Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 22

8.

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Lagios war von den Männern des Dorfes zum Anführer des starken Trupps gewählt worden, der sich von den Olivenhainen aus in Richtung Pigadia in Bewegung gesetzt hatte. Iris, Melania, Kanos und seine Schwestern sowie alle anderen Frauen und Kinder waren unter der Bewachung von vier mit Flinten bewaffneten Männern im sicheren Schutz der Berghütten zurückgeblieben.

Zwei Männer hatten sich vom Trupp entfernt und eilten über einen Schleichpfad, den nur sie, nicht aber Selims Piraten, kannten, zur Bucht hinunter. Ungesehen und unbehelligt gelangten sie in die Grotten, wo ihre Fischerboote vertäut lagen.

Es gab eine Strömung, die bei ablaufendem Wasser von den Grotten zur Mitte der Bucht verlief. Diese Drift wurde von den Fischern benutzt, wenn sie zum Fang ausliefen. Auf dem Rückweg nutzten sie bei Flut eine in entgegengesetzter Richtung verlaufende Wasserbewegung, um in die Grotten zurückzukehren.

Es war Ebbe, der Zeitpunkt für das Vorhaben also günstig.

Lagios’ Freunde drapierten Segel, Netze und andere Utensilien, die in den Booten lagen, so, daß es im Dunkeln aussehen mußte, als säßen Gestalten auf den Duchten. Dann lösten sie die Leinen der Boote und sahen zu, wie die Fahrzeuge langsam, wie von Geisterhand gelenkt, in die Bucht hinausliefen.

Dobran war gerade an Bord der „Grinta“ gegangen, um die für den Angriff auf die Galeone erforderlichen Befehle zu geben.

Die acht Frauen führten die Gruppe an. Hasard schritt als erster hinter ihnen her, dann folgten die anderen Männer der „Isabella“ im Gänsemarsch. Es ging über einen Trampelpfad bergauf, zwischen Sträuchern und Bäumen auf ein paar wenige glitzernde Lichtpunkte zu, die jetzt in den Felsen über ihnen zu erkennen waren.

„Ein sicherer Platz“, sagte Ferris Tucker zu seinem Kapitän. „Nach da oben verirrt sich wohl kaum jemand. Und wer sollte auch kommen?“

„Piraten vielleicht“, meinte Shane.

„Ach wo, für die gibt es in diesem Nest doch nichts zu holen“, sagte Carberry.

„Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, murmelte Old O’Flynn. „Die Sache will mir nicht gefallen. Sir, denk mal nach. Hier stimmt was nicht.“

„Aber was?“ fragte ihn der Seewolf.

„Das ist es ja“, zischte der Alte aufgebracht. „Ich grüble darüber herum, ich spür’s in allen Knochen, daß etwas höllisch am Stinken ist, aber mir fällt verdammt nicht ein, wo der Wurm steckt.“

„Mann, Donegal“, sagte Blacky. „Und wenn schon. Falls die Männer dieser Ladys hier mit Messern und Knüppeln über uns herfallen, erleben sie ihr blaues Wunder.“

„Ich glaube, sie meinen es ehrlich“, sagte Dan. „Und wir sind ganz üble Halunken, daß wir so argwöhnisch sind und ihre guten Absichten verkennen.“

Auch Jella und die anderen Frauen sprachen leise miteinander – in ihrer Muttersprache. Jella war zwar selbst nicht aus der Türkei, sprach aber fehlerfrei Türkisch und hatte sich den anderen angepaßt, die alle aus Anatolien und den Siedlungen des Taurus’ stammten.

Eine der Türkinnen, die mit Jella in der Mitte der Frauengruppe ging, fragte: „Verstehst du, was sie sagen, Jella?“

„Nein, sie sprechen jetzt wieder Englisch. Aber das soll uns nicht stören. Sie verstehen ja auch nichts von dem, was wir reden.“

„Selim wird mit uns zufrieden sein, nicht wahr?“

„Ganz bestimmt wird er das sein.“

„Aber glaubst du, daß diese Engländer tatsächlich Schätze an Bord haben?“

„Ich weiß nicht“, erwiderte Jella. „Vielleicht sind sie auch arme Hunde, aber das spielt keine Rolle. Wenn Selim ihnen allein ihr Schiff mit den vielen Kanonen und der Munition abnehmen kann, die sie garantiert an Bord haben, hat er schon genug gewonnen. Er ist seit langem darauf aus, eine große Galeone wie diese zu kapern. Mit drei Schiffen kann er noch kühnere Raubzüge unternehmen und sogar größere Häfen überfallen.“

„Ja. Aber mir würde es irgendwie leid tun, wenn Selim, Dobran und die anderen diese Männer hier allesamt töten würden“, sagte die Türkin. „Ich hätte lieber, daß sie sie gefangennehmen.“

