Читать книгу Stadt der Sünde - Romy G. - Страница 9
ОглавлениеKapitel 5
Samira hatte ja angekündigt, dass wir ein Stück laufen müssten. Wir verließen also die Bar und ich genoss die frische Nachtluft auf meiner Haut. Nach drei Drinks war mir schon ein wenig schummerig geworden. Ich war so viel Alkohol einfach nicht mehr gewohnt. Die Cocktails waren wirklich lecker gewesen und ich dachte so bei mir, dass ich die Bar bestimmt noch einmal besuchen würde, vielleicht auch mal ohne Samira. Aber gerne auch mit ihr.
Die blaue Zone war immer noch sehr ruhig. Nur vereinzelt waren Leute auf den Straßen. Als wir in die gelbe Zone wechselten – ich bemerkte das Schild mit dem gelben Kreis sofort – wurde es lebhafter. Die Gebäude hier sahen viel neuer aus und waren glänzend weiß gestrichen. Auch die Beleuchtung und die Reklame wirkten hier irgendwie bunter, lebhafter oder auch aufdringlicher –je nach Blickwinkel.
Als wir an einer U-Bahnstation vorbeikamen schaute ich mich um und sah auch gleich, wonach ich gesucht hatte. Das Rathaus konnte man von hier aus sehen. Zumindest die oberen Geschosse. Mein Blick blieb einen Moment daran hängen und meine Schritte wurden kurz langsamer. Samira bekam es nicht mit, aber Hendrik folgte meinen Blick und er sagte leise.
„Na, geht dir die Szene mit dem Bürgermeister nicht aus dem Kopf?“
Ich zuckte erschrocken zusammen. Ich hatte ihn für einen Augenblick tatsächlich vergessen, weil er nicht in meinem Blickfeld war und die ganze Zeit geschwiegen hatte.
Ich schüttelte heftig den Kopf. Vielleicht zu heftig.
„Nein, nein. Mir war nur aufgefallen, dass man von seinem Büro aus jede U-Bahnstation sehen konnte und da habe ich automatisch gerade das Rathaus gesucht.“
Er blickte mich zweifelnd an, aber ich wendete mich schon wieder von ihm ab, weil Samira aufgefallen war, dass wir zurücklagen und mich rief. Ich beeilte mich, zu ihr aufzuschließen und damit weiteren Fragen von Hendrik zu entkommen.
Dann waren wir auch schon da. Es gab keine Schlange vor dem Laden und wir kamen nach einem prüfenden und irgendwie missbilligenden Blick der Security hinein.
Oh ja, diese Disko war ganz anders als die in der blauen Zone. Es gab künstlerische erotische Bilder an den Wänden mit fluoreszierenden Farben. Dazu mehrere Tanzflächen, die mir Samira schon auf dem Weg beschrieben hatte. Unter anderem gab es einen Spiegelraum und ein Zimmer mit einem Käfig und einer Folterbank. Ich wusste nicht, ob das Requisiten waren oder auch eine Benutzung vorgesehen war. Jedenfalls konnte ich mir beides durchaus vorstellen. Die Leute hier waren noch freizügiger angezogen und zeigten mehr nackte Haut als Kleidung. Ich sah in vielen Ecken Paare oder sogar Dreier- und Vierergruppen, die sich küssten und intim berührten. Die ganze Luft war lustgeladen und ich hörte sogar Gestöhne, wenn die Musik mal eine Pause machte. Die Songs waren hier langsamer und sinnlicher. Ich erblickte einige Tänzer, sich aber eher wie in Trance auch oder erotisch bewegten. Hendrik pfiff anerkennend durch die Lippen. Er fügte hinzu, dass er den Schuppen noch gar nicht kannte, obwohl sein Restaurant nicht weit weg von hier war.
Samira zog mich fort von ihm auf die Tanzfläche. Sie wollte wohl an den Tanz aus der anderen Bar anknüpfen, aber irgendwie schaffte ich es nicht, mich auf sie zu konzentrieren. Zu interessant und intensiv waren die neuen Eindrücke. Nach dem Song zeigte ich ihr an, dass ich mir etwas zu trinken holen wolle und ließ sie enttäuscht auf der Tanzfläche zurück. Hendrik stand schon an der Bar und begrüßte mich lächelnd. Ich bestellte einen Gin Tonic und spülte die Hälfte davon in einem Zug hinunter. Der Alkohol machte sich bei mir wieder bemerkbar. Zwar hatte der Weg hierher mich wieder ganz klar im Kopf werden lassen, aber mein Alkoholspiegel war noch nicht wesentlich gesunken.
