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5.

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Der Kutscher fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Die lauernden Blicke der Piraten, die ihr Lager in seiner Nähe hatten, gingen ihm an die Nieren. Er fragte sich immer wieder, warum der Schotte gerade ihn zurückgelassen hatte, zumal er doch annehmen mußte, daß er, der Kutscher, der Wortführer der Ausgesetzten war.

Es machte ihn krank, nicht zu wissen, was los war. Immer wieder hatte er über die Kuhl gestarrt, um vielleicht einen der Zwillinge zu entdekken, aber bisher hatte sich keiner von ihnen an Deck blicken lassen.

Er war überzeugt, daß Hasard und Philip sich durchsetzen würden, aber die Frage war, ob die Piraten genügend Humor hatten, die Streiche der Zwillinge zu ertragen.

Zwei Piraten, die nur etwa fünf Yards von ihm entfernt am Fockmast lehnten, tuschelten auf französisch. Immer wieder warfen sie kurze Blicke zu dem Engländer hinüber.

Dem Kutscher wurde die ganze Sache zu bunt. Er hatte keine Lust, sich hier wie ein seltenes Tier anstarren zu lassen. Entschlossen erhob er sich. Er würde jetzt über die Kuhl gehen und den Verschlag aufsuchen, in dem die Zwillinge verschwunden waren. Schließlich konnte ihm niemand verwehren, seine Söhne zu besuchen, oder?

Die beiden Piraten am Fockmast traten einen Schritt vor, die Hände an den Messern, die sie in ihren Gürteln stecken hatten.

Der Kutscher zögerte einen Moment, ging dann aber weiter. Er wollte herausfinden, wie die Piraten sich verhielten, wenn er begann, sich auf dem Schiff umzusehen.

Er hatte geglaubt, daß die beiden Piraten ihm den Weg verstellen würden, aber sie blieben stehen und ließen ihn passieren.

In der Kuhl wurde hart gearbeitet. Die Trümmer, die die herabgekrachten Groß- und Großbramstenge verursacht hatten, waren inzwischen beseitigt. Ein paar Männer waren dabei, die gekappten Pardunen zu spleißen. An Steuerbord wurde gerade eine grob zusammengehauene Bramstenge an Bord gefiert.

Niemand von den Piraten schien den Kutscher zu beachten. Er warf einen kurzen Blick zurück aufs Vordeck. Auch dort waren die Ausbesserungsarbeiten voll im Gange. Eine neue Vorstenge war schon wieder montiert, und fünf Piraten befestigten eine neue Blinderah am Bugspriet.

Als der Kutscher sich umdrehte und seinen Weg unter das Vordeck fortsetzen wollte, stand er plötzlich im Schatten eines bulligen Mannes.

Er wurde ein wenig blaß, obwohl er den Kerl nicht zum erstenmal sah. Er war der muskelbepackte Glatzkopf, der ihnen entgegengetreten war, als der Schotte sie an Bord gebracht hatte. Die mit Pockennarben übersäte grünliche Haut im Gesicht und auf der Glatze des Mannes sah zum Fürchten aus.

Der Muskelprotz hielt eine verkürzte Pike in der rechten Hand und wies zum Vorschiff hinüber. Mit ruckartigen Bewegungen der Pike versuchte er, dem Kutscher zu erklären, daß er zurück an seinen Platz gehen solle.

Der Kutscher tat, als begriffe er nicht. Er grinste den Piraten an und wollte weitergehen.

Der Glatzkopf stieß ein paar französische Laute hervor. Sein grünlisches Gesicht färbte sich gelblichrot.

„Merci beaucoup“, sagte der Kutscher und ging an dem Muskelprotz vorbei.

Im nächsten Augenblick glaubte er, sein Rückgrat wäre von einer Axt in zwei Teile geschlagen worden. Mit einem dumpfen Schrei ging er zu Boden und fiel auf die Seite. Sein Blick war verschwommen. Wie durch einen Schleier sah er den Glatzkopf mit erhobener Pike über sich stehen und irgend etwas schreien, was er nicht verstand.

Der Kutscher wollte die Beine anziehen, um sich wieder zu erheben, aber er hatte das Gefühl, als sei er gelähmt. Die Schleier vor seinen Augen verschwanden nur langsam, dafür wurde der Schmerz in seinem Rücken immer schlimmer.