Jella lächelte anzüglich. „Ich weiß schon, auf was du hinauswillst. Du würdest dich gern an den einen oder anderen dieser starken Burschen heranpirschen.“

„Du etwa nicht?“

„Der Schwarzhaarige mit den blauen Augen gefällt mir. Bestimmt ist er auch gut bewaffnet.“ Sie lachte leise. „Ja, ich würde ihn schon gern ausprobieren. Ich werde es Selim vorschlagen, die Engländer gefangenzunehmen und ebenfalls als Sklaven zu verkaufen.“

„Aber er soll sie nicht zu den Mädchen von Pigadia stecken, die wir in dem einen Haus eingesperrt haben.“

„So dumm wird er nicht sein. Keine Angst, ich passe schon auf. Diese Prachtkerle hier lassen wir uns doch von den schmutzigen kleinen Dorfweibern nicht wegnehmen.“

„Noch etwas“, flüsterte die Türkin ihr zu. „Der Goldschmuck, den Selim in den Häusern gefunden hat – ob er ihn wohl auch mit uns teilt?“

„Wahrscheinlich“, erwiderte Jella mit einer Grimasse. „Aber erwartet keine Wunderdinge. Er wird uns mit der üblichen Großzügigkeit behandeln – die Hälfte für ihn allein, zwei Drittel vom Rest für die Männer, und wir können uns um das raufen, was übrigbleibt.“

„Das ist nicht gerecht. Wir haben so manches Mal zum Gelingen seiner Überfälle beigetragen.“

„Ja. Aber für ihn sind Frauen nur halbe Menschen.“

„Auch, wenn sie bei ihm in der Koje liegen?“ fragte eine dritte hinter ihrem Rücken.

„Auch dann.“

„Er ist eine rohe Bestie“, murmelte eine vierte. „Ich hasse ihn.“

Jella senkte ihre Stimme. „Eines Tages reißen wir alles, was ihm gehört, an uns. Wir müssen uns nur einig sein.“

„Wir sind uns einig“, murmelten die anderen.

„Dann ist der Tag seines Unterganges nicht fern“, sagte Jella. „Wir können auch ohne ihn leben. Uns wird man überall mit offenen Armen aufnehmen.“

Weder sie noch die anderen sieben Frauen hatten bemerkt, daß die Zwillinge beim Klang ihrer Worte zu ihrem Vater aufgeschlossen hatten. Aufmerksam hatten Philip junior und Hasard junior die ganze Zeit über gelauscht.

Jetzt zupfte Philip junior seinen Vater am Ärmel.

„Junge“, sagte der Seewolf. „Ich habe dir schon mal erklärt, daß dies nicht die richtige Art ist, den Kapitän der ‚Isabella‘ anzusprechen.“

„Dad, Sir“, hauchte Philip. „Um Gottes willen, Verzeihung, aber wir haben dir was Wichtiges zu sagen – ohne daß diese – diese Frauenzimmer es merken.“

„Was furchtbar Wichtiges“, fügte Hasard junior hinzu. „Kannst du nicht mal ein Stück zurückbleiben?“

„Schießt los“, sagte ihr Vater. „Habt ihr verstanden, was sie gesprochen haben?“

„Ja“, erwiderten die beiden wie aus der Pistole geschossen.

„Also benutzen sie keinen Dialekt?“

„Sie sprechen Türkisch“, flüsterte Hasard junior. „Aber – Hölle und Teufel, Dad, vielleicht verstehen sie auch Englisch.“

„Nicht die Spur.“

„Ganz bestimmt nicht?“ fragte Philip junior zweifelnd. „Vielleicht hat diese Jella dich angelogen.“

„Moment mal“, sagte der Seewolf, in dessen blauen Augen jetzt die berüchtigten tausend Teufel zu tanzen begannen. „Das haben wir gleich.“ Er beugte sich leicht vor und sagte zu den Frauen, die ihm ihre Rücken zuwandten: „So, hereinlegen wolltet ihr uns also? In welche Falle lockt ihr uns denn? Soll ich euch kräftig den Hintern versohlen, oder rückt ihr freiwillig mit der Sprache heraus?“

Sie antwortete nicht und drehten sich nicht zu ihm um. Sie nahmen nach wie vor an, daß er sich mit seinen Männern unterhielt und seine Worte nicht für sie bestimmt waren.

Hasard grinste verwegen. „So, das war der Beweis. Und jetzt los, Jungs, spannt uns nicht länger auf die Folter. Über was haben sie sich unterhalten? Darüber, daß sie uns allen die Gurgel durchschneiden werden?“

„So ungefähr“, entgegnete Philip junior, dann begann er auf einen Wink seines Bruders hin Wort für Wort zu berichten, was Jella und die anderen getuschelt hatten.

