Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 40
4.
ОглавлениеHenry stand mit abgespreizten Beinen auf der Back und hatte die Hände als Schalltrichter an die Mundwinkel gelegt. Neben ihm waren Tim Scoby, der schnauzbärtige Hüne mit den Ohrringen, Dark Joe, der dunkelhaarige, krummbeinige Pirat, und der hagere, hochaufgeschossene Codfish, dessen Platz im Großmars ein anderer eingenommen hatte.
Mechmed und dessen vier Berber hatten auf Henrys Befehl hin auf dem Hauptdeck bleiben müssen, bei der Crew. Dalida stand schmollend auf dem Achterdeck, auch ihr war es nicht vergönnt, ganz vorn mit dabeizusein und etwas von dem Triumphgefühl zu kosten, das Henry schon jetzt empfand.
Bei dem, was unweigerlich folgen mußte, wollte Lord Henry nur seine besten Männer in seiner Nähe wissen. Ein Entermanöver – ein Blitzangriff auf die „Isabella“ mit verblüffendem Erfolg, das war etwas, wovon er schon seit langem träumte. Die Taktik, die er bei anderen Überfällen angewendet hatte, war bei den Seewölfen bislang gescheitert, doch in dieser Nacht sollte es anders sein.
Scoby war im Gegensatz zu Lord Henry, der nur eine schwarze Hose und ein weißes Hemd trug, geradezu exotisch kostümiert. Er hatte sich ein rotes Kopftuch ums Haupthaar geschlungen, sein blaues Hemd stand bis zum Bauchnabel hin offen. Über der nackten Brust prangte ein breiter Ledergurt, in dem zwei Pistolen steckten. Er hatte die Hände in die Seiten gestemmt und blickte mit höhnischem Lächeln zur „Isabella“, deren verziertes Heck groß und größer vor ihnen aus der Nacht trat.
Killigrew, dachte er, das gibt ein Wiedersehen.
Der Seewolf hatte Scoby in Ribeira Grande auf der Kapverden-Insel Santo Antão überwältigt und dann dafür gesorgt, daß er in den Kerker der Festung gesperrt wurde. Nur durch eine List hatte Scoby mit Reagan, den inzwischen ein tödliches Schicksal ereilt hatte, wieder fliehen können. Scoby empfand einen schwelenden Haß auf den Mann, der ihn seinerzeit und dann auch wieder vor der Küste der Toskana und in Neapel derart erniedrigt hatte – genau wie Dark Joe.
Dark Joe war im Hafen von Ribeira Grande durch einen einzigen Hieb des Seewolfs gefällt worden, und dafür wollte sich der flinke kleine Mann noch „auf gebührende Weise“ bedanken.
Und die anderen? Jeder hatte seinen ganz persönlichen Grund dafür, mit den Männern der „Isabella“ abrechnen zu wollen – wegen Santo Antão, wegen Elba und wegen Neapel. Die Stunde der Rache hatte geschlagen, und kein Wunder der Welt bewahrte die „Isabella“ davor, von der Dreimastgaleone der englischen Freibeuter und von der Schebecke der türkischen Seeräuber in die Zange genommen zu werden.
Noch segelte die „Isabella“ zu langsam und wurde obendrein durch die Tartane behindert, die sie im Schlepp hatte. Selbst wenn die Männer des Achterdecks das Tau kappten, das ihr Schiff mit dem Einmaster verband, würde es ihnen nicht gelingen, binnen kurzer Zeit die acht Knoten Fahrt zu erreichen, die sie brauchten, um vor ihren Verfolgern davonzusegeln.
„Killigrew!“ schrie Lord Henry. „Diesmal entwischst du uns nicht! Ergib dich, du hast keine Chance mehr! Streich die Flagge!“
Er erhielt keine Antwort.
„Killigrew!“ brüllte er noch einmal, diesmal lauter. „Du hast mich verstanden! Hol nieder die Flagge, oder ich eröffne das Feuer!“
Er erwartete, daß sein Feind sich wieder in Schweigen hüllte, doch er hatte sich getäuscht.