Neben mir an der Bar wurden zwischen zwei leicht bekleideten Damen heiße Küsse ausgetauscht. Mein Blick blieb an ihnen hängen. Die Hände der einen wanderten gerade unter das ohnehin schon kurze bauchfreie Top der anderen. Als sie bemerkte, dass ich zusah, lächelte sie mir zu und machte einfach ungehemmt weiter. Ich kam gar nicht dazu den Blick zu senken oder mich bei der Beobachtung ertappt zu fühlen.
Nach zwei Minuten gesellte sich ein Mann dazu und griff beiden gleichzeitig an den Arsch. Sie begrüßten ihn in ihrer Mitte und machten einfach zu dritt weiter.
Mir blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen, dann spürte ich an meinem Ohr heißen Atem.
„Na, macht dich das an, da zuzugucken?“
Ich drehte den Kopf ein wenig und bemerkte, dass Hendrik mich angrinste. Er war jetzt ganz nah bei mir und umfasste meine Hüften.
„Willst du mitmachen?“
Ich sah ihn überrascht an. Auf die Idee, mich da jetzt auch noch einfach dazuzugesellen, wäre ich nicht mal ansatzweise gekommen. Ich schüttelte den Kopf. Hendriks Hand wanderte mein Kleid hinab und dann wieder hinauf – unter dem Stoff.
Mir schoss es heiß in den Schoß. Mein Blick immer noch auf das Dreiergespann gerichtet und meine Sinne vom Alkohol benebelt, ließ ich ihn gewähren. Er kam nun an meinem Höschen an, seine Hand legte sich auf meinen Intimbereich ohne sich zu bewegen. Es kam mir vor, als würde sie glühen. Da er zwar nichts weiter machte, die Hand aber auch nicht wieder wegnahm, war ich gefangen in dieser Position und sah zu, wie sich die Frauen weiter gegenseitig erregten. Der Mann war eher passiv, berührte die Frauen nur flüchtig oder fasste sich selbst an. Er schien die Show der beiden zu genießen, genau wie ich. Ich spürte, wie mein Höschen langsam feucht wurde unter Hendriks Hand und er spürte es auch, denn ich hörte ein Lachen an meinem Ohr und dann knabberte er an meinem Ohrläppchen. Plötzlich schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf und ich konnte es nicht verhindern, dass ich an den Bürgermeister dachte. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen, stellte aber mit Überraschung fest, dass mich die Erinnerung an ihn nur noch mehr anspornte.
Ich schloss die Augen, als sich Hendriks Hand endlich doch bewegte und unter mein Höschen wanderte. Seine Finger waren warm und rieben zärtlich meinen Kitzler. Ich ließ mich treiben. Mein Atem wurde schneller und ich konzentrierte mich auf das süße Gefühl, das meine Schenkel hinunterkroch und meine Beine weich werden ließ.
Doch plötzlich spürte ich, wie Hände meine Brüste umfassten und sie kneteten. Ich riss die Augen auf. Vor mir stand der Mann, der sich eben noch bei den beiden Damen vergnügt hatte. Seine Hände waren jedoch grob und kneteten meinen empfindlichen Busen viel zu hart. Ich versuchte ihn abzuwehren, aber er ließ sich nicht beirren. Ich drehte mich hilfesuchend zu Hendrik, aber er schien nicht zu bemerken, dass ich diese neue Situation nicht guthieß. Das gefiel mir gar nicht und ich versuchte mich loszureißen. Aber die beiden waren einfach zu stark. Der Mann vor mir öffnete jetzt seine enge Hose und wollte augenscheinlich seinen Penis enthüllen. Da packte ihn jemand von hinten und riss ihn mit einer unglaublichen Kraft von mir weg. Hendrik war von der neuen Interaktion so perplex, dass ich mich endlich losreißen konnte und ihn dann wütend anschaute. Er sah tatsächlich sehr irritiert aus aufgrund meiner Wut. Ich drehte mich einfach um und ging zu meinem Retter, der gerade noch den Arm des anderen Mannes umschlossen hielt und ihn anbrüllte.
Umfrage 5: Wer war Lucas Retter? Das stand zur Auswahl:
1 Samira, die anscheinend nicht nur tanzen konnte, sondern auch Karate beherrschte.
2 Der Bürgermeister, der schon die Security rief und den Mann nach draußen schicken ließ.
3 Der Kerl von gestern in der Toilette, der ihn mit schierer Körperkraft auf den Boden legte, als der Kerl sich wehren wollte.
