zuspruchs zu einer rationalen Theologie. Wie kam es dazu? Und warum resultierte es in dem revolutionären Umstand, dass die Anwendung der Vernunft auf das Verständnis der Bibel zu einem theologischen Fortschritt führte? Es wurde zu einem Grundsatz der christlichen Theologie, dass das Verständnis Gottes mit der Zeit besser und größer werden könne und auch feststehende Doktrinen durchaus radikal veränderbar seien. Nachdem ich die rationalen und fortschrittlichen Aspekte der christlichen Theologie dargelegt habe, wende ich mich Beispielen und Folgeerscheinungen zu. Zunächst behandele ich die absolut zentrale Rolle, die die rationale Theologie beim Aufkommen der Wissenschaft gespielt hat und zeige auf, warum die Wissenschaft sich zwar sehr wohl in Europa entwickelte, nicht aber in China, der islamischen Welt oder im alten Griechenland. Danach wird der Fokus auf wichtige moralische Innovationen gerichtet, die von der mittelalterlichen Kirche geleistet wurden. So begünstigte das Christentum eine sehr nachdrückliche Konzeption des Individualismus, die dennoch mit den eigenen Doktrinen bezüglich des freien Willens und der Erlösung vereinbar war. Daneben kultivierte das mittelalterliche Mönchswesen den Respekt vor Tugenden wie Arbeit oder einfachen Lebensweisen, der der protestantischen Ethik fast um ein Jahrtausend vorausging. Dieses Kapitel umreißt zudem den Anteil des Christentums bei der Heranbildung neuer Ideen der Menschenrechte. Denn für die Entwicklung des Kapitalismus war es erforderlich, dass Europa nicht länger eine Zusammenballung von Sklavengesellschaften war. Wie auch in Rom und allen anderen damaligen Zivilisationen existierte die Sklaverei überall im frühen mittelalterlichen Europa. Unter allen führenden Glaubensrichtungen bildete einzig das Christentum einen moralischen Widerstand gegen die Sklaverei aus, welcher ab dem 7. Jahrhundert dann wiederum in eine religiöse Opposition überging. Ab dem 12. Jahrhundert war die Sklaverei fast überall im Westen verschwunden und hielt sich nur hier und da in Grenzgebieten.12 Dass die Sklaverei einige Jahrhunderte später wieder eingeführt werden sollte, ist ein anderes Thema, doch auch dann bemühte sich das Christentum erneut um ihre Abschaffung.13
Kapitel 2 blickt auf die religiösen Grundlagen des Kapitalismus, die im sogenannten finsteren Mittelalter statuiert wurden. Es wird aufgezeigt, dass diese Epoche alles andere als ignorant und rückständig war, sondern im Gegenteil eine Zeit spektakulären technologischen und intellektuellen Fortschritts darstellte, sobald die Innovation einmal aus den Klauen des römischen Despotismus befreit worden war. Der christliche Einsatz für den Fortschritt spielte nicht nur eine wichtige Rolle bei der Suche nach neuen Technologien, sondern ebenso bei deren zügiger und großflächiger Anwendung. Obendrein führte die Bejahung des Fortschrittsgeschehens durch viele Kirchenführer und Gelehrte zu einigen bemerkenswerten theologischen Revisionen. Nicht anders als die übrigen Weltreligionen hatte auch das Christentum über Jahrhunderte die moralische und spirituelle Überlegenheit des Asketismus betont und auf dessen Gegensatz zu Kommerz und Finanzwesen hingewiesen. Doch wurden diese Grundhaltungen im 12. und 13. Jahrhundert von katholischen Theologen verworfen, die nun stattdessen den privaten Besitz und das Profitstreben verteidigten. Wie konnte das geschehen? Ganz einfach dadurch, dass Theologen das Handelstreiben, das in den großen klösterlichen Anwesen begonnen hatte, moralisch neu beurteilten, da sie dessen früheres Verbot nun theologisch nicht mehr angemessen fanden.
Kapitel 3 beginnt mit einer kurzen Darstellung der Planwirtschaft: es wird gezeigt, wie despotische Regierungen regelmäßig Innovation und Handel unterdrücken, indem sie zwar Reichtum anhäufen, verbrauchen und enteignen, ihn aber kaum je reinvestieren. Da der Aufstieg des Kapitalismus den Sieg über despotische Staaten erforderlich machte, widmet sich der Rest des Kapitels der Ausbreitung der Freiheit in Europa, die die Form kleiner und häufig überraschend demokratischer politscher Einheiten annahm. Zuerst wird die christliche Grundlage des westlichen Demokratie-Konzepts untersucht, d.h. die Genese der Doktrinen von individueller moralischer Gleichheit, der Rechte des Privatbesitzes und der Trennung von Kirche und Staat. Danach wird erklärt, wie in einigen italienischen Stadtstaaten und in Nordeuropa eine relativ demokratische Gesetzgebung entstehen konnte.
Kapitel 4 geht der Perfektionierung des Kapitalismus in den italienischen Stadtstaaten nach und zeigt, wie die für das Funktionieren von großen, rationalen und industriellen Unternehmen erforderlichen Organisationsstrukturen und Finanztechniken entwickelt wurden. Kapitel 5 zeichnet die Ausbreitung von »kolonialen« kapitalistischen Unternehmen aus Italien in die Städte des Nordens nach. Am Ende des Kapitels befasst sich ein längerer Abschnitt mit der Frage, wie die Engländer das leistungsstärkste kapitalistische Wirtschaftssystem in Europa entwickeln konnten.
Kapitel 6 blickt auf die wichtigsten negativen Fälle, schon weil eine umfassende Erörterung der Frage, warum der Kapitalismus sich in bestimmten Regionen Europas ausbreiten konnte, ebenfalls erklären muss, warum das Gleiche andernorts misslang. Wie kam es, dass Spanien, das reichste und mächtigste Land Europas im 17. Jahrhundert, stets ein vor-kapitalistischer, feudaler Staat blieb? Warum wollte Spanien die kapitalistische Vitalität der italienischen Stadtstaaten sowie der spanischen Niederlande zerstören? Und was waren die Gründe dafür, dass Spanien in der Folge rasch zu einer drittrangigen Macht wurde und sein Herrschaftsgebiet verlor? Was Frankreich angeht – warum stagnierten der Kapitalismus und die Freiheit auch dort? Um diese Fragen zu beantworten, wende ich mich erneut den erdrückenden wirtschaftlichen Folgen des Despotismus zu.
Vor diesem Hintergrund wechselt Kapitel 7 den Standort und blickt auf die Neue Welt sowie auf das dramatische ökonomische Gefälle, das die Vereinigten Staaten, Kanada und Lateinamerika voneinander absetzen sollte. Die Schilderung dieser Geschichte wird nicht zuletzt als Zusammenfassung des ganzen Buches dienen, da die hier wirksamen Faktoren praktisch eine Wiederholung der wirtschaftlichen Historie Europas darstellen. Auch hier spielten das Christentum, die Freiheit und der Kapitalismus die entscheidenden Rollen. Im Fazit wird die Frage gestellt, ob das heute wohl immer noch so ist. Oder können durch die Globalisierung alternativ auch völlig andere moderne Gesellschaften entstehen, die weder christlich noch kapitalistisch oder auch nur frei sind?