Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 33

8.

Оглавление

Sobocan, Batuti und Dan O’Flynn hatten sich bereits bis in die Nähe der Felsenmoschee durchgeschlagen.

Die Nacht war kühl und dunkel. Nur wenn der Mond für einen Augenblick hinter den Wolken hervortauchte, wurde die Landschaft in fahles Licht gehüllt.

Obwohl sich Sobocan recht gut in dem unwegsamen Gelände zurechtfand, war es nicht einfach für sie gewesen, bei Nacht die Festung in Küstennähe zu erreichen. Sie wurden mit Sicherheit von den Derwischen gesucht, deshalb war es unmöglich für sie, mit brennenden Fackeln durch die Felsenlandschaft zu klettern. Man hätte sie sofort entdeckt.

Noch als sich die drei Männer am Rand des Steilhangs befanden, der in den Talkessel hinunterführte, in dem die Moschee versteckt lag, registrierten sie mit Verwunderung einen Fackelzug, der sich von der Festung weg in Richtung Küste bewegte.

„Nanu“, stieß Dan O’Flynn hervor, „unsere Kameraden sind das bestimmt nicht. Es müssen die Derwische sein. Was suchen die wohl mitten in der Nacht an der Küste? Zum Fischen dürfte es entschieden zu dunkel sein!“

„Vielleicht wollen tanzende Männer ‚Isabella‘ entern“, warf Batuti ein, und er schien damit den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

Sobocan räusperte sich. „Das ist durchaus möglich“, ließ er sich vernehmen. „Die ‚Isabella‘ liegt zwar ein ganzes Stück von hier entfernt, aber die Derwische haben Boote. Und die Riemen, die ich ihnen weggenommen habe, dürften sie mittlerweile ersetzt haben.“

„Verdammt!“ Dan O’Flynn kratzte sich am Hinterkopf. „Hoffentlich merken unsere Leute an Bord rechtzeitig, was sich da zusammenbraut. Die Derwische dürften auf jeden Fall in der Überzahl sein. Aber wißt ihr, was der ganze Spuk für uns bedeutet?“ setzte er hinzu. „Wir haben es nur noch mit wenigen Gegnern zu tun, wenn wir in die Moschee eindringen. Und jetzt ist es, wie mir scheint, wichtiger, daß wir unsere Leute so schnell wie möglich aus diesem Loch herausholen.“

„Dan O’Flynn hat recht“, stellte Batuti fest. „Auf was warten wir noch?“

Sofort begannen die beiden Seewölfe und Sobocan den Abstieg in den Talkessel – was sich bei Nacht als recht zeitraubend erwies. Die dicken, wuchtigen Mauern der ehemaligen Festung rückten jedoch unaufhaltsam näher. Aus dem Inneren des Gemäuers drang Licht. Es schien von Fackeln zu stammen, die im Freien brannten.

„Das Licht kommt aus dem Innenhof“, stellte Sobocan fest.

Dann pirschten sie sich über Steine und Geröll bis an jene niedrige Mauer, die sich vom Innenhof aus zu einem Seitenflügel der Ruine hinüberzog. Über sie war Sobocan bereits geklettert, als er aus seinem Gefängnis geflohen war.

Sobocan legte einen Finger auf die Lippen.

„Von jetzt an dürfen wir nur noch flüstern“, sagte er. „Es ist anzunehmen, daß sich einige Wachen im Innenhof befinden. Aus diesem Grund hat man auch die Fackeln brennen lassen.“

„Also werden wir uns zunächst auf die Kerle im Hof konzentrieren“, sagte Dan O’Flynn, und in seinen Augen blitzte es unternehmungslustig. „Wenn sich allerdings noch Wächter vor dem Verlies befinden, müssen wir vorsichtig sein, damit sie uns nicht zu früh bemerken.“

Flach drückten die drei Männer ihre Körper gegen die Mauer. Aus dem Innenhof konnte man bereits gedämpfte Stimmen hören. Die Burschen schienen sich am warmen Feuer niedergelassen zu haben.

