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PRÄZISION, DETAILS, NAHAUFNAHMEN

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Beim Snooker kommt es auf Kleinigkeiten an, winzige Bewegungen können allergrößte Auswirkungen haben. Wird der Spielball mit der Queuespitze nur Milimeter-Bruchteile vom idealen Punkt entfernt getroffen, geht der Stoß meilenweit daneben, Kugeln zittern sich ins Loch oder bleiben prekär am Taschenabgrund stehen, ein Kreidestrich entscheidet über Locherfolg oder Kick, die leichteste Berührung der Bälle mit der Weste gilt als Kleiderfoul.

Nach außen wirkt alles beherrscht, doch innen brodelt es. Die Spieler gestikulieren nicht wild herum, sondern sitzen, wenn der Gegner am Tisch ist, mit Pokerface oder angespannter Miene auf ihren Stühlen. Die Kamera sucht nach Indizien der mentalen Befindlichkeit, fängt jedes Augenbrauenzucken ein, jedes Abwenden des Blicks vom Spielgeschehen, jedes Schweißabtupfen.

Und auch die Akustik fügt sich in dieses Szenario der Konzentration ein: kein Gejohle der Zuschauer wie zum Beispiel beim Darts – nur anerkennendes Klatschen (oder ein gelegentliches „Come on, Ronnie!“ von der hartgesottenen O’Sullivan-Fangemeinde). Handyklingeln oder unkontrolliertes Husten können mit einem Saalverweis bestraft werden (auch wenn World Snooker als Veranstalter mit Hausrecht nur in Extremfällen zu derart drastischen Maßnahmen greift; man will das zahlende Publikum schließlich nicht vergraulen).

Apropos Husten. „Haben die alle Bronchitis?“, wurde ich schon mal von TV-Zuschauern gefragt; so viel scheint bei Snookermatches gehustet zu werden. Aber bei einem Sport, wo sonst alles mucksmäuschenstill ist, fällt eben jedes Nebengeräusch als störend auf. Hinzu kommt: Es ist in der Regel warm in der Arena und die Luft sehr trocken. Und dann tritt das bekannte Phänomen ein. Man sitzt da und sagt sich: „Ich darf nicht husten, ich darf nicht husten.“ Garantiert müssen Sie dann husten. Mein Tipp, wenn Sie einmal ein Snookerturnier besuchen: Versuchen Sie nicht, den Hustenreiz mit Gewalt zu unterdrücken, das geht garantiert schief. Stecken Sie lieber ein Hustenbonbon ein oder nehmen Sie etwas Wasser mit. Ich erinnere mich an ein Match, bei dem Dennis Taylor gerade im Break war, als ein Zuschauer einen fürchterlichen und hartnäckigen Hustenanfall bekam. Der arme Mann konnte gar nicht mehr aufhören. Dennis hörte sich das eine ganze Weile an, legte dann in aller Seelenruhe sein Queue auf den Tisch, ging zu seinem Platz, schnappte sich das dort stehende Glas Wasser und kletterte auf die Tribüne, um es dem Zuschauer zu reichen. Der trank dann tatsächlich vor laufenden Kameras ein paar Schlucke, allerdings mit hochrotem Kopf. Der Husten war danach jedenfalls weg.

Auch wir Kommentatoren müssen aufpassen, nicht zum Störfaktor zu werden, wenn das Publikum vor Ort unseren Kommentar über die kleinen Ohrradios verfolgt. Mir selber ist es in Berlin schon passiert, dass ich zur unpassenden Zeit einen Witz losließ und das Publikum mitten im Stoß lachte. Es war nur der abgedunkelten Scheibe in der Kommentatorenkabine zu verdanken, dass niemand gesehen hat, wie ich vor Scham puterrot anlief. Seitdem bin ich extrem vorsichtig und lasse den einen oder anderen Kalauer in einem laufenden Break lieber mal stecken. Apropos Kabine: Eigentlich sollte sie ja „soundproof“ sein, also schalldicht. War sie damals bei mir in Berlin aber nicht. Ich kommentierte also wie gewohnt leidenschaftlich, bis Schiedsrichter Jan Verhaas zwischen zwei Frames zu mir in die Kabine kam und mir sagte, dass man am Tisch jedes Wort von mir hören könne. Für den Rest des German Masters habe ich dann beinahe geflüstert und mich fast so angehört wie die britische Kommentatoren-Legende Ted Lowe. Lowes Spitzname war „Whispering Ted“, weil zu Beginn der TV-Übertragungen die Kommentatoren noch keine schalldichten Kabinen hatten, sondern mit auf der Tribüne saßen. Da musste Ted naturgemäß seine Stimme dämpfen, um das Spiel nicht zu stören, und entwickelte deshalb einen markanten Flüsterton mit sehr rauer Stimme.

Aber nicht nur Geräusche, auch allerkleinste Bewegungen im Publikum können einen Spieler aus dem Konzept bringen, wenn er sie aus dem Augenwinkel wahrnimmt. Das wird zum Beispiel im Tempodrom in Berlin oft zum Problem, wo man in den unteren Reihen sehr nah an den Außentischen sitzt. Wenn dann jemand ständig an seinem Handy herumfummelt, irritiert das. Bewegungen in der Sichtachse der Spieler sind deshalb ein absolutes No-Go.

Dass Snooker ein Drama der kleinen Gesten ist, beweist auch ein von der britischen Presse gleich zum „Shouldergate“ hochstilisierter Vorfall bei der WM 2018, als Ali Carter und sein Kontrahent Ronnie O’Sullivan sich leicht mit der Schulter anrempelten, als O’Sullivan auf dem Weg zu seinem Platz und Carter gerade auf dem Weg zum Tisch war; das daraufhin entflammende Wortgefecht unterbrach Schiedsrichter Paul Collier natürlich umgehend. Beim Snooker, diesem leisen, höflichen Sport, wird eben schon ein kleiner Rempler zum großen Aufreger.

Die faszinierende Welt des Snooker

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