Die Stimme des Seewolfs ertönte hell und klar: „Henry, wenn du meine Flagge haben willst, mußt du sie dir schon holen!“
„Sei kein Narr!“ brüllte Henry. „Siehst du nicht, daß wir in der Überzahl sind?“
„Nein! Ich sehe nur eine Meute von Idioten!“
„Killigrew – das bereust du noch, ich schwöre es dir!“
„Spar dir deine Worte, sie finden hier kein Gehör!“
„Zum letzten Mal, Killigrew …“
„Ich warte auf dich, Henry!“ schrie der Seewolf – und die Art, wie er es rief, jagte selbst dem abgebrühten alten O’Flynn, der sich neben ihm hinter seine Drehbasse geduckt hatte, einen leichten Schauer über den Rücken. Wer hier der Stärkere war, sollte sich erst noch erweisen, aber wehe, Lord Henry unterlag! Hasard würde dieses Mal nicht zögern, kurzen Prozeß mit ihm zu machen. Oft genug hatte er ihn gewarnt und dazu ermahnt, nicht mehr den Kurs der „Isabella“ zu kreuzen. Jetzt war das Maß voll, voll bis zum Überlaufen.
„Feuer“, sagte Henry in demselben Moment, in dem Old O’Flynn dies dachte, zu Codfish, der an die linke der vorderen Drehbassen auf der Back der „Cruel Jane“ getreten war. Codfish senkte das glühende Ende der Lunte auf das Bodenstück des Hinterladers und trat zur Seite.
Knisternd fraß sich die Glut durch den Zündkanal bis hin zu der Pulverladung hinter der Kugel. Ein Krachen erfüllte die Luft, das Rohr ruckte in der Lafette, und ein Feuerblitz zerriß die Nacht und stach auf das Heck der „Isabella“ zu.
Gezielt hatte Codfish auf das Hennegat der „Isabella“, denn Henry wollte als erstes die Ruderanlage des Gegners zerstören. Doch die Drehbassenkugel schlug links neben der Öffnung in den Heckspiegel, gleich unterhalb der Heckgalerie. Es knackte und knirschte, und plötzlich hatte die „Isabella“ ein ansehnliches Loch, doch das Steuerruder war nicht beschädigt.
„Verdammter Mist“, sagte Codfish und trat hinter die rechte Drehbasse. „Ich hatte gedacht, sein verfluchtes Ruder gleich zu treffen, aber mit einer Kugel ist es wohl nicht getan.“
„Egal“, sagte Henry kalt. „Gib gleich die nächste auf ihn ab, aber nicht aufs Hennegat, sondern auf die Kampanje. Dort steht der Seewolf.“
Codfish wollte den Befehl unverzüglich ausführen, doch jetzt leuchteten über der Kampanje der „Isabella“ zwei Mündungsfeuer auf. Codfish hielt zwar noch die glimmende Zündschnur an das Bodenstück des auf der Balustrade montierten Geschützes, aber im nächsten Augenblick mußte er sich mit Henry, Dark Joe, Scoby und den anderen ducken, denn die Drehbassenkugeln des Feindes rasten mit bedrohlichem Heulen auf sie zu.
Die eine schlug ins Vorkastell der „Cruel Jane“ und durchbohrte zwei Querschotten, ehe sie im Nebenraum des Mannschaftslogis zu Boden polterte. Die andere saß etwas höher. Sie zerriß die Mitte der Balustrade, fegte am Fockmast vorbei und verlor sich gleich darauf an Backbord in der Nacht. Es gab ein berstendes Geräusch, als die Balustrade zu Bruch ging. Die Holztrümmer wirbelten Henry und seinen Kumpanen um die Ohren.
„Arwenack!“ hallte der alte Kampfruf der Seewölfe von Bord der „Isabella“ herüber. „Ar-we-nack!“
Lord Henry erhob sich und schrie: „Die Drehbassen nachladen! Anluven! Wir geben ihm unsere Backbordbreitseite zu schmecken!“ Er fuhr zum Hauptdeck herum und rief auf spanisch: „Mechmed, Selim soll das Feuer eröffnen!“
Mechmed gab es auf arabisch an Selim weiter, und dieser ließ sofort das Buggeschütz der „Grinta“ zünden. Feuer, Rauch und Donner verließen die Schebecke. Die Kugel eilte der „Isabella“ nach, lag aber nicht im Ziel, sondern schlug dicht hinter ihrem Heck neben der Tartane ins Wasser. Rauschend stieg eine Wassersäule aus der See auf.