„Batuti wird einen Blick über Mauer werfen“, flüsterte der schwarze Mann aus Gambia. „Kopf ist schwarz wie Nacht. Niemand wird Batuti sehen.“

Die beiden anderen nickten.

Sofort bildeten sie mit ihren Händen eine Art Steigbügel und ermöglichten es damit Batuti, ohne zeitraubende Klimmzüge einen Blick über die Mauer zu werfen.

Am oberen Rand angelangt, schob der schwarze Herkules vorsichtig den Kopf über den Sims. Ein kurzer Augenblick genügte ihm, um die Lage zu orten. Rasch ließ er sich wieder hinunter.

„Was ist?“ zischte Dan O’Flynn.

„Es sind zwei Männer“, berichtete Batuti mit leiser Stimme. „Sie haben langes Rock an und spitzes Hut auf dem Kopf. Sie sitzen an Feuer und sprechen. Und beide haben uns Rükken zugewandt.“

„Das hört sich gut an“, raunte Dan O’Flynn. „Batuti, wir beide werden sie übernehmen. Sobocan wird uns mit seiner Pistole Rückendeckung geben. Er ist der einzige, der noch eine Schußwaffe hat. Wir beide sind auf unsere Messer angewiesen, auf die wir im Notfall zurückgreifen müssen. Sollte etwas schiefgehen, kann Sobocan eingreifen. Wenn es klappt, soll er uns folgen, denn er wird das Verlies rascher finden als wir.“

„Alles klar, Batuti ist bereit!“ flüsterte der schwarze Riese. Das Weiß seiner Augen hob sich als einziges aus seinem dunklen Gesicht ab.

„Ich werde euch über die Mauer helfen“, sagte Sobocan, „dann steige ich selber hoch. Im Hof befinden sich einige Büsche und Sträucher. Nutzt ihre Deckung aus!“

Gleich darauf kletterten Batuti und Dan O’Flynn flink wie Katzen über den Mauersims. Rasch ließen sie sich auf der anderen Seite hinuntergleiten und verschwanden augenblicklich im Schutz einiger Büsche, die jetzt in den Wintermonaten fast völlig blattlos geworden waren.

Drüben am Feuer blieb alles still. Die Flammen waren kleiner geworden, aber die Fackeln, die in den eisernen Halteringen steckten, tauchten die nähere Umgebung in unruhiges Licht.

Die beiden Männer redeten und gestikulierten. Die Seewölfe verstanden kein Wort, ganz abgesehen davon, daß sie am Inhalt des Gespräches kaum interessiert waren.

Stumm nickte Dan Batuti zu und sofort setzten sich beide in Bewegung. Vorsichtig wie Schlangen, kein Geräusch hinterlassend, huschten sie auf die beiden Derwische zu. Ihre Augen waren voll auf die beiden Gestalten ausgerichtet.

Sie waren höchstens noch drei Yards von der Feuerstelle entfernt – da knackte es laut unter Dans Füßen. Er mußte im Halbdunkel auf einen dürren Ast getreten sein.

Wie auf Kommando fuhren die beiden Derwische herum. Das dumpfe Dröhnen von Schüssen, das vor einiger Zeit schwach aus der Ferne zu hören gewesen war, hatte sie nicht erschreckt. Sie wußten, was es zu bedeuten hatte. Jetzt aber stand in ihren Augen das blanke Entsetzen.

Aber nur noch einem von ihnen gelang es, einen überraschten Laut auszustoßen. Mit gewaltigen Sätzen waren Batuti und Dan heran, dann schlugen ihre Fäuste erbarmungslos zu.

Dunkelheit und Stille überlagerten die Bucht, in der die „Isabella VIII.“ ankerte. Die gewaltigen Felswände, die stellenweise steil aus dem Wasser ragten, warfen ihre Schatten über die Bucht und ließen die Wasseroberfläche schwarz erscheinen.

