Читать книгу Seewölfe Paket 12 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 43
8.
ОглавлениеEs zahlte sich jetzt aus, daß Hasard das ganze Tal sehr aufmerksam überblickt hatte, als sie auf dem Pfad nach unten gewandert waren. Er hatte sich einen Weg durch das Gebüsch und die weiten Grasflächen zurechtgelegt, die die Hänge bedeckten, und in diese Richtung führte er jetzt seine kleine Gruppe.
Es gab also noch diese andere Möglichkeit, zurück zu dem Plateau und dann zur Westbucht zu gelangen. Die Hänge waren an einer Stelle nicht so steil, daß man sie nicht erklimmen konnte. Hasard hastete geduckt dorthin, und trotz der zunehmenden Dunkelheit verlor er die Orientierung nicht.
Carberry und Shane waren dicht hinter ihm, und auch Dan hielt sich tapfer, trotz seines immer noch schmerzenden Beines.
Ihre Befreiungsaktion hatte besser funktioniert, als sie selbst zu glauben gewagt hatten. Sie hatten Erfolg gehabt. Doch das konnte Hasard nicht zu falschen Hoffnungen verleiten. Er hatte La Menthe noch schreien hören und jedes Wort verstanden: Der Kahlkopf trommelte einen Teil seiner Hausstreitmacht zusammen und nahm die Verfolgung auf. Es würde eine gnadenlose Hatz durch die Inselsavanne werden. Dabei war der „Herrscher von Martinique“ gleich zweifach im Vorteil. Er hatte Feuerwaffen, und er kannte sich vorzüglich aus, so daß er jede Möglichkeit der Abkürzung im Gelände nutzen konnte, um seinen entflohenen Gefangen den Weg zur „Isabella“ abzuschneiden.
Die Steigung nahm zu, und bald mußten die vier Männer sich auf alle viere niederlassen, um nicht auszurutschen. Gesträuch und hohes Uvagras deckten ihre Gestalten zu, und die fallenden Schatten der Nacht taten ein weiteres, doch unter sich vernahmen die Seewölfe jetzt die halblauten Rufe, mit denen sich die Verfolger untereinander verständigten.
„Hasard!“ zischte Big Old Shane. „Warum legen wir diesen Bastarden keinen Hinterhalt?“
„Das hat keinen Zweck“, gab der Seewolf zurück. „Sie würden uns ja doch zu früh bemerken und einfach ins Gebüsch feuern. Dann sind wir endgültig geliefert.“
„Aber wir können unsere Messer nach ihnen werfen“, raunte der Profos. „Glaubst du wirklich, ich würde diesen La Menthe oder diesen Duplessis verfehlen? Der Teufel soll mich holen, wenn ich’s täte.“
„Sie haben auch die Höllenflaschen“, flüsterte Hasard. „Es hat keinen Zweck, unsere einzige Chance ist die Flucht zur ‚Isabella‘.“
„Vielleicht haben Donegal und die anderen bei der Quelle die Schüsse gehört“, sagte Shane. „Es waren drei Schüsse, sie müssen also auf jeden Fall Unrat wittern, denn nur ein einziger hätte bedeutet, daß alles in Ordnung ist. Vermutlich haben auch Ben und die Kameraden auf der ‚Isabella‘ die Knallerei gehört – Mann, sie müssen doch was unternehmen!“
„Hoffen wir’s“, zischte der Seewolf. „Still jetzt, sonst verraten wir La Menthe noch, wo wir sind.“
Die Männer schwiegen und setzten den Aufstieg fort, so schnell sie konnten. Dan fiel jetzt doch etwas zurück, aber Carberry bemerkte es, drehte sich um und streckte die Hand nach ihm aus. Grinsend nahm Dan die Hilfe an. Mit dem Profos zankte er sich gern mal herum, aber in der Not hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.
Regis La Menthe hatte ungeduldig auf die drei Männer gewartet, die von dem Anwesen zu ihm und Duplessis heraufgestiegen waren, dann hatte er die kleine Gruppe ausschwärmen lassen und streifte jetzt mit ihr durch das Buschwerk.
