Читать книгу Seewölfe Paket 12 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 32

6.

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Der Dschungel erwachte zu schrillem Leben, während die Morgendämmerung heraufkroch. In dichten Schwaden hing der Nebel scheinbar unauflöslich im Dickicht. Überall hatten sich Tropfen auf Blättern und Schlingpflanzen gebildet. Das Wasser rann herab wie Regen. Noch herrschte trübgraues Halbdunkel unter den mächtigen Baumkronen des Tropenwaldes.

Die Luftfeuchtigkeit erschwerte den Männern jeden Atemzug. Ihre Kleidung klebte ihnen wie zähes Leder auf dem Leib.

Johannes Lederer hatte sie mit untrüglicher Zielstrebigkeit durch das Dikkicht geführt. Neidlos mußte der Seewolf anerkennen, daß dieser Mann über eine bemerkenswerte Dschungelerfahrung verfügte. Lederer ging an der Spitze der kleinen Formation. Ihm folgten der Seewolf und Edwin Carberry, dann Ferris Tucker, der riesenhafte Schiffszimmermann mit dem leuchtend roten Haar, Dan O’Flynn, der schlanke junge Mann mit den schärfsten Augen an Bord der „Isabella“, Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, und Smoky, der bullige Decksälteste.

Alle waren mit Musketen, Pistolen und Entermessern bewaffnet. Batuti trug außerdem seinen Bogen über dem Rücken und einen Lederköcher mit Pfeilen an der Hüfte. Dan O’Flynn und Smoky schleppten gemeinsam eine längliche Kiste, deren Inhalt wohlweislich mit wasserdichtem Ölpapier ausgeschlagen war.

Johannes Lederer hob die Hand, ging langsamer und blieb dann stehen. Sofort stoppten auch die anderen ihre Schritte. Hasard trat neben den Deutschen, als dieser ihn zu sich heranwinkte.

„Sehen Sie das?“ fragte Lederer halblaut. Er deutete mit ausgestrecktem Arm nach vorn. „Der verdammte Nebel läßt die Dinge verschwimmen, aber wenn mich nicht alles täuscht, sind wir am Ziel.“

„Ohne den Nebel“, entgegnete der Seewolf lächelnd, „könnte unser Plan von vornherein nicht gelingen.“ Er kniff die Augen zusammen und spähte angestrengt in die milchiggrauen Schwaden.

„Ich weiß“, murmelte Johannes Lederer, „ich hoffe nur, daß es nicht zum Nachteil für uns umschlägt.“ Er gab sich einen Ruck. „Es sieht so aus, als ob wir den Außenbezirk der Festung erreicht haben.“

Hasard nickte. Schemenhaft waren kantige Umrisse zu erkennen. Gebäude, deren klare Linien sich bei längerem Hinsehen deutlich von der wild wuchernden Vegetation des Dickichts abhoben. Geräusche waren indessen nicht zu hören. Die Nachtruhe war in Macuro noch nicht beendet. Auch das gehörte zum Plan der Männer von der „Isabella“.

„In Ordnung“, sagte der Seewolf, „wir werden uns das aus der Nähe anschauen.“ Er wandte sich zu seinen Männern um und klärte sie mit knappen Worten über die Lage auf.

„Endlich“, entgegnete Edwin Carberry. Er versuchte zu flüstern, was bei seinem Reibeisenorgan allerdings nur ein Versuch blieb. Es klang noch immer wie ein Grollen, tief aus seinem mächtigen Brustkorb. „Es muß doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir den Dons nicht noch vor dem Frühstück in die Suppe spukken.“ Er rieb sich die Hände, die das Format von Ankerklüsen hatten.

„Dazu müssen sie uns erst mal spucken lassen“, bemerkte Smoky mit breitem Grinsen. „Man soll das Maul nicht zu voll nehmen, bevor der Tag angefangen hat.“

Der Profos wirbelte herum.

„Ho, du Molch, woher willst du denn wissen …“

„Schluß damit!“ fuhr der Seewolf energisch dazwischen. „Eure Sprüche könnt ihr an Bord weiterklopfen.“

Ed Carberry klappte den Unterkiefer hoch und schob beleidigt sein Rammkinn vor. Gegen Philip Hasard Killigrew hatte er noch nie ein Widerwort gefunden.

