Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 31
6.
Оглавление„Folgt mir!“ zischte Sobocan und eilte flink wie eine Katze durch eine schmale, von Geröll übersäte Schlucht. „Es kann nicht lange dauern, bis sie unser Verschwinden bemerken“, setzte er keuchend hinzu.
Dan und Batuti nickten. Auch ihr Atem ging rascher als sonst, zumal Sobocan ein ganz beträchtliches Tempo vorgelegt hatte. Dennoch folgten sie ihm, denn er war der einzige, der sich in diesem Labyrinth von Felsen und Steinen auskannte.
„Als erstes werden sie uns den Rückweg zur ‚Isabella‘ abschneiden“, stieß Dan O’Flynn hervor, „und dann werden sie die ganze Umgebung nach uns absuchen.“
„Du hast recht“, ließ sich Sobocan vernehmen. „Aus diesem Grund müssen wir so rasch wie möglich hier weg. Ein Stück weiter nördlich kenne ich ein kleines Bergdorf, wo wir zunächst unterschlüpfen können. Wenn wir uns beeilen, können wir es in zwei Stunden erreichen.“
„Aber …“ Dan O’Flynn blickte Sobocan zweifelnd an.
„Was meinst du?“ fragte der junge Türke. „Traust du mir nicht?“
„Doch, natürlich traue ich dir“, beeilte sich Dan zu sagen. „Ich meine nur – die Derwische, kennen sie das Dorf nicht ebenfalls?“
Sobocan lächelte. „Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ibrahim Salih und seine Anhänger sind bei den Bauern dieses kleinen Dorfes gut bekannt, aber ganz und gar nicht beliebt. Anfänglich, als sich die Derwische in der alten Ruine niedergelassen hatten, kreuzten sie ständig als Bettelmönche bei den Dorfbewohnern auf. Aber bald waren sie schon nicht mehr mit den üblichen Almosen zufrieden und versuchten, die Bauern zu größeren Abgaben zu erpressen. Das aber haben sich die Dörfler nicht gefallen lassen. Sie schlugen kräftig zurück, und seitdem hat sich Salih mit seiner Meute dort nicht mehr blicken lassen. Wenn es uns gelingt, dieses Dorf zu erreichen, dann sind wir zunächst in Sicherheit.“
„Das ist gut – sehr gut“, stellte Dan O’Flynn fest. „Wenn wir erst einmal aus dem Schneider sind, werden wir auch etwas für unsere Kameraden tun können.“
Batuti rollte wild mit den Augen.
„Am besten gleich“, stieß er hervor. „Batuti hat mächtiges Zorn im Bauch. Man sollte Derwischen langes Rock lüften und Haut abziehen von karierten Affenärschen!“
„Damit warte lieber bis später“, sagte Dan. „Jetzt gleich haben wir keine Chance gegen die Kerle. Vergiß nicht, daß sie Stenmark als Geisel genommen haben. Selbst der Seewolf hat kapitulieren müssen. Wir werden unseren Leuten eine bessere Hilfe sein, wenn es uns zunächst einmal gelingt, nicht erwischt zu werden.“
„Dan hat recht“, sagte Batuti schicksalsergeben, dann rundete er einen riesigen Felsblock, hinter dem Sobocan gerade verschwunden war.
Die drei Männer waren sich sehr wohl darüber im klaren, daß eine gewaltige Portion Glück dazu gehört hatte, unbemerkt zu verschwinden. Sie hatten sich zum Zeitpunkt der Geiselnahme an der abgelegensten Stelle des Schauplatzes befunden. Und in dem Augenblick, in dem das Hauptaugenmerk aller Beteiligten auf Stenmark und Ibrahim Salih gerichtet war, hatten sie ein blitzschnelles Reaktionsvermögen an den Tag gelegt. Still wie Schatten waren sie hinter den Felsen untergetaucht – zunächst unbemerkt. Batuti und Dan O’Flynn hatten unmittelbar zuvor noch ihre Gegner mit gezielten Fausthieben ins Reich der Träume geschickt.
Still und geschmeidig eilten die beiden Seewölfe hinter Sobocan her. Der Weg führte sie durch Schluchten, über weite Geröllfelder und mehrere Steilhänge hoch. Immer tiefer wand er sich in die gebirgige Landschaft hinein.