Er konnte nicht wissen, wohin sich Hasard und seine drei Männer genau wenden würden, doch er konnte es sich in etwa ausrechnen, denn er nahm an, daß dem Seewolf die Beschaffenheit des Geländes nicht entgangen war. Ja, er war ein schlauer Hund, dieser Killigrew! Etwas schlauer noch, als La Menthe ihn eingeschätzt hatte, und genau das war der Fehler des Glatzkopfs gewesen. Er hatte es versäumt, die vier Gefangenen gleich auf dem Plateau zu fesseln. Hätte er es getan, hätten sie ihm einen derart üblen Streich nicht spielen können.
La Menthes Männer hatten die Anweisung, auf jede im Gebüsch auftauchende Gestalt sofort zu schießen, ganz gleich, ob es sich um die Männer der „Isabella“ oder um die entflohenen Senegalesen handelte.
Daß auch die zwei Sklaven die einmalige Gelegenheit zur Flucht ergriffen hatten, brachte La Menthes Wut zum Überschäumen. Er hatte immer damit gerechnet, daß der eine oder andere Schwarze eines Tages versuchen würde, sich gegen ihn aufzulehnen, und deshalb hatte er sie stets streng unter Bewachung gehalten. Doch jetzt, da es tatsächlich geschehen war, war er vor Zorn außer sich. Nur eine Strafe konnte es für die „dreckigen schwarzen Hunde“ geben, wie er sie nannte: den Tod.
Er schloß zu Duplessis auf und stieg mit ihm zusammen den Hang hoch.
„Wir kriegen sie“, sagte er schwer atmend. „Spätestens auf dem Plateau haben wir sie vor uns wie auf einem Präsentierteller. Dorthin flüchten sie, wohin sollten sie sonst laufen, ohne sich zu verirren?“
„Wir töten sie mit ihren eigenen Waffen“, sagte der bullige Mann.
„Ja, und vielleicht jage ich sie mit einer dieser Flaschenbomben in die Luft, die ich mir an den Gürtel gebunden habe. Hast du Feuerstein und Feuerstahl dabei, Duplessis?“
„Ja.“
„Sehr gut“, sagte der Glatzkopf. „Eine hübsche, laute Explosion hört sich gut an und wird auch die anderen Hurensöhne von Bord der Galeone anlocken. Sobald sie an Land sind, blasen wir auch ihnen das Lebenslicht aus.“
Seine Rechnung mußte aufgehen, nur in einem Punkt hatte er sich getäuscht: die anderen „Hurensöhne“ befanden sich bereits auf der Insel und schickten sich an, unter der Führung von Old O’Flynn und Ferris Tucker, dem rothaarigen Schiffszimmermann der „Isabella“, das Aussichtsplateau zu stürmen.
Old Donegal Daniel O’Flynn hatte ganz richtig gehandelt, wenn seine Entscheidung auch nicht mit den Befehlen des Seewolfes konform ging. Statt die Nacht abzuwarten, hatte er Matt Davies und Bob Grey zurück zur Ankerbucht der „Isabella“ geschickt, damit sie Ben Brighton und die anderen alarmierten und entsprechend unterrichteten.
Ben Brighton hatte daraufhin auch nicht zu handeln gezaudert. Er hatte Verstärkung an Land geschickt: Ferris Tucker. Bob, Matt, Batuti, den schwarzen Herkules aus Gambia, Stenmark und Jeff Bowie. Diese sechs waren im Trab zu Old O’Flynn, Luke, Sam und Bill geeilt, dann hatte sich der ganze zehnköpfige Trupp zu den Bergen nördlich der Bucht in Bewegung gesetzt.
An Bord der „Isabella“ befanden sich somit nur noch Ben Brighton, der Kutscher, Smoky, Blacky, Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy, Will Thorne und die Söhne des Seewolfs – acht Männer und zwei Jungen also, die aber doch immer noch eine zahlenmäßig ausreichende Crew abgaben für den Fall, daß die „Isabella“ auslaufen und in einen möglichen Kampf eingreifen mußte.
