Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 34

9.

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Ein scharfer Wind war am frühen Morgen aufgekommen. Die Kälte, die durch die Kleidung der Seewölfe drang, erinnerte sie nachhaltig daran, daß der Winter auch an der türkischen Südküste nicht spurlos vorüberging.

Als die beiden Boote an der Backbordseite der „Isabella“ anlegten, wurde Philip Hasard Killigrew und sein Landtrupp von den an Bord verbliebenen Männern freudig begrüßt. Auch Philip und Hasard junior, die Zwillinge, hingen über dem Schanzkleid und winkten mit lachenden Gesichtern.

Der Seewolf fühlte sich erleichtert, denn nach der Stimmung, die an Bord zu herrschen schien, konnten die Derwische bei ihrem nächtlichen Überfall nicht viel angerichtet haben.

Ben Brighton, der Stellvertreter Hasards, bestätigte diese Vermutung, als die Männer wenig später auf die Kuhl der „Isabella“ aufgeentert waren.

Die Begeisterung an Bord war groß, als die Männer erfuhren, daß die Derwische nach einer kräftigen Abreibung in ihrem eigenen Verlies gelandet waren.

„Zum Tanzen dürfte es dort etwas zu eng sein“, stellte Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, fest. „Also werden sie wohl oder übel mit kaltem Hintern und knurrendem Magen auf die Stunde ihrer Befreiung warten müssen.“

„Das geschieht ihnen recht“, bemerkte Old Donegal Daniel O’Flynn und stieß sein Holzbein auf die Planken. „Ich habe zwar auch schon Derwische kennengelernt, die wirklich als Bettelmönche gelebt und ihre Religion ernst genommen haben. Aber dieser Salih ist doch wirklich nur ein Beutegeier, und seine Anhänger sind keinen Deut besser als das übelste Piratenpack.“

„So ist es“, bestätigte Edwin Carberry. „Vielleicht werden sie sich wieder an die Ermahnungen ihres Propheten erinnern, wenn wir sie erst von dem Ballast ihrer irdischen Güter befreit haben.“ Ein dröhnendes Gelächter begleitete seine Worte.

Doch die Hochstimmung an Bord währte nicht lange. Eine tödliche Gefahr nahte sich rasch und lautlos wie der dunkle Schatten eines riesigen Vogels.

Gary Andrews, der hagere, aber zähe Fockmastgast, der Bill vor zwei Stunden im Großmars abgelöst hatte, unterbrach die Gespräche der Männer mit einem lauten Ruf.

Aber da sahen sie auch schon selbst die Karacke, die mit vollem Zeug in die Bucht einlief und direkt auf die „Isabella“ zuhielt.

Urplötzlich, und für den Mann im Ausguck erst in letzter Sekunde wahrnehmbar, war sie hinter den schroffen Felswänden, die die Einfahrt zur Bucht säumten, aufgetaucht. Die Piratenflagge war gehißt worden, und auch die geöffneten Stückpforten ließen nicht an den Absichten der Karacke zweifeln.

„Die ‚El Jawhara‘!“ stieß Sobocan hervor, der in der Nähe des Seewolfs stand. Sein sonnengebräuntes Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an.

Philip Hasard Killigrew reagierte blitzschnell.

„Alle Mann auf Stationen!“ lautete sein Befehl, und augenblicklich geriet an Bord der „Isabella“ alles, was Beine hatte, in Bewegung. Dennoch wurde kein unnützer Handgriff getan. Jeder an Bord, von den Zwillingen bis hin zum alten O’Flynn, wußte, was in solchen Situationen zu tun war.

Während der Anker gehievt und die Segel gesetzt wurden, um die Galeone manövrierfähig zu machen, flogen auch schon die Stückpforten hoch. Die insgesamt sechzehn Culverinen mit den überlangen Rohren wurden ausgerannt. Gleich würden sie bereit sein, ihre siebzehn Pfund schweren Eisenkugeln auf die Reise zu schicken.

Die vier Drehbassen, die vorn und achtern plaziert waren, wurden mit Ben Brighton, Old O’Flynn, dem Kutscher und Edwin Carberry besetzt.

Während die Zwillinge Bill, dem Moses, dabei halfen, die Kupferbekken mit den glühenden Holzkohlen aus der Kombüse zu holen und sie auf die Geschütze zu verteilen, spannten Batuti und Big Old Shane ihre Bogen, um damit auf Befehl ihre gefürchteten Brand- und Pulverpfeile auf den Gegner abzuschießen.

Ferris Tucker, der rothaarige Riese, hatte sich der von ihm erfundenen Schleudervorrichtung für die verheerenden Flaschenbomben zugewandt.

