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7. Generalprobe

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Auf diesen Zwischenfall folgen noch zwei weitere Begegnungen. Auch die laufen ähnlich ab. Langsam gewöhnen sich Sam und Vilca an die Routine. Sam vermutet, dass die Ordnungskräfte die Lage doch nicht so unter Kontrolle haben, wie es bei ihrem ersten Besuch in Kellinghusen den Anschein hatte. Zumindest nicht in dieser Gegend. In den Städten mag es anders aussehen. Er fragt sich, wie es wohl Urs, Aya und Paul gerade geht.

Tatsächlich sind seine Freunde längst wohlbehalten und ohne Zwischenfälle in Elmshorn angekommen. Die Kleinstadt ist genauso bewacht wie das Dorf, das sie vor ein paar Tagen besucht hatten. Das Problem Aufenthaltsgenehmigung war mit einer Flasche Wein pro Wachposten schnell aus der Welt geschafft. Sie brechen soeben die zweite Flasche Schnaps an.

Ihnen gegenüber sitzen ein ehemaliger Bankangestellter, eine ehemalige Versicherungssachbearbeiterin und ein ehemaliger Busfahrer. Bis vor Kurzem waren alle drei vollbeschäftigte Erntehelfer. Im Moment sind sie vollbeschäftigte Brennholzsammler.

Das einzig wirklich Neue, was sie von den dreien erfahren, ist, dass jeder verpflichtet ist, alles an Elektronik, was er besitzt, abzugeben. Egal, ob es funktioniert oder nicht.

Sam und Vilca hingegen bekommen keine Gelegenheit, mit der Bevölkerung zu reden als sie in Itzehoe ankommen. Der Wachtposten lässt sich zuerst bestechen und übergibt sie dann der Polizei. Wenigstens werden sie nicht gleich eingesperrt, sondern erst einmal vernommen. Die beiden Beamten, die das Verhör führen, praktizieren die klassische Arbeitsteilung. Einer stellt die Fragen und der andere tippt akribisch die Antworten in das Protokoll. Dafür benutzt er eine wahrhaft antiquierte Schreibmaschine, die gänzlich ohne Strom auskommt. Sie wollen praktisch alles wissen, was Sam und Vilca von Geburt an gemacht haben. Nachdem sie die beiden eine Weile mit ausweichenden oder halbwahren Antworten bedienten, verliert Vilca schließlich die Geduld und unterbricht den Fragesteller mitten im Satz.

»Wir sind auf dem Weg hierher drei Mal überfallen worden. Wir möchten Anzeige erstatten.«

Der Dicke mit der Halbglatze und der randlosen Brille hebt den Kopf und runzelt die Stirn.

»So, Sie möchten Anzeige erstatten. Sie verwechseln hier etwas. Gegen Sie liegt eine Anzeige vor. Landfriedensbruch. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit.«

»Landfriedensbruch? Das ist doch Unsinn.«, empört sich Vilca. »Der letzte Überfall war keine fünfzehn Minuten von hier. Gehen Sie doch mal raus aus der Stadt Richtung Hitzhusen. Dort finden sie echte Landfriedensbrecher.«

Der Dicke starrt eine Weile in die Luft und erhebt sich dann.

»Sie warten hier, bis ich wieder zurück bin.«

Es dauert fast eine Viertelstunde, bis er wieder zurückkommt. Wortlos setzt er sich an seinen Platz.

»Wir fahren fort mit dem Protokoll für die Anzeige wegen Landfriedensbruchs.«

Sein Kollege runzelt die Stirn, sagt aber nichts. Sam beugt sich vor und ballt die Hand zur Faust, sodass die Knöchel weiß hervortreten.

»Wir haben bereits alles gesagt, was es zu sagen gibt.«

Der Dicke mustert Sam ausdruckslos.

»Wie Sie meinen. Der Form halber mache ich Sie darauf aufmerksam, dass die Verweigerung der Aussage zu Ihrem Nachteil sein kann.«

Nachdem das Paar beharrlich schweigt, gibt der Beamte schließlich nach.

»Hr. Schwerte, vermerken Sie im Protokoll, dass die Beschuldigten die Aussage verweigern.«

So gern die Polizeibeamten die Daten für den angeblichen Landfriedensbruch aufgenommen hatten, so widerwillig nehmen sie die Anzeige auf. Während Vilca die Überfälle schildert, bemerkt Sam, dass der vorher noch so eifrig tippende Beamte weder die Schreibmaschine benutzt noch sonst irgendwelche Notizen macht.

Kurz bevor Vilca mit ihrer Schilderung am Ende ist, öffnet sich die Tür und ein schlanker, großgewachsener Polizist betritt den Raum. Seine Rangabzeichen weisen ihn als Polizeidirektor aus. Ihm folgt eine Person, die Sam und Vilca schon einmal gesehen haben.

»Isabella, sind das die beiden?«, fragt der Oberboss seine Begleiterin. Er hat eine hohe Stimme, die nicht so recht zu seiner Körpergröße passen will.

»Ja, das ist das Paar.«, bestätigt die Frau. »Sie haben uns überfallen und ausgeraubt. Gleich bei der kleinen Anhöhe in Breitenberg haben sie uns im Gebüsch aufgelauert.«

Sam reißt die Augen auf und Vilca sinkt die Kinnlade herab. Sie sehen erst Isabella an und dann sich. Ihnen ist klar, was hier gespielt wird. Sie brauchen keine weiteren Erklärungen. Ohne Zweifel steckt die Polizei mit den Banden in der Umgebung der Stadt unter einer Decke.

