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4. Wirksamkeit typischer Klauseln

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Gemäß § 305c Abs. 1 BGB werden solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den jeweiligen Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Diskutiert wird dies im Bereich der sozialen Medien insbesondere im Hinblick auf solche Klauseln, mit denen sich die Social Media-Anbieter weitreichende urheberrechtliche Nutzungsrechte einräumen lassen.[15] Nach der sog. Zweckübertragungslehre im Sinne von § 31 Abs. 5 UrhG überträgt der Urheber im Zweifel keine weiterreichenden Rechte, als der Zweck des zugrundeliegenden Vertrages es erfordert.[16] Weil der Anbieter einer Social Media-Plattform für seine Zwecke regelmäßig nur das Recht zur Vervielfältigung der Nutzerinhalte (§ 16 UrhG), zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) sowie das Bearbeitungsrecht (§ 23 UrhG) benötigt, wird teilweise angenommen, dass der Nutzer mit einer darüber hinausgehenden Rechteeinräumungsklausel nicht rechnen müsse.[17] Dagegen kann indessen angeführt werden, dass einer Klausel, die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird, ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen muss.[18] Angesichts der medialen Beachtung von Social Media und der damit verbundenen öffentlichen Debatte, die auch die Nutzungsbedingungen sozialer Medien umfasst, kann ein derartiges Überraschungsmoment nicht in jedem Fall umfassender urheberrechtlicher Nutzungsrechtseinräumungen automatisch bejaht werden. Vielmehr bedarf es der genauen Prüfung jeder Klausel unter besonderer Berücksichtigung von Art und Umfang der Rechteeinräumung.[19]

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Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB angenommen wird, kann die über den konkreten Vertragszweck hinausgehende Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 31 Abs. 5 UrhG darstellen. Dementsprechend wird in der Zweckübertragungslehre, die den Urheber möglichst umfassend an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes beteiligen will, teilweise ein gesetzliches Leitbild gesehen, dessen Nichtberücksichtigung im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer sozialer Medien darstellt.[20] Hiervon abweichend sieht der Bundesgerichtshof (BGH) die Zweckübertragungslehre lediglich als Ausdruck einer teleologischen Auslegungsregel ohne Leitbildcharakter.[21] Hieran dürfte die auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 31 Abs. 5 UrhG gestützte Unwirksamkeit einer urheberrechtlichen Rechteeinräumungsklausel nach höchstrichterlicher Rechtsprechung letztlich scheitern.[22]

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Allerdings kann sich die unangemessene Benachteiligung einer allzu umfangreichen Rechteeinräumungsklausel aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben. Der Nutzer ist danach unangemessen benachteiligt, sofern die betreffende Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist.[23] An der erforderlichen Transparenz fehlt es, sofern der Nutzer durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Social Media-Anbieters pauschal zur Einräumung von Nutzungsrechten verpflichtet wird, ohne dass die zu übertragenden Rechte im Einzelnen aufgeschlüsselt werden.[24] Aus dem Rechtsgedanken der Zweckübertragungslehre folgt, dass für den Nutzer stets erkennbar sein muss, welche konkreten Nutzungsarten dem Vertragspartner eingeräumt werden sollen (sog. Spezifizierungslast).[25]

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Eine unangemessene Benachteiligung der Social Media-Nutzer kann sich weiterhin aus einer AGB-Klausel ergeben, die eine freie Weiterübertragung (§ 34 Abs. 1 UrhG) und Unterlizenzierung (§ 35 Abs. 1 UrhG) urheberrechtlicher Nutzungsrechte unabhängig von der Zustimmung des Urhebers zugunsten des Anbieters statuiert. Anders als im Falle der Zweckübertragungslehre besteht hier insoweit Einigkeit, als dem Zustimmungserfordernis gesetzlicher Leitbildcharakter zukommt. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist daher anzunehmen, sofern die Nutzungsbedingungen eines Social Media-Anbieters die Weiterübertragung und/oder Unterlizenzierung von Nutzungsrechten ohne Zustimmung des Urhebers vorsehen.[26]

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Neben urheberrechtlichen Übertragungsklauseln ist auch die Einhaltung datenschutzrechtlicher Einwilligungserfordernisse der AGB-Kontrolle unterworfen. Ist eine Einwilligung erforderlich,[27] muss sich aus den einschlägigen AGB-Klauseln eindeutig ergeben, zu welchem Zweck und in welchem Umfang personenbezogene Daten genutzt werden sollen.[28] So muss der Nutzer etwa darauf hingewiesen werden, dass die Verwendung seiner Daten für personalisierte Werbeeinblendungen beabsichtigt ist.[29]

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Rechtliche Probleme können sich ferner aus der Änderung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ergeben. Hierzu bedarf es eines Änderungsvertrages, dessen Inhalt gemäß § 305 Abs. 2 BGB in die bisherige Vereinbarung einbezogen werden muss. Ein solcher Vertrag ist jedoch nicht erforderlich, wenn sich der Social Media-Anbieter von vornherein das Recht zur einseitigen Änderung der Bedingungen vorbehalten hat. Mediale Aufmerksamkeit hat in diesem Zusammenhang das soziale Netzwerk Facebook erlangt, welches Ende Januar 2015 bedeutende Änderungen an seinen AGB[30] – insbesondere seiner Datenrichtlinie – vornahm. Danach können etwa Standortdaten der Nutzer verwendet werden, um eine noch individuellere Anpassung von Werbeanzeigen an Interessen, Vorlieben und Gewohnheiten des Einzelnen zu ermöglichen. Dem gleichen Ziel soll die Sammlung von Daten dienen, die der Nutzer im Rahmen von Drittwebseiten oder Apps hinterlässt. Darüber hinaus sehen die neuen Bedingungen vor, dass Informationen der Nutzer innerhalb des Unternehmens – und somit gerade auch zwischen Facebook und WhatsApp – ausgetauscht werden können.[31] Fraglich ist allerdings, ob die geänderten AGB überhaupt zulässig sind. Zwar verfügt Facebook im Rahmen seiner Nutzungsbedingungen über eine Änderungsklausel (Ziff. 13). Wirksam ist der Vorbehalt vertraglicher Änderungen allerdings nur, soweit er sachlich gerechtfertigt und derart transparent ist, dass die Nutzer bereits bei Vertragsschluss vorhersehen können, unter welchen Umständen sie mit einer teilweisen Neuregelung oder Ergänzung zu rechnen haben.[32] Diesen Anforderungen genügt die Klausel von Facebook gerade nicht. Weder nach der alten noch nach der neuen, ab dem 30.1.2015 geltenden Fassung werden Anlass und Umfang etwaiger Änderungen auch nur annähernd konkretisiert. Vielmehr wird den Nutzern lediglich die Möglichkeit eröffnet, die betreffenden Änderungen zu kommentieren und mit der weiteren Nutzung von Facebook ihre Zustimmung zu den geänderten Bestimmungen zu erklären. Demnach steht es im Belieben des Social Media-Anbieters, die Rechte und Pflichten des Vertrages einseitig zu modifizieren.[33] Sofern dies nicht ausschließlich zu Gunsten der Nutzer, sondern – wie im Falle von Facebook – vor allem zur Ermöglichung einer noch weitreichenderen Datensammlung erfolgt, ist dies rechtswidrig und damit unwirksam. Ungeachtet dessen sind mit Blick auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Dienste keine merklichen Auswirkungen zu erwarten. Die Herbeiführung eines rechtskonformen Zustandes wird folglich nur auf dem Klagewege mithilfe von Verbraucherzentralen und –verbänden zu erreichen sein.

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