Sand war auf der Kuhl bereits vor dem Auftauchen der Piratenkaracke ausgestreut worden, um den Männern an den Geschützen eine bessere Standfestigkeit zu verleihen. Die „Isabella“ war nach dem Kampf mit den Derwischen, so gut es ging, gefechtsklar geblieben. Das sollte sich jetzt sehr vorteilhaft auswirken.

Obwohl die wüsten Gestalten an Bord der Karacke bereits einigermaßen deutlich zu erkennen waren, ließ Philip Hasard Killigrew seine Blicke mit Hilfe des Spektivs über die Decks der „El Jawhara“ wandern.

Längst hatte er gemäß der detaillierten Beschreibung Sobocans, der neben ihm stand, jenen kleinen, dikken Mann mit dem kahlen Schädel und dem feisten Gesicht erkannt, der auf dem Achterdeck stand und irgendwelche Befehle schrie.

Es war Barabin, der Kapitän der Seeräuberkaracke. Sein trotz der kühlen Morgenluft nackter Oberkörper und der dünne, schwarze Oberlippenbart verliehen ihm ein verwegenes Aussehen. Seine pludrigen Hosen steckten in Seemannsstiefeln, die er wahrscheinlich irgendwann erbeutet hatte, und an seiner Hüfte baumelte ein Krummsäbel. Das also war Barabin, der Schrecken der türkischen Küsten, der sich wie eine ausgehungerte Hyäne auf jedes Schiff stürzte, das ihm in die Quere geriet.

„Wahrscheinlich war dieser Barabin in Küstennähe unterwegs zu seinem Busenfreund Salih“, sagte Hasard zu Sobocan. „Durch irgendeinen Zufall muß er uns in der Bucht bemerkt haben. Und jetzt will er den Überraschungsmoment für sich nutzen. Na gut, da wollen wir ihm das Frühstück gleich mal etwas versalzen.“

Von da an überstürzten sich die Ereignisse.

Noch während die Karacke mit voller Fahrt auf die „Isabella“ zuhielt, um den Abstand so weit zu verringern, daß die Galeone in die Reichweite ihrer Geschütze geriet, tönte der Feuerbefehl des Seewolfs über die Decks.

Und damit erlebte Barabin seine erste böse Überraschung, denn er hatte nicht damit gerechnet, daß die Culverinen jener ranken Galeone durch ihre Überlänge eine wesentlich größere Reichweite hatten als seine eigenen Geschütze.

Die Folgen dieser Fehlkalkulation blieben nicht aus.

Mit ungeheurer Wucht stießen die Culverinen der Steuerbordseite der „Isabella“ ihre Ladungen aus und ließen das Schiff leicht überkrängen. Die schweren Geschütze rollten zurück und wurden durch die Brooktaue abgefangen. Sofort gab Al Conroy den Befehl, die Culverinen erneut aufzuladen, was mit Windeseile geschah.

Die „El Jawhara“ und ihre Besatzung wurden durch die plötzliche Breitseite der „Isabella“ völlig überrascht. Während zwei der siebzehn Pfund schweren Kugeln hohe Fontänen emporrissen, verwandelten die übrigen Geschosse die Karacke Barabins in ein halbes Wrack, noch bevor der erste Schuß abgefeuert worden war. Erst in dem Augenblick, in dem die Geschütze der englischen Galeone aufgebrüllt hatten, war der Befehl Barabins zum Beidrehen ergangen. Erst jetzt hatte sein Schiff den Abstand zur „Isabella“ so weit verringert, daß er an einen Einsatz seiner Geschütze denken konnte.

Ein fürchterliches Krachen und Splittern vermischte sich an Bord der „El Jawhara“ mit dem Fluchen und Schreien der Piraten. Im Vorschiff klaffte ein beträchtliches Leck. Teile der Back waren zerfetzt worden, der Fockmast hatte sich mit einem häßlichen Geräusch zur Seite geneigt und war schließlich völlig umgeknickt und über Bord gegangen. Auch auf dem Achterdeck der Karacke war nicht mehr viel heil geblieben.

Barabin hatte sich mit einem Wutschrei auf die Planken geworfen, und wahrscheinlich verdankte er dieser Reaktion sein Leben.

Doch nicht nur die Culverinen der „Isabella“ hatten ihre Arbeit aufgenommen, auch die Drehbassen begannen damit, Feuer und Eisen zur „El Jawhara“ hinüber zu schicken. Kettenkugeln entfalteten sich und zerfetzten einen Großteil der restlichen Takelage. Spieren und Stengen flogen durch die Luft, das Großmarssegel sowie das Großsegel hingen plötzlich in Fetzen.

An Bord des Piratenschiffes entstand Wuhling. Schreie und Befehle hallten über das Schiff. Dazwischen war das Jammern und Stöhnen der Verwundeten zu hören.

