Читать книгу 100 Prozent Triathlon - Roy Hinnen - Страница 13
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ОглавлениеLEISTUNGSSTEIGERUNG
Du coachst einen Freund von mir, den du mit einem unkonventionellen Trainingsaufbau zu seiner PB von Sub 8:20 h gebracht hast. Ich habe alles mitgemacht und musste jedes Mal den Kopf schütteln, wenn er mir den neuen Plan von dir gezeigt hat, denn ich habe auch Leistungsdiagnostik studiert. Dennoch hat das, was du mit ihm gemacht hast, mega funktioniert – aber wieso?
Drei Dinge musst du verstehen: Der Wirkungsgrad eines Athleten beträgt etwa 25 %, die restlichen 75 % ist er „nur“ Mensch. Das heißt, wir haben ¼ Athlet und ¾ Mensch. Als Coach solltest du zunächst den 75 % Anteil gut verstehen, um die richtigen Kraftsätze im richtigen Moment zu sprechen. Dann treibt die Motivation den Athleten von selbst. Ich muss nicht wie ein schlechter Fußballtrainer meine Athleten vom Rand aus anschreien. Was soll das auch? Es sind alles kräftige, gesunde und motivierte Sportler.
Die leistungsdiagnostischen Fakten meiner Athleten vom letzten Jahr sind für mich nicht relevant. Was soll mir das sagen? Denn ich weiß ja nicht genau, wie er das Ergebnis damals erreicht hat. Des Weiteren ist die Vorgehensweise, Grundlage, GA2, Schwellentraining, dann Wettkampf, schon lange überholt. Ich nehme an, dass du das so gelernt hast? Wenn du 24/7 Zeit hast, mag das sicher noch sehr gut sein, aber so viel Zeit hatte dein Freund nicht. Doch dein Freund kam ja genau aus dieser Ecke, mit zu vielen, sich immer wieder wiederholenden langweiligen Trainings. Er war demotiviert und suchte bei mir neue Reize, die habe ich ihm gegeben.
Zunächst sind wir wochenlang harte Sets gefahren und haben seinen Körper mit Laktat überschüttet. Kraft und Speed waren damit schnell wieder da, die Freude auch – und das war das Wichtigste in diesem Moment. Danach kam die Phase, in der ich ihm Geduld beibringen musste. Wir sind zurück und haben einen Block von niedrigen GA1-Einheiten auf dem Rad eingelegt. Du erinnerst dich vielleicht, wie du fast über den Lenker gefallen bist, weil ihr so langsam geschlichen seid? All diese Fahrten haben wir immer mit einem sauharten 1,4 km All-out-Lauf kombiniert, um sein VO2max zu pushen. Dann kam eine Phase, in der wir viele mittlere GA2-Intervalle auf dem Bike gefahren sind. Diese haben wir in Kombination mit dem Set „Intensiven Kraftausdauer 1“ aus meiner BikeFormel und niedrigen FatMax-Läufen abgerundet. Danach kam eine Koppelphase: fast nur Wettkampf-Pace auf dem Rad, von 90 bis 120 Kilometern, gefolgt von schnellen 14-km-Läufen – und jeden zweiten Tag frei.
Danach eine Phase, in der wir nochmals richtig geballert haben: 2x pro Woche Kraftausdauer im Flachen mit extrem niedrigen Kadenzen und aufrechter Körperhaltung – auch bei Hitze mit Regenjacke – dazu ein paar gute VO2max-Sets und beim Laufen niedriges GA2. Dann, in der letzten Phase, ist er alle 3 Wochen eine „MAD“-Einheit gefahren, also 200 Kilometer richtig hart. In jede Steigung mit 400 Watt rein und so lange halten, wie es ging! Das haben wir mit Low-Carb-Fahrten kombiniert und beim Laufen nochmals ein paar Überdistanz-Läufe bis 35 km. Dann der Wettkampf.
Wenn es leistungsphysiologisch einen roten Faden gibt, dann diesen, dass wir immer dann, wenn die VLamax sank, uns wieder in die Gegenbewegung gearbeitet und damit versucht haben, sie zu erhöhen. Was ja eigentlich Selbstmord ist, denn wir wissen alle, dass sie am Wettkampf unbedingt niedrig sein soll… Wieso habe ich das gemacht? Weil man den Köper ständig in Bewegung halten muss! Es ist absolut falsch, wenn man mal gute VLamax-Werte hat, sich dann daran zu klammern, während der Trainer versucht, diese mit dem gleichen Training noch zu senken. Nein, er sollte den Mut haben, das Erreichte ein wenig zu verlassen, um dann später auf die VLamax senkenden Einheiten zurückzukommen. Einen neuen Reiz aus der Motivation eines Athleten heraus zu trainieren, auch wenn er dem Körper sozusagen das falsche physiologische Signal sendet, ist zu 100 % besser, als das gleiche stupide Training zu lange zu wiederholen, nur weil es die VLamax gesenkt hat. Der Körper wird dadurch stumpf. Ich wünschte mir, dazu gäbe es Studien: Stumpfe Sportler – wie definiert sich das auf der Ebene der Kraftzellen eines Athleten?