Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 45

9.

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Lord Henry, Selim, Fernand Marciaux und ihre fast dreißig Begleiter von der „Cruel Jane“, der „Grinta“ und der „Sans Pareil“ hatten sich in das Menschengewimmel der Altstadt begeben. Tim Scoby hatte sich den Sack aus Segeltuch auf die Schulter geladen, in den die von Dark Joe und Codfish gefesselte Dalida gesteckt worden war.

Sie hatten sie so fest verschnürt, daß sie sich nicht mehr regen konnte.

Der Islam verbot offiziell den Handel mit Sklaven unter Androhung schlimmster Strafen, doch auf dem Markt, der auf einem quadratischen Platz inmitten der eng zusammenstehenden Häuser bis tief in die Nacht hinein unterhalten wurde, fand Henry sehr schnell den richtigen Weg, um sich der Ägypterin zu entledigen.

Mechmed verhandelte nach einigem Herumfragen mit einem Feigen- und Olivenhändler, der ihm seinerseits eine offenbar sehr umständliche Erklärung gab, die von vielen heftigen Gesten begleitet war. Selim, Dobran, Firuz und einige andere Männer der Schebecke hörten mit zu, was er ihnen auf türkisch und auf arabisch auseinandersetzte.

„Er beschreibt, wie wir zu Dhalis Haus finden. Dieser Dhali scheint der richtige Mann für dich zu sein“, sagte Marciaux, der sich neben Lord Henry aufgebaut hatte.

Henry sah ihn verblüfft an. „Wie? Du verstehst diese verdammte Sprache?“

„Ziemlich gut. Ich fühle mich im Vorderen Orient so gut wie zu Hause.“

Sehr gut, dachte Henry, ganz ausgezeichnet. So können wir auf Mechmed als Dolmetscher gleich bei diesem Dhali verzichten, und keiner weint dem Hund auch nur eine Träne nach.

Er nahm Marciaux beiseite und teilte ihm mit, was er vorhatte, ohne daß Mechmed und seine vier Berber es hören konnten. Der Franzose lächelte. Ihm war egal, was Henry mit seinen Begleitern unternahm, Hauptsache, er erhielt seinen Proviant.

Henry indes war daran gelegen, auch Selim über seinen Plan zu unterrichten, um ihn im entscheidenden Moment nicht gegen sich zu haben. Immerhin war Selim ein Muselman wie Mechmed und Dalida, und er mochte sich auf gewisse Weise doch mit ihnen solidarisch fühlen.

Daher weihte Marciaux Selim heimlich über alles ein, während sie zu Dhalis Haus weitergingen, und er schwindelte ihm auf Henrys Bitte hin vor, daß Dalida und Mechmed ein Komplott geplant hätten, um sowohl Henry als auch Selim zu töten und mit ihren Besitztümern zu fliehen.

Selim tauschte einen Blick mit Marciaux. „Wenn das so ist, dann haben dieses Weib und die fünf Berber wirklich nichts Besseres verdient, als hier in Paphos verkauft zu werden. Bei Allah, ich habe den Verdacht, daß auch Jella, meine Geliebte, mich hintergeht.“

„Es ist nicht gut, Frauen an Bord eines Schiffes mitzunehmen“, sagte der Franzose. „Es hat sich noch nie ausgezahlt.“

„Ich habe einen halben Harem an Bord, um meine Männer bei Laune zu halten.“

„Keine schlechte Idee, aber früher oder später könnte es eine böse Überraschung geben, mein Freund. Nimm dich also in acht“, sagte der Franzose, der mit seinen Andeutungen zwar durchaus richtiglag, dem das Intrigieren aber auch angeboren war.

Dhalis Haus stand ganz am Ende einer Gasse, die gerade so breit war, daß zwei Männer in ihr nebeneinanderher schreiten konnten. Dunkel war es hier, nicht eine einzige Lampe wies ihnen den Weg. Dhalis Haus schien auf den ersten Blick verlassen zu sein, doch auf Mechmeds Ruf hin schoben von innen her Finger, die wie eine Geisterhand anmuteten, den Perlenschnurvorhang der Tür beiseite.

Henry, Scoby, Joe, Codfish, Selim, Dobran, Firuz, Marciaux und zwei seiner Leute sowie die fünf Berber traten ein, alle anderen hielten draußen Wache.

Dhali entpuppte sich als ein großer, kräftig gebauter Mann in einem sandfarbenen Burnus. Den Turban hatte er sich recht unordentlich um den Kopf gewickelt, mit Besuch schien er um diese Stunde nicht gerechnet zu haben. Dennoch zeigte er sich hoch erfreut, als er von Mechmed erfuhr, was der Anlaß für das Auftauchen der vielen Männer war.

Er führte sie in einen Kellerraum. Hier wurden von zwei Dienern, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen, Öllampen entzündet. Dhali wies mit einer einladenden Gebärde auf die Teppiche und Sitzkissen, die den ganzen Boden bedeckten.

Sie ließen sich nieder.