Der Seewolf gab das Zeichen. Langsam und nach allen Seiten sichernd, setzte sich die kleine Kolonne wieder in Bewegung. Das Geschrei der Tropenvögel, das in voller Lautstärke eingesetzt hatte, schützte sie. Denn wegen der umfangreichen Ausrüstung, die sie mitschleppten, konnten sie nicht völlig geräuschlos vordringen.

Allmählich zeichneten sich die Gebäude deutlicher ab. Johannes Lederer verharrte abermals.

„Das muß die Werft sein“, flüsterte er dem Seewolf zu. „Rechts von uns befindet sich dann irgendwo die Pfahlbausiedlung. Wir müssen aufpassen, daß die Indios nichts von uns hören.“

Hasard nickte nur. Sie pirschten sich weiter voran, verschmolzen zur Schemenhaftigkeit mit dem Nebel – auch dann noch, als das Dickicht zurückwich und den Weg auf das Werftgelände freigab.

Mit einer knappen Handbewegung ließ Hasard seine Männer ausschwärmen. Es mußte im Schnekkentempo geschehen, denn jeder unbedachte Schritt konnte ein Geräusch verursachen und eine Katastrophe auslösen. Überall konnte es herumliegende Gerätschaften geben.

Groß und dunkel erhob sich das Schutzdach der Helling vor ihnen aus dem Nebel. Im nächsten Moment sahen sie die schlanke Silhouette der Galeere, die hier zur Reparatur lag.

Hasard zog sein Entermesser, und die anderen taten es ihm nach. Möglicherweise gab es auch hier draußen einen Posten. Wenn es so war, dann konnten sie ihn nur lautlos überwältigen.

Doch ihre Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Unbehelligt erreichten sie die Bordwand des flachen Schiffes, dessen Außenbeplankung an mehreren Stellen Lücken aufwies. Der Bohrwurm verrichtete auch hierzulande sein zerstörerisches Werk, gegen das noch immer kein Kraut gewachsen war. Immerhin schien es aber in Macuro genügend Arbeitskräfte zu geben, die solche Schäden rechtzeitig behoben.

Gemeinsam mit Johannes Lederer schlich Hasard bis zum Bug der Galeere. Von dort aus konnten sie verschwommen den Palisadenzaun der Festungsanlage erkennen. Auch einer der Batterietürme lag weiter rechts in ihrem Blickfeld. Die Entfernung betrug kaum mehr als fünfzig Yards. Dementsprechend war die Sichtweite, die draußen auf See herrschte.

Für Ben Brighton ein höllisch schwieriges Unterfangen!

Johannes Lederer deutete mit einer Kopfbewegung zu den Palisaden.

„Wenn wir Glück haben, liegt das Gefangenenlager auf dieser Seite.“

Der Seewolf antwortete nicht. Lederer hatte die Festung nur aus einiger Entfernung gesehen, als es ihm gelungen war, die Flucht zu ergreifen. Deshalb hatte er keine absolut präzise Beschreibung von Macuro liefern können. Aber sie würden sich auch ohnedem schnell zurechtfinden, wenn sie den Palisadenzaun erst einmal überwunden hatten. Ed Carberry und Ferris Tucker trugen aufgerollte Tampen über der Schulter. An den Enden der Taue waren Enterhaken befestigt. Für alle Voraussetzungen, in die Festung einzudringen, hatten sie gesorgt.

Sie brauchten nur noch auf das Zeichen zu warten.

Sigmund Haberding hob vorsichtig den Kopf, nur um Handbreite. Er hatte kein Auge mehr zugetan, seit das Unvorstellbare geschehen war. Zweifellos war es auch den übrigen Männern nicht anders ergangen. Hilflos ausharren und dem Unabwendbaren entgegensehen zu müssen, das war schlimmer als körperliche Qualen.

Da entstand eine Bewegung, die Haberding anfangs nur im Unterbewußtsein wahrgenommen hatte. Jetzt sah er es deutlich.

Einer der Indios richtete sich langsam auf. Dabei spähte er fortwährend zu den Posten. Sie waren im Laufe der Nacht zweimal abgelöst worden. Als sie jetzt nicht reagierten, erhob sich der Indio vollends. Er war ein älterer Mann und hatte einen sehnigen Körper mit Muskelsträngen, die von langer Fronarbeit verhärtet waren.

