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2.5 Interventionen: Die Diagnostik der akuten Traumareaktionen

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In diesem Schritt, der meist im zweiten Gespräch stattfindet, greifen wir nun die von den Betroffenen berichteten traumatisierenden Erfahrungen in der Verlustsituation und die dabei entstandenen peritraumatischen Reaktionen auf oder thematisieren sie von unserer Seite aus.

Benennen oder Erfragen der Traumareaktionen: Ausgehend von unserem Wissen über die Abläufe des Sterbens und Todes des nahen Menschen, können wir auf verschiedene peritraumatische Erfahrungen wie das Numbing oder die Derealisierung zurückschließen und diese dann entsprechend erfragen oder von uns aus direkt, aber einfühlsam benennen.

Anerkennen der Traumareaktionen: Wir bestätigen die beschriebenen Traumareaktionen als zu einem Verlusttrauma gehörig und validieren sie damit. Wir beschreiben sie als Reaktionen, die versuchen, mit dem Schrecklichen umzugehen.

Normalisieren der Traumareaktionen: Die Traumareaktionen werden in dem Sinne normalisiert, dass ein traumatisierender Tod eines nahen Menschen auch bei anderen Menschen dieselben Reaktionen ausgelöst und bewirkt hätte. Sie werden als allgemein menschliche Reaktionen beschrieben, die wir mit allen Menschen teilen.

Angemessenheit der Reaktion würdigen: Die Traumareaktionen werden als angemessene Reaktion auf das, was mit dem Verstorbenen (!) und mit den Hinterbliebenen geschehen ist, gewürdigt. Sie sind Ausdruck des Schrecklichen und Unbegreiflichen, das dem nahen Menschen und damit den Hinterbliebenen widerfahren ist.

Erklären der Traumareaktionen: Wir beschreiben die Traumareaktionen als unwillkürliche Reaktion des Organismus, die deshalb auch nicht willentlich steuerbar oder kontrollierbar sind. Wir erklären knapp und auf einfache Weise die Reaktionen des Kampf- und Fluchtsystems und des Bindungssystems.

Würdigen der Traumareaktionen als Schutz: Wir beschreiben die Traumareaktionen, insbesondere die Dissoziationen, das Freezing und das Numbing, als Schutzmaßnahme des Organismus: Erstens schützen sie vor der schrecklichen Realität des Verlustes, zweitens dämpfen sie den Verlustschmerz und die intensive Trauer. Dabei sucht der Verlustschmerz über intensive Attacken immer wieder Wege, sich zu zeigen und zu äußern.

Wir benennen auch die Nebenwirkungen des Schutzes, so z. B., dass die Betäubung auch die innere Nähe und die Liebesgefühle zum Verstorbenen dämpfen oder verhindern können.

Wahrnehmen, Annehmen und Geltenlassen der Traumareaktionen: Wir laden die Hinterbliebenen ein, die Traumareaktionen immer wieder genau wahrzunehmen und sie in einem Trauma-Trauer-Tagebuch auch schriftlich zu beschreiben und festzuhalten. Wir bitten die Hinterbliebenen, nicht gegen die Traumareaktionen zu kämpfen, sondern sie anzunehmen, mit ihnen zu gehen und sie damit gelten zu lassen.

Öffnen der Traumareaktionen für Veränderung und Transformation: Wir achten darauf, dass wir die Traumareaktionen und -folgen nicht festschreiben, sondern sie als veränderbar und sich selbst verändernd beschreiben. Die Traumareaktionen werden allmählich zurückgehen und sich lösen, sodass die Betroffenen sich wieder frei und wieder mehr sich selbst fühlen werden. Allerdings werden dann auch – entgegen den Erwartungen der Betroffenen und der sozialen Umwelt – der Verlustschmerz und die Trauer intensiver.

Vorbereitung auf die nächsten Prozesse: Wir bereiten die Hinterbliebenen vorsichtig darauf vor, dass der Verlustschmerz und die Trauer zunächst intensiver und schmerzlicher werden. Wir benennen beide nun intensiver werdenden Gefühle als Ausdruck der schmerzenden Liebe zum Verstorbenen. Wir stellen auch in Aussicht, dass mit der Trauer, die abfließen wird, zugleich auch die Liebes- und Beziehungsgefühle und damit die innere Beziehung zum Verstorbenen klarer und stärker werden.

Traumatische Verluste

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