Dhali wandte Lord Henry sein breites, freundliches Gesicht zu und sagte: „Eins muß ich unseren Verhandlungen jedoch vorwegschicken. Falls ihr erschienen seid, um euch mehr zu nehmen als das, was ich euch anbiete, werdet ihr trotz eurer vielen Waffen kläglich versagen. Wie ihr seht, bin ich nicht allein im Haus, und in der gesamten Nachbarschaft habe ich viele Freunde. Es hat schon Männer gegeben, die in die Altstadt von Paphos eingedrungen, aber nicht wieder hinausgelangt sind.“

Henry lauschte Mechmeds Übersetzung, ohne mit der Wimper zu zucken. Als der Berber geendet hatte, entgegnete er: „Wir haben keine derartigen Absichten, Dhali. Wir wollen ein Geschäft abschließen, nichts weiter.“

„Dann sind wir Freunde“, sagte Dhali. „Zeigt mir eure Ware.“

Scoby lud den Sack ab und befreite Dalida daraus. Sie blickte mit geweiteten Augen um sich und gab wieder würgende Laute von sich.

Dhali erhob sich, trat zu ihr und betastete sie eingehend.

„Sie ist zu alt“, sagte er dann. „Und nicht fett genug für einen orientalischen Haremsbesitzer.“

Henry lachte. „Das glaubst du doch selbst nicht! Warte, ich zeige dir, welche Qualitäten sie hat. Tim und Joe, nehmt ihr die Fesseln ab, und zieht sie aus. Laßt ihr aber den Knebel, damit sie nicht schreien kann.“

Scoby und Dark Joe befolgten grinsend den Befehl und hielten die Frau fest. Dhali stand mit grüblerischer Miene vor ihr und rieb sich das Kinn.

„Zwölf spanische Piaster, nicht mehr“, sagte er schließlich.

„Dreißig“, sagte Henry.

„Das ist heller Wahnsinn. Fünfzehn, lautet mein höchstes Angebot.“

„Fünfundzwanzig.“

„Niemals.“

„Männer“, sagte Henry. „Zieht sie wieder an. Wir finden schon einen anderen Abnehmer für sie.“

Dhali fuhr herum und wedelte mit den Händen. „Was soll denn das? Laßt doch mit euch reden! Na gut, ich gebe euch achtzehn spanische Piaster. Das ist ein Vermögen für ein Weib mit so krummen, kurzen Beinen.“

Nach einigem Feilschen einigten sie sich auf zweiundzwanzig Achterstücke, und Dhali winkte einem seiner Diener zu, damit er die Münzen hole.

„Ich lasse die Frau noch heute nacht abholen“, sagte er. „Ich habe bereits einen Käufer für sie, einen syrischen Kauffahrer.“

„Und wie bringst du sie auf sein Schiff?“ wollte Henry von ihm wissen.

„So, wie ihr sie an Land geschafft habt“, erwiderte Dhali lächelnd.

„Hättest du auch für männliche Sklaven einen Abnehmer? Für gute, junge, kräftige Männer?“

„Vielleicht. Im Hafen liegt eine türkische Galeere. Vielleicht.“

Mechmed, der weiterhin recht arglos übersetzt hatte, sah Lord Henry plötzlich entgeistert an. Henry riß völlig unerwartet die Faust hoch und fällte den Berber mit einem einzigen Hieb gegen dessen Schläfe. Mechmed brach zusammen und blieb zu Dhalis Füßen auf dem Teppich liegen.

Mechmeds vier Kumpane griffen zu den Waffen, doch Codfish, Selim, Dobran, Firuz und Marciaux standen bereits hinter ihnen und schlugen ihnen die Kolben ihrer Pistolen auf die Köpfe, so daß auch sie zu Boden sanken.

Dhali hatte verwundert die Augenbrauen gehoben.

„Marciaux“, sagte Henry. „Erklär ihm bitte, daß ich zehn Piaster für jeden dieser Kerle haben will.“

Marciaux lächelte und wandte sich auf türkisch an den Sklavenhändler.

Dieser grinste und antwortete: „Vierzig Piaster für alle fünf, kein Stück mehr.“

„Na gut“, sagte Henry. „Einverstanden. Wir wollen hier keine Zeit mehr vertrödeln.“

Dhali blickte zu seinen Dienern, die vorsichtshalber ihre Säbel gezückt hatten. „Geht jetzt das Geld holen – zweiundsechzig Piaster. Beeilt euch, auf was wartet ihr noch?“

Lord Henry sah auf die ohnmächtigen Berber und auf die nackte Dalida, die sich immer noch unter Scobys und Dark Joes Griff wand. Endlich bin ich euch los, dachte er, endlich bereitet ihr mir keinen Ärger mehr.

Was er nicht wußte und nicht im entferntesten ahnte: Jella und die Türkinnen der „Grinta“ hatten die Schebecke verlassen und waren dem Trupp Männer heimlich mit dem zweiten Beiboot der „Grinta“ gefolgt. Die Deckswache hatten sie mit dem Hinweis täuschen und abspeisen können, Selim habe ihnen schon am Nachmittag die Erlaubnis gegeben, sich ein wenig im Hafen von Paphos umzutun.