Die Galeone der Seewölfe bewegte sich leise knarrend und ächzend hin und her. Da man sämtliche Lichter, einschließlich der Hecklaterne, gelöscht hatte, waren nur ihre mächtigen Umrisse zu erkennen. Die „Isabella“ glich in dieser Nacht einem Geisterschiff, das geheimnisvolle Kräfte in jene abgelegene, verschwiegene Bucht getrieben hatten.

Doch der äußere Schein trog. An Bord des Schiffes herrschte Unruhe. Die meisten Männer, die nicht mit Philip Hasard Killigrew an Land gegangen waren, hielten sich an Deck auf. Lediglich die Zwillinge waren von Ben Brighton, dem Ersten Offizier und Stellvertreter des Seewolfs, in ihre Kojen beordert worden.

„Irgend etwas ist schiefgegangen“, sagte Ben Brighton. Die Hände des sonst so ruhigen und besonnenen Mannes umkrampften mit leichter Nervosität den Ledergürtel, der sich um seine Hüften spannte. „Das vereinbarte Zeichen ist ausgeblieben, außerdem sind bereits am Nachmittag Schüsse gefallen.“

Old Donegal Daniel O’Flynn, sein Gesprächspartner, räusperte sich. Sein verwittertes Gesicht wirkte nachdenklich.

„Nun“, meinte er, „daß es nicht ganz ohne Kampf abgehen wird, war ja eigentlich zu erwarten. Aber daß das vereinbarte Zeichen ausgeblieben ist, bereitet mir langsam Kopfschmerzen. Ganz davon abgesehen, daß unsere Leute längst zurück sein müßten.“

„Das ist es ja“, sagte Ben Brighton. „Es war schließlich nicht geplant, daß sie in dieser mysteriösen Festung übernachten sollten. Wenn sie jetzt trotzdem nichts von sich hören oder sehen lassen, dann kann das eigentlich nur bedeuten, daß ihnen etwas zugestoßen ist.“

Old O’Flynn nickte mit grimmigem Gesicht.

„Verdammt!“ stieß er hervor. „Mich kneift’s in meinem Holzbein, wenn ich auch nur daran denke. Vielleicht ist die ‚Isabella‘ doch gesehen worden, und Hasard ist mit seinen Leuten geradewegs in einen Hinterhalt getappt.“

„Wir können das nicht ausschließen“, erwiderte Ben Brighton. „Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann ist auch die ‚Isabella‘ in Gefahr. Wir sind gefechtsklar, haben alle Lichter gelöscht und Bill in den Großmars geschickt. Aber das hilft Hasard nicht. Ich bin der Meinung, daß wir wenigstens im ersten Morgengrauen einige Männer losschicken sollten, gewissermaßen als Spähtrupp. Jetzt in der Nacht hätten sie wahrscheinlich keine Chance, die Felsenmoschee zu finden.“

„Der Gedanke ist nicht schlecht“, sagte der alte O’Flynn. „Sobald der Tag anbricht, sollten wir einen Trupp zusammenstellen. Notfalls werden wir hier auch mit wenigen Männern jedem auf die Finger klopfen, der an unsere Lady heranwill.“

„Nun gut, Old Donegal!“ Ben Brighton wandte sich dem Steuerbordniedergang zur Kuhl zu. „Ich werde die Männer bestimmen, die im ersten Morgengrauen aufbrechen. Es wird gut sein, wenn sie sich vorher noch ein wenig aufs Ohr legen, denn …“

Weiter gelangte der dunkelblonde, untersetzte Mann nicht. Die helle Stimme Bills, der im Ausguck saß, zerschnitt plötzlich die Stille der Nacht.