Weder Jella noch die Türkinnen noch Selim selbst oder sonst jemand aus der Piratenbande, die Pigadia überfallen hatte, hätte auch nur im entferntesten geahnt, daß ausgerechnet die Zwillinge der türkischen Sprache perfekt mächtig waren. Was wußten sie denn auch von dem Schicksal, das den beiden schon kurz nach ihrer Geburt widerfahren war?

Lord Henry war in den Großmars seiner Galeone „Cruel Jane“ aufgeentert, zu Codfish, dem hageren Mann, der des öfteren als Ausguck fungierte. Im Osten krochen die ersten blassen Schleier des neuen Tages herauf, die Dämmerung kündigte sich an.

„Ich kann aber trotzdem noch nichts sehen“, sagte Codfish. „Weder die ‚Isabella‘ noch die Insel Rhodos.“

„Von der Insel sind wir nicht mehr weit entfernt“, sagte Henry und fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. „Die Entfernung von Karpathos nach Rhodos beträgt etwa vierzig Meilen, jedenfalls steht es so auf meiner Karte eingezeichnet. Diese Entfernung haben wir inzwischen fast zurückgelegt.“

„Bei dem Wind schon“, meinte Codfish. „Aber die Frage ist nun, ob Killigrew im Nachlassen des Sturmes es nicht doch vorgezogen hat, Rhodos zu meiden. Nur der Teufel weiß, wohin er überhaupt will.“

„Ich kriege ihn schon noch“, sagte Lord Henry voll Grimm. „Die Rechnung, die wir zu begleichen haben, ist zu groß.“

„Allerdings. Wir haben ja alle ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.“

„Den Schatz der Medici holen wir uns wieder, Codfish, verlaß dich drauf.“

Codfish schwieg, er war in diesem Punkt nicht so sicher. Henry verließ den Hauptmars und kehrte auf die Kuhl zurück, wo er Mechmed, den Berber, in finsterem Schweigen vorfand.

„Was hast du?“ fragte er ihn. „Gibt es für dich nichts zu tun? Ich habe dich nicht wieder an Bord genommen, damit du Maulaffen feilhältst.“

Mechmed richtete den düsteren Blick seiner jettschwarzen Augen auf Henrys Gesicht. „Ich habe von Dalida gehört, daß wir uns wieder mit diesem Engländer schlagen werden – diesem Seewolf. Ich sehe nicht ein, warum wir unser Leben riskieren sollen, nur damit du deine Rachepläne in die Tat umsetzen kannst.“

Henry reagierte gedankenschnell und für Mechmed völlig unerwartet. Er packte den Berber an seinemschwarzen Burnus, riß ihn zu sich heran und drückte ihn mit dem Rükken gegen den Großmast. „Mit anderen Worten, du willst dich vor einem Kampf drücken? Und deine vier Kumpane, diese Schakale, stehen ganz auf deiner Seite, was?“

In Mechmeds Augen flackerte Angst auf. „Das habe ich nicht gesagt.“

„Aber ich kann es mir denken. Weißt du, was das ist, du Hund? Das ist Meuterei. Und weißt du auch, was ich mit Meuterern tue?“

„Du knüpfst sie an der Rahnock auf“, antwortete Tim Scoby, der zu ihnen getreten war, an Mechmeds Stelle. „Mit solchen Kerlen fackeln wir nicht lange.“

„Nein!“ stieß Mechmed hervor. „Ich will nicht meutern. Ich wollte nur – meine Bedenken anmelden.“

„Wenn du Bedenken hast, hättest du nicht in Neapel zurück an Bord kommen sollen. Aber du warst ja so scharf darauf, mit uns zusammen den Schatz der Medici zurückzuerobern und daran beteiligt zu werden, nicht wahr?“

„Ich – wir gehören doch zusammen. Wir sind vollwertige Mitglieder deiner Mannschaft“, stammelte der Berber.

„Hör dir das an“, sagte Scoby zu Dark Joe, der jetzt mit zwei anderen Piraten ebenfalls interessiert näherrückte. „Mir kommen gleich die Tränen.“

„Seid still!“ fuhr Lord Henry sie an. Er blickte wieder Mechmed an, den er immer noch gegen den Mast gepreßt hielt. „Wage es nicht, so was noch mal zu sagen, du Wanze. Das nächste Mal lasse ich dich vor versammelter Mannschaft auspeitschen.“

„Jawohl, Sir.“

„Du wirst in jedem Gefecht voll deinen Mann stehen. Es war dir ja auch recht, den Levantiner zu überfallen. Da hattest du keinen Rückzieher vorgehabt.“

Mechmed schluckte. „Ich bereue meine Worte. Ich werde mich bessern. Zur Einsicht ist es nie zu spät.“

Wütend trat nun auch Scoby vor ihn hin. „Henry, laß mich nur eine Frage an diesen aalglatten Kerl stellen, nur eine.“

„Na los, Tim“, sagte Henry.