Was immer auf dem Plateau geschehen sein mochte, Ben hatte sowieso gefechtsklar machen lassen und beobachtete die Berge im Norden, von denen aus Old O’Flynn und Ferris Tucker ein Zeichen geben wollten, falls sie Unterstützung durch die Schiffsgeschütze brauchten.
Mit wem Hasard, Shane, Ed und Dan auf dem Plateau zusammengetroffen waren und was sich dort ereignet hatte, war für den zehnköpfigen Einsatztrupp immer noch ein Rätsel, als die Felsenplattform nun erreicht war. Sie blickten sich nach allen Seiten um, entdeckten aber keinen Menschen. Der Seewolf und die anderen Kameraden waren verschwunden.
„Verdammt und zugenäht“, sagte der alte O’Flynn. „Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Hölle, wenn es bloß nicht schon so dunkel wäre.“
„Sprich nicht so laut“, zischte der rothaarige Riese. „Es könnten Hekkenschützen in den Felsen sitzen.“
„Wenn, dann hätten sie schon längst auf uns gefeuert“, sagte der Alte knurrig. „Beim Henker, wo sollen wir jetzt nach unseren Männern suchen? Und warum gibt Hasard uns kein Zeichen?“
„Hier bin ich!“ ertönte plötzlich von rechts her ein schwacher Ruf, der ihre Köpfe herumrucken ließ. „Achtung, sie sind hinter uns her!“
„In Deckung!“ raunte Old O’Flynn seinen Begleitern zu. „Hinlegen, ehe sie uns einheizen!“ Er ging selbst als erster zu Boden, hielt angestrengt Ausschau in die Richtung, aus der die Stimme des Seewolfs ertönt war, und sagte: „Kannst du uns überhaupt sehen, Sir?“
„Ja, soweit alles in Ordnung, Donegal. Aber die Hunde sind uns dicht auf den Fersen.“
„Denen bereiten wir eine nette Begrüßung!“ stieß Ferris Tucker grimmig aus. „Was sind denn das für Bastarde und Höllenhunde, daß sie sich einbilden, sie könnten sich ernsthaft mit uns anlegen?“
Hasards Gestalt erschien in der Dunkelheit. Hinter ihm tauchten die Konturen von Carberry, Shane und Dan O’Flynn aus dem letzten verblassenden Schimmer der Dämmerung auf.
Hasard ließ sich neben Old O’Flynn und Ferris nieder und sagte: „Ein paar halbverrückte Franzosen, die die Insel unter ihrer Fuchtel haben. Wir dürfen sie aber nicht unterschätzen. Sie haben unsere Waffen und auch die vier Höllenflaschen.“
„Dreck!“ stieß Ferris hervor. „Wie die zu handhaben sind, haben sie bestimmt schon begriffen.“
„Damit ist zu rechnen“, meinte Carberry. „Was ist, Sir, bleiben wir hier liegen? Das ist ein schlechter Platz für einen Empfang dieser Hurensöhne, wir sollten uns lieber weiter unten in die Büsche schlagen.“
Hasard gab das Zeichen zum langsamen Rückzug. Die Männer schoben sich vorsichtig den Hang hinunter, vierzehn Gestalten, die jetzt keinen Laut mehr von sich gaben und nur auf das Erscheinen des Gegners warteten.
Hasard und Shane schlugen einen Bogen nach links, um das Plateau gegebenenfalls von Südwesten her mit Feuer bestreichen zu können. Ferris und der Profos hatten sich nach rechts gewandt. Alle anderen duckten sich jetzt in die Büsche am südlichen Hang.
Der Seewolf hatte den Radschloß-Drehling in den Händen. Shane hatte den Schnapphahn-Revolverstutzen, der ebenfalls zu den besten Waffen gehörte, die es an Bord der „Isabella“ gab. Ferris hatte beide Mehrschüsser mitgebracht, wie er es auch nicht versäumt hatte, noch einige seiner selbstgebauten Flaschenbomben mitzunehmen.
