Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 42

6.

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Sobald ihre Einteilung zum Decksdienst es zuließ, suchten die Zwillinge wieder die Kammer im Achterkastell auf und unterhielten sich von neuem mit dem alten Mann – dieses Mal mit einem besseren Ergebnis.

Er saß aufrecht in seiner Koje und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Gesichtsfarbe war jetzt nicht mehr talgig, sondern von einem blassen rötlichen Schimmer beherrscht. Er redete aufgeregt auf die Zwillinge ein und versuchte immer wieder, ihnen durch Handzeichen zu erklären, was seine Worte bedeuteten.

Sie sprachen weiterhin türkisch mit ihm, gaben sich aber Mühe, die Begriffe und Redewendungen seines eigentümlichen Dialekts zu erlernen und zu gebrauchen. Was dabei herauskam, war eine mit vielen Umlauten und zungenbrecherischen Worten gewürzte Sprache.

Der Kutscher verließ die Kammer und ging auf die Kuhl, um dem Seewolf Bescheid zu geben.

Es ging auf Mitternacht zu. Der Himmel über der „Isabella“ war von samtenem Schwarz, winzige Sterne funkelten und verkündeten, daß es so rasch keinen Wetterumschwung geben würde. Die Mondsichel jedoch war für kurze Zeit hinter einer kleinen Wolkenbank verschwunden. Nach wie vor wehte der Wind frisch bis steif aus Nordwesten und drückte die „Isabella“ auf ihrem neuen Kurs Südosten direkt auf die Insel Zypern zu, die jetzt nicht mehr fern sein konnte.

Geschäftig eilten die Männer auf der Kuhl, dem Achterdeck und der Back auf und ab. Das Hämmern und Sägen, Hobeln und Feilen überdeckte das Flü-stern des Windes in den Luvwanten und Pardunen fast völlig. Alle Schäden am Schanzkleid und an Deck wurden ausgebessert, die Gefechtsstationen mußten aufgeklart werden, und für den Fall eines neuen Zusammenstoßes mit Henry und Selim war es nur ratsam, schon jetzt wieder mit der Herstellung von Pulverpfeilen und Höllenflaschen zu beginnen. Kurz: Es gab alle Hände voll zu tun.

Der Seewolf verließ das Achterdeck und trat zum Kutscher.

„Nun?“ fragte er. „Unserem Patienten geht es schon wieder besser, nicht wahr? Ich sehe es deiner zuversichtlichen Miene an, Kutscher. Deine Essenzen und Mixturen haben eben mal wieder ihre Wirkung getan.“

„Ach wo“, sagte der Kutscher mit einem Anflug von Verlegenheit. „Wenn sein Herz tatsächlich so altersschwach gewesen wäre, wie ich ursprünglich annahm, hätte auch die beste Arznei nichts genützt. Ich dachte, die Aufregung über das Gefecht würde ihm einen neuen Schock versetzen, aber auch da habe ich mich getäuscht.“

„Er hat es gelassen aufgenommen?“

„Gelassen nicht gerade. Als wir mit Lord Henry und Selim voll im Getümmel lagen, wollte er dauernd seine Koje verlassen und auf die Kuhl laufen, aber nicht, um zu fliehen. Aus der Art, wie er auf mich einredete, ließ sich eher schließen, daß er mitkämpfen wollte.“

„Na, nun übertreibe mal nicht.“

„Sir, ich habe ein untrügliches Gefühl für so was. Zwar hab ich die Tür der Kammer abgeschlossen, damit er nicht rauskonnte, aber Angst hatte er nicht mehr – eher Vertrauen zu uns, das versichere ich dir.“

„Du hast mich neugierig gestimmt“, sagte Hasard. „Auf zu unserem Freund! Vielleicht bringen wir ja jetzt ein bißchen Licht in das Geheimnis, das ihn umgibt.“

Sie betraten die Kammer in der Hütte, und sofort hob der Alte die Hände und sprach wie beschwörend auf Hasard ein.

„Was sagt er?“ wollte der Seewolf von seinen Söhnen wissen.

„Daß er uns grenzenlos dankbar ist, weil wir uns mit Henry und Selim geschlagen haben“, antwortete Philip junior. „Er bittet, seinen Fehler von vorhin zu entschuldigen. Er wird nicht mehr zu fliehen versuchen und auch nicht mehr schreien, denn er weiß jetzt, daß wir ihm nur helfen wollen.“

„Er kennt also Lord Henry und den Türken?“

„Offenbar nicht“, erwiderte Hasard junior.

Sein Vater stemmte die Fäuste in die Seiten. „Drückt euch gefälligst deutlich aus, ihr Flöhe, oder es gibt ein Donnerwetter. Was nützt es mir, wenn ihr in Rätseln sprecht?“

„Dad, Sir!“ rief Philip. „Wir kommen ja selbst noch nicht mit ihm klar.“

„Aber ihr versteht, was er sagt?“

„So ziemlich“, entgegnete Hasard junior.

