Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 50

3.

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Gary Andrews und Blacky waren es satt, ständig auf die Feluke zu starren, und so gingen sie zur anderen Seite hinüber und sahen dem seltsamen Delphin zu, der pfeilschnell durch das Wasser pflügte.

„Wenn man dem so zusieht“, meinte Blacky, „dann kriegt man direkt auch Lust zum Schwimmen.“

„Tu’s doch“, riet Gary. „Der wird schon auf dich losgehn, wenn du im Bach bist. Und wenn er dir mit seinen scharfen Zähnen die Knochen anfrißt, vergeht dir die Lust aufs Schwimmen.“

„Delphine gehen nicht auf Menschen los“, erklärte Blacky. „Ich habe jedenfalls noch nichts Derartiges gehört.“

„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“

Die Motzerei ging hin und her, und jeder wollte mit seiner Meinung recht behalten, bis der Kutscher erschien und ebenfalls ins Wasser blickte.

„Du weißt doch immer alles, Kutscher“, sagte Gary. „Blacky will nicht glauben, daß Delphine auch Menschen angreifen. Was meinst du dazu?“

„Glaub ich auch nicht, aber genau weiß ich es nicht. Probiert es doch aus, dann wißt ihr es.“

„Und wenn der Delphin wirklich angreift?“

„Dann wißt ihr es endgültig“, sagte der Kutscher trocken, „und könnt eure Weisheit an andere weitergeben.“

Blacky zog sich grinsend das Hemd über den Schädel, während Gary Andrews ihn fassungslos anstarrte.

„Du willst wirklich?“ fragte er entsetzt. „Der ist vielleicht so verfressen wie ein Hai.“

„Ich bin jedenfalls kein Feigling“, erklärte Blacky.

„Aha, das soll wohl heißen, daß ich einer bin, was?“

„Was du bist, ist mir gleichgültig, jedenfalls hast du vor dem kleinen Sardinenfresser Angst, das steht fest.“

Gary trat drohend einen Schritt vor.

„Sag noch einmal, daß ich Angst habe“, knurrte er. „Dann reiße ich dich Pfeffersack in Fetzen.“

Blacky grinste verwegen und sah Gary abschätzend an.

„Es steht doch fest, daß du nicht in den Bach willst, solange dieser Piepmatz da rumschwimmt. Oder täusche ich mich?“

„Das hat doch mit dem Piepmatz nichts zu tun!“ brüllte Gary empört. „Mir ist das Wasser viel zu kalt, das ist es.“

Blacky grinste so infam, daß Gary rot anlief. Auch er riß sich jetzt mit einem Ruck das Hemd vom Körper.

„Angst vor einem Delphin? Pah!“ sagte er verächtlich, und dann sprang er noch eher als Blacky.

Das Wasser war nicht kalt und auch nicht sonderlich warm, es hatte eine angenehme Temperatur, und dazu war die See so glatt wie ein Spiegel.

Die beiden Männer schwammen ein Stück vom Schiff weg. Ein paar andere Seewölfe wechselten ebenfalls die Seiten und fragten sich, was sie beiden wohl wieder ausheckten, daß sie gerade jetzt ein Bad nahmen.

Sie waren noch keine zwei Minuten im Wasser, als der Delphin unter ihnen entlangglitt. Aus der Tiefe heraus sah er aus wie ein sich schnell nähernder Hai, und Gary warf einen entsetzten Blick nach unten, denn er war der felsenfesten Überzeugung, das Biest würde jetzt sofort angreifen. Dann erkannte er, daß es doch der Delphin war, nur verringerte das seine Scheu keineswegs, denn man konnte ja nie wissen!

In diesem Augenblick tauchte der Körper unmittelbar neben den beiden auf. Gary verfluchte seinen Heldenmut und Blacky gleichzeitig mit, der ihn dazu animiert hatte.

Aber das Tier zeigte sich sehr gesellig, und es war keinesfalls scheu. Ganz langsam und sehr dicht schwamm es neben ihnen her und stieß hin und wieder dieses keckernde Geräusch aus, das sich anhörte, als wolle das Tier ihnen etwas mitteilen.

Es umkreiste sie und schien zu lachen. jedenfalls sah es so aus.

Blacky tastete vorsichtig mit der Hand zu dem geschmeidigen glatten Leib hinüber und erwartete, daß der Delphin jetzt erschreckt auf die Berührung reagieren würde. Doch das Tier störte sich nicht im mindesten daran, es empfand die Berührung eher als angenehm.