Stenmark brauchte ein bißchen zuviel Zeit, um sich in das Gesträuch zu legen, er war jedenfalls der letzte, der sich zu Boden sinken ließ und den Kopf einzog.
Genau diese Bewegung nahm Regis La Menthe, der in diesem Augenblick als erster der Verfolger am Rand des Plateaus erschien, noch wahr. Sofort brachte er die Muskete, die er sich von Duplessis hatte aushändigen lassen, in Anschlag und drückte auf die Gestalt des Schweden ab.
Der Mündungsblitz stach als gelber Schlitz in die Nacht. Stenmark warf sich platt auf den Bauch und fluchte, aber er konnte noch von Glück sprechen, denn die Kugel sirrte knapp über seinen Rücken weg und verlor sich irgendwo weiter abwärts in der Nacht.
Neben La Menthe erschienen Duplessis und die drei anderen Franzosen, aber ehe auch sie schießen konnten, eröffnete Hasard mit dem Drehling das Gegenfeuer. Carberry und Ferris Tucker ließen von der gegenüberliegenden Seite des Hanges her ihre Musketen sprechen, und dann griffen auch Old O’Flynn und die anderen ein.
Ein Stakkato von Schüssen hallte durch die Nacht, das Echo kehrte rollend von den Bergwänden zurück.
„Zurück!“ schrie La Menthe. „Wir sind in eine Falle gegangen! Zurück!“
Links neben ihm brach einer seiner Männer mit einem röchelnden Laut zusammen. Er kippte vornüber und rollte den Hang hinunter, zu Matt Davies und Batuti ins Gebüsch, die dem Leichnam auswichen.
La Menthe, Duplessis und die beiden anderen Franzosen zogen sich schleunigst hinter ein paar Felsenquader zurück. Zwei Pistolenschüsse knallten, aber die Kugeln gingen wirkungslos ins Dunkel.
„La Menthe!“ rief der Seewolf in die nun eintretende kurze Feuerpause. „Gib es auf, es hat keinen Zweck! Streich die Flagge! Wir wollen hier kein Massaker veranstalten! Wir gewähren dir freien Abzug, wenn du aufhörst, den wilden Mann zu spielen!“
„Zum Teufel mit dir, Killigrew, du Bastard!“ tönte es von den Felsblökken zurück. „Versuch doch, mich zu holen! Du wirst schon sehen, was du davon hast!“
„Daran ist mir nicht gelegen!“
„Willst du wieder kneifen?“
„Laß uns einen Waffenstillstand schließen! Das ist nur in deinem Interesse!“
Regis La Menthe gab keine Erwiderung. Er wandte sich hinter dem großen Stein, der ihm und Duplessis als Deckung diente, an seinen bulligen Stellvertreter und raunte ihm zu: „Zünde die Lunte dieser Flasche an, Duplessis. Wir setzen sie diesen Dreckskerlen genau zwischen die Beine, und du wirst staunen, was für eine Wirkung das hat.“
Er hielt ihm die eine Flaschenbombe hin, die er von seinem Gurt losgebunden hatte. Duplessis kramte schleunigst den Feuerstein und das Stückchen Stahl aus seiner Hosentasche und schlug sie mit geübter Bewegung aneinander.
Funken sprühten und sprangen auf die Lunte der Flasche über, doch beim ersten Versuch wollte es nicht gelingen, die Zündschnur in Brand zu setzen.
„La Menthe!“ schrie der Seewolf noch einmal.
„Verrecke“, zischte der Glatzkopf voll Haß. „Ich weiß jetzt, wo du dich versteckst, Bastard, und werde dich als ersten ins Jenseits befördern.“
Noch einmal hieb Duplessis Stein und Stahl gegeneinander, und diesmal hatte er Erfolg. Knisternd begann die Lunte zu glimmen.
La Menthe betrachtete mit einem eigenartigen Ausdruck der Faszination die glühende Zündschnur und versuchte auszurechnen, wie lange es dauern mochte, bis sich die Glut durch den Korken ins Innere der Flasche gefressen hatte. Und wie rasch ging dann die Pulverladung hoch?
