Читать книгу Der komplette Projektmanager - Roel Wessels - Страница 13
1.4 Ein Projektmodell als Aufhänger
ОглавлениеIn diesem und dem folgenden Abschnitt beschäftige ich mich mit zwei Themen, die für das weitere Buch wichtig sind: ein Modell des Projekts und agiles Projektmanagement. Das Modell des Projekts soll als Orientierungsmittel und Erinnerungsstütze beim Behandeln von neuen Begriffen dienen. Die Agile-Methode ist eine iterative Projektmanagementmethode, die bei der Ausführung von Projekten mit vielen Unsicherheiten und sich verändernden Zielsetzungen hilft. Ich behandele das agile nicht als Gegenspieler zum traditionellen Projektmanagement, sondern - Sie haben es bestimmt schon erraten - wir folgen dem und-und-Weg: Agil zu denken und zu agieren in Kombination mit dem traditionellen Projektmanagement. Dieser Kombination werden Sie auch in multidisziplinären Projekten begegnen, wenn mechanische (Wasserfall) Entwicklung mit (Agile) Softwareentwicklung kombiniert wird.
Die Phaseneinteilung des Projektmodells
In Abbildung 1.5 sind die Projektmanagementelemente wiedergegeben, mit denen die meisten Projekte modelliert werden können. Dieses Modell basiert auf der Richtlinie für individuelle Kompetenz der IPMA, kann jedoch auch hervorragend auf PRINCE2 und den PMBOK Guide von PMI angewendet werden. Das Ziel ist nämlich die Unterstützung bei der Begriffsformulierung und nicht die Durchsetzung von Entscheidungen zugunsten eines bestimmten Verfahrens. In dem verwendeten Modell stehen die Definitionsphase und die Ausführungsphase an zentraler Stelle, die gemeinsam oft als “das Projekt” gesehen werden. In Ihrem eigenen Projekt können diese Phasen natürlich in Teilphasen aufgeteilt werden. Da ich mich in diesem Buch vor allem auf das Entwickeln von neuen Produkten und Dienstleistungen beziehe, habe ich die Ausführungsphase bereits in Teilphasen aufgeteilt: die Entwurfsphase, die Realisierungsphase und die Testphase.
Abbildung 1.5 Ein Modell des Projekts mit den Phasen und Entscheidungspunkten
Das Projektmodell verfügt über zwei zusätzliche Phasen, die formal meist nicht zum Projekt hinzugerechnet werden. Zunächst die Nutzungsphase, die Phase, in der die Projektergebnisse vom Auftraggeber verwendet werden. Diese Phase ist im Allgemeinen kein Teil des Projekts, da das Projekt in der Regel nach der Ausführungsphase abgeschlossen wird. Dennoch ist es für den Projektmanager wichtig, diese Phase auf dem Radar zu haben, da der Auftraggeber in dieser Phase die Projektergebnisse verwendet und erwartet, dass die Projektzielsetzungen realisiert werden. Weiterhin ist es praktisch zu wissen, dass das Projekt meist ab der Nutzungsphase Geld einbringen wird. Die andere zusätzliche Phase ist die Vorbereitungsphase (in PRINCE2 wird diese der Starting-Up-Prozess genannt), eine Phase, mit der wir in diesem Buch noch viel Spaß haben werden! Die Vorbereitungsphase ist ganz bewusst von der Definitionsphase getrennt worden. Warum diese Trennung? Weil der Übergang zur Definitionsphase sehr wichtig ist und weil die Aktivitäten aus der Vorbereitungsphase ansonsten oft vergessen werden. Und das, obwohl ein erfolgreicher Projektmanager genau in dieser Phase den Kampf zu seinen Gunsten entscheiden kann!
Definitions- und Ausführungsphase, angereichert mit der Vorbereitungs- und Nutzungsphase, werden auch “das Projekt im weitesten Sinne” genannt. Übrigens werden viele Betroffene nur das “Projekt im engsten Sinne” (die Ausführungsphase) erfahren, da sie nur an der Projektausführung teilnehmen, bzw. hiervon die Folgen erfahren werden. Im Projektmodell sind drei wichtige Entscheidungspunkte enthalten:
◾ Decision to justify: Die Entscheidung, ob eine Idee oder Anfrage in ein Projekt verwandelt wird.