Gerhard von Echten hing kraftlos in den Fesseln, die ihn am Pfahl hielten. Irgendwann hatte er nicht mehr standhalten können. Auch für ihn gab es eine Grenze der Belastbarkeit, wie für jeden Mann.

Sigmund Haberding schmerzte der Anblick des Freundes, noch mehr jedoch die Gewißheit über das furchtbare Schicksal, das ihm drohte.

Der Indio hob etwas vom Erdboden auf. Er tat es behutsam. Ein Gefühl der Rührung ergriff Sigmund Haberding, als er erkannte, was es war. In einer Lederkappe, die er vermutlich tagsüber auf dem Kopf trug, hatte der dunkelhäutige Mann die Feuchtigkeit während der Nachtstunden aufgefangen. Vielleicht waren es nur ein oder zwei Schlucke Wasser, die sich gesammelt hatten. Trotzdem eine köstliche Erfrischung für einen Mann, der unmenschliche Qualen erdulden mußte.

Der Indio hielt die Lederkappe wie ein Kleinod in beiden Händen und schritt vorsichtig durch die Reihen der am Boden Liegenden.

Auf dem Bohlengang, der sich in den Nebelschwaden nur grau und undeutlich abzeichnete, patrouillierten ebenfalls Soldaten. Die Männer, die den am Pfahl Gefesselten bewachten, waren von Gutiérrez zusätzlich abgestellt worden.

Natürlich waren sie längst auf den Indio aufmerksam geworden. Haberding sah es an ihren Blicken, mit denen sie ihn verfolgten. Er glaubte, ein hämisches Grinsen bei einigen der Soldaten zu bemerken. Weshalb, in aller Welt, scheuchten sie ihn nicht auf seinen Platz zurück?

Der hagere Venezolaner erreichte jetzt den Pfahl, an dem Gerhard von Echten in seinen Fesseln hing. Von der Seite näherte er sich dem hochgewachsenen Deutschen, der nichts von alledem mitkriegte.

Die Soldaten begannen zu tuscheln und stießen sich mit den Ellenbogen an. Einer von ihnen nickte, dann waren sie wieder still und beobachteten den Indio mit scheinbar wohlwollendem Interesse.

Dieser trat bis dicht vor den Gefesselten und hob die Lederkappe an dessen Lippen.

„Bitte, Señor“, sagte der Indio halblaut, „bitte, trinken Sie, es wird Ihnen guttun.“

Bevor Gerhard von Echten vollends erwachte, schnellte jener Soldat los, der so entschlossen genickt hatte.

Es geschah so blitzartig, daß Sigmund Haberding das Gefühl hatte, sein Herzschlag setze aus.

Der Spanier packte den Indio an der Schulter und riß ihn herum. In hohem Bogen flog die Lederkappe durch die Luft. Die wenigen Wassertropfen blitzten auf und schienen versiegt zu sein, noch bevor sie den Boden erreichten. Der Indio stieß einen erschrockenen Laut aus, stolperte, blieb aber auf den Beinen. Abwehrend hob er die Hände und wich einen unsicheren Schritt zurück.

„Hijo de puta!“ brüllte der Spanier. „Hurensohn, verdammter! Wer hat dir das erlaubt?“

„Niemand, Señor. Ich wollte doch nur …“

„Nichts hast du zu wollen!“ überschrie ihn der Soldat. Jäh riß er den Säbel hoch.

Die Klinge verursachte einen flirrenden Reflex.

Der Indio stieß einen gellenden Schrei aus, doch nur einen Atemzug lang. Ein Gurgeln war das letzte, was er hervorbrachte.

Etwas zerriß in Sigmund Haberding. Etwas, das stärker war als Besonnenheit und Vernunft. Mit einem Satz war er auf den Beinen. Die Ketten, noch um Hand- und Fußgelenke gewickelt, behinderten ihn nicht. Ein Laut des Entsetzens ging durch das Lager. Fast alle waren inzwischen wach geworden.

Unendlich langsam sank der Indio in sich zusammen. Sein Leben erlosch, bevor er den Boden erreichte. Das Gesicht des Spaniers war verzerrt. Er stieß die blutige Klinge in den Sand und bewegte sie hin und her, um sie zu reinigen.

