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2.3Das Verlusttrauma als prolongiertes Monotrauma

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In der Psychotraumatologie unterscheiden wir verschiedene Arten von Traumatisierungen. Dies hilft uns, die verschiedenen Traumata mit ihrer unterschiedlichen Dynamik zu verstehen:

Monotraumata: Ein Monotrauma wird durch eine einmalige, zeitlich begrenzte traumatische Erfahrung wie das einmalige Miterleben eines Überfalls oder eines eigenen nicht tödlichen Autounfalls verursacht.

Sequenzielle Traumata oder Komplextraumatisierung: Hier findet über einen längeren Zeitraum eine wiederholte, fortgesetzte Traumatisierung statt, z. B. die wiederholte körperliche Gewalt des alkoholkranken Vaters gegenüber seinen Kindern oder die Folter in einer mehrjährigen Gefangenschaft.

Ein traumatischer Verlust ist in aller Regel zunächst als Monotrauma zu verstehen, weil der eintretende Tod des nahen Menschen ein singuläres, einmaliges Ereignis darstellt. Allerdings endet damit die Traumatisierung nicht, vielmehr wiederholt sich der traumatische Verlust in der immer wieder erlebten Abwesenheit des Verstorbenen. Letztere wird zwar meist nicht mehr so intensiv erlebt wie das Todesereignis selbst, aber sie stellt aufgrund der eingetretenen Vulnerabilität der Hinterbliebenen eine wiederholte Traumatisierung dar. Dazu kommen sekundäre Verluste, etwa die Distanzierung von bisherigen Freunden oder der Verlust der Vollständigkeit der Familie, die wiederum den Verlust aktualisieren und die Verlusterfahrung verlängern. Damit kommen wir zu einer dritten Kategorie, die zwischen dem einfachen Monotrauma und einem sequenziellen Trauma liegt:

Verlusttrauma als prolongiertes Monotrauma: Ein Verlusttrauma ist zunächst meist ein einmaliges, auf einen begrenzten Zeitraum bezogenes traumatisierendes Ereignis; insofern können wir von einem Monotrauma sprechen. Allerdings werden dieses Ereignis und die damit verbundenen Traumareaktionen über längere Zeit, meist bis zu 18 Monate nach dem Ereignis, durch die allmähliche Realisierung der Abwesenheit des nahen Menschen und den einsetzenden Verlustschmerz wiederholt. Deshalb sprechen wir von einem prolongierten Trauma. Auch als Bindungstrauma geht das Verlusttrauma auf die einmalige Erfahrung des Verlassenwerdens zurück, wobei das Verlassensein andauert. Deshalb können wir auch von einem prolongierten Monotrauma des Bindungssystems reden.

Merke!

Ein Verlusttrauma ist als prolongiertes Monotrauma zu verstehen, weil das wiederholte Erleben der realen äußeren Abwesenheit des Verstorbenen den traumatisierenden Verlust erneuert.

Wir müssen also bei einem Verlusttrauma von einem verlängerten Monotrauma sprechen, das sowohl gegenüber dem Monotrauma (wie dem Erleben eines eigenen Autounfalles) als auch gegenüber dem komplexen Trauma (wie beispielsweise bei über längere Zeit zugefügter Folter) eine eigene Dynamik hat.

Traumatische Verluste

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