Er gelangte zu dem Schluß, daß er die Flasche schleudern mußte, wenn die Lunte bis knapp über dem Korken abgebrannt war. Wie gebannt blickte er auf das knisternde, funkenverstreuende Ende und wog die Flasche in der Hand, als müsse er ihr Gewicht schätzen.
Schnell hatte sich die Zündschnur um gut ein Drittel ihrer Gesamtlänge verkürzt.
„Jetzt“, flüsterte La Menthe. „Jetzt ist es soweit.“
Hasard wollte seinen Appell an den Franzosen wiederholen, obwohl er ahnte, daß dies wenig Zweck haben würde. Er kam aber nicht mehr dazu, dem Gegner auch nur ein Wort zuzurufen. Plötzlich flog ein dunkler Gegenstand hinter den Quadern hoch, der von einem glimmenden roten Pünktchen begleitet wurde – und alle Männer der „Isabella“ wußten nur zu gut, was das zu bedeuten hatte.
„Weg!“ rief Hasard Big Old Shane zu. „Zur Seite – das gilt uns!“
Sie rollten sich seitlich ins struppige Buschwerk, der Seewolf nach links und der graubärtige Riese nach rechts. Sie hörten die Flasche dumpf zu Boden poltern, blieben liegen und deckten ihre Köpfe schützend mit den Händen ab.
Die Flasche kollerte noch ein Stück den Hang hinunter, dann flog sie mit einem ohrenbetäubenden Knall auseinander. Ein Feuerball stand für einen Augenblick wie eine Faust in der Nacht, zerfaserte dann in alle Himmelsrichtungen, verlor sich und wich einer weißlichen Wolke Pulverrauch, die über den Büschen schwebte.
Hasard und Shane waren unversehrt. Wütend legten sie mit dem Drehling und dem Stutzen an und sandten eine Salve zum Plateau hinauf. Old O’Flynn, Ferris, der Profos und die anderen feuerten ebenfalls – mit dem Ergebnis, daß einer der Franzosen, der allzu verwegen seinen Kopf hinter den Felsbrocken hervorgestreckt hatte, zusammenzuckte und mit einem Wehlaut zurücksank.
„Das wirst du mir büßen, Killigrew!“ brüllte La Menthe.
Hasard ging nicht mehr darauf ein, er wußte, daß es keinen Zweck hatte.
„Ferris!“ rief er. „Batuti!“
Ferris Tucker war längst mit seinen Höllenflaschen bereit, und Batuti hatte einige der pulvergefüllten Brandpfeile, die er im Köcher mitgebracht hatte, neben sich gelegt. Bill, der Moses, assistierte ihm und zündete den ersten ölgetränkten Lappen an der Spitze des einen Pfeiles mit dem ausgehöhlten Schaft an, während der Schiffszimmermann der „Isabella“ seinerseits die Lunte einer Höllenflasche zum Glimmen brachte. Er verstand sich besser darauf als La Menthe, schließlich war er der Erfinder dieser merkwürdigen, aber sehr wirkungsvollen Waffe.
Beide – Ferris und der Gambia-Mann – wußten, daß sie Hasards Zuruf als Befehl zu werten hatten, ihre Spezialwaffen einzusetzen. So wirbelte eine Höllenflasche durch die Dunkelheit und stach ein lodernder Pfeil himmelan, ehe La Menthe die zweite der vier erbeuteten Flaschen einsetzen konnte.
Ferris’ Flasche segelte zwischen die Quader und zerplatzte in einer dröhnenden Detonation, bevor sie auf dem harten Untergrund zerspringen konnte. Batutis Pfeil stach von oben nahezu senkrecht auf das Plateau und explodierte ebenfalls.
La Menthe brachte sich durch einen Satz zurück und rettete dadurch sein Leben. Duplessis hingegen verhielt sich weniger geistesgegenwärtig. Er hatte mit dem Feuerstein und dem Stahl unbedingt die Lunte der zweiten Höllenflasche zünden wollen. Derart vertieft war er in sein Werk gewesen, daß er zu keiner instinktiven Reaktion mehr gelangte.