Der Glatzkopf schien verrückt vor Wut zu sein. Sein pockennarbiges Gesicht war jetzt knallrot angelaufen. Sein rechter Arm bewegte sich, und die Pike sauste auf den Kutscher zu, der die Augen verdrehte und wußte, daß er mit dem Leben abschließen mußte.

Er hörte durch das Rauschen in seinen Ohren, wie Holz auf Holz schlug. Einen Moment wartete er noch, aber als er keinen weiteren Schmerz spürte, öffnete er die Augen wieder und starrte nach oben.

Ein zweiter Schatten stand jetzt neben dem Muskelprotz. Der Kutscher erkannte den Riesen vom Quarterdeck, den der Schotte Le Requin genannt hatte. Der Bootsmann hielt einen Belegnagel in der linken Hand, mit dem er offensichtlich die Pike des Glatzkopfes aufgehalten hatte, als diese auf den am Boden liegenden Kutscher hinuntergesaust war.

Le Requin sagte ein paar scharfe Worte. Der Glatzkopf preßte die dünnen Lippen hart aufeinander und wandte sich ab. Es war ihm anzusehen, daß er vor Wut kochte, aber er wagte offensichtlich nicht, dem Riesen zu widersprechen.

Auf Befehl des Bootsmannes wurde der Kutscher von zwei Piraten auf die Beine gestellt.

Der Kutscher stöhnte. Es war ihm, als bohre ein Messer in seinem Rückgrat. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor den Augen. Die beiden Piraten führten ihn zum Schanzkleid, damit er sich daran festhalten konnte.

Er brauchte eine ganze Weile, bis er wieder tief Luft holen konnte, ohne vor Schmerzen umzukippen. Unter halbgesenkten Lidern sah er, wie der Glatzkopf einen anderen Piraten mit seiner Pike mißhandelte, weil er offensichtlich einen Befehl nicht schnell genug befolgt hatte. So ein Scheißkerl war das also. Er ließ seine Wut an Unschuldigen aus.

„Nimm dich vor ihm in acht“, sagte eine zischende Stimme neben ihm.

Der Kutscher wandte mühsam den Kopf. Der Riese vom Achterdeck war schon wieder verschwunden. Ein Mann mit einer Augenbinde und einem gestreiften Hemd, der zu seinen Füßen ein Tau aufschoß, hatte zu ihm gesprochen.

„Vor Le Requin?“ fragte der Kutscher gequält zurück.

„Quatsch“, erwiderte der andere leise. „Ich meineVert-de-gris. Der Glatzkopf wird dich töten, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Du hast ihn herausgefordert, und das hat bisher noch niemand überlebt.“

„Warum hat der Bootsmann ihn daran gehindert, mich totzuschlagen?“ fragte der Kutscher flüsternd.

Der Pirat mit der Augenklappe antwortete nicht. Er zuckte nur leicht mit den Schultern, erhob sich und ging davon. Wahrscheinlich hatte er Angst, daß der glatzköpfige Muskelprotz auch auf ihn ein Auge warf, wenn er sich zu lange in der Nähe des Engländers aufhielt.

Der Kutscher fand nur langsam wieder zu sich. Sein Kreuz schmerzte immer noch höllisch, und er bedauerte, daß er seine Salben nicht dabei hatte, mit denen er sonst die Prellungen seiner Kameraden behandelte.

Er wußte nicht, woran er war. Bedeutete das Einschreiten des Bootsmannes, daß er sich frei auf dem Schiff bewegen konnte? Oder hatte Le Requin nur einen Mord verhindern wollen?

Der Kutscher ahnte, daß irgend etwas hinter allem steckte. Auf diesem Schiff stimmte etwas nicht. Es schien, als belauere ein Teil der Mannschaft den anderen. Aber an wen sollte er sich halten? Der Schotte stand offensichtlich auf der Seite des Bootsmannes. Weshalb war dieser mit Matt Davies, Stenmark, Blakky und Batuti an Land gegangen und hatte ihn, den Kutscher, als einzigen an Bord zurückgelassen? War er etwa eine Geisel?

Er wußte, daß er hier an Deck keine Antwort auf seine Fragen erhalten würde. Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich zurück unter das Vordeck. Er wollte den Muskelprotz nicht noch mehr provozieren. Irgendwann würde sich schon eine Gelegenheit ergeben, mit einem der Zwillinge zu sprechen. Wahrscheinlich dann, wenn das Essen ausgeteilt wurde. Vielleicht kehrten die anderen auch inzwischen an Bord zurück. Sie würden dann schlauer sein als er. Er war überzeugt, daß der Schotte nur einen Weg gesucht hatte, ungestört mit seinen Kameraden zu sprechen.