„Der hat schon öfter mit Menschen zu tun gehabt“, sagte Blacky überzeugt. „Los, wir reiten mal auf dem Kollegen.“

Ohne Garys Antwort abzuwarten, griff Blacky nach der gebogenen Rückenflosse und hielt sich fest. Gary packte die Schwanzflosse. Der Delphin hielt still, es schien ihm zu gefallen, und er ließ zu, daß sich Blacky auf seinen Rükken schwang.

Vom Schanzkleid aus wurde das von den Seewölfen mit lautem Beifall quittiert.

Auch Gary Andrews verlor nun seine letzte Scheu vor dem Tier, das wieder laute gluckernde Geräusche von sich gab und sich dann in Bewegung setzte. Zuerst langsam, dann schneller, glitt der Delphin los, auf dem Rücken den grinsenden Blacky, an der Schwanzflosse Gary Andrews, der in seinem ganzen Leben noch nie so schnell geschwommen war wie jetzt, da der Delphin ihn zog.

Erst als sie drei, vier Kabellängen von der „Isabella“ entfernt waren, wurde es Gary mulmig.

„Wenn der noch weiter schwimmt“, rief Gary, „dann wird es riskant für uns. Der Bursche setzt uns weit draußen ab, und dann können wir zurückschwimmen.“

Seltsam – als hätte der Delphin die Worte verstanden, drehte er langsam um und nahm wieder Kurs auf die „Isabella“. Erst dicht vor der Bordwand stoppte er und ging dann langsam in die Tiefe.

„Mann, das gibt’s doch gar nicht“, sagte der Profos oben vom Schanzkleid und schüttelte verwundert den Kopf. „Der ist ja zutraulicher als unser Arwenack.“

Jetzt, nachdem sich ihnen dieses Schauspiel geboten hatte, wollten auch Hasards Söhne nicht länger zurückstehen. Noch ehe Carberry sie hindern konnte, sprangen sie über Bord, um an dem Spielchen teilzuhaben. Des Profoses Fluch verhallte ungehört. Er warf eine Leine über die Bordwand und ließ Gary und Blacky aufentern.

„Und ihr auch!“ rief Ed den Zwillingen zu, doch die schienen ihn nicht zu hören.

„Laß sie doch“, meinte Blacky, „das Tier ist wirklich ganz zahm. Es tut ihnen nichts.“

Die Zwillinge tollten schon herum, als der Delphin sich spielerisch vor ihnen tummelte. So, wie sie es bei Blacky und Gary gesehen hatten, ließen auch sie sich von dem gutmütigen Tier durchs Wasser schleifen und brüllten begeistert, als der Delphin sie in einem weiten Bogen wieder zurückbrachte.

„Los, unter der ‚Isabella‘ durch“, sagte Hasard junior. „Das schaffen wir spielend.“

„Einverstanden!“ rief Philip begeistert.

Vor ihnen glitt der Delphin in fünf, sechs Yards Tiefe als grünlicher Schatten dahin, als wolle er sie führen.

Die Zwillinge tauchten noch tiefer, über sich den Rumpfboden der „Isabella“ wie ein drohender Schatten.

Die zehn Yards schafften sie spielend, erst dicht bei der Feluke wurde ihnen die Luft knapp, und sie tauchten auf. Niemand sah sie, außer den Männern, die noch immer oben am Schanzkleid standen und auf das Händlerschiff blickten.

Ibrahim und seine bunten Gesellen waren damit beschäftigt, den Seewölfen Lampenöl zu verkaufen und andere Sachen zu verschachern.

Der Delphin kehrte wieder zurück, umkreiste sie einmal und glitt dann weiter an der Feluke entlang.

Die Zwillinge verstanden sich auch ohne Worte, blickten sich nur an und tauchten am Heck der Feluke erneut. Dort entdeckten sie etwas, das sie in Staunen versetzte.

Unter Wasser, neben dem Ruderblatt, befand sich ein halbschräg nach oben führender dunkler Schacht, für den Hasard und sein Bruder keine Erklärung fanden. Abwechselnd spähten sie hinein, aber es ließ sich nur erahnen, daß dieser eingebaute Schacht irgendwo wieder, vielleicht durch einen Senkkasten, an Deck der Feluke führen mußte.

Im festen Glauben, wieder etwas entdeckt zu haben, tauchten sie auf und schnappten nach Luft. Dann zeigte Philip nach unten.