Dan und Batuti wußten nicht, wieviel Zeit seit ihrem Verschwinden vergangen war, als ihr Blick plötzlich auf das Bauerndorf fiel. Eine Hochebene tat sich vor ihnen auf. An deren nördlichen Rand klebten kleine, kastenförmige Häuser am Hang und an der Felswand. Weiter talwärts befand sich eine kleine Moschee, deren Minaretts wie drohend erhobene Zeigefinger in den Himmel ragten.
„Wir sind da“, sagte Sobocan mit einem Lächeln im verschwitzten Gesicht. Seine Brust hob und senkte sich. Tief sog er die reine Bergluft in seine Lungen.
Auch die beiden Seewölfe fühlten sich erleichtert, obwohl auch ihr Atem keuchend ging. Der Marsch in die Berge war alles andere als ein Spaziergang gewesen.
„Dort drüben“, sagte Sobocan und deutete mit ausgestrecktem Arm auf eine Hütte am Dorfrand, „wohnt Mehmet Yigal. Er war ein Freund meines Vaters. Er wird uns verstekken, bis wir wissen, wie es weitergehen soll.“
„Von was leben die Menschen hier?“ fragte Dan O’Flynn verwundert. „Ich meine, dieser kargen Landschaft ist doch bestimmt nicht viel abzugewinnen.“
„Das sieht nur auf den ersten Blick so aus“, antwortete Sobocan, während er sich wieder in Bewegung setzte. „Die Hochebene zieht sich noch ein ganzes Stück nach Osten. Und da haben die Bauern genug Felder urbar gemacht, um sich und ihre Haustiere ernähren zu können. Sicher, es handelt sich nicht um reiche Leute, aber sie sind zufrieden mit dem, was die Natur ihnen liefert. Es gab auch schon Jahre, in denen Allah viel milden Regen geschickt hat. Dadurch ist dann die Ernte so gut ausgefallen, daß man sogar Überschüsse auf den Märkten weiter im Landesinneren verkaufen konnte.
„Interessant“, sagte Dan O’Flynn, „zumal das Dorf den Eindruck erweckt, als sei es völlig von der Welt abgeschnitten.“
„Das ist es in gewissem Sinne auch“, erklärte Sobocan. „Die Bewohner erzeugen alle Nahrungsmittel, die sie brauchen, selber. Auch Decken und Kleider fertigen sie selbst aus der rauhen Naturwolle ihrer Schafe. Und will sich jemand ein Haus oder eine Hütte bauen, dann findet er hier genug Steine, die er auf seinem einfachen Holzkarren ins Dorf schaffen kann.“
Kurze Zeit später waren die drei Männer am Haus Mehmet Yigals angelangt. Während Sobocan dem alten Mann mit dem verwitterten Gesicht und dem grauen Bart mit vielen Worten und Gesten den Grund ihres Kommens erklärte, wurden Dan O’Flynn und Batuti von den zahlreichen Familienangehörigen des Bauern bestaunt. Besonders der schwarze Herkules aus Gambia erregte Aufsehen, zumal er mit Sicherheit der erste schwarze Mann war, der das winzige Bergdorf je betreten hatte.
Mehmet Yigal nickte freundlich.
„Willkommen in meinem Haus“, sagte er über Sobocan als Dolmetscher. Dann forderte er die Männer durch Gesten zum Eintreten auf. „Allah sei Dank, daß es euch gelungen ist, Salih, diesem habgierigen Geier zu entrinnen. Ihr müßt euch zunächst stärken und etwas ausruhen, dann möge euch Allah einen Weg zeigen, wie ihr euren Kameraden helfen könnt. Salih ist ein Schnapphahn, dem ein Menschenleben nicht viel bedeutet. Glaubt mir, wir haben ihn und seine Meute schon zur Genüge kennengelernt, und es hat uns einige Mühe gekostet, ihn von unserem Dorf fernzuhalten. Sorgen bereitet uns in letzter Zeit nur dieser Pirat Barabin, mit dem sich Salih verbündet hat. Sollten die Derwische zusammen mit diesem Beutelschneider gegen unser Dorf losziehen, dann sehen wir uns einer Übermacht gegenüber, der wir wahrscheinlich nicht gewachsen sein werden.“
„Habt ihr schon öfter Ärger mit Piratengesindel gehabt?“ fragte Dan.