„Dann fragt ihn doch zuallererst, was ihn so weit auf die See hinausgetrieben hat und von wem er überfallen wurde.“

Die Jungen nickten, sahen sich an, und dann ergriff Philip wieder das Wort. „Er hat uns folgendes erzählt, Dad: Er ist ein Fischer aus Pomos, das im Nordwesten Zyperns liegt. Am frühen Morgen lief er mit seiner Tartane aus, um Thunfische zu fangen.“

„Allein?“

„Allein – und gegen den Willen seiner Familienangehörigen. Er scheint ein richtiger Dickschädel zu sein, einer, der noch nicht zum alten Eisen zählen will.“

Der Kutscher mußte unwillkürlich lächeln. „Erstaunlich, wie sich die Dinge im Leben oft gleichen. Wenn ich an ein gewisses älteres Rauhbein an Bord unseres Schiffes denke …“

„Kutscher“, fiel der Seewolf ihm ins Wort. „Zum Philosophieren ist jetzt keine Zeit. Deine Überlegungen sind sicher wertvoll, aber du sparst sie dir am besten für später auf.“

„Aye, Sir“, sagte der Kutscher grinsend.

Hasard betrachtete das Antlitz des alten Mannes – ein Gesicht wie eine Landschaft, von unzähligen Furchen durchzogen. Lebhaft bewegten sich die dunklen Augen in ihren Höhlen, sie wirkten um Jahrzehnte jünger. Sie drückten Kühnheit und Entschlossenheit aus, Scharfsinn und Erfahrung.

„Ja“, sagte Hasard. „Er scheint mir ein gewitzter Kerl zu sein. Fragt ihn doch mal, ob er einen guten Fang gehabt hat.“

Hasard junior erklärte: „Das haben wir auch schon getan. Er hat am Vormittag so viele Thunfische an Bord seines Bootes gezogen wie nie zuvor in seinem Leben. Er muß einen gewaltigen Schwarm aufgestöbert haben, so groß, daß er nur einen Teil davon in sein Netz kriegen konnte.“

„Trotzdem hat er eine beachtliche Leistung vollbracht“, sagte der Seewolf. „Thunfische können nämlich kräftig zappeln und auch tüchtig zubeißen. Manche werden so groß wie ausgewachsene Haie. Aber jetzt weiter. Wer jagte ihm die Fische wieder ab?“

„Eine Galeone näherte sich ihm von Osten – kurz nach der Mittagsstunde“, wußte Philip junior zu berichten. „Offenbar brauchte der Kapitän einen Rat, er schien sich versegelt zu haben. Jedenfalls las der Alte dies – sein Name ist übrigens Kambos – aus den Zeichen, die der Ausguck ihm vom Großmars der dreimastigen Galeone aus gab.“

„Und folglich ging Kambos arglos bei der Galeone längsseits?“

„Ja. Ein paar Männer enterten zu ihm in die Tartane ab. Plötzlich brachten sie Handspaken zum Vorschein und hieben damit auf ihn ein. Er wehrte sich verzweifelt, aber das nützte ihm nichts. Er brach zusammen. Seine Brust wollte vor Schmerz zerreißen, wie er sagt, und sein Kopf dröhnte entsetzlich“, erwiderte Philip.

„Jetzt wird mir alles klar“, sagte der Seewolf. „Der Kapitän der Galeone, dieser Lump, brauchte dringend frischen Proviant. Er holte ihn sich und überließ den armen Alten seinem Schicksal. Als Kambos wieder zu sich kam, dachte er, er wäre an Bord der fremden Galeone gelandet.“

„So ist es!“ stieß Hasard junior erregt hervor. „Aber nach seinem gescheiterten Fluchtversuch sah er seinen Irrtum ein. Als wir ihm jetzt Lord Henrys ‚Cruel Jane‘ beschrieben, dachte er, Henry sei der Übeltäter gewesen, der ihm den Thunfisch abjagte.“

„Unmöglich“, sagte sein Vater. „Henry und Selim segelten von Norden heran, nicht von Osten. Sie können dem Alten nicht vor uns begegnet sein, es sei denn, sie vermögen mit ihren Schiffen zu fliegen.“

Der Kutscher sagte: „Diese Möglichkeit würde höchstens Donegal einräumen, schätze ich.“

Der Seewolf setzte sich zu Kambos auf den Rand der Koje. „Allerdings. Folglich muß es sich bei den Fischräubern um Leute handeln, die auch wir nicht kennen. Dies müssen wir unserem Freund hier auf jeden Fall beibringen. Philip und Hasard, ich will außerdem eine genaue Beschreibung der fremden Galeone und ihrer Besatzung haben, man weiß nicht, wozu sie uns noch dienen kann. Traut ihr euch das zu?“

„Aber sicher doch, Sir“, sagte Philip junior.

„Dann los.“

Der alte Mann lächelte und streckte dem Seewolf seine Hand entgegen. Hasard nahm sie an und drückte sie. Es war eine harte und knochige Hand, ans Zupacken gewöhnt.