Hoffentlich klärt sich alles auf, bevor der Glatzkopf mich zu Mus geschlagen hat, dachte der Kutscher, als er sich stöhnend auf sein Lager sinken ließ.

Hasard sah am gespannten Gesichtsausdruck Ratatouilles, daß der Augenblick der Entscheidung da war. Langsam nahm er die Holzkelle auf und tauchte sie in das Stew, das der verrunzelte Kerl in fünf großen Töpfen über dem offenen Feuer gekocht hatte.

Hasard hatte sich den Topf ausgesucht, den er vor dem Kochen blankgeputzt hatte. Er hoffte außerdem, daß er nicht ausgerechnet einen der Knochensplitter erwischte, die noch am Hammelfleisch gehangen hatten, als Ratatouille es in den schmuddeligen Kohl, der kurz vor der Verwesung gewesen war, geworfen hatte.

Mit Todesverachtung führte er eine volle Kelle an seine Lippen. Kein Muskel verzog sich in seinem Gesicht, als er vorsichtig den heißen Fraß probierte. Seine Augen weiteten sich, und als er die Kelle absetzte, trat ein Strahlen in seine Augen.

„Ich weiß gar nicht, was die Kerle haben“, sagte er im Brustton der Überzeugung. „Das Stew schmeckt verdammt gut. Ich wäre froh gewesen, wenn wir an Bord unseres alten Schiffes so etwas zu essen gekriegt hätten.“

Ratatouilles Gesicht blieb noch einen Moment skeptisch. Er konnte es anscheinend nicht fassen, daß es jemanden gab, der sein Essen mochte Besonders gut hatte es ihm auch nie geschmeckt, aber er hielt es auch nicht für so schlecht, wie die anderen immer behaupteten.

„Du nicht lügen?“ fragte der Zwerg zweifelnd.

Hasard schüttelte heftig den Kopf.

„Keine Spur“, sagte er und wandte sich an seinen Bruder. „Hier, Philip, probier du mal.“

Philip zögerte keinen Moment. Er nahm die Kelle entgegen, spitzte genießerisch die Lippen und schlürfte das etwas zu flüssige Stew.

„Hmm“, äußerte er sich, „das Stew ist hervorragend.“ Er holte sich mit den Zähnen ein Stück Hammelfleisch und kaute darauf. Dabei sah er Ratatouille aus treuherzigen Augen an. „Ich meine, wir sollten es noch zehn Minuten auf dem Feuer lassen, dann zergeht das Fleisch auf der Zunge.“

Der runzlige Zwerg strahlte. Seine letzten Zweifel waren verflogen. Er entwickelte eine hektische Betriebsamkeit. Sein Gesicht glühte vor Eifer, und jedesmal, wenn Hasard oder Philip ihm zur Hand gingen, murmelte er: „Merci.“

Hasard war mit sich zufrieden. Ihr erstes Ziel hatten sie erreicht. Von nun an war der kleine Koch sicher Wachs in ihren Händen. Außerdem war es mit dem Probieren gar nicht so schlimm gewesen. Das Stew war zwar kein Lekkerbissen, aber zum Ausspucken war es zu schade.

Als sie gemeinsam die Töpfe vom Feuer gehoben hatten, fragte Hasard: „Sollen wir es hinausbringen und die Mannschaft zusammenrufen?“

Ratatouille schüttelte erschrocken den Kopf.

„Nix“, sagte er hastig. „Wir stellen Töpfe vor Tür und warten hier, bis Männer fertig mit Essen.“

Der muß eine höllische Angst vor den Kerlen haben, dachte Hasard.

„Ich bringe es für dich raus“, sagte er. „Das Essen ist in Ordnung, und wer darüber meckert, soll sich selbst was kochen.“

Ratatouille leckte sich über die Lippen. Sein Oberkörper wand sich, und es sah für Hasard aus, als bewege sich sein Buckel.

„Sie werden schlagen dich und Bruder“, warf er ein.

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Hasard. „Los, Philip, faß mit an.“

Gemeinsam schafften Hasard und Philip den ersten Topf vor den Verschlag, den Ratatouille großspurig Kombüse nannte. Zwischen den Knechten mit den Scheibengatts und dem Großmast stand eine breite Bank. An den fettigen Kreisen darauf war zu erkennen, daß Ratatouille darauf seine Töpfe abstellte.