„Eigentlich nicht“, erwiderte Mehmet Yigal. „Unser Dorf liegt zwar nicht sehr weit von der Küste entfernt, aber wer es nicht kennt, findet es nicht. Es ist euch sicher aufgefallen, welch versteckte Wege euch Sobocan geführt hat, um es zu erreichen.“
„Das kann man wohl sagen.“ Dan O’Flynn lächelte und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die irdenen Teller und Schüsseln, die von zwei Töchtern Yigals gebracht wurden.
„Heute war Backtag gewesen“, erklärte der grauhaarige Bauer. „Die Frauen haben viel frisches Brot gebacken. Greift zu und stärkt euch. Auch der Ayran wird euch schmekken, denn unsere Schafe und Ziegen geben viel gute Milch.“
Die Männer ließen sich kein zweites Mal auffordern und langten kräftig zu.
Das frische, aus Weizenmehl gebackene Brot, das die Form flacher Fladen hatte, schmeckte vorzüglich zu dem würzigen Schafskäse, den man auf einem Steingutteller angerichtet hatte. Der Ayran bildete dazu eine nahrhafte Erfrischung. Es handelte sich um ein buttermilchartiges Getränk, das man täglich frisch aus Joghurt und Wasser herstellte.
„Wir sind dir sehr dankbar für deine Hilfe“, sagte Dan O’Flynn kauend. „Wenn es uns gelingt, unsere Kameraden aus der Hand der Derwische zu befreien, wird Philip Hasard Killigrew, unser Kapitän, mit Sicherheit auch dafür sorgen, daß dein Dorf von Salih und diesem Barabin in Ruhe gelassen wird.“
„Möge Allah ihm Gelingen dabei schenken“, erwiderte Mehmet Yigal mit ernstem Gesicht. „Doch was werdet ihr unternehmen? Ihr seid nur wenige. Könnt ihr Hilfe von eurem Schiff holen?“
Dan schüttelte den Kopf. „Es sind nur wenige Männer auf der ‚Isabella‘ zurückgeblieben. Sie werden dort gebraucht, um das Schiff vor Überraschungen zu schützen. Außerdem glaube ich, daß wir zu dritt mehr Aussichten haben, ungesehen an die Felsenmoschee heranzupirschen, als wenn ein ganzer Trupp aufmarschiert.“
„Am besten, wenn wir dunkles Nacht abwarten“, ließ sich Batuti vernehmen. „Wenn Sobocan uns durch Felsen zurückführt, werden wir Kameraden befreien und Derwischen schlimmes Denkzettel verpassen.“
„Natürlich werde ich mit euch zurückgehen“, erklärte Sobocan. „Ihr könnt weiterhin voll mit mir rechnen.“
„Das hört man gern“, sagte Dan, „denn ohne dich würden wir wahrscheinlich kaum zurückfinden. Zumindest nicht bei Nacht. Vielleicht wird es gut sein, wenn wir schon eine Stunde vor Anbruch der Dunkelheit aufbrechen. Ich werde nämlich das verdammte Gefühl nicht los, daß unsere Leute ganz schön in der Zwickmühle sitzen, und ich würde mir nie verzeihen, zu spät etwas unternommen zu haben.“
„Du hast recht“, bemerkte Sobocan in seinem holprigen Spanisch. „Man wird sie in jenes dunkle Verlies gesperrt haben, aus dem ich entwischt bin. Dieses feuchte Loch gilt als ausbruchssicher. Mir ist es nur durch eine List gelungen, den Wächter zum Zurückschieben des Riegels zu veranlassen. Er wird es mit Sicherheit kein zweites Mal tun.“
„Das ist anzunehmen“, sagte Dan O’Flynn. Seinen Gesichtszügen war anzusehen, wie sehr es hinter seiner Stirn arbeitete. „Ich sehe ihm Moment nur die Möglichkeit“, fuhr er fort, „daß wir ungesehen bis zu diesem Verlies vordringen. Dabei wird alles davon abhängen, daß wir nicht zu früh von den Derwischen bemerkt werden.“
Sobocan und Batuti nickten zustimmend.
Bereits zwei Stunden später begaben sie sich unter der geländekundigen Führung Sobocans auf den Weg zurück zur Küste. Viele guten Wünsche von Mehmet Yigal und seiner weitverzweigten Familie begleiteten sie dabei. Und die Männer hofften inbrünstig, daß sie in Erfüllung gehen würden, denn der geringste Fehlschlag konnte den sicheren Tod für sie und ihre gefangenen Kameraden bedeuten.