Hasard sah Kambos in die Augen und sagte: „Na endlich, wir verstehen uns jetzt also.“

Am frühen Morgen des 18. Dezember 1591 erreichten sie Pomos, doch ohne Kambos’ Hilfe wäre es ihnen nie gelungen, in die kleine, jedoch erstaunlich tiefe Bucht zu manövrieren, die sich vor dem Fischerdorf ausdehnte. Kambos war wieder auf den Beinen und betätigte sich seit dem Passieren des Kaps Kormakitis als Lotse.

Dichter Nebel breitete sich im Erwachen des neuen Tages schwadenweise über der See aus, doch der Mann von Zypern geleitete die „Isabella“ sicher an allen der Küste vorgelagerten Riffen vorbei und dann durch die schmale Einfahrt in die schützende Bucht.

Unweit der hölzernen Piers, an denen die Boote der Fischer vertäut waren, ging die „Isabella“ vor Anker. Dann begaben sich Hasard, Ben Brighton, Shane, Smoky und der Profos mit Kambos an Bord der Tartane an Land.

Kambos’ Rückkehr wurde von den Dorfbewohnern wie ein Wunder gefeiert. Man hatte ihn bereits für verschollen gehalten, denn jegliche Suche vor der Küste hatte am Vortag erfolglos abgebrochen werden müssen. Übergroß war daher die Freude der Familienangehörigen und der Nachbarn. Hasard und seine Männer wurden von einem Haus ins andere eingeladen, und die Männer, Frauen und Kinder überschütteten sie mit ihrer Herzlichkeit und Gastfreundschaft.

Hasard nahm die Gelegenheit wahr, um frischen Proviant, Wein und Wasser zu kaufen, die wenig später zur „Isabella“ hinübergeschafft und in den Vorratsräumen verstaut wurden. Als es jedoch ans Bezahlen ging, lehnte Kambos, der in seinem Dorf großen Einfluß zu haben schien, jedes Entgelt kategorisch ab.

Dennoch gelang es Hasard, sich zu revanchieren. Er ließ Tauwerk, Schießpulver, Munition und ein paar Waffen ins Dorf bringen, Dinge, die die Zyprioten zweifellos gut gebrauchen konnten. Sie waren nicht nur Fischer, sondern auch Jäger, wie er durch seine Söhne von Kambos erfahren hatte.

Die Männer des Dorfes Pomos stiegen in ihre Boote und halfen bei den Außenarbeiten an der „Isabella“ mit, sobald sich der Nebel etwas verzog und Ferris, der mit seinen Helfern in eine Jolle abgeentert war, genug erkennen konnte.

So wurde die „gute alte Lady“, wie die Seewölfe ihr Schiff gelegentlich zu nennen pflegten, wieder vollständig instand gesetzt.

Bei den Gesprächen, die dank der Dolmetschertätigkeit der Zwillinge mit den Menschen von Pomos geführt werden konnten, kriegte der Seewolf schließ-lich auch noch heraus, daß die Dreimast-Galeone, die den alten Kambos überfallen hatte, am vorhergehenden Tag nahe der Küste gesichtet worden war. Die Beschreibung des Schiffes entsprach genau der, die auch Kambos gegeben hatte: Es handelte sich um einen Segler von etwa 300 Tonnen Größe, mit relativ hohen Masten und recht flachen Aufbauten.

„Hol’s der Henker“, sagte der Profos, als er dies vernahm. „Mit anderen Worten, der Kahn ähnelt unserer ‚Isabella‘. Nun sag bloß noch, er ist ein Engländer, Sir.“

„Das wohl nicht. Die Flagge, die er führt und die von den Zyprioten in seinem Großtopp gesehen wurde, hat andere Farben. Ich schätze, daß er ein Franzose ist.“

„Ein französischer Bastard, der einem hilflosen Alten den sauer verdienten Fang stiehlt“, sagte Ben Brighton. „Wer immer er ist, man sollte ihm deswegen mal kräftig auf die Finger klopfen.“

„Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit noch.“ Hasard sah seine Männer, die jetzt, als die Sonne mit voller Kraft zu strahlen begann, mit ihm bei den Piers standen, an und lächelte. „Die Fischer der Nachbardörfer im Westen haben den Leuten von Pomos erzählt, daß auch sie die Galeone beobachtet haben. Offenbar will sie – immer auf der Suche nach Beute – die Insel im Westen runden. Da an Bord Proviantmangel herrscht, könnte es aber auch gut angehen, daß sie Paphos, den größten Hafen an der Westseite Zyperns, anläuft.“

„Und was tun wir, Sir, wenn man fragen darf?“ erkundigte sich Big Old Shane.

„Wir lichten noch heute, am frühen Nachmittag, den Anker und verlassen Pomos. Wir runden Zypern im Westen und segeln dann nach Süden.“

„Wieder in Richtung Nordafrika?“ fragte Smoky.

„Zur Mündung des Nils“, erwiderte der Seewolf. „Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir es nicht schaffen, unser Ziel nun bald ohne größere Zwischenfälle zu erreichen.“

Seewölfe Paket 13

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