4 James, der mit seiner weißen Kleidung hier drin leuchtete wie ein Engel, ein wütender Engel.Kapitel 5 – Wie hättest du diesmal gewählt?
Es war der Bürgermeister! Er hatte schon die Security gerufen, die gerade anrückte und den Mann mit sich riss. Der schrie die ganze Zeit, dass er doch gar nichts gemacht hätte und man so nicht mit ihm umspringen könne. Von wegen freie Stadt.
Die Musik war mittlerweile aus und es hatte sich eine neugierige Traube um mich, Hendrik und den Bürgermeister gebildet, der dem Kerl noch einige Sekunden wütend nachsah. Ich war vor dem Bürgermeister stehengeblieben und wollte ihm gerade meinen Dank aussprechen wollte. Aber die Wörter wollten nicht aus meinem Mund kommen. Er drehte sich jetzt zu mir und sah mich nicht minder wütend an, als den Kerl, der gerade hinaus geschleift worden war.
„Was soll das? Was machst du hier?“
Seine Stimme war dunkel und die Worte kamen durch seine gepressten Lippen. Sein Blick war immer noch wütend, aber ich erkannte noch etwas anderes darin. Sorge?
Seine Worte hallten in meinem Kopf nach. Genau die beiden Fragen hätte ich auch gerne an ihn gerichtet. Doch ehe ich etwas antworten konnte, hatte sich Samira durch die Menge gekämpft und stellte sich zwischen uns. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich vor ihm beschützen oder einfach nur die Situation begreifen wollte.
„Was ist denn hier passiert? Wieso wurde der Kerl abgeführt?“
Sie sah den Bürgermeister an. Als er nicht antwortete und nur weiter wütend zu mir starrte, drehte sie sichum und schaute mich fragend an.
„Ähm …“
Ich sah die ganzen Augenpaare nun auf mich gerichtet und räusperte mich. Ich ging einen Schritt zu Samira und flüsterte ihr zu, ob wir das draußen klären könnten. Sie nickte, nahm mich und den Bürgermeister an die Hand und zerrte uns einfach nach draußen. Interessanterweise ließ der Bürgermeister das mit sich machen. Die ganze Situation war so grotesk: Wie dieser rote Wirbelwind uns einfach nach draußen zerrte, durch die Menschenmenge. Als wir am Ausgang waren, ging die Musik erneut los und die Leute zerstreuten sich. Dann spürte ich die kühle Abendluft wieder auf meiner Haut.
Als wir draußen waren, hatte sich der Bürgermeister wieder gefangen. Er riss sich kurz, schnell und sehr bestimmt los. Dann strich er seinen Ärmel glatt und rang anscheinend um Fassung.
Samira sah uns nur trotzig an.
„Also?“
Ich holte Luft.
„Naja, ich wurde von Hendrik ähm … intim berührt und als ein anderer Mann sich ungefragt dazu gesellte, war ich nicht sehr begeistert, zumal er mir auch wehtat. Ich wollte mich losreißen, aber irgendwie hatten mich die beiden sozusagen eingekesselt.“
Sie sah mich ernst an und nickte.
„Hast du das Codewort gesagt?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, dazu kam ich nicht, denn der Bürgermeister kam schon und riss ihn von mir fort. Und er hatte anscheinend schon die Security geholt.“
Meine Gedanken stolperten übereinander. Das musste er ja schon gemacht haben, bevor er den Kerl wegriss.
„Der Bürgermeister?“
Samira riss die Augen auf und sah Herrn Eichenschild erschrocken an.
„Höchstpersönlich.“ Der Bürgermeister lächelte kurz, wurde aber gleich wieder ernst.
Samira fing sich erstaunlich schnell wieder und sah ihn schräg an.
„Gut, Bürgermeister hin oder her, wieso wurde der Typ jetzt so unsanft hinausgeworfen, wenn sie gar nicht das Stoppwort benutzt hat?“
Der Bürgermeister wurde wieder wütend. Er wischte ihr Argument mit einer Geste beiseite.
„Der Typ wollte sich unerlaubt entblößen vor ihr. Das kann er meinetwegen in der roten oder grünen Zone machen, aber die gelbe Zone hat bestimmte freundlichere Regeln für Newbies. Ich weiß nicht, ob du die feinen Regelunterschiede zwischen den Zonen kennst.“
Er sah sie mit einer fragend hochgezogenen Augenbrauen an.