Selim, der wie Henry ganz vorn auf seinem Schiff stand, quittierte diesen Fehlschuß mit wilden Flüchen, dann drehte er sich zu seinen Männern um und brüllte ihnen zu: „Anluven! Sofort anluven! Wir schießen ihn zusammen und packen ihn von zwei Seiten, ehe er herummanövrieren kann!“
Dobran, Firuz und die anderen auf dem Hauptdeck stürzten an die Lateinersegel, um sie herumzuschwenken. Jella, die Libanesin, die neben dem Mann auf dem Achterdeck stand, der jetzt den Kolderstock bewegte, blickte zu Selim und dachte: Ganz so leicht, wie du es dir gedacht hast, ist es wohl doch nicht, den Seewolf zu überwältigen – oder?
Sie hatte selbst erfahren, wie klug und kampferfahren dieser Philip Hasard Killigrew war. Hatte er nicht auf Rhodos verhindert, daß sie, Jella, und die Türkinnen ihn und seine Männer in eine tödliche Falle lockten? Hart hatte er sie angefaßt und dann rücksichtslos in ein leerstehendes Haus gestoßen, und doch empfand sie keinen Haß gegen ihn.
Im Gegenteil, sie verspürte so etwas wie eine tiefe Bewunderung für diesen Mann, der ihr doch so fremd war und eigentlich ihr Todfeind hätte sein sollen – und sie war ihm dankbar dafür, daß er sie zusammen mit den anderen Frauen, dem „Hurenvölkchen“ der türkischen Piraten, hatte laufenlassen. Damit hatte er ihnen das Leben gerettet, denn die Bewohner des Dorfes Pigadia hätten sie zweifellos getötet, wenn sie sie in dem Haus gefunden hätten.
Allerdings ging Jellas Dank nicht so weit, daß sie sich für jenen Philip Hasard Killigrew eingesetzt hätte. Sie verfolgte mit wachem Interesse, wie sich der Kampf entwickelte, und dachte: Wie es auch ausläuft, die Hauptsache ist, daß dir nichts geschieht.
Ganz gleich, wer der Sieger sein würde, sie würde ihre Haut nötigenfalls zu retten wissen. Es war schon immer ihr größtes Talent gewesen, aus jeder Situation das Beste zu machen und auch aus dem wildesten Handgemenge nicht die kleinste Schramme davonzutragen.
Ähnlich dachte auch Dalida, die bislang nicht vom Achterdeck der „Cruel Jane“ gewichen war. Die Überlegungen der beiden Frauen schienen sich von Schiff zu Schiff zu verstricken, doch Dalida, die Ägypterin, träumte nach wie vor voll Haß davon, es besonders dem narbigen Profos der „Isabella“ besorgen zu können.
Hasard hatte Old O’Flynn angewiesen, die leergefeuerten achteren Drehbassen nachzuladen, dann hatte er sich umgedreht und war aufs Quarterdeck hinuntergestiegen.
„Ben!“ rief er. „Anluven jetzt und auf Westkurs gehen!“
„Aye, Sir!“
„Sir“, sagte Ferris Tucker, der gerade von seiner Flaschenbomben-Abschußvorrichtung aufsah. „Soll ich meine Kanone nicht lieber auf die Kampanje bringen?“
„Nein, laß sie hier auf dem Quarterdeck!“ rief der Seewolf ihm zu. „Sie gelangt bestimmt gleich zum Einsatz!“
Nach dem Schuß aus dem Buggeschütz der Schebecke dröhnte nun auch der zweite Drehbassenschuß der „Cruel Jane“ heran. Wieder erbebte das Heck der „Isabella“ wie unter den Schlägen gewaltiger Hämmer, wieder hatten Henry und seine Männer einen Treffer verzeichnet, der auch gleich von dem Gebrüll der Piraten begleitet wurde.