„Deck! Drei Boote an Steuerbord. Sie sind fast heran! Verdammt, warum ist es heute auch nur so dunkel!“

Bill, der Moses, schien sich Vorwürfe zu bereiten, weil er die Boote nicht früher gesehen hatte. Aber auch ein anderer hätte sie wahrscheinlich nicht früher wahrgenommen. Urplötzlich waren sie in seinem Gesichtsfeld aufgetaucht, als habe sie die Hölle ausgespuckt. Sie mußten sich im Schatten der riesigen Felsen bis in die unmittelbare Nähe der „Isabella“ herangearbeitet haben.

Auch Ben Brighton, der gerade zur Kuhl abentern wollte, sah jetzt die Boote. Und er reagierte schnell.

„Smoky und Old Donegal an die Drehbässen!“ rief er. „Bob und Big Old Shane, ihr kümmert euch um einige Flaschenbomben. Der Rest an die Musketen!“

„Aye, aye, Sir“ tönte es zurück.

Blitzschnell eilten die Männer auf ihre Stationen.

Die Stückpforten zu öffnen und die Culverinen auszurennen, hätte keinen Sinn mehr gehabt. Dazu waren die Boote bereits zu nahe heran.

„Derwische! Es sind Derwische!“ tönte die Stimme Bills aus dem Großmars. „Sie sind alle in die gleichen Gewänder gekleidet. In jedem Boot sitzen ungefähr zehn Männer!“

Natürlich hatten auch die nächtlichen Angreifer bemerkt, daß ihre Ankunft auf der „Isabella“ registriert worden war. Plötzlich gellte ein lauter Ruf durch die Nacht, der in den Booten ein wüstes Geschrei zur Folge hatte.

Gleich darauf krachten die ersten Schüsse.

Trotzdem pullten die Derwische wie besessen weiter. Ihre Absicht, die „Isabella“ zu entern, war unverkennbar. Und es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis die ersten Enterhaken über das Schanzkleid flogen. Schon krachte das Dollbord des ersten Bootes gegen die Bordwand.

Längst hatte auch Ben Brighton den Feuerbefehl gegeben. Musketenschüsse blitzten durch die Nacht. Dazwischen mischte sich das Dröhnen je einer der beiden vorderen und achteren Drehbassen. Auf der Back bediente Smoky, ein Rauhbein, das noch unter Francis Drake als Decksältester gefahren war, eins der schwenkbaren Geschütze, und auf dem Achterdeck hatte Old O’Flynn Stellung an einer Drehbasse bezogen.

Big Old Shane, der ehemalige Schmied der Feste Arwenack in Cornwall, hantierte zusammen mit Bob Grey, einem flinken und drahtigen Burschen, an der Schleudervorrichtung, die Ferris Tucker einst für seine berüchtigten Flaschenbomben konstruiert hatte.

Augenblicke später flog die erste Flasche, die mit gehacktem Blei, Nägeln und Glassplittern gefüllt war, durch die Nacht. Die Pulverladung entzündete sich und zerriß die Flasche direkt am Bug des dritten Bootes, das noch ungefähr achtzig Yards entfernt war.

Ein lautes Geschrei war die Antwort, und das Boot war plötzlich leer. Wer nicht von der Ladung der Flaschenbombe getroffen worden war, war über Bord gesprungen – voller Entsetzen über diese unbekannte, verheerende Waffe der Fremden.

Weitere Enterhaken waren inzwischen über das Steuerbordschanzkleid der „Isabella“ geflogen. Trotz der Schütte, die auf beiden Seiten krachten, tauchten bereits die ersten Derwische aus dem Dunkel der Nacht hervor.

„Die Burschen entern!“ brüllte Ben Brighton vom Achterdeck. „Greift euch Degen, Entermesser und Belegnägel! Zurück mit ihnen ins Wasser!“

Während sich die Seewölfe sofort auf die neue Situation einstellten, dröhnte ein lautes „Ar-we-nack!“ über die Decks der „Isabella“. Es war der alte Schlachtruf derer auf Arwenack, den die Männer gern benutzten.

Der kurze, aber heftige Enterkampf begann.

