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Lausanne (1974)

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Der Weltmissionskongress im schweizerischen Lausanne ist der bedeutendste Missionskongress der modernen evangelikalen Bewegung. Die Evangelikalen waren repräsentativ vertreten. Die Teilnehmer kam je zur Hälfte aus dem Westen und aus der Zwei-Drittel-Welt.

Die Frage der sozialen Verantwortung war von Anfang ein wichtiges Thema. Billy Graham (1974, 55) äußerte in seiner Eröffnungsrede den Wunsch: „Lasst uns freudig in der sozialen Aktion wirken und doch darauf bestehen, dass dies allein noch nicht Evangelisation ist und auch nicht Evangelisation ersetzen kann. Diese Zusammenhänge verunsichern manche Gläubige. Vielleicht kann Lausanne helfen, dieses zu klären.“ Die Lateinamerikaner René Padilla und Samuel Escobar plädierten in ihren Referaten für die Integration der sozialen Aufgabe in den Missionsauftrag – und traten damit ein Bewegung los, die im auf Lausanne folgenden Jahrzehnt zu großen Veränderungen in der evangelikalen Missionstheologie führen sollte.

Trotz der Aufmerksamkeit, die man der sozialen Verantwortung schenkte, erachteten viele der gegen 4000 Teilnehmer diese als zu gering. Aus diesem Empfinden heraus entstand während des Kongresses die „Radical Discipleship Group“, die eine Erklärung mit dem Titel „A Response to Lausanne“ entwarf. In dieser Erklärung wurde ein ganzheitliches Missionsverständnis vorausgesetzt und damit begründet, dass das biblische Heil die gesamte Schöpfung umfasst. Kernforderung der Erklärung waren die Worte: „Wir müssen den Versuch, einen Keil zwischen Evangelisation und soziale Aktion zu treiben, als dämonisch zurückweisen“ (Padilla und Sugden 1985, 9). Der scharfe Ton der Erklärung markierte den Beginn einer teilweise hitzig geführten Debatte, die sich erst ein knappes Jahrzehnt später merklich abkühlen sollte. Die Tatsache, dass die Erklärung während des Kongresses von fast 500 Teilnehmern unterzeichnet wurde zeigt, dass die Frage nach der Einordnung der sozialen Verantwortung in den Missionsauftrag zur Kardinalfrage der Evangelikalen geworden war.

Mit „A Response to Lausanne“ wurde deutlich, dass ein beträchtlicher Teil der Evangelikalen ein Missionsverständnis nach Lausanne mitbrachte, das sich vom evangelikalen Mainstream unterschied. Das Missionsverständnis dieser radikal gesinnten Theologen hatte die ganze Welt mit ihren Nöten im Blickfeld. Es fußte auf der Überzeugung, dass Mission mehr ist als die Rettung einzelner Menschen. Dieses erweiterte Missionsverständnis hatte Anstöße von der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, vom Missionsverständnis der Ökumene und von der kontextuellen Theologie aufgenommen.4

Der Vorstoß der Radical Discipleship Group war so beachtlich, dass die soziale und politische Betätigung im Artikel 5 der Lausanner Verpflichtung zur missionarischen Pflicht gezählt wurde. Dieser Umstand setzte manche Vertreter aus dem Westen in Aufruhr. Noch zehn Jahre nach Lausanne klagte der Missionswissenschaftler Peter Beyerhaus, der Artikel 5 habe den radikalen Evangelikalen Anlass für ein verändertes Missionsverständnis gegeben, das die biblische Lehre von der Erlösung verdunkle. Beyerhaus ging mit dieser Entwicklung scharf ins Gericht und bezeichnete sie als „verräterische Aufgeschlossenheit“ für die kontextuelle Theologie (Beyerhaus 1984, 12–13). In der Zwei-Drittel-Welt und bei radikalen Theologen im Westen wurde die Integration der sozialen Verantwortung in die missionarische Aufgabe hingegen begrüßt. Während die einen das Ergebnis von Lausanne als Anbruch eines neuen Missionszeitalters begrüßten (Costas 1977, 138), befürchteten andere, dass eine Angleichung an die ökumenische Position erfolgen und dies zum Ende der traditionellen Mission führen könnte (Johnston 1984, 20).

Der evangelikalen Bewegung stand nach Lausanne eine Zerreißprobe bevor, die sie bis in die 1980er Jahre hinein beschäftigen sollte. Zunächst aber wurden die Evangelikalen namentlich in Lateinamerika und Afrika vom Ergebnis von Lausanne beflügelt. Für viele war Lausanne „eine sehr wichtige Bestätigung für viele Dienste, welche die Evangelikalen, vor allem in der Zwei-Drittel-Welt, ausgeführt hatten, jedoch zum Teil hatten schweigen müssen, damit man sie nicht missverstand, sie würden die Hingabe an den Auftrag der Evangelisation abschwächen“ (Samuel und Sugden 1999, ix).

Die Lausanner Verpflichtung ist das wichtigste Kongressdokument der modernen evangelikalen Bewegung. Die Tatsache, dass die soziale Verantwortung zur missionarischen Pflicht gezählt wurde, bedeutete für die Evangelikalen in der Zwei-Drittel-Welt eine Legitimation ihres Standpunkts. Die Stimme der marginalisierten Christen aus den ehemals kolonialisierten Ländern war in Lausanne auf offene Ohren gestoßen. Dadurch wurden sie ermutigt, eine eigenständige evangelikale Theologie zu formulieren. Dieser Umstand kann als Meilenstein der Entwicklung einer kontextuellen evangelikalen Theologie gelten.5

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