◾ Decision to fund: Die Entscheidung, ob mit der Ausführungsphase begonnen werden darf. Dies ist ein wichtiger Go/No-go-Moment eines Projektes.
◾ Abnahme: Abnahme der Projektergebnisse. Die Entscheidung, dass das Projekt abgeschlossen wird und das Projektteam von allen Aufgaben entbunden werden kann.
Natürlich werden Sie Ihrem eigenen Projekt während der Erstellung Ihres Plans zusätzliche Meilensteine und Entscheidungspunkte hinzufügen und vielleicht lassen Sie auch das ein oder andere Element weg. Das Projektmodell ist ein Hilfsmittel und Denkrahmen für Ihr Projekt, keine Zwangsjacke.
Die Deliverables des Projektmodells
Das Projektmodell kennt auch eine Reihe elementarer Projektmanagement Deliverables, bzw. (Zwischen)Ergebnisse. Diese Deliverables sind in Abbildung 1.6 der jeweiligen Projektphase hinzugefügt, zu der sie gehören. Hierbei bedeutet ein Pfeil nach unten, dass sie als Input für diese Phase gelten und ein Pfeil nach oben, dass sie ein in dieser Phase erreichtes Ergebnis sind. Den Deliverables begegnen wir im weiteren Verlauf des Buchs immer wieder. Zu diesem Zeitpunkt bespreche ich lediglich das Allernötigste, um das Modell und den Zusammenhang verstehen zu können.
Abbildung 1.6 Die Projektmanagement Deliverables des Projektmodells
Vorbereitungsphase
Wir beginnen mit dem Anfang des Projekts. Mit dem Moment, an dem der Auftraggeber eine Projektidee hat und eine Projektanfrage startet, um die dazugehörigen Zielsetzungen zu realisieren. Mit der Absicht, ein Projekt zu beginnen, geht die Ernennung eines Projektmanagers mit dem richtigen Mandat einher. Natürlich ist dies in der Praxis einfacher gesagt als getan. Dazu später mehr.
Der Projektmanager könnte sofort mit der Erstellung des Projektmanagementplans beginnen, würde dann aber eine Chance verpassen: Die (einmalige) Gelegenheit, den Projektauftrag kritisch zu prüfen und genauestens mit dem Auftraggeber zu besprechen. Also die Gelegenheit, den gesamten Projektverlauf beeinflussen zu können. In Kapitel 4 wird das “Wie” im Detail erklärt. Jetzt ist es erst einmal nur wichtig zu verstehen, dass diese Projektvorbereitungsphase, auch wenn diese oft nur kurz andauert, ein entscheidender Moment ist, um eine solide Basis für einen späteren Erfolg des Projektes zu schaffen. Der Projektmanager übersetzt die Projektanfrage in einen Projektauftrag (in dem der anfängliche Umfang festgelegt wird) und erstellt einen Ansatzplan für die Definitionsphase. Anschließend betrachtet er den Business Case (der oftmals vom Auftraggeber bereits zu einem früheren Stadium erstellt wurde) kritisch und bringt möglicherweise Verbesserungsvorschläge an. Die Projektvorbereitungsphase endet mit einer bewussten Entscheidung, ob es sinnvoll ist, aus der Idee wirklich ein Projekt zu machen, Decision to justify. Dieser Moment wird in einem Verkaufsprozess übrigens der Bid-/No-bid-Moment genannt: Unterbreiten wir dem Kunden ein Angebot oder nicht? Nach einer positiven Entscheidung beginnt die Einrichtungsphase.
Einrichtungsphase
Die Einrichtungsphase hat das Ziel, einen realistischen und von der Organisation getragenen Projektmanagementplan zu erstellen, wodurch Verpflichtungen eingegangen und Commitment gezeigt werden kann. Die benötigten Informationen, um diesen Plan zu erstellen (beispielsweise Spezifikationen und Machbarkeitsstudien), fallen in dem Projektmodell unter den allgemeinen Begriff “Definitionsdokumente”. Auf diese Dokumente werden wir in Kapitel 3, in dem das V-Modell eingeführt wird, näher eingehen. Der Prozess der Plangestaltung folgt in Kapiteln 5 und 6. Die Einrichtungsphase wird mit dem Entscheidungspunkt Decision to fund, abgeschlossen, welcher ein Go für die Ausführungsphase gibt.