Sein schwerer Körper wurde durch die Luft gewirbelt, als habe ihn eine unsichtbare Gigantenhand hochgehoben. Etwa fünf Yards weit flog Duplessis, dann krachte er zu Boden und blieb liegen.
Die beiden anderen Franzosen waren durch die Explosion des Pulverpfeils verletzt. Stöhnend erhoben sie sich aus ihrer Deckung. Sie dachten jetzt nicht mehr an Widerstand, sondern nur noch an Flucht, und trafen keine Anstalten mehr, auf die Seewölfe zu schießen.
Für Hasard und seine Männer boten sie ein recht deutliches Ziel in der Nacht, doch der Seewolf gab den Befehl, keinen Schuß auf sie abzugeben.
La Menthe starrte wie in Trance auf die Flaschenbombe in seiner Hand. Die Lunte brannte doch, Duplessis hatte es noch geschafft, sie zum Glühen zu bringen – das merkte der Glatzkopf erst jetzt. Entsetzt und verwirrt zugleich warf er sie fort, aber nicht weit genug, um seinen Feinden damit zuzusetzen.
Die Flasche fiel auf das Plateau, zerbrach jedoch nicht, denn sie war aus sehr starkem, dickwandigem Glas gefertigt. Sie rollte auf die beiden verletzten Franzosen zu, und ihre Lunte brannte weiter.
„He!“ schrie La Menthe. „Paßt auf! Lauft weg! Die Flasche!“
Blutüberströmt taumelten die Männer auf ihren Anführer zu. Sie waren hart angeschlagen und schienen kaum noch etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Der eine sank plötzlich auf die Knie. Der andere blieb unschlüssig stehen und gab einen röchelnden Laut von sich.
Die Flasche rollte dem ersten gegen das linke Knie, dann ging sie hoch.
Erschüttert verfolgten Hasard und seine Männer die Wirkung dieser vierten Explosion. Der Donnerhall verebbte. Sie richteten sich auf, um das Plateau zu stürmen und La Menthe, den einzigen Überlebenden, zu schnappen, doch jetzt konnten sie seine Schritte vernehmen, die davonhasteten.
La Menthe ergriff die Flucht. Er wollte zurück ins Tal laufen, sein Anwesen erreichen und sich dort, innerhalb der weißen Mauern, verbarrikadieren.
Hasard stürmte den Hang hinauf. Er wollte La Menthe, der das Leben seiner Gefährten so leichtfertig aufs Spiel gesetzt und seine Leute buchstäblich verheizt hatte, nicht so billig davonkommen lassen. Er wollte ihn um jeden Preis fassen.
Big Old Shane zielte mit dem Revolverstutzen in den Nachthimmel und gab drei Schüsse ab. Das war das Zeichen für Ben Brighton, daß er mit der „Isabella“ nicht ankerauf zu gehen und in den Kampf einzugreifen brauchte.
Ben hatte beim Dröhnen der ersten Flaschenbomben-Explosion den Anker lichten lassen, doch jetzt atmete er auf und rief Smoky, Blacky, Al Conroy und Will Thorne, die auf der Back am Gangspill standen, zu: „Fallen Anker, wir werden offenbar doch nicht gebraucht!“
„Na, so ein Glück“, sagte Blacky. „Viel hätten wir ja ohnehin nicht unternehmen können, denn wer kann in der Dunkelheit schon Freund und Feind unterscheiden und auf die richtige Stelle feuern?“
Der Kutscher, der neben den Zwillingen am Schanzkleid der Kuhl stand, sagte: „Ich würde was drum geben, wenn ich erfahren könnte, was überhaupt los ist. Himmel, in was für ein Schlangennest sind wir hier nur getreten?“
„Giftige Schlangen sind’s bestimmt“, meinte Philip junior. „Sonst hätten Dad und die anderen wohl nicht so kräftig hingelangt.“
„Gebe der Himmel, daß keiner der Unseren verletzt ist“, sagte der Kutscher, und dann schlug er das Zeichen des Kreuzes, denn es war ihm sehr ernst mit diesem Wunsch.