Als sie wieder tauchten, um das Geheimnis näher zu ergründen, glitt der Delphin dicht vor ihnen in die Öffnung. Er paßte bequem hinein, nur seine Schwanzflosse ragte noch ein Stück heraus. Sie hörten deutlich, wie er mit der Schnauze an Holz stieß und dieses Anstoßen noch dreimal wiederholte, dann glitt er aus dem Kasten und zog sich zurück.

Hasard blickte mit weit geöffneten Augen in die schiefe Ebene aus Holz. Die Dunkelheit wurde milchigtrüb, offenbar wurde an Deck eine Klappe oder ein kleines Luk geöffnet. Gleich darauf fiel ein größerer Fisch durch den Schacht. Er trudelte durchs Wasser.

Die Klappe wurde geschlossen, der Delphin schnappte zu, und damit war der Fisch verschwunden.

Die Zwillinge sahen sich unter Wasser aus erstaunt aufgerissenen Augen an. Dann tauchten sie dicht am Ruderblatt auf, lautlos, damit niemand sie bemerkte, und sofort legte Hasard den Finger an die Lippen, damit sein Bruder sich nicht verriet.

Zweifellos hatten sie hier ein seltsames Geheimnis entdeckt, aber sie begriffen nicht, was das alles sollte. Der Delphin jedenfalls war abgerichtet und dressiert, und er wußte auch, wo und wie er am leichtesten sein Futter kriegte.

Hasard junior grinste hinterhältig, dann glitt er in die Tiefe, schwamm in den hölzernen Kanal, bis er ein kleines Schott erreichte, und klopfte viermal mit der flachen Hand dagegen.

Der Erfolg war verblüffend.

Trübe Helligkeit fiel herein, graugrünes Dämmerlicht. Hasard erkannte eine riesengroße verschwommen wirkende Hand, und dann flog ihm zu seiner großen Verblüffung ein dicker Fisch vor die Nase. Hastig zog er sich zurück, als das Luk geschlossen wurde, und überließ den Fisch dem Delphin, der ihn sofort schnappte.

Grinsend tauchten beide am Ruderblatt wieder auf.

„Zurück an Bord“, raunte Hasard seinem Bruder zu. „Unter der Feluke durch und dann zur anderen Seite, damit uns niemand sieht.“

Philip nickte nur, dann holten sie tief Luft und schwammen die Strekke zurück, bis sie mit knallroten Köpfen drüben an der Bordwand der „Isabella“ wieder auftauchten.

Der Delphin umkreiste sie weiter, aber jetzt wollten sie an Bord, um ihre Neuigkeit loszuwerden.

An der Leine enterten sie auf, und als sie klatschnaß auf den Planken standen, sahen sie genau in Carberrys narbiges Gesicht. Sein mächtiges Rammkinn war vorgeschoben, ein Zeichen dafür, daß es gleich Ärger geben würde. Außerdem hatte der Profos noch die Arme in die Seiten gestemmt und sah finster drein.

„Wir sollten mal wieder gemeinsam zum Tampentänzchen aufspielen“, sagte er drohend. „Ihr kennt das Spielchen ja aus Erfahrung, und es wird euch sicher ganz guttun, mal wieder quiekend über Deck zu hüpfen, was, wie? Ihr wißt, daß wir vor dem Händler auf der Hut sein sollen, aber ihr umschwimmt sorglos den Kahn, obwohl das niemand erlaubt hat.“

„Es hätte nichts passieren können, Mister Carberry“, sagte Hasard noch etwas außer Atem. „Die anderen haben uns ständig gesehen. Aber wir haben etwas entdeckt, eine merkwürdige Sache.“

Ed lehnte sich ans Schanzkleid und sah die beiden an. Sein düsterer Blick verschwand, und auch das Kinn zog sich merklich zurück.

Eigentlich hatte er sich ja nur geärgert, weil die beiden Lümmel einfach über Bord gesprungen waren, und auf sein Gebrüll nicht reagiert hatten. Aber jetzt war sein Zorn wieder verraucht, und er schob den Vorfall beiseite.

„Na gut“, sagte er etwas versöhnlicher. „Was habt ihr denn so Merkwürdiges entdeckt?“

Hasard junior sprach etwas leiser. Big Old Shane gesellte sich ebenfalls zu ihnen und hörte zu.

„Die Feluke hat achtern eine Art Schacht neben dem Ruderblatt. Dort schwimmt der Delphin hinein, klopft viermal mit der Schnauze gegen das Holz und wartet darauf, daß sich irgendwo an Deck ein Luk öffnet. Jedesmal, wenn er klopft, wirft ihm einer der Händler einen Fisch durch den Schacht. Dann bin ich hineingeschwommen und habe auch geklopft. Und tatsächlich rutschte wieder ein Fisch runter. Der Schacht ist so groß, daß der Delphin bequem darin Platz hat.“

Der Profos legte seine großen Hände auf den Handlauf des Schanzkleides, dann drehte er sich halb herum und musterte die beiden.