Hasard fuhr zu Pete Ballie herum. „Pete, was ist mit dem Ruder?“
„Es funktioniert noch tadellos, Sir!“
„Dann leg Hartruder. Steuerbord!“
„Aye, aye, Sir!“
Das Rad wirbelte unter Petes Händen, die Crew braßte die Segel an. Die Masten neigten sich wie sturmgebeugte Bäume nach Backbord, die „Isabella“ krängte stark zu ihrer linken Seite hin und zeigte im nächsten Moment der „Cruel Jane“ und der „Grinta“, die fleißig in der Bewegung mitzogen, die Kanonenmündungen ihrer Steuerbordbatterie.
Die „Jane“ lag jetzt fast parallel zur „Isabella“ und bewegte sich in spitzwinkligem Kurs auf sie zu. „Die „Grinta“ segelte eine halbe Schiffslänge hinter der „Jane“ und trachtete, an das Heck der „Isabella“ zu gelangen.
Der Abstand zwischen der „Cruel Jane“ und der „Isabella“ war jetzt derart gering, daß der Seewolf trotz der Dunkelheit die Bewegungen der Gestalten verfolgen konnte, die an Deck des Gegners an die Geschütze stürzten.
„Shane!“ rief er. „Batuti!“
Im Vormars und im Großmars flammten die mit ölgetränkten Lappen umwickelten Pfeilspitzen auf. Arwenack, der Schimpanse, der bei Big Old Shane und Bill hockte und das Geschehen bislang neugierig verfolgt hatte, deckte mit den Vorderpfoten beide Augen zu, denn er hatte eine ausgeprägte Abneigung gegen Feuer. Daß er dabei natürlich kräftig übertrieb, gehörte zu seiner Wesensart.
Sir John, der karmesinrote Aracanga, flatterte kreischend zwischen den Masttoppen hin und her und stieß die ganze Skala von englischen und spanischen Flüchen aus, die er Carberry im Laufe der Jahre abgelauscht hatte.
„Dan!“ schrie Hasard. „Abentern! Hilf deinem Vater!“
„Aye, Sir!“ tönte es aus dem Besanmast zurück. Flugs turnte Dan über die Umrandung der Plattform und enterte auf das Achterdeck ab, als säße ihm der Teufel höchstpersönlich im Nacken.
Big Old Shane sandte den ersten Pfeil zur „Jane“ hinüber, dann schoß auch Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia. Es waren keine normalen Brandpfeile, sondern regelrechte Explosionsgeschosse mit pulvergefüllten Schäften. Auf was sie zu zielen hatten, brauchte der Seewolf seinen beiden Männern nicht erst groß zu erklären. Die Pfeile fuhren mitten zwischen die Männer an Lord Henrys Backbordkanonen.
Mit heftigem Knallen zerplatzten die Schäfte, und die Piraten brachten sich aufschreiend in Sicherheit.
„An die Geschütze, ihr Hunde!“ brüllte Lord Henry. „Feuer!“
Doch nur zwei Culverinen seiner Backbordbatterie konnten gezündet werden. Die Verwirrung, die Shane und Batuti durch ihre Pulverpfeile stifteten, war so groß, daß ein Abfeuern der kompletten Breitseite unmöglich wurde. Schon wälzten sich zwei oder drei Verwundete auf dem Hauptdeck der „Jane“. Weitere Pfeile sirrten zwischen die Kanonen und detonierten.
„Weiterschießen!“ schrie Hasard dem ehemaligen Schmied von Arwenack und dem schwarzen Riesen zu. „Solange der Vorrat reicht!“
Der Vorrat an pulvergefüllten Pfeilen konnte natürlich nicht unbegrenzt lange vorhalten, doch Shane und Batuti hatten während der vergangenen Tage eine stattliche Zahl davon herstellen können, wie auch Ferris Tucker und Al Conroy eifrig an ihren Flaschenbomben gebastelt hatten – in weiser Voraussicht auf künftige Gefechte.
Eine Kugel der „Cruel Jane“ krachte der „Isabella“ oberhalb der Wasserlinie ins Achterschiff, die andere war zu kurz gezielt und hieb unweit der Bordwand wirkungslos ins Wasser.
