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7.

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Verbissen hielt Lord Henry an seinem Vorhaben fest. Er forschte im Morgengrauen die Küste südlich des Kaps Kormakitis ab und hielt sich so dicht unter Land, daß sein Loggast unausgesetzt von der Galionsplattform der „Cruel Jane“ aus die Wassertiefe aussingen mußte. Die „Grinta“ segelte im Kielwasser der „Jane“, und allmählich bewegten sich die beiden Schiffe immer näher auf die Bucht von Pomos zu.

Doch im Nebel übersahen sowohl die Engländer als auch die Türken die Einfahrt der Bucht. Sie zogen daran vorbei, wandten sich, dem Verlauf der Ufer folgend, nach Westen und gelangten gegen Mittag zum Kap Arnaútis, jener Landzunge, die sich am weitesten westlich in die See schob.

Hier ließ Henry die Schebecke auf Rufweite heransegeln und hielt eine kurze Absprache mit Selim.

Selim betrat mit ziemlich überlegener Miene das Achterdeck seines Schiffes und spähte unter seiner rechten Hand, mit der er die Sonnenstrahlen abschirmte, zur „Jane“ hinüber.

„Was schlägst du vor, Selim?“ rief Mechmed, der sich wieder als Übersetzer betätigte, auf arabisch. „Wo sollen wir weitersuchen?“

„Ich kenne Zypern!“ schrie Selim zurück. „Der einzige Hafen, den die Hundesöhne anlaufen könnten, wäre Paphos.“

Mechmed übertrug dies ins Spanische, und Lord Henry, der neben ihm auf dem Quarterdeck der „Jane“ stand, sagte: „Wo liegt Paphos?“

Mechmed wandte sich wieder an Selim, und kurz darauf wußte Henry, daß sie den Hafen Paphos rund vierzig Meilen weiter südlich an der Westküste Zyperns vorfinden würden.

„Aber Killigrew könnte sich auch nach Osten gewandt haben!“ gab er zu bedenken.

„Das glaube ich nicht!“ rief Selim zurück. „Sein ursprünglicher Kurs lag nach Süden an, vergiß das nicht, Lord Henry! Bevor es zum Gefecht kam, segelte er direkt nach Süden, und er hätte die Westküste von Zypern passiert!“

„Du meinst, er will nach Nordafrika?“

„Vorstellen könnte ich es mir!“

„Was gibt es dort zu holen?“

„Nicht sehr viel mehr als Sand, aber Allah allein weiß, was ihn dorthin treibt!“ schrie der Türke. „Doch das soll nicht unsere Sorge sein! Laufen wir Paphos an, Henry, du wirst sehen, ich habe recht! Wahrscheinlich versucht der Bastard dort, seine Gefechtsschäden auszubessern und ein wenig Wasser und Proviant an Bord zu nehmen!“

„Gut!“ rief Henry ihm zu. „Ich bin einverstanden! Übernimm du jetzt die Führung!“

Selim verließ ohne ein weiteres Wort das Achterdeck und gab seinen Männern die erforderlichen Befehle. Etwas später glitten die beiden Schiffe wieder an der Küste entlang. Der anhaltend frische Wind aus Nordwesten blähte ihre Segel auf und verlieh ihnen gute Fahrt.

Paphos, dachte Lord Henry, ein Hafen, ein Markt, eine Absatzmöglichkeit für jede Art von Ware – das kommt meinen Plänen entgegen. Er blickte zu Tim Scoby, und Scoby grinste.

Er hatte schon begriffen, was in Henrys Geist vorging.

Noch vor Einsetzen der Dunkelheit langten sie in Paphos an. Selim führte die Verhandlungen mit den beiden Abgesandten des Hafenkapitäns, die zur Kontrolle mit einer Pinasse übersetzten. Er gab sich als türkischer Kauffahrer aus, der von seinem englischen Handelspartner begleitet wurde, und erklärte, daß sie am nächsten Tag große Einkäufe auf dem Markt von Paphos tätigen wollten. Die Kontrolle verlief schon in ihren Ansätzen lax, und die letzten Vermutungen der Delegierten, man führe sie vielleicht gewaltig an der Nase herum, wurden durch einen kleinen Beutel mit Perlen ausgeräumt, die Selim ihnen als „Gastgeschenk“ für den Hafenkapitän überreichte.

Selbstverständlich würden die Abgesandten den Beutel für sich behalten, statt ihn an ihren Vorgesetzten auszuhändigen, das war sozusagen Ehrensache. Genauso sicher war Selim aber auch, daß sie vorerst die Perlen nicht als die Fälschungen erkennen würden, die diese in Wirklichkeit waren.