Ausführungsphase
Das Projektmodell kennt für die Ausführungsphase lediglich generische Deliverables des Projektmanagements für den Beginn und Abschluss, nämlich die Mobilisierung des Teams, die Ablieferung der Projektergebnisse, die Abnahme der Ergebnisse durch den Kunden und die Evaluation des Projekts. Dabei liegt in der Natur der Sache, dass die meisten Deliverables der Projektausführung projektspezifisch sind. Sie sind im Projektmodell nicht abgebildet, aber sollten im Projektmanagementplan vom Projektmanager festgelegt werden.
Obwohl der Schwerpunkt in diesem Buch auf Projekten liegt, die neue Produkte oder Dienstleistungen entwickeln, kann das Projektmodell allgemein angewendet werden. Auch im alltäglichen Leben, beispielsweise beim Planen eines Umbaus oder beim Organisieren eines Festes. Mit dem Modell lernen Sie, welche Fragentypen in welcher Phase des Projekts beantwortet werden. Dazu, was vor dem Zeitpunkt des Eingehens von Verpflichtungen (Decision to fund) geschehen sein sollte. Im Anhang I finden Sie Anwendungsmöglichkeiten des Projektmodells für die folgenden Beispiele:
◾ Projekt “Entwicklung neue Website” (Cynefin kompliziert)
◾ Projekt “Produktivität operationeller Prozesse verbessern bis hin zu vorbestimmten Leistungen” (Cynefin komplex)
◾ Projekt “Fusion zweier Organisationen” (Cynefin komplex)
◾ Projekt “Erhöhen Personalzufriedenheit” (Cynefin kompliziert)
Deliverable oder Intake | Ergebnis oder Input | Eigentümer |
Projektvorbereitungsphase | ||
Projektanfrage | Input | Auftraggeber |
Zielsetzung | Input | Auftraggeber |
Projektmandat | Input | Auftraggeber |
Projektmanager beauftragt | Input | Auftraggeber |
Projektauftrag | Ergebnis | Projektmanager |
Business Case | Ergebnis | Auftraggeber |
Projekteinrichtungsplan | Ergebnis | Projektmanager |
Projekteinrichtungsphase | ||
Autorisierung Projekteinrichtungsphase | Auftraggeber | Input |
Projektmanagementplan | Ergebnis | Projektmanager |
Definitionsdokumente | Ergebnis | Projektmanager |
Verpflichtungen eingehen | Ergebnis | Projektmanager |
Projektausführungsphase | ||
Autorisierung Projektausführung | Input | Auftraggeber |
Mobilisierung | Input | Projektmanager |
Entwurfsdeliverables | Ergebnis | Projektmanager |
Realisierungsdeliverables | Ergebnis | Projektmanager |
Testdeliverables | Ergebnis | Projektmanager |
Projektergebnisse | Ergebnis | Projektmanager |
Abnahme der Projektergebnisse | Ergebnis | Auftraggeber |
Projektevaluation | Ergebnis | Projektmanager |
Abbildung 1.7 Zusammenfassung Deliverables des Projektmodells
Abschließend gibt Abbildung 1.7 eine Zusammenfassung aller Deliverables aus dem Projektmodell, wobei angegeben ist, ob das Eigentum, also die Verantwortung, primär beim Projektmanager oder Auftraggeber liegt. Damit will übrigens nicht gesagt sein, dass der Eigentümer auch der Ausführende sein muss. Als Projektmanager können Sie sich beispielsweise dafür entscheiden, den Business Case für den Auftraggeber auszuarbeiten. Dies bietet oft die Gelegenheit, selbst den Projektumfang zu beeinflussen. Aber, es ist wichtig, dass sich der Auftraggeber letzendlich als Eigentümer des endgültigen Business Cases fühlt, denn ansonsten begeben Sie sich als Projektmanager schnell auf Glatteis.