In das Rauschen der aufsteigenden Fontäne schrie der Seewolf: „Ed! Die achteren vier Geschütze – Feuer!“
„Achtere Geschütze – Feuer!“ brüllte Carberry, so laut er konnte. Jetzt brauchte er keine Rücksicht mehr zu nehmen, jetzt war der Feind endgültig entdeckt und entlarvt, und die Fronten hatten sich geklärt. Brüllen konnte man jetzt, soviel man wollte, und jeder Ruf war eine Anfeuerung für die Männer der „Isabella“.
„Achtere Drehbassen, Feuer!“ rief der Seewolf. „Ferris, deck den Hund mit ein paar Flaschen ein!“
„Aye, Sir!“ schrien die Männer zurück – und dann dröhnten die Geschütze.
Die achteren vier Steuerbord-Culverinen der „Isabella“ spuckten ihre tödlichen Ladungen gegen die „Jane“ aus, und mit torkelndem Flug bewegte sich die erste Flaschenbombe durch die Nacht. Noch mochte sie mit ihrer schwach glühenden Lunte, die jeden Augenblick zu erlöschen drohte, wie ein lächerliches Spielzeug wirken, aber wer immer sie auf seiten des Feindes unterschätzte, sollte seine Meinung gleich revidieren.
Old O’Flynn und sein Sohn feuerten die achteren Drehbassen auf die näher heransegelnde Schebecke Selims ab, ehe die Türken erneut ihr Buggeschütz zum Einsatz bringen konnten. Plötzlich spie die „Isabella“ nach zwei Seiten Feuer, Rauch und Verderben aus.
Der Seewolf hatte jetzt alle Register gezogen, die ihm zur Verfügung standen.
Es donnerte und krachte, und jäh flogen von der „Jane“ Trümmerteile hoch. Mindestens zwei von vier Kugeln hatten das Hauptdeck erreicht, wie Ed Carberry aus schmalen Augen feststellte, eine dritte mochte sich in den Rumpf gebohrt haben. Ferris Tuckers erste Höllenflasche ging hinter dem Hauptmast der Piratengaleone hoch. Die Schreie der Sterbenden und Verwundeten gellten durch die Nacht.
Auch auf der Schebecke herrschte Zustand, die Kugeln der O’Flynns hatten im Handumdrehen die Back leer gefegt. Nur durch einen gewaltigen Satz hatte sich Selim noch nach achtern retten können. Jetzt lag er flach auf den Planken und verfluchte unter den Trümmern der Vordecksbalustrade und der Nagelbank, die auf ihn und seine Männer niederprasselten, Allah und den Scheitan gleichzeitig.
„Weiter anluven!“ schrie der Seewolf in das Johlen und Pfeifen seiner Männer.
Die „Isabella“ drehte ihr Vorschiff ganz nach Westen und segelte, hoch am Nordwestwind liegend und immer noch stark über Backbordbug krängend, auf Kollisionskurs mit der „Jane“.
„Shane! Batuti!“ rief Hasard. „Brandpfeile in die Segel der Galeone!“
Big Old Shane und der Gambia-Mann hatten ihren Bestand an Pulverpfeilen nun nahezu aufgebraucht. Sie griffen zu den normalen Brandpfeilen und schickten sie in die Takelage der „Cruel Jane“ hinüber. Wenige Augenblicke später züngelten die Flammen aus den dunkel gelohten Segeln des Piratenschiffs hoch. Die „Jane“ verlor an Fahrt. Das Geschrei an Deck nahm nicht ab.
Deutlich war nach wie vor Henrys Stimme zu vernehmen. Er brüllte auf seine Männer ein und traktierte sie mit Hieben und Fußtritten.
Dalida war nirgends zu entdecken, sie hatte sich vorsichtshalber ins Achterdeck zurückgezogen.