Zufrieden verließen die Zyprioten die Schebecke. Der Weg in den Hafen stand der „Grinta“ und der „Cruel Jane“ offen.

Gemächlich lavierten sie in der zunehmenden Dunkelheit zwischen den auf der Reede liegenden großen und kleinen Segelschiffen dahin, auf der Suche nach einem geeigneten Ankerplatz.

Selim nahm fest an, daß sich auf diesen Kauffahrern und Abenteurerschiffen – es waren Levantiner, Afrikaner, Griechen, Venezianer, Genuesen, Spanier und Portugiesen – die eine oder andere Besatzung befand, die mit ihm und seinen Männern schon Bekanntschaft geschlossen hatte. Viele Schiffe hatte Selim zwischen der Türkei, Zypern, Kreta, dem Libanon und Syrien überfallen. Doch jetzt, im ersterbenden Licht, war es unwahrscheinlich, von irgend jemandem als der entlarvt zu werden, der er tatsächlich war.

Lord Henry, der mit seiner Galeone näher an die Schebecke herangerückt war, hatte in dieser Beziehung weniger zu befürchten. Nie zuvor war er mit seiner Mannschaft so weit ins östliche Mittelmeer vorgedrungen. Er war vorher nur bis nach Sizilien gesegelt, um Fischerdörfer zu plündern und weiße Frauen als Sklavinnen an Bord seines Schiffes zu holen, aber hier – wer sollte ihn hier schon wiedererkennen?

Henry stand auf dem Achterdeck und blickte zu den weißen Häusern des Hafenviertels, hinter deren Fassaden sich – nur noch schwach zu erkennen – andere Bauten erhoben und die Hänge der Hügel emporzustreben schienen, die im Landesinneren hochwuchsen. Hier und dort flammten Lichter auf. Von den Hafenanlagen her waren jetzt bereits die Stimmen von Menschen zu vernehmen. Eine seltsame Duftmischung von Salz, Teer, Rauch und Fisch lag in der Luft.

Scoby und Dark Joe traten neben Henry. Codfish befand sich wieder im Großmars und hielt nach wie vor die Augen nach allen Seiten offen.

„Richtig orientalisch“, sagte Tim Scoby. „Hier müßte Dalida sich doch eigentlich wohl fühlen. Hier ist sie fast zu Hause.“

„Still“, warnte Henry. „Sie könnte uns hören.“

„Sie sitzt in ihrer Kammer“, brummte Dark Joe, „und versteht kein Wort.“

„Unterschätzt sie nicht“, sagte Lord Henry. „Sie hat ausgezeichnete Ohren und versteht inzwischen schon mehr Englisch, als ihr vielleicht denkt.“

„Ja, sie lernt schnell“, meinte nun auch Tim Scoby. „Wann bringen wir sie an Land? Und wann schaffen wir die verfluchten Berber von unserem Schiff?“

„Noch heute nacht.“

„Da wäre nur ein Problem, das mir eingefallen ist“, murmelte Dark Joe. „Wenn Mechmed weg ist, haben wir keinen Dolmetscher mehr, um mit Selim zu sprechen.“

„Auch auf Selim können wir bald verzichten“, meinte Henry. Er wollte gerade weiterreden, da gab Codfish über ihren Köpfen einen gedämpften Ruf von sich.

„Galeone an Steuerbord“, sagte er so laut, daß sie ihn gerade noch verstehen konnten. „Das ist Killigrews Schiff! Wir haben ihn!“

Tim Scoby dämpfte seinen Optimismus. „Mann, Codfish, siehst du denn nicht, daß er eine französische Flagge führt?“ rief er halblaut zum Großmars hinauf.

„Doch, aber …“

„Und er hat auch keine Drehbassen auf der Back und auf dem Achterdeck“, stellte Dark Joe nüchtern fest. „Also hast du dich getäuscht. Wäre ja auch zu schön gewesen.“

„Manchmal benehmt ihr euch wie die Narren“, sagte Henry verächtlich. „Killigrew wird seine Gründe haben, warum er hier nicht erkannt werden will. Er hat sich als Franzose getarnt und vorsichtshalber die Drehbassen abmontieren lassen. Aber seht euch die Galeone genau an. Hat sie nicht auffallend hohe Masten und niedrige Aufbauten? Ich will verdammt sein, wenn das nicht die ‚Isabella‘ ist.“

„Verflucht, es ist kaum noch was zu erkennen“, sagte Scoby. „Wir müssen schon näher an ihn heran, wenn wir ganz sicher sein wollen.“

„Es ist kein Ausguck in seinem Mars!“ meldete Codfish. „Ich schätze, er hat uns noch nicht richtig bemerkt. Seine Deckswache scheint zu schlafen – oder der Großteil der Besatzung ist an Land, und der Rest besäuft sich unter Deck.“

„Um auf den Sieg über uns anzustoßen“, sagte Lord Henry grimmig. „Aber die Freude verderben wir den Hunden. Nutzen wir unsere Chance aus, und pirschen wir uns mit den Booten an ihn heran.“

„Sofort?“ fragte Dark Joe.

