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„Und sie glauben wirklich, dass jene Demonstranten Urheber dieses Flugblatts sind?“, fragte der Kriminalpsychologe den Polizeirat.

„Sicher“, erläuterte dieser, „Sehen Sie, die Demonstranten lassen sich in drei grobe Gruppen einteilen: Da haben wir zuerst einmal linke Chaoten, weiters die unverbesserlichen Alt68er und als dritte noch eine Handvoll Internetfreaks, die den Haufen staatsfeindlicher Elemente koordinieren. Und nun passen Sie genau auf: Der Inhalt wurde eindeutig von Linksaktivisten verfasst – da ist das Bekenntnis zu immerwährender Neutralität, die kritische Haltung zum Ausverkauf verstaatlichter Betriebe, der Vorwurf an die Regierung, asoziale Steuerpolitik zu machen – alle Stichwörter sind da, sogar ihr Feindbild Nummer eins, das Kindergeld für alle... Jede Parole, die meine Exekutivbeamten bei den wöchentlichen Straßenschlachten zu hören kriegen, ist hier schriftlich festgehalten.

Meine Beamten haben mittlerweile hunderte dieser Zettel sicher gestellt, unter anderem einen vor der Parteizentrale der Kommunisten und einen vor der Zentrale der JUSO. Und sehen sie, zum Schluss: Zwerg frei! – doch wohl eindeutig in Anlehnung an das „Berg frei!“ diverser sozialistischer Bergsteiger. Schlagende Beweise, wie ich denke. Aber jetzt kommt das wichtigste: Wir werden wallfahren... WWW!

Na, was sagen Sie?“

„Hm“, brummte der Psychologe.

„Was hm, was heißt hm?!“, - hatte der Polizeirat vorher noch gestrahlt wie ein Heiligenschein, so war ihm nun sein überlegenes Lächeln mit dem spöttischen Zug um den Mund gelinde gesagt eingeschlafen.

Der Kriminalpsychologe bemühte sich, die Scharte auszuwetzen – „Ihre Beweisführung ist natürlich bestechend“, gab er zu, „Doch was ist da mit dem: UDSSR von morgen? – So etwas schreibt kein Linksaktivist, denke ich, ansonsten...“

„Mein lieber Freund, erstens hat es in der Sowjetunion, heutige GUS, einen politischen Wechsel gegeben, falls Ihnen das entgangen ist, und zweitens könnte sich ja irgendein linker Grünaktivist in die Flugblattredaktion verirrt haben, von dem wiederum könnte man auch bei Ihrer Auslegung des Satzes UDSSR von morgen solche Aussagen erwarten, nicht wahr?“

Der Unterausschuss der in Windeseile gebildeten Untersuchungskommission der Flugblatttäteraffäre kam also zusammen mit der Kriminalpsychologischen Abteilung einhellig – wie es hieß – zu dem Schluss, dass der Linksterror in Österreich nach wie vor lebt, auch nach Ebergassing (so zumindest titulierte eine kleinformatige Tageszeitung).

Schon am Montag liefen die ersten Fahndungen und Hausdurchsuchungen. EKIS hatte einige Namen Verdächtiger ausgeworfen. Doch konnte man keiner dieser habhaft werden. Am Gründonnerstag gaben sich die Geheimpolizisten in den durchsuchten Wohnungen die Klinke in die Hand. Die Vögel aber blieben ausgeflogen.

Bis zum Karsamstag wurden die Beamten immer nervöser. Noch hatte man keine konkreten Ergebnisse. Viele hielten die Flugblattaffäre für eine Farce und die Aufregung der hohen Politik für übertrieben. Doch gerade diese Aufregung in jenen Kreisen forderte zwingend Ergebnisse.

Der Kanzler selber bezeichnete zwar die Geschichte in einer Besprechung als aufgeblasene Hysterie, doch konnte und vielleicht wollte man nun nicht mehr zurück.

Und auf den Karsamstag folgte der Ostersonntag.


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