Den Deutschen, der in blindem Zorn auf ihn losschnellte, bemerkte er einen Atemzug zu spät. Auch der Warnruf der übrigen Soldaten half nichts mehr.

„Sigmund!“ schrie Gerhard von Echten. „Bist du verrückt ge …“

Zu spät.

Mit einem wilden Satz überbrückte Haberding die letzten zwei Yards. Vergeblich versuchte der Spanier, den Säbel hochzureißen. Die Ketten an den Handgelenken des Deutschen trafen seinen Kopf und seine Schulter. Wie vom Blitz gefällt, stürzte er zu Boden.

Haberding stolperte, vom eigenen Schwung getrieben. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, waren die Soldaten zur Stelle, packten ihn, rissen ihn hoch, hieben mit den Fäusten auf ihn ein und traten ihn. Sein Widerstandswille wurde buchstäblich zerschlagen. Den Kopf schützend unter den Armen geborgen, krümmte er sich zusammen und rührte sich nicht mehr.

Einer der Spanier hob seinen Säbel.

„Laß ihn“, knurrte ein anderer und riß ihn zurück. „Den Alemán wird der Capitán für sich selbst aufheben wollen. Das ist was anderes als mit den lausigen Indios.“

Gerhard von Echten schloß die Augen. Ohnmächtige Wut und Hilflosigkeit loderten wie eine alles verzehrende Flamme in ihm. Das grausame Geschehen war wie ein körperlich spürbarer Schmerz in sein gerade erwachtes Bewußtsein gefahren. Es brachte ihn fast um den Verstand, daß nun auch sein Freund von dem gleichen Schicksal ereilt werden sollte wie er selbst. Denn daran gab es für Gerhard von Echten kaum noch einen Zweifel.

Als er die Augen wieder öffnete, hatten sie Sigmund Haberding gefesselt und am Boden liegenlassen. Auch um den toten Indio kümmerten sie sich nicht. Statt dessen hielten sie ihre Musketen schußbereit, denn offenbar rechneten sie mit einem weiteren Aufruhr im Lager. Auch die Posten auf dem erhöhten Bohlengang waren stehengeblieben und hatten ihre Waffen auf dem Geländer in Anschlag gebracht.

Doch weder die deutschen noch die indianischen Galeerensklaven wagten auch nur eine verstohlene Bewegung. Es gab nichts, was sie der brutalen Gewalt der Bezwinger hätten entgegensetzen können.

Die Stille hielt nicht lange an.

Wenige Minuten nach dem blutigen Zwischenfall wurde das Gatter der Lagereinzäunung geöffnet.

Capitán Gutiérrez eilte mit kurzen, energischen Schritten über die Bohlenbrücke. Ihm folgten die drei ranghöchsten Offiziere seines Stabes und eine Gruppe von sechs Soldaten, die lediglich mit Pistolen und Säbeln bewaffnet waren.

Gutiérrez stoppte seine Schritte jäh, als er die am Boden liegenden reglosen Körper sah. Der füllige Leib des Capitán erbebte.

„Zum Teufel!“ rief er schnaubend. „Was ist hier los?“

Der Dienstälteste des Bewachungskommandos eilte herbei und salutierte vor ihm.

„Ein kleiner Zwischenfall, Capitán“, meldete er schnarrend. „Der Indio und dieser Deutsche haben versucht, einen Aufruhr anzustiften. Dabei haben sie einen unserer Kameraden fast erschlagen.“ Er deutete auf den, der von Sigmund Haberdings Ketten getroffen worden war und jetzt benommen am Boden hockte und sich den Kopf hielt.

„Das ist eine Lüge!“ brüllte Gerhard von Echten. „Der Indio wollte …“

Was er noch hinausschreien wollte, blieb ihm im Hals stecken. Zwei Soldaten sprangen auf ihn zu. Drohend richteten sie die Säbelklingen auf seinen Brustkorb.

Capitán Gutiérrez scheuchte den Dienstältesten mit einer Handbewegung zur Seite und stapfte auf von Echten zu. Haberding, der neben dem Pfahl lag, streifte er nur mit einem Blick. Den toten Indio beachtete er nicht.