„Sofort. Gebt Selim ein Zeichen, damit er Bescheid weiß.“

Lord Henry bemannte seine beiden Beiboote. Selim, Dobran, Firuz und fünf andere Männer der „Grinta“ schlossen sich ihnen mit einem dritten Boot an, nachdem die Schebecke genau wie die Galeone auf der Reede vor Anker gegangen war.

Es fiel ihnen nicht schwer, sich an die mutmaßliche „Isabella“ heranzupirschen. Auf der Reede herrschte ein beständiges Auf und Ab von Booten und kleinen Segelschiffen, Leute gingen an Land, Leute kehrten an Bord ihrer Schiffe zurück. Die Piraten mischten sich unter sie und gelangten auf diese Weise ungehindert und offenbar auch völlig unbeobachtet zum Heck der Galeone.

Kein Namenszug stand auf dem Heckspiegel des großen Dreimasters, genau wie bei der „Isabella“ des Philip Hasard Killigrew. Henry, der vor Selim als erster am Ruderblatt aufenterte, glaubte auch zu erkennen, wo die Lecks, die sie dem Feind im Gefecht beigebracht hatten, repariert worden waren.

Nur die Achterlaterne der Galeone brannte, in der Kapitänskammer herrschte Dunkelheit. Diese Tatsache verstärkte die Annahme der Freibeuter, der größte Teil der Mannschaft könne sich an Land befinden, höchstwahrscheinlich, um sich in den Spelunken und Bordellen des Hafenviertels von Paphos auszutoben. Stimmen waren nirgends an Bord zu vernehmen, es herrschte Totenstille.

Henry kletterte über die Balustrade der Heckgalerie und näherte sich der Tür, die von außen in die Kapitänskammer führte. Er fand sie unverschlossen vor. Sehr unvorsichtig, dachte er, Killigrew, du bist dieses Mal zu übermütig.

Selim schloß sich ihm an, als er die Tür öffnete und in den dahinterliegenden Raum schlüpfte. Scoby und Dark Joe krochen eben über die hölzerne Brü-stung, dann stiegen auch Dobran und Firuz auf die Galerie.

Vorsichtig tasteten sich Henry und Selim durch die Kammer des Kapitäns voran. Sie forschten nach der Tür, die zum Achterdecksgang führte. Von dort aus würde es ihnen ein leichtes sein, aufs Hauptdeck zu gelangen und das gesamte Schiff zu besetzen und zu vereinnahmen. Besser konnte es nicht kommen, größer konnte Lord Henrys und Selims Triumph über die verhaßten Korsaren nicht sein.

Tim Scoby und Dark Joe befanden sich jetzt auch in der Kammer. Henry hatte soeben die gesuchte Tür entdeckt – da flammte Licht auf. Sie fuhren herum und griffen zu ihren Waffen.

Zu spät! In der Raumecke der Backbordseite standen drei Männer, und jeder hielt zwei Pistolen auf die Eindringlinge gerichtet. In ohnmächtiger Wut erkannte Henry, daß er in eine Falle getappt war.

Die Fremden hatten das Licht derart rasch zu entzünden vermocht, weil sie sich eines Tricks bedient hatten, der ebenso simpel wie wirkungsvoll war: Über eine bereits brennende Öllampe hatten sie für kurze Zeit einen Holzkübel gestülpt, dessen glatter Rand sauber und fugenlos mit den Planken abschloß. Die Luft im Kübel reichte lange genug aus, um die kleine Flamme der Lampe nicht zum Erlöschen zu bringen. So hatte der eine Mann, der jetzt mit zwei Miqueletschloß-Pistolen auf Scoby und Dark Joe zielte, nur schnell den Kübel anzulüften brauchen, um für die gewünschte Helligkeit zu sorgen.

Der Anführer des Trios und Kapitän des Schiffes indes schien der größte der drei zu sein, der durch eine zwar phantasievolle, in vielen Details aber der Uniform französischer Kapitäne ähnelnde Kleidung hervorstach.