Der Koch streckte immer nur seinen vogelartigen Kopf durch die Brettertür, wenn Hasard und Philip einen Topf auf das Brett stellten, als hätte er Angst, ihm könne jeden Augenblick ein Belegnagel an den Kopf fliegen. Als alle fünf Töpfe auf dem Brett standen, streckte Ratatouille seine dünnen Arme aus seinem Verschlag hervor. In den Händen hielt er einen Triangel.

„Ihr lieber verschwinden“, sagte er mit väterlich besorgter Stimme.

Hasard und Philip schüttelten fest den Kopf.

„Mit dem Essen brauchen wir uns nicht zu verstecken“, sagte Hasard.

Der kleine Koch wartete noch einen Moment, dann schlug er entschlossen den Triangel. Der letzte Ton war noch nicht verklungen, als er die Brettertür zuknallte. Hasard hörte an dem schabenden Geräusch, daß er den Balken in die Halterung zog, damit ihm die wütenden Männer nicht die Bude einrannten. Wahrscheinlich versuchten sie es jeden Mittag von neuem.

„Halt die Ohren steif, Bruderherz“, flüsterte Hasard, und Philip nickte und schluckte, als die ersten Gestalten aus der Kuhl auftauchten. Sie hatten grimmige Gesichter, denn sie wußten was sie erwartete.

Der Glatzkopf mit der grünlichen Gesichtsfarbe führte die Männer an. Hasard wurde es wieder flau im Magen, als er den vergammelten Kopf vor sich sah. Der muskulöse, braungebrannte Oberkörper stand zu seinem Gesicht in krassem Gegensatz, war aber nicht weniger erschrekkend für die Zwillinge.

„Wo ist Ratatouille?“ fragte er mit seiner seltsam gequetschten Stimme.

Hasard wies mit dem Daumen über die Schulter und sagte: „Wir geben heute das Essen aus. Es gibt Stew.“

Der Glatzkopf blickte einen hageren Piraten an, der rechts neben ihm stand, und fragte ihn, was der Bengel gesagt hätte. Der Hagere übersetzte und starrte dann Hasard an.

„Der Schweinehund schickt also euch halben Portionen vor, damit wir uns an euch halten, wenn sein Fraß wieder mal nicht genießbar ist“, sagte er mit breitem irischen Akzent.

Hasard streckte seine Linke aus, nahm dem Hageren den Holzteller ab und begann, ihn mit dem Stew zu füllen. Der Geruch war noch schlimmer als der Geschmack, und Hasard dachte, daß die umgekehrte Reihenfolge wohl noch schlechter gewesen wäre. Er hoffte, daß die Kerle ein wenig versöhnt wurden, wenn das Ergebnis von Ratatouilles Kochkunst nicht ganz so mies ausgefallen war wie sonst.

Der Hagere kostete. Hasard sah, daß die Blicke der anderen wie gebannt an seinen Lippen hingen. Ihre Gesichter verzogen sich zu einem ungläubigen Staunen, als der Hagere das Stew nicht gleich wieder ausspuckte. Er schob ein Stück Hammelfleisch ein paarmal vorsichtig im Mund hin und her, begann dann zu kauen und schluckte es schließlich hinunter. Hasard sah es am Auf- und Abhüpfen seines hervortretenden Adamsapfels.

Ein Raunen ging durch die Piraten. Der Glatzkopf schob den Hageren zur Seite und stieß Hasard seinen Holzteller vor den Bauch, daß dieser nur mit Mühe ein Stöhnen unterdrücken konnte. Der Muskelprotz quetschte etwas hervor, was Hasard nicht verstand, und dieser knallte dem Grüngesicht eine Kelle Stew auf den Teller, daß ein Drittel davon über den Rand spritzte.

Der Glatzkopf schien auf gute Tischmanieren keinen Wert zu legen. Wahrscheinlich führten sich die Piraten sonst genauso auf, wie Hasard es eben getan hatte.

Noch warteten die anderen auf das Urteil des Muskelprotzes. Dieser verzog zwar etwas angewidert das Gesicht, spuckte das Stew aber ebenfalls nicht aus.

Ein begeistertes Brüllen stieg in den blaßblauen Mittagshimmel. Hasard und Philip waren plötzlich von den Piraten umringt und konnten kaum so schnell auffüllen, wie ihnen die Teller und Schüsseln entgegengehalten wurden.

