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ОглавлениеEINFÜHRUNG
In den evangelikalen Kirchen wächst das Interesse an ganzheitlicher Mission. Das alte Denkmuster, wonach Mission beginnt, wenn jemand in einem fernen Land aus dem Flugzeug steigt, trägt nicht mehr. Es ist Zeit für ein neues missionarisches Paradigma.
In unserer Zeit des Wandels muss die Aufgabe der Kirche neu bedacht werden. Zunehmend wird klar: Mission findet bei uns statt. Die Kirche unterstützt nicht nur Mission, sondern die Kirche selbst ist Mission. Das Bewusstsein wächst, dass die Kirche ihren Auftrag ganzheitlich zu verstehen hat. Doch was ist mit der Rede von der Ganzheitlichkeit gemeint? Handelt es sich um ein biblisches Konzept? Welche biblischen Antworten geben wir auf die Nöte der Welt, in die Jesus uns sendet? Das Gefühl, dass angesichts der sozialen Probleme und der ökologischen Herausforderungen „etwas getan werden muss“ ist deutlich spürbar. Aber: Was genau ist zu tun? Wie sieht ganzheitliche Mission eigentlich aus? Noch fehlt uns eine solide theologische Grundlage, die es uns erlaubt, eine Missionstheologie zur formulieren, die für die Gegenwart relevant ist. Die Diskussion darüber, wie die Kirche in der Welt des 21. Jahrhunderts ihren Auftrag ausführen soll, hat eben erst begonnen. Dieses Buch will einen Beitrag dazu leisten.
Ein persönlicher Entwurf
Im Frühjahr 2008 habe ich meine Dissertation an der Universität von Südafrika mit dem Titel Das ganze Evangelium für eine heilsbedürftige Welt: Zur Missionstheologie der radikalen Evangelikalen abgeschlossen. Die Arbeit daran hat mein Interesse an einem ganzheitlichen Missionsverständnis geweckt. Ich habe im deutschsprachigen Raum jedoch vergeblich nach einer verständlichen Einführung in dieses Thema gesucht. Diesen Umstand habe ich als Aufforderung empfunden, mich selbst an die Arbeit zu machen.
Mit diesem Buch lege ich meinen persönlichen Entwurf eines ganzheitlichen Missionsverständnisses vor. Es scheint mir, dass wir im Westen lange Zeit versäumt haben, eine Theologie zu entwickeln, die relevant für unsere heutige Situation ist. Die Zeit drängt. Die Welt befindet sich im Wandel. Kirche und Mission sind herausgefordert, biblische Antworten zu geben. Aus diesem Grund wage ich es, eine Argumentation für Ganzheitlichkeit vorzulegen, auch wenn ich selbst noch offene Fragen habe. Man muss das Eisen schmieden, wenn es glüht.
Mein Hauptanliegen mit dem vorliegenden Buch ist es, eine gut zugängliche Einführung in die biblischen Themen zu geben, die für ein ganzheitliches Missionsverständnis von Bedeutung sind. Um eine zusammenhängende Argumentation zu erreichen, habe ich mehr in die Breite gearbeitet als in die Tiefe. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei einiges unscharf bleibt. Es ist meine Hoffnung, dass mein Beitrag andere ermutigt, an einzelnen Themen vertieft zu forschen.
Mit diesem Buch können sich Studierende, aber auch interessierte Christen, die keine theologische Ausbildung haben, mit ganzheitlicher Mission befassen. Auf Fachbegriffe und theologische Auseinandersetzungen habe ich möglichst verzichtet und die Sprache einfach gehalten.
Überblick
Dieses Buch ist aus der Erkenntnis entstanden, dass in der evangelikalen Theologie europäischen Zuschnitts eine ganzheitliche Missionsbegründung fehlt. Das Bewusstsein ist gewachsen, dass evangelikale Kirchen und Missionen eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit geben müssen. Es fehlt im deutschen Sprachraum jedoch eine solide biblische Theologie aus evangelikaler Feder, um ein solches Engagement zu begründen und langfristig durchzuhalten. Im Laufe meiner Studien bin ich vor allem auf Theologen aus der Zwei-Drittel-Welt gestoßen, welche in der Verantwortung gegenüber der Bibel als Gottes Wort eine ganzheitliche Missionstheologie entwickelt haben. Ihre Erkenntnisse möchte ich meinen Lesern mit diesem Buch zugänglich machen. Es herrscht Südwind. Es ist Zeit, dass wir auf unsere Brüder und Schwestern im Süden hören. Kirche ist Mission entwickelt sich in 8 Themen:
Kapitel 1 „Die veränderte Welt“ zeigt auf, dass wir in einer veränderten Welt leben und dass diese Tatsache eine Veränderung der Missionstheorie einschließlich ihrer Praxis mit sich bringen muss, wenn evangelikale Christen in Zukunftrelevant sein wollen.
Kapitel 2 „Die radikale Anstiftung“ bietet einen geschichtlichen Abriss der neueren missionstheologischen Entwicklungen der weltweiten evangelikalen Bewegung. Er beginnt im Vorfeld des Weltmissionskongresses von Lausanne 1974 und zeigt anhand der auf Lausanne folgenden Missionskongresse, wie sich das evangelikale Missionsverständnis auf Transformation hin veränderte. Eine zentrale Rolle in dieser Veränderung spielten die so genannten „radikalen Evangelikalen“. Mit ihrer Forderung, Jesus radikal nachzufolgen und sein Leben als Modell der Mission zu begreifen, lösten sie einen Prozess mit nachhaltiger Wirkung aus.