„Soso“, sagte Gutiérrez mit hohntriefender Stimme. „Du Schweinehund meinst also, hier ginge es nicht gerecht zu?“

„Das ist eine verdammte Untertreibung“, entgegnete von Echten gepreßt.

Sein Gegenüber stieß ein glucksendes Lachen aus. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder beruhigte.

„Glaubst du im Ernst, daß mich deine Meinung interessiert, Alemán? Von mir aus kannst du den Krokodilen vorjammern, wie schlecht du hier behandelt wurdest. Vielleicht hören sie dir sogar eine Weile zu, ehe ihr Appetit stärker wird als ihr Interesse an deinem Lamento!“ Gutiérrez lachte abermals, und pflichtgemäß stimmten auch seine Offiziere mit ein.

„Perdón, Capitán“, meldete sich der Dienstälteste des Bewachungskommandos noch einmal zu Wort. „Was fangen wir mit diesem Mistkerl an?“ Er stieß mit der Stiefelspitze in Sigmund Haberdings Seite.

Ramón Marcelo Gutiérrez zog die Augenbrauen hoch.

„Oh, daß ich daran nicht sofort gedacht habe! Aber natürlich – sicher wird es unseren beiden deutschen Amigos leichterfallen, wenn sie gemeinsam den Krokodilen ins Maul schauen dürfen. Es ist zwar ein unverdienter Vorzug für die Alemanes, aber wir wollen gnädig mit ihnen sein.“ Er drehte sich zu den Männern um, deren Brustpanzer und Helme in der frühen Morgenstunde noch blank geputzt und ohne ein Staubkorn waren. „Packt sie jetzt! Ich will nicht zuviel Zeit mit ihnen verschwenden, bevor ich mich an den Frühstückstisch setze. Es wäre wahrhaft unverzeihlich, sich deswegen einen knurrenden Magen einzuhandeln.“

Die Soldaten beeilten sich, den Befehl ihres Capitán auszuführen. Vier Mann lösten die Fesseln, mit denen Gerhard von Echten an dem Pfahl festgebunden war. Dann schleiften sie ihn hinüber auf die Bohlenbrücke, wo inzwischen die restlichen Soldaten sowie die Offiziere und Capitán Gutiérrez Aufstellung genommen hatten. Nur zwei Mann waren nötig, um den noch halb bewußtlosen Sigmund Haberding herbeizuschleifen.

Sie lehnten die beiden Deutschen mit den Rücken gegen das Brückengeländer, so daß von Echten und Haberding den Capitán ansehen mußten. Die stoßbereiten Säbel der Soldaten zerstörten jede Hoffnung auf eine Rettung in letzter Minute.

Gutiérrez trat zwei Schritte vor, blieb breitbeinig stehen und legte die Hände auf den Rücken. Aus kalten kleinen Augen fixierte er die beiden Todgeweihten.

„Sehr schön“, sagte er zischend, „wir wollen kein langes Theater veranstalten. Aufgrund des hier geltenden Kriegsrechts verurteile ich euch beide zum Tode. Das Urteil wird sofort vollstreckt. Und zwar von mir. Ihr könnt beten, wenn ihr wollt.“

„Fahr zur Hölle, Spanier“, sagte Gerhard von Echten kalt.

Ein Grinsen kerbte sich in die Mundwinkel des Festungskommandanten.

„Das ist alles?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst. Und du?“ Er blickte Haberding an.

Dieser spie dem Capitán vor die Füße. „Das war ebenfalls alles, du Kröte!“

Gutiérrez’ Augen wurden schmal. Deutlich war zu erkennen, wie sich seine Muskeln anspannten.

„Zur Seite!“ herrschte er die Soldaten an, die die Delinquenten in Schach hielten.

Gutiérrez setzte sich ruckartig in Bewegung, hob die Arme und ballte die Hände zu Fäusten. Nur ein kurzer Stoß war erforderlich, um die beiden Wehrlosen in die Tiefe zu den Alligatoren und Kaimans zu befördern.

Der Capitán schaffte nur einen halben Schritt.

Brüllender Donner zerriß die morgendliche Stille. Der rollende Nachhall schien nicht enden zu wollen.

Ramón Marcelo Gutiérrez erstarrte mitten in der Bewegung. Einen Atemzug lang stand er wie gelähmt.

Seewölfe Paket 12

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