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Wie erwartet war die Geschichte ein gefundenes Fressen für die Presse. Die Tageszeitungen am Dienstag hatten lückenlos als Aufhänger einen Artikel über die österlichen Ereignisse in St. Pölten.

„Ohne Rauch geht’s nicht“, nahm ein Journalist beispielsweise den Werbetext eines Fruchtsaftherstellers auf, oder „Der Heilige Geist?“, „Der Geist aus dem Schiffchen“, „Bischof auf Abwegen“, „Vom Pater zum Guru“, „Begeisterte Massen“ und ähnliches konnte man lesen.

Eine Wochenzeitung zeigte den Bischof mit einer Rauchwolke statt dem Heiligenschein, freudenstrahlend empor blicken und bitten: „Oh Herr, lass den Ministrant mit seinem Weihrau(s)ch nochmals an mir vorübergehen...“

Doch offensichtlich saß am Sonntag nicht jeder am Abend im Fernsehsessel und hörte gespannt die Abendnachrichten...

Denn noch am Ostermontag erschien in der Salzburger Kirchenzeitung ein Artikel über jene Messe, bei der der Heilige Geist förmlich auf die Gläubigen übergesprungen wäre und auch eine andere kirchentreue Zeitung konnte nur Positives berichten.

Zwar versuchte man noch, den Schaden zu begrenzen und legte die Zeitungen nicht wie üblich in der Kirche zum Verkauf auf, doch es war zu spät. Die Zeitungen der Abonnenten waren bereits in aller Früh ausgeliefert worden. Und wie immer in solchen Fällen hatten die Kollegen von der freien Presse schon Wind davon, da war der Druck gerade erst gesetzt.

Infolge entbrannte am Mittwoch eine hitzige, mediale Diskussion, inwieweit der Bischof überhaupt durch den Weihrauch beeinträchtigt oder sollte man schreiben inspiriert war und ob nicht tiefe Religiosität über derartige Rauschmittel erhaben sei...

Die einen sagten, es wäre noch gar nicht erwiesen, dass wirklich Marihuana in dem Weihrauchschiffchen war – nur weil irgend so ein, wortwörtlich: dahergelaufener Provinzgendarm dergleichen behauptete, das mochte noch nicht viel heißen, wahrscheinlich hätte er angesichts verkohlter Petersilienblätter das gleiche behauptet.

Andere – bezahlte Subjekte, wie später vermutet wurde – hatten aber ganz deutlich gehört: als der Bischof die Hostien an die Gläubigen verteilte, hatte er dies mehrmals mit den Worten: D‘‘Leib Schüssel getan.

Mutmaßungen, die folgten, würden hier zu weit führen, schließlich war ja selbst das Corpus Delikti noch nicht völlig geklärt.

Bald jedenfalls gab es mehr Leserbriefeschreiber als Zeitungsleser im Land. Ein jeder Maier und Bauer fühlte sich bemüßigt, seine Meinung kundzutun.

Ein Ingenieur aus Wiener Neustadt wusste, was für ein netter und selbstloser Mensch der Herr Hochwürden normalerweise sei und dass nur ein besonders niederträchtiger und antiösterreichischer Geist zu einem derartigen Anschlag fähig sei.

Ein Forstarbeiter aus Tirol gab wiederum der schlechten Gesundheit des Knaben Schuld an dessen Ohnmacht, Flachländer würden sich ungesund und beinahe vegetarisch ernähren, was erwiesenermaßen einer normalen Entwicklung gar nicht förderlich wäre.

Kirchenräte schrieben, dass Marihuana keine Fernwirkung zeige. Höchstens der bedauernswerte Ministrant wäre – sollten sich wirklich Drogen in dem Rauchschiff befunden haben – in Mitleidenschaft gezogen worden, doch niemals der Bischof.

Besorgte Mütter verloren sich in abstrusen Mutmaßungen.

Im ORF liefen in den folgenden Tagen Sondersendungen, Berichte von Mönchen aus abgeschiedenen Klöstern, die nicht einmal noch von Marihuana gehört hatten, aber auch ein Bericht von einem Benediktinerpater, der im 18.Jhdt in Marakesh im Drogenrausch eine Prostituierte geküsst hatte und sich tags darauf vor Scham das Leben nahm.

In Wien wurde durch einen Schweigemarsch einer neugegründeten Kirchenplattform die halbe Innenstadt lahm gelegt.


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