„Wer hat Reagan vor der toskanischen Küste in die See gestoßen, als wir mit dem Verband aus Livorno im Gefecht lagen? Wer war das?“

Mechmed sah ihn verblüfft an. „Ich weiß es nicht. Ich denke, Reagan wurde von der fallenden Rah erschlagen und außenbords gerissen.“

„Das denkst du? Aber befand sich Reagan später, bei der Schlacht in der Bucht von Elba, nicht plötzlich an Bord der ‚Isabella‘?“

„Nein, nein“, flüsterte der Berber. „Das ist doch gar nicht erwiesen.“

„Ich behaupte noch immer, Reagans Todesschrei gehört zu haben“, sagte Scoby. „Unsere eigenen Kugeln haben ihn getötet, glaube ich. Es will mir nicht aus dem Kopf. Schwöre, daß du an seinem Verschwinden keine Schuld hast, Mechmed.“

„Ich schwöre es“, sagte Mechmed hastig. „Bei allem, was mir heilig ist.“

„Dir ist nichts heilig“, brummte Scoby. „Dir glaube ich kein Wort. Ich bin immer noch nicht überzeugt, verstehst du? Halte dir das stets vor Augen. Ich beobachte dich, verlaß dich darauf.“

Über ihren Häuptern stieß Codfish plötzlich einen Ruf aus. „Ich sehe Land! Backbord voraus! Das kann nur Rhodos sein!“

„Ausgezeichnet.“ Lord Henry stieß den Berber von sich. „Los, hau ab nach vorn auf die Back, da müssen noch ein paar Fallen dringend klariert werden.“

Mechmed lief davon, froh, dem Griff des Piratenführers entwichen zu sein. Henry drehte sich zu Tim Scoby, Dark Joe und den beiden anderen Männern um. „Wegen der Sache mit Reagan unterhalten wir uns später noch, ich will endlich Klarheit haben. Jetzt sehen wir nach, ob sich Killigrew irgendwo am Ufer der Insel verkrochen hat. Wir runden sie im Westen und gehen dabei dicht unter Land, so daß uns keine Einzelheit entgehen kann.“

Er malte sich aus, wie es sein würde, wenn sie wieder mit den Männern der „Isabella“ zusammentrafen. Philip Hasard Killigrew ahnte ja nicht, daß es ihm, Henry, in Neapel gelungen war, sich aus der Affäre zu ziehen.

Don Gennaro hatte die Männer der „Cruel Jane“, zur Rechenschaft ziehen wollen, denn Henry hatte ihm eine dicke Lüge aufgetischt: Er hatte behauptet, der Seewolf und dessen Mannschaft wären spanische Spione. Gennaro hatte folglich einen Erzhaß auf die Seewölfe entwickelt und sich nur zu gern mit Henry gegen die vermeintlichen Feinde verbündet.

Dann aber hatte Killigrews Bootsmann den Piratenkönig von Neapel gefangengenommen und ihn über seinen Irrtum aufgeklärt. Gennaro, kaum wieder an Land gelassen, hatte sich auf Henry stürzen wollen, doch Henry und den anderen war es inzwischen gelungen, ein Boot zu besetzen und an Bord der „Cruel Jane“ zurückzukehren. Schleunigst hatte man den Anker gelichtet und war von der Reede des Hafens verschwunden.

Überall hatte Henry nach dem Seewolf gesucht – auf Sizilien, in Piräus und auf Kreta, weil er annahm, daß die „Isabella“ weiterhin östlichen Kurs segeln würde. Nun hatte er durch den dicken Levantiner die Bestätigung erhalten, daß seine Annahme richtig gewesen war.

Wenn auf Rhodos eine Begegnung stattfinden sollte, würden dem Seewolf die Augen übergehen! sicherlich rechnete er nicht damit, daß die „Cruel Jane“ jemals wieder seinen Kurs kreuzen würde.

Killigrew, dachte Lord Henry, ich töte dich und hole mir den Schatz der Medici-Familie zurück. Diesmal siege ich, diesmal bringe ich dich um und lasse dich für die Schmach bezahlen, die du mir zugefügt hast.

„Vier Strich Backbord!“ rief er über Deck. „Wir fallen vom Wind ab und gehen auf Kurs Nord-Nord-West!“

Seewölfe Paket 13

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