Jetzt hatten die Frauen eine Seitengasse entdeckt, durch die sie ungesehen zu Dhalis Haus gelangten. Jella führte die Gruppe an, sie wollte Dalida befreien, weil sie sie als Verbündete brauchte – und weil Dalida die einzige außer Lord Henry war, die das Schatzversteck in der Kapitänskammer der „Cruel Jane“ kannte.

Lord Henry hatte es Dalida dummerweise verraten, als sie eines Nachts wie üblich zu ihm in die Koje gekrochen war. Es war ein schwacher Moment gewesen, und für diese Schwäche sollte er noch teuer bezahlen.

Plötzlich überstürzten sich die Ereignisse.

Am nördlichen Ufer des Hafens erhellte ein Feuerball die Nacht, der unter grollendem Donner und starker Rauchentwicklung auseinanderbrach.

Auf den Schiffen und am Kai wurden Rufe laut, die Türen der Kneipen und Spelunken öffneten sich und spien Gestalten aus. Alle Blicke richteten sich nach Norden, dorthin, wo Ben Brighton, Ferris Tucker, Al Conroy, Smoky und Stenmark für das von Hasard angeordnete Ablenkungsmanöver sorgten.

Auch die Ankerwache der „Grinta“ lief zum Schanzkleid der Backbordseite und spähte angestrengt zum Ufer hinüber, wo jetzt eine zweite heftige Explosion erfolgte. Aufgeregt redeten die Türken durcheinander und stritten sich darüber, was wohl die Detonationen hervorgerufen haben mochte.

Ben hatte drei Flaschenbomben mit langen Lunten am Ufer anbringen lassen. Jetzt, da die Zündschnüre abbrannten und die Pulverladungen der Flaschen hochgehen ließen, entfernte sich die Jolle bereits wieder und steuerte zur Reede, um bei Bedarf dem Seewolf zu helfen.

Der hatte seine Jolle zur Steuerbordseite der Schebecke gesteuert und war an der Bordwand längsseits gegangen, ohne daß die Ankerwache es bemerkte.

Die „Grinta“ lag am weitesten nach Südosten versetzt auf der Reede von Paphos und wandte ihre Steuerbordseite dem offenen Meer zu. Somit konnten die fünf Männer der „Isabella“ auch von der „Cruel Jane“, von der französischen Galeone oder von anderen Schiffen aus nicht beobachtet werden, und die Schebecke war also wegen ihrer Position das für das Unternehmen geeignete Schiff.

So schnell sie konnten, befestigten Hasard, Shane, Dan, Blacky und Matt acht Höllenflaschen an der Bordwand des Piratenseglers, und zwar dicht über der Wasseroberfläche. Sie benutzten Segeltuchstreifen und Leim, der von Dan O’Flynn mit einem dicken Pinsel aus Sauborsten aufgetragen wurde, um die Flaschen anzubringen und vor einem verfrühten Herunterfallen zu bewahren.

Dann zündeten sie die Lunten, legten wieder ab und pullten nach Südosten davon. Erst nach gut fünfzig Yards beschrieben sie mit der Jolle einen Halbkreis und wandten sich nach Norden, um sich mit Ben und den anderen zu treffen und dann zur „Isabella“ zurückzukehren.

Am Nordufer flog die dritte Höllenflasche mit einem Donnerhall auseinander. Immer noch galten alle Blicke dem rätselhaften, beängstigenden Ereignis. Am Kai liefen immer mehr Menschen zusammen. Reiter der Stadtgarde verließen das Hafenviertel, um zum Platz des Geschehens zu jagen. Ein paar Boote setzten sich von den Piers aus in Bewegung – und Selims Ankerwache bemerkte immer noch nicht, daß es an der Steuerbordseite des Zweimasters „Grinta“ knisterte und schwelte.

Dann gingen die acht Höllenflaschen fast gleichzeitig hoch und rissen ein gewaltiges Loch in den Bauch der Schebecke. Von Selims Piraten gerade erst wieder notdürftig instand gesetzt, empfing sie ihren entscheidenden, vernichtenden Schlag: Das Wasser flutete rauschend in den offenen Rumpf, das Schiff neigte sich zur Seite und begann zu sinken.

Keiner der Seeräuber war ernstlich verletzt, nur waren drei von ihnen bei der Explosion sogleich übers Schanzkleid weg ins Wasser katapultiert worden. Die anderen sprangen jetzt von Bord und schwammen mit ihren Kumpanen entsetzt zur „Cruel Jane“, die ihnen am nächsten ankerte.

Im Nu war im Hafen der Teufel los, doch niemand sah die beiden Jollen, die sich in rascher Fahrt um die Landzunge herum entfernten und zurück zur „Isabella VIII.“ glitten.

Seewölfe Paket 13

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