Kapitel 3 „Die neue Perspektive“ deckt die hermeneutischen Vorüberlegungen einer auf Transformation ausgerichteten Missionspraxis auf. Insbesondere in der Zwei-Drittel-Welt setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Evangelium am besten in der Solidarität mit den Armen verstanden werden kann. Aus der Perspektive der Armen und Machtlosen begann eine zunehmende Zahl von evangelikalen Theologen, wichtige biblische Aussagen neu zu verstehen. Es geht ihnen nicht darum, die traditionellen christlichen Wahrheiten zu bekämpfen, sondern die historischen Erkenntnisse des Christentums durch neue Überlegungen zu bereichern, so dass sich der Glaube in einer globalen Welt behaupten kann.
Kapitel 4 „Die Vision der Wiederherstellung“ gibt einen heilsgeschichtlichen Überblick über die missionarische Intention der Bibel. Dieses Kapitel vermittelt sozusagen den theologischen Gesamtüberblick über das Buch. Es setzt beim Sündenfall an und beschreibt, wie Gott in den alttestamentlichen Bündnissen das Versprechen auf die Wiederherstellung aller Dinge gab. Es schließt mit einem Blick in die biblische Zukunftserwartung, mit der angezeigt wird, dass Gott die gesamte Welt erneuern und zum Heil führen will.
Kapitel 5 „Das Licht der Völker“ befasst sich mit der Bedeutung Israels für die Mission. Es geht davon aus, dass Israel als Licht der Völker ein Modell dafür ist, was Gott mit der ganzen Welt im Sinn hat. Der Exodus und das Jubeljahr werden auf ihre missionstheologische Bedeutung hin untersucht. Dabei wird deutlich, dass Gott nicht nur an der Veränderung des einzelnen Menschen interessiert ist, sondern auch an der Transformation der Institutionen und Strukturen, welche das soziale Leben der Menschen prägen. Aus dieser Betrachtung umfassenden Heils, das Gott in Israel zu wirken bereit war, ergibt sich eine starke Motivation für ganzheitliche Mission.
Kapitel 6 „Das gegenwärtige Reich“ ordnet das Missionsgeschehen in eine biblische Reich-Gottes-Theologie ein. Es zeigt auf, dass mit dem Kommen von Jesus das im Alten Testament versprochene Reich gegenwärtig ist. Mission bedeutet im Grunde genommen nichts anderes als die Ausdehnung des Reiches Gottes zu den Völkern. Somit ist die Mission von zentraler heilsgeschichtlicher Bedeutung und der eigentliche Sinn der Zeit zwischen der Menschwerdung Jesu und seiner Wiederkunft. Das Verhältnis der Kirche zum Reich Gottes wird untersucht und es wird argumentiert, dass die Kirche nicht nur die Aufgabe hat, das Heil zu verkündigen, sondern es durch ihre Gemeinschaft auch verkörpern soll.
Kapitel 7 „Der Mensch Jesus“ erfasst das Gesamtwerk Jesu in seiner Bedeutung für die Mission. Es beschreibt Jesus als Gekreuzigten, Mensch, Lehrer und Prophet. In diesem Kapitel wird deutlich, dass der Tod und die Auferstehung von Jesus zentral für eine biblische Missionstheologie sein müssen. Die Missionsbegründung vom Kreuz her wird jedoch erweitert und das gesamte Leben von Jesus missiologisch gedeutet. Jesus kam, um ein Leben zu leben, das profunde Auswirkungen auf die Nachfolge des einzelnen Christen und die Mission der Kirche hat.
Kapitel 8 „Das ganze Evangelium“ ist eine abschließende theologische Standortbestimmung, welche die Relevanz der vorliegenden Ausführungen zusammenfasst.
Die Kapitel 2 und 3 sind eine vereinfachte Version von Teilen meiner Dissertation. Die Kapitel 4–8 enthalten Themen, die in der Dissertation am Rande oder gar nicht behandelt werden.
Dank
Mein herzlicher Dank gilt dem Institut für Gemeindebau und Weltmission, an dem ich als Dozent unterrichte. IGW leistet mit einer innovativen Perspektive einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer gegenwartsrelevanten Theologie. Fritz Peyer bin ich dankbar für das in mich gesetzte Vertrauen als Dozent und Autor. Mathias Burri und David Neufeld danke ich für die unkomplizierte Zusammenarbeit in der Verwirklichung des Projekts. David Gysel hat als Lektor wertvolle Korrekturen angebracht. Die Stiftung Bildung & Forschung, Zürich, die Schweizerische Missions-Gemeinschaft und die Vision Schweiz, Inlandmission der FEG Schweiz, haben mit ihren Druckkostenzuschüssen die Herausgabe mit ermöglicht. Der Freien Evangelischen Gemeinde Kloten, die mich im Sommer 2008 für einige Wochen freistellte, um am Manuskript zu arbeiten, danke ich herzlich für ihre Großzügigkeit. Und meine Frau Elisabeth hat mir geholfen, die letzten Korrekturen anzubringen, damit das Manuskript rechtzeitig fertig wurde.
Roland Hardmeier
Kloten, im Januar 2009