Mann, muß Ratatü den Kerlen immer einen Fraß vorgesetzt haben, wenn sie sich schon mit Heißhunger auf dieses vergammelte Stew stürzen, dachte Hasard. Er blickte kurz zu seinem Bruder hinüber und kniff ein Auge zu.

Philip war die Erleichterung deutlich vom Gesicht abzulesen. Er begriff die Begeisterung der Mannschaft auch nicht. Als er einen Augenblick Zeit hatte, probierte er noch einmal, aber es schmeckte nicht besser als zuvor in der Kombüse. Allerdings war das Hammelfleisch tatsächlich etwas weicher als vorher.

Sie hörten das Knarren von Holz und drehten die Köpfe. Jean-Luc, der verwachsene Koch, schob sein verrunzeltes Gesicht durch den Türspalt. Wahrscheinlich wollte er mit eigenen Augen sehen, welches Wunder sich vor seinem Verschlag abspielte.

Der Glatzkopf, der an der Bretterwand des Verschlages gelehnt hatte, packte die Tür und riß sie mit einem Ruck auf.

Ratatouille, der sich an der Balkenhalterung festgehalten und nicht damit gerechnet hatte, wurde herausgeschleudert und stolperte bis zu dem Brett vor, auf dem die nun schon fast leeren Töpfe standen.

Gehetzt blickte sich der bucklige Zwerg um. Er begann wie am Spieß zu schreien, als der Glatzkopf ihn im Genick packte und ihn vom Boden abhob, als wiege er nicht mehr als eine Feder.

Auf dem Gesicht des Glatzkopfes breitete sich plötzlich ein Grinsen aus. Die Pockennarben darin schienen hin und her zu hüpfen. Er sagte etwas, und der Zwerg hörte abrupt zu zappeln auf. Langsam ließ der Glatzkopf ihn herunter und schlug ihm die Pranke auf den Buckel, daß er zu Boden ging.

Mühsam rappelte sich der Koch hoch und ging Sekunden später unter der schaufelartigen Hand eines anderen Piraten wieder in die Knie.

Philip war blaß geworden, aber Hasard zischte ihm zu: „Laß uns die Töpfe wegbringen. Sie werden Ratatü in ihrer Begeisterung schon nicht gleich umbringen.“

Sie schleppten die leeren Töpfe in die verdreckte Kombüse zurück und begannen sofort damit, sie zu säubern. Obwohl sie sich nicht sonderlich Mühe damit gaben, wurden sie doch sauberer, als sie es vor dem Kochen gewesen waren.

Der Lärm vor dem Verschlag wollte kein Ende nehmen, bis eine harte Stimme, an der Hasard den Riesen vom Quarterdeck erkannte, die Männer an die Arbeit zurückrief.

Wenig später taumelte der Zwerg herein. Sein Atem ging keuchend, sein runzliges Gesicht war schweißüberströmt und gerötet. Dennoch lag ein seliger Glanz in seinen kleinen dunklen Augen.

Als er den Mund öffnete und zahnlos grinste, sagte Hasard: „Siehst du, Jean-Luc, ich habe recht gehabt.“

„Du nix mehr sagen Jean-Luc zu mir“, erwiderte der Zwerg mit freudetrunkener Stimme. „Du jetzt zu mir sagen Ratatouille. Das sein Ehrenname für mich.“

Als Ratatouille sah, daß die Töpfe schon geputzt waren, kannte sein Wohlwollen den Zwillingen gegenüber keine Grenzen mehr. Er setzte sich vor die beiden Jungen hin und begann, ihnen seine Lebensgeschichte zu erzählen, die mit dem Martyrium auf der „L’Exécuteur“ ihr vorläufiges Ende gefunden und heute eine entscheidende Wende erfahren hatte.

Der bucklige Zwerg hatte sich laut seiner eigenen Aussagen an diesem Mittag zum erstenmal nach mehr als zehn Tagen wieder an die frische Luft gewagt, aus Furcht, von den anderen wegen seiner miserablen Kochkunst zu Tode geprügelt zu werden.

„Heute nachmittag und morgen früh ich werde Spaziergang über Schiff machen“, sagte er strahlend, „und niemand werden mich schlagen!“

Hasard und Philip hatten schweigend zugehört. Am Ende wußten sie, daß sie genau das erreicht hatten, was von ihnen geplant worden war. Sie hatten Glück gehabt, daß Ratatouille gerade heute einmal nicht so verheerend schlecht gekocht hatte wie sonst, und daß es morgen so blieb, dafür würde er, Hasard, sorgen.

Seewölfe Paket 12

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