Sam zwinkert seiner Freundin zu und dann greifen sie blitzschnell an. Innerhalb von wenigen Sekunden liegen die drei Staatsbediensteten und die Räuberhauptfrau bewusstlos auf dem Boden. Jetzt wo sie vor ihm liegt, fragt sich Sam, wie er sie je für einen Mann halten konnte.

Das Ganze lief so rasch ab, dass die vier Polizisten aus dem Nebenraum ihren Kollegen nicht mehr helfen können. So schnell sie den Raum stürmen, so schnell werden sie zwangsweise schlafen gelegt. Keiner von ihnen ist flink genug, seine Waffe zu ziehen.

Sam späht auf den Gang hinaus, findet ihn aber verlassen vor.

»Bis jetzt scheint noch kein Alarm ausgelöst worden zu sein.«

»Das ist doch die Höhe! », flüstert Vilca empört. »Die sind ja durch und durch korrupt.«

»Und wie!«, stimmt Sam ihr zu. »Ich bin überzeugt, die ganze Show dient einzig und allein dem Zweck, Reisende um deren Lebensmittel und alles andere, was von Wert für die Menschen hier sein könnte, zu bringen. Am besten wir verschwinden so schnell wie möglich aus der Stadt.«

Er geht zur Garderobe, wirft Vilca ihren Mantel zu und greift sich seinen.

»Es wird Zeit, unsere Gadgets unter realistischen Einsatzbedingungen zu testen. Mal sehen, ob sich die Mühe gelohnt hat.«

Die beiden schwingen ihre Mäntel um sich und ziehen die Kapuzen hoch. Kurz darauf sind sie kaum mehr zu sehen.

»Achte darauf, immer so nah wie möglich an einer Wand zu bleiben.«, mahnt Sam. »Wände sehen in der Regel aus jeder Richtung ziemlich gleich aus. Das erhöht unsere Chancen nicht gesehen zu werden.«

Vilca kichert trotz der angespannten Situation. Sam hebt eine Augenbraue. Sie zuckt mit den Schultern. Er schüttelt den Kopf und setzt sich in Bewegung. In Windeseile erreichen sie das Ende des Korridors. Dort befindet sich der Raum, in dem die Polizisten ihre Wanderstäbe und Rucksäcke deponiert haben. Die Tür ist verschlossen, aber mit den Nanobots ist es kein Problem, sie geräuschlos zu öffnen. Während Sam auf dem Gang Wache hält, holt Vilca ihre Ausrüstung aus dem Zimmer. Dann machen sie sich auf den Weg Richtung Ausgang. Als sie mitten auf dem Gang sind, hören sie jemanden die Treppe hochkommen.

»Mist!«, brummt Sam. »Das ist genau die Treppe, die zum Ausgang führt. Gerade jetzt kommt jemand.«

Vilca sieht sich um. »Hier!«, flüstert sie. »Wir stellen uns vor die Tür, da haben wir seitlichen Sichtschutz durch den Türrahmen.«

Es funktioniert. Die Polizeibeamtin geht nicht einmal einen halben Meter entfernt an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken. Die beiden wollen gerade weitergehen, als sie Schritte von der anderen Seite hören. Diesmal ist es ein Polizeibeamter. Der Zufall will es, dass er genau in den Raum will, vor dessen Tür Sam und Vilca stehen. Sein Pech! Er erhält einen gezielten Schlag aus dem Nichts gegen die Schläfe. Sam fängt ihn auf und lässt ihn geräuschlos zu Boden gleiten.

Inzwischen ist Vilca bereits Richtung Treppe unterwegs. Sam stellt fest, dass sie selbst in Bewegung kaum zu sehen ist. Nur weil er weiß, in welche Richtung Vilca geht, kann er an den Schlieren und Verzerrungen vor ihm erkennen, wo sie gerade ist.

Sie kommen zwar unbemerkt die Treppe hinunter, müssen aber feststellen, dass der Ausgang bewacht ist. Neben der Tür ist ein Empfangsraum, der, soweit sie das sehen können, mit vier Polizisten besetzt ist. Da die Tür geschlossen ist, gibt es keine Möglichkeit, unbemerkt nach draußen zu kommen.

»Was machen wir jetzt?«, flüstert Vilca. »Warten, bis jemand rausgeht oder einfach rausstürmen?«

Sam überlegt nicht lange.

»Lass uns so schnell wie möglich abhauen. Mit den Tarnmänteln können sie uns kaum sehen. Bis sie reagieren, sind wir zumindest draußen. Wenn sie erst die bewusstlosen Polizisten entdecken und Alarm schlagen, riegeln sie bestimmt alles ab.«

Es klappt. Draußen stehen zwei Wachposten, die sich wundern, dass plötzlich die Tür aufgeht, obwohl niemand zu sehen ist. Bevor sie sich von ihrer Überraschung erholen und reagieren können, kommen sie in den Genuss eines nachhaltigen Abschiedsgrußes, von dem sie sicher noch ein paar Tage was haben werden. Vilca und Sam lassen die Polizisten hinter sich und rennen die Straße hinunter in Richtung Stadtausgang. Ihre Schritte hallen von den Häuserfassaden wider. Passanten drehen sich suchend um und versetzen sich gegenseitig mit verwunderten Blicken in Unruhe.

Evolution 5.0 - Selektion

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