Dieser Mann hatte dichte schwarze Haare und ein glattes, sonnengebräuntes Gesicht. Der Blick seiner dunklen Augen strafte eine gewisse Weichheit in seinen Zügen Lügen: Er war ein durch und durch harter Mann, couragiert und entschlossen, zu keinem Kompromiß bereit.

Oder?

„Verdammt und zugenäht!“ keuchte Dark Joe entsetzt. „Wir haben uns doch getäuscht. Es ist nicht das Schiff des Seewolfs.“

Der große, gutaussehende Mann in der Phantasieuniform trat hinter ihn und stieß ihn zu Tim Scoby, der schon fast Henry erreicht hatte. Dann drückte er die Tür zu und verriegelte sie.

Draußen hieben Dobran, Firuz und die anderen nachdrängenden Männer mit ihren Fäusten gegen das Holz der Tür.

„He!“ sagte Codfish laut. „Was soll denn das, Henry? Ist das ein fauler Scherz, oder was ist los?“

„Engländer?“ fragte der Kapitän der Galeone auf französisch. „Leider spreche ich Ihre Sprache nicht, Messieurs.“ Er entfernte sich wieder aus der Nähe der Tür für den Fall, daß einer der Draußenstehenden auf die Idee verfiel, einen Schuß auf den Riegel abzufeuern. Er blickte zu Lord Henry. „Verstehen Sie mich, mon ami? Nein?“

„Nein“, antwortete Henry und fuhr auf spanisch fort: „Aber vielleicht können wir uns auf spanisch unterhalten.“

„Unterhalten?“ fragte der Franzose in reinem Kastilisch. „Bueno, sehr gut. Ich hoffe, wir können das kleine Mißverständnis beseitigen und eventuelle Auseinandersetzungen verhindern.“ Seine Augen wurden plötzlich schmal. „Sie haben uns überfallen und wollten uns ausplündern, aber zum Glück hatten wir von Anfang an, seit Ihrem Auftauchen, ein waches Auge auf Sie. Vorsichtshalber verhielten wir uns ruhig und …“

„Hören Sie, Capitán“, fiel Henry ihm ins Wort. „Unser Unternehmen galt gar nicht Ihnen.“

Kalt sagte der Franzose: „Das hat mir schon mal jemand gesagt, der von meinem Schiff fasziniert war und es sich unter den Nagel reißen wollte. Heimlich stieg er an Bord, aber jetzt lebt er leider nicht mehr.“

„Henry, Tim, Joe!“ rief Codfish auf der Galerie. „Wir brechen jetzt die Tür auf!“

Der Franzose sah immer noch Lord Henry an. „Was immer der Mann dort draußen plant, überzeugen Sie ihn davon, daß es sinnlos ist. Überzeugen Sie ihn schnell, denn wenn er noch länger so herumschreit, ist es mit meiner Geduld gleich vorbei.“

„Codfish“, sagte Henry. „Verhaltet euch ruhig. Unternehmt nichts.“

„Was ist passiert?“

„Wir haben eben Bekanntschaft mit der Schiffsführung geschlossen“, sagte Henry nicht ohne Galgenhumor. „Aber es könnte sein, daß wir uns einigen.“

„Herrgott, Henry …“

„Bleibt da draußen stehen, und rührt euch nicht vom Fleck, verdammt noch mal!“ rief Henry.

Der Franzose hob seine rechte Pistole – ein kostbares Radschloßmodell – noch ein wenig höher und zielte jetzt auf Henrys Stirn. „Wenn das ein fauler Trick ist, um uns reinzulegen, gibt es Zunder. Leider verstehe ich kein Wort Englisch, wie ich schon sagte. Und ich würde es auch bedauern, wenn es hier, im Hafen von Paphos, tatsächlich eine Schießerei geben sollte. Ich habe nämlich noch das eine oder andere in diesem gastlichen Städtchen vor, aber das kann ich nur in die Tat umsetzen, wenn ich mich ganz ruhig und gesittet verhalte.“ Plötzlich wurde der Ton seiner Stimme wieder frostig. „Falls einer von euch aber Widerstand leistet, zögere ich nicht, euch der Reihe nach umzulegen.“

Lord Henry räusperte sich. Es war eine höchst unangenehme Sache, auf so kurze Distanz direkt in die Mündung einer Pistole blicken zu müssen.

„Señor Capitán“, sagte er. „Ich meine es ehrlich. Soeben habe ich meinen Männern den Befehl gegeben, sich still zu verhalten. Sie können eine Stunde warten, daß etwas geschieht – sie werden sich nicht bewegen.“

Der Franzose warf einen Blick durch die Bleiglasfenster ins Freie. Hätte Codfish ihn durch einen Schuß erledigen wollen, so wäre dies jetzt die beste Gelegenheit gewesen, denn er stand genau auf der anderen Seite und sah den großen, dunkelhaarigen Mann in aller Deutlichkeit vor sich.