„Feuer! Schießt die verfluchten Giaurs zusammen! Reißt sie in Stükke!“ brüllte Barabin wie ein Irrsinniger. Er achtete nicht mehr darauf, daß sein Schießbefehl verfrüht war, denn die Geschütze der Steuerbordseite seines Schiffes brüllten bereits auf, als die „El Jawhara“ noch beizudrehen versuchte. Die Kugeln klatschten wirkungslos ins Wasser, nur eine beschädigte die Balustrade zwischen Back und Galionsdeck der „Isabella“.

Die Seewölfe ließen sich dadurch nicht beeindrucken. Sie verloren keine Zeit. Auf den Befehl Philip Hasard Killigrews hin ließ Pete Ballie, der im Ruderhaus stand, das mächtige Rad, das die „Isabella“ vor anderen Schiffen, die noch mit dem schwerfälligen Kolderstock gesteuert wurden, auszeichnete, durch die Fäuste wirbeln.

Wendig ging die ranke Galeone über Stag. Noch bevor die Piratenkaracke weiteren Schaden anrichten konnte, stießen die Backbordgeschütze der „Isabella“ ihre verheerende Ladung durch die Bucht.

Die schwere Stunde der „El Jawhara“ begann. Längst hatte ihr Kapitän, der Türke Barabin, wohl eingesehen, daß er besser an dieser stillen Bucht vorbeigesegelt wäre. Der Entschluß, das dort ankernde Schiff gewissermaßen „im Vorbeigehen“ zu entern, hatte das Verhängnis heraufbeschworen.

Durch das Leck im Vorschiff der Karacke strömten unaufhaltsam die Wassermassen ins Innere. Und jetzt hatten die Culverinen der Galeone auch noch drei riesige Löcher in die Bordwand der „El Jawhara“ gestanzt – direkt in der Wasserlinie. Das war der Todesstoß für die Karacke!

Das Schiff neigte sich zur Seite, seine Minuten waren gezählt. Barabin und seinen Schnapphähnen verblieb keine Zeit mehr, die Beiboote ins Wasser zu bringen. Es blieb ihnen nur noch der Sprung in die kühlen Fluten, wenn sie nicht mit dem sinkenden Schiff in die Tiefe der Bucht gerissen werden wollten.

Etliche von ihnen schwammen bereits mit kräftigen Zügen der bizarren Felsenlandschaft entgegen, die zwar nicht in unmittelbarer Nähe lag, aber dennoch erreichbar war. Dabei saß den Piraten die Angst im Nacken. Sie wußten sehr wohl, daß man an Bord der „Isabella“ verschiedene Möglichkeiten hatte, ihnen den Weg zur Küste abzuschneiden.

Doch der Seewolf dachte nicht daran.

„Genug!“ befahl er und hob die Hand. „Die richten so schnell keinen Schaden mehr an. Ihr Schiff geht jeden Augenblick auf Grund. Die wenigen, die überlebt haben und waffenlos die Küste erreichen, werden zunächst auch nicht mehr auf dumme Gedanken verfallen.“

Die Seewölfe hatten das Feuer bereits eingestellt. Als die „El Jawhara“ in den Fluten verschwand, dröhnte in lautes „Ar-we-nack!“ durch die Bucht.

Erst die Stimme Sobocans, des jungen Türken, riß die Männer in die rauhe Wirklichkeit zurück.

„Slobodanka!“ rief er plötzlich und deutete auf die Wasserfläche. „Dort drüben! Sie hat sich an den treibenden Fockmast geklammert!“ Seine Stimme klang aufgeregt.

„Fiert ein Boot ab!“ Der Seewolf reagierte augenblicklich.

Kurz danach pullte Sobocan mit Batuti und Bob Grey dem Fockmast der Piratenkaracke entgegen.

„Slobodanka! Ich bin’s, Sobocan!“ rief der junge Mann, und über das hübsche, ebenmäßige Gesicht des etwa zwanzigjährigen Mädchens, das sich an dem treibenden Mast festhielt, huschte plötzlich ein Lächeln.

Als die Männer sie ins Boot zogen, klebten ihre nassen Haare gleich ihren Kleidern eng an ihrem Körper und ließen die Konturen ihrer wohlproportionierten Gestalt deutlich erkennen.

„Sobocan!“ Das Mädchen atmete schwer. Ihre Brüste hoben und senkten sich, als sie sich mit einer raschen Handbewegung eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht wischte.

Batuti und Bob Grey, die das Boot zur „Isabella“ zurückpullten, bemühten sich, zu den Felsmassiven der Bucht hinüberzublicken, als Sobocan die Tochter des Seeräubers Barabin in die Arme schloß.

Seewölfe Paket 13

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