Mechmed und seine Berber standen am Schanzkleid des vorderen Hauptdecks und begannen, nun ebenfalls mit Pfeilen auf die „Isabella“ zu schießen. Und nur kurze Zeit später tauchte auch die schwarzhaarige Ägypterin wieder auf, wie Hasard und seine Männer verfolgten. Auch sie hatte sich mit Pfeil und Bogen bewaffnet und legte auf den Todfeind an. Im Schein der an Bord der „Jane“ entstandenen Feuer waren ihr wütendes Gesicht und die verzerrten Mienen der fünf Berber deutlich zu erkennen.
Doch ihr Einsatz erfolgte zu spät, die „Isabella“ schickte sich jetzt bereits an, ihnen davonzusegeln. Sie hatte an Fahrt gewonnen. Die „Jane“ hingegen fiel zurück.
Die beiden O’Flynns luden in aller Hast die achteren Drehbassen nach, doch Selims Schebecke schob sich drohend auf das Heck der „Isabella“ zu, und die Türken, die sich von ihrem Schreck erholt hatten, standen schreiend auf der halb zertrümmerten Back und schwangen ihre Entermesser.
„Ferris!“ schrie Hasard. „Flaschenbomben zur Schebecke!“
Ferris Tucker brauchte seine selbstkonstruierte Abschußvorrichtung nur leicht herumzudrehen und neu zu justieren, dann konnte er sich der „Grinta“ widmen.
Eine Höllenflasche segelte durch die Dunkelheit und senkte sich auf das Vordeck der Schebecke nieder. Sie landete mit hartem Schlag auf den Planken, explodierte aber noch nicht, weil die Lunte nicht ganz abgebrannt war. Sie bestand aus dickwandigem grünen Glas, und deswegen zerbrach sie bei dem Aufprall auch nicht. Sie rollte über die Planken nach vorn, weil die Schebekke in diesem Moment eine stampfende Bewegung vollführte und ihren Bug ein wenig senkte.
Selim hatte vorher beobachtet, daß es eine ähnliche Flasche gewesen war, die auf der Kuhl der „Jane“ die größte Explosion herbeigeführt hatte. Deshalb schrie er jetzt auf und rannte ein Stück vor, um die Flasche festzuhalten.
„Helft mir!“ brüllte er. „Greift euch die Flasche! Werft sie ins Wasser!“
Dobran, Firuz und zwei andere Kerle stürmten sofort quer über die Back. Dobran versuchte sogar, sich auf die Flasche zu werfen und sie mit seinem Leib zu bremsen. Doch sie hatte die Abbruchkante des Kastells bereits erreicht, und da es keine Balustrade mehr gab, die sie aufhalten konnte, polterte sie auf die Galionsplattform hinunter.
„In Deckung!“ schrie Selim noch und zog sich zurück. Dann war es soweit. Die Flasche ging in die Luft und riß der Schebecke das Galion samt dem Bugspriet weg. Der Druck der Detonation warf Selim, Dobran, Firuz und die anderen zurück, aber sie wurden nicht verletzt.
Aufrichten konnten sie sich trotzdem noch nicht wieder, denn jetzt wummerten wieder die beiden achteren Drehbassen der „Isabella“, und zwei Brandpfeile, von Shane und Batuti abgegeben, bohrten sich zischend in die Lateinersegel der Schebecke.
„Buggeschütz – Feuer!“ schrie Selim außer sich vor Wut.
Die Kanone wurde gezündet, und die Kugel brachte der „Isabella“ ein drittes Loch im Heck bei. Doch schon flog die nächste Höllenflasche Ferris Tuckers. Diesmal landete sie im Wasser, doch die Glut der Zündschnur hatte sich bereits durch den Korken gefressen, so daß sie auch im Naß nicht erlöschen konnte. Dicht unter der Oberfläche der See explodierte auch dieses Geschoß, und die Schebecke erzitterte bis in ihre äußersten Verbände.
„Selim!“ schrie einer der Piraten aus dem Inneren des Vordecks. „Wir haben ein Leck!“
Selim rannte selbst ins Vordeck, wo die Männer ihre Posten am Buggeschütz verlassen hatten und in fieberhafter Hast versuchten, das Leck abzudichten, durch das das Wasser in einem breiten Strahl hereinschoß. Fluchend eilte Selim ihnen zu Hilfe.
Jetzt wurde auch die Schebecke langsamer und fiel zurück.