„Stehen mir schon die Haare zu Berge?“ fragte er freundlich.

„Nein, Mister Carberry.“

„Das wundert mich eigentlich“, meinte er trocken. „Nach Donegals Erzählungen passiert mir das nämlich immer, und jetzt fangt ihr mit derselben Tour an und erzählt mir Schauergeschichten. Da ist doch eure Phantasie wieder einmal mit euch durchgegangen. Ein Delphin, der an ein Boot klopft und dann Fische kriegt. Und in dem Schacht schläft er anschließend und hält sein Nikkerchen, was? Wenn ihr den alten Carberry anpflaumen wollt, dann fangt es gefälligst anders an!“

„Es stimmt aber ganz genau“, sagte Philip. „Ich habe das auch alles aus der Nähe gesehen. Der Delphin ist dressiert, der gehorcht dem Händler wie ein Hund.“

„Und wozu soll das alles gut sein?“ fragte Ed.

„Das wissen wir nicht, Sir.“

Shane blickte die beiden Jungen nachdenklich an und ließ sich das alles noch einmal in seiner bedächtigen und ruhigen Art durch den Kopf gehen.

„Was es mit dem Delphin auf sich hat, weiß ich auch nicht, Ed“, sagte er, „aber der Schacht, von dem die Jungen sprachen, der könnte einem raffiniert durchdachtem Plan entsprechen.“

Dem Profos dämmerte es bereits, und so nickte er und ließ Shane weitersprechen.

„Nehmen wir einmal an, diese Kerle sind tatsächlich Piraten oder Schnapphähne und geben sich nur als Händler aus, die harmlos über die Meere ziehen. Liegen sie jetzt bei einem Schiff, so wie bei uns, dann können die Kerle ihr Schiff heimlich verlassen, ohne daß wir es bemerken. Dann bohren sie uns das Schiffchen an, oder klemmen das Ruderblatt unauffällig fest, ohne daß wir etwas davon sehen. Genauso heimlich können sie achtern oder vorn oder von einer der Seiten aufentern. Ebenso unauffällig erreichen sie ihre Feluke wieder, und keiner merkt etwas. Wenn wir dann lossegeln, feuern sie ihren Brandtopf ab und nutzen die allgemeine Verwirrung aus, um uns zu übertölpeln. Das sind nur einige Beispiele, ich kann dir noch mehr aufzählen.“

Der Profos starrte den ehemaligen Schmied von Arwenack nachdenklich an.

„Ja, das ist eine verdammt gute Überlegung“, meinte er dann. „Zu was sonst sollte der Schacht wohl sein? Und vielleicht – ich weiß, das hört sich verrückt an, bringt der Delphin die Kerle unter Wasser schnell und unauffällig an ihr Ziel, wenn er so gut dressiert ist. Wir sollten sehr gut aufpassen, denn ich traue den Kerlen nicht mehr über den Weg.“

Carberry blickte auf die Zwillinge, nickte ihnen zu und ging zur anderen Seite hinüber. Dort starrte er aus mißtrauisch zusammengekniffenen Augen zu der Feluke und suchte das Wasser ab.

Aber nur der Delphin zog seine Kreise, sonst war nichts zu sehen, das seinen Verdacht erregte.

Es war zwar eine reichlich abenteuerliche und waghalsige Theorie, die sie da aufgestellt hatten, überlegte er, aber wenn dieser Ibrahim wirklich ein raffiniertes Schlitzohr war, dann durfte man ihm solche Tricks auch ruhig zutrauen.

Der Profos schärfte seinen Männern ein, die Feluke genau im Auge zu behalten und vor allem darauf zu achten, ob sich unter Wasser etwas regte.

Doch das war nicht festzustellen. Die Feluke lag längsseits, und wenn jemand durch den Schacht stieg, dann war er fast augenblicklich unter dem Schiffsrumpf der „Isabella“, ohne daß ihn jemand bemerkte.

Also traf der Profos vorsichtshalber weitere Anordnungen. Ein paar Seewölfe sollten sich ständig ablösen, ins Wasser steigen und hin und wieder einmal tauchen. Auch dem Ruderblatt sollten sie ihre ganz besondere Aufmerksamkeit widmen.

Seewölfe Paket 13

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