Mit einem kleinen Ruck wandte sich der Franzose wieder zu Henry um. „Es scheint zu stimmen, was Sie sagen, denn sonst wäre ich jetzt vielleicht schon ein toter Mann.“

„Mut haben Sie, das muß man Ihnen lassen.“

„Was wollten Sie also hier, auf der ‚Sans Pareil‘?“ fragte der Franzose. Er schien sich durch Henrys Bemerkung nicht im geringsten geschmeichelt zu fühlen.

„Wir suchen Philip Hasard Killigrew, den Seewolf“, erklärte Henry. „Wir sind seit den Kapverdischen Inseln hinter ihm her und haben ihn quer durchs Mittelmeer verfolgt, von den Balearen über die Toskana und Kampanien bis nach Rhodos. Gestern haben wir seine Spur endlich wiedergefunden, aber dann ist er uns wieder entwischt, und so suchen wir ihn jetzt auf Zypern.“

Der Franzose stieß einen überraschten Pfiff aus. „Den Seewolf? Ja, ist denn das die Möglichkeit? Ausgerechnet in dieser Ecke der Welt soll er herumspuken? Nun, ich habe schon von seiner ‚Isabella‘ gehört – und von all den tolldreisten Raids, die er durchgeführt haben soll. Manchmal ist er auch mit Jean Ribault zusammen, einem Landsmann von mir, wie ich vernommen habe, aber das wohl vorwiegend in der Karibik.“

„Diesen Ribault kenne ich nicht“, sagte Lord Henry. „Aber eines solltest du dir merken, Amigo: Dein Schiff sieht der ‚Isabella‘ verdammt ähnlich.“

„Du bist nicht der erste, der dies sagt.“

„Gibt es in Paphos viel zu holen?“

„Warum willst du das wissen?“

„Ich habe dir etwas vorzuschlagen“, sagte Henry. „Einen ausgezeichneten Vorschlag, den du dir anhören solltest. Übrigens – mein Name ist Lord Henry.“

„Lord? Ist das nicht ein hoher englischer Adelstitel?“

„Ja“, antwortete der Freibeuter und lachte. „Ich habe ihn mir selbst verliehen, damit die, die mit mir zu tun gehabt haben, mich nicht wieder vergessen.“

„Und wie lautet dein Nachname?“ erkundigte sich der Franzose, der sehr bereitwillig auf das von Henry angestimmte Du einzugehen schien.

„Den kennt keiner – nicht einmal ich selbst.“

„Nun gut. Ich heiße Fernand Marciaux. Um deine Frage zu beantworten: Ich brauche dringend Proviant, Wein und andere Kleinigkeiten, die ich mir hier zu holen gedenke.“

„Ohne dafür zu bezahlen?“

„Versteht sich.“

„Du bist also kein biederer Kauffahrer?“

„Gott bewahre. Aber das hast du dir sicher schon gedacht. Heute nacht gehen meine Männer und ich an Land. Wir haben vor Zypern schon ein wenig Thunfisch aufgetrieben, ein kleiner Überfall, zu dem wir die französische Flagge gehißt hatten. Aber du begreifst, daß wir nicht nur von Fisch leben können.“

„Allerdings. Es gibt Besseres“, sagte Henry. „Und was der Seewolf an Bord seiner Galeone hat, ist mehr wert als Brot, Fleisch und Wein. Läßt dich das nicht neugierig werden?“

„Und ob.“

„Aber was verbindet dich mit diesem Ribault?“

„Nichts, rein gar nichts. Ich halte es weder mit ihm noch mit Killigrew, wenn es das ist, was du meinst.“

Lord Henry tat einen Schritt auf ihn zu. „Killigrew hat Schätze an Bord: Gold, Silber, Perlen und Diamanten von unermeßlichem Wert. Mein Freund Selim und ich könnten noch einen dritten Verbündeten brauchen.“

„Um den Seewolf rund um Zypern zu suchen und zu stellen?“

„Genau das, Marciaux.“

Der Franzose steckte seine Pistolen weg und gab seinen Männern ein Zeichen, seinem Beispiel zu folgen. Dann streckte er Henry die Rechte entgegen. „Wenn das so ist, sind wir uns schon jetzt einig, Lord Henry. Wir sind mit von der Partie.“

Lächelnd ergriff Henry die ihm dargebotene Hand und drückte sie. Er hatte einen Mitstreiter gefunden, einen Beutejäger und Galgenstrick von erstklassigem Format.

Seewölfe Paket 13

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