Samira starrte ihn weiterhin mit geneigtem Kopf an. Sie lieferten sich ein stummes Blickduell und ich hatte das Gefühl, dass ich völlig aus ihren Radius verschwunden war. Meine Gedanken wirbelten immer noch durcheinander. Selbst wenn das stimmte, was er da sagte … Als er die Security gerufen hatte, hatte der Typ noch gar nicht den Versuch gestartet sich zu entblößen. Und das Codewort hatte ich wirklich nicht gesagt. Ich hatte es schlichtweg vergessen. Es passte zeitlich alles nicht. Aber ich sprach es nicht aus. Ich wollte bei dieser Diskussion nicht auch noch Öl ins Feuer gießen.
Samira war derweil auf eine ganz andere interessante Frage gekommen.
„Und was machen Sie hier in der Disko? Gehen Sie öfter tanzen, Herr Bürgermeister, oder waren Sie heute rein zufällig hier?“
Er blieb ihr die Antwort schuldig und konterte:
„Und wieso – falls ich auch mal eine Frage stellen darf – geht ihr Blaulinge in einer gelben Zone tanzen? Reicht es euch nicht erst mal die blaue Zone zu erkunden und kennenzulernen? Müssen gleich am zweiten Tag Nervenkitzel und Mutproben sein?“
Sein Blick richtete sich jetzt wieder auf mich.
Ich fühlte mich an den Pranger gestellt, so als würde meine Mutter mich ausschimpfen. Wieder regte sich Trotz in mir. Doch ich schluckte ihn diesmal hinunter und zuckte nur mit den Schultern.
Samira sah mich und ihn immer noch abwechselnd sehr nachdenklich an. Der Bürgermeister räusperte sich und seine Stimme wurde weicher, fast schon liebevoll.
„Ich wäre euch sehr verbunden, wenn euer erster gemeinsamer Abend hier jetzt beendet wäre und ihr den Nachhauseweg antreten würdet. Ich denke, ihr habt genug erlebt heute. Gerne könnt ihr in zwei, drei Wochen wieder herkommen, wenn ihr noch ein paar Gespräche hinter euch habt und Luca vielleicht auch schon ihren ersten Job angetreten hat. Die Stadt rennt euch ja nicht weg und auch der Nervenkitzel nicht, oder?“
Mir fiel auf, dass er meinen Namen benutzte, obwohl ich ihm den niemals genannt hatte. Viel mehr nervte es mich aber, dass er mich tatsächlich bemutterte, obwohl ich ein erwachsener Mensch war. Natürlich hatten seine Worte als Bürgermeister noch mal ein ganz anderes Gewicht. Schließlich konnte er ja vielleicht entscheiden, ob ich in der Stadt bleiben durfte oder schon am zweiten Tag disqualifiziert wurde.
Ich nickte widerwillig. Samira sah mich verblüfft an. Anscheinend hatte ich sie schon wieder enttäuscht. Der Bürgermeister nickte auch und verabschiedete sich per Händedruck von uns beiden. Na, wenigstens hat er uns nicht noch zum U-Bahnhof begleitet oder uns mit der Security nach Hause geleitet. Beides hätte ich ihm durchaus zugetraut.
Samira und ich gingen schweigend nach Hause. Zu Fuß, denn ich hatte ja immer noch keine U-Bahn-Card. Sie verabschiedete sich mit einem Gruß von mir und ging dann weiter, als wir an meiner Haustür ankamen. Nicht mal eine Umarmung. Das hatte ich jetzt von Samira schon erwartet, aber der Abend lief wohl wirklich nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte.
Als ich im Bett lag, fiel mir ein, dass ich auch vergessen hatte, sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Ich seufzte. Da hatte ich die erste Frauenfreundschaft in der neuen Stadt wohl schon versaut. Nach meinem zweiten Tag. Ein persönlicher Rekord.
Mir kamen kurz die Tränen, doch ich schluckte sie hinunter. Diese Blöße wollte ich mir vor mir selbst nicht geben. Ich war nie eine Person gewesen, die sich in Selbstmitleid suhlte. Ich wollte immer kämpfen. Kämpfen für meine Träume– und mit dem Umzug in die Stadt war der erste Schritt getan. Von so einem Fehlschlag ließ ich mich nicht unterkriegen. Mit diesem Entschluss schlief ich nach dem sehr langen und aktionsreichen Tag ein.