Die gefährlichen Krummsäbel der Derwische zischten durch die Luft, und es war höchst gefährlich, bei den schlechten Sichtverhältnissen entsprechend zu parieren. Zum Glück konnten die Angreifer durch ihre einheitlichen, langen Gewänder leicht erkannt werden, so daß kein Belegnagel auf den falschen Kopf donnerte.

Selbst der Schimpanse Arwenack turnte laut keckernd in den Wanten, und die Belegnägel, die er durch die Gegend schleuderte, trafen ihr Ziel jedesmal mit erstaunlicher Präzision.

Sir John, der wortgewandte Bordpapagei, fühlte sich in seiner Nachtruhe gestört. Er schien die kämpfenden Seewölfe moralisch unterstützen zu wollen. Die Schimpfwörter, die er von sich gab, hätten bestimmt den einen oder anderen Derwisch erblassen lassen, wenn er sie verstanden hätte.

Zwei Derwische lagen bereits auf den Decksplanken und rührten sich nicht mehr. Eine ganze Reihe war zurückgeschlagen worden und mit lautem Klatschen im Wasser gelandet. Sie hatten es nicht geschafft, die „Isabella“ zu betreten.

Weitere befanden sich noch im erbitterten Kampf gegen die Seewölfe, die sich als eine äußerst kampferprobte Mannschaft entpuppten. Jeder kämpfte an seinem Platz – der Kutscher, Blacky, Pete Ballie, Jeff Bowie, Sam Roskill und Will Thorne. Auch Smoky und Old O’Flynn waren von den Drehbassen herbeigeeilt und hatten sich Degen gegriffen.

Big Old Shane und Bob Grey hatten die Schleudervorrichtung aufgegeben und sich ins Kampfgetümmel gestürzt. Die Zwillinge, die der Lärm aus den Kojen gescheucht hatte, standen mit je einer Pistole hinter einem Schott – bereit, jedem entgegenzutreten, der es wagen sollte, in die Räumlichkeiten der „Isabella“ einzudringen.

Der Kampf war bald entschieden.

Jene Derwische, die nicht schon im Wasser gelandet waren, holten sich blutige Köpfe. Auch auf der Stirn ihres Anführers, Ibrahim Salih, wuchs bereits eine mächtige Beule. Durch seinen rechten Ärmel sickerte Blut.

Er schien eingesehen zu haben, daß seine Rechnung nicht aufgehen würde. Diese wenigen Engländer hier kämpften wie die Löwen. Bei Allah, es würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als sich mit seinen Männern jetzt auf schnellstem Weg zurückzuziehen. Er würde den Kapitän und einige andere Gefangene als Geiseln herbeiholen. Dann würde es ihm mit Sicherheit gelingen, dieses Schiff zu übernehmen.

Mit lauten Schreien trieb Salih seine Männer zurück. Sie sprangen über Bord, schwammen hastig zu ihren Booten und kappten die Taue, die an den Enterhaken befestigt waren.

Augenblicke später pullten sie ihre wendigen Boote in die Dunkelheit zurück, und zwar in einem Tempo, als sei der Teufel persönlich hinter ihnen her.

„Sollen wir ihnen einige eiserne Grüße nachschicken, Sir?“ fragte Smoky.

„Laß gut sein“, erwiderte Ben Brighton. „Vorerst haben sie genug. Ist jemand von euch verletzt worden?“

Außer einigen Kratzern, Beulen und kleineren Fleischwunden, die der Kutscher leicht wieder verarzten konnte, war niemand ernsthaft blessiert.

„Jetzt möchte ich gern wissen, was diese Rübenschweine als nächstes vorhaben“, murmelte Old O’Flynn mit düsterem Gesicht. „Die geben mit Sicherheit noch nicht auf.“

Die Männer verstummten, als sie an ihre Kameraden dachten, die sich höchstwahrscheinlich in der Gewalt dieser Fanatiker befanden.

Ohne einen weiteren Laut von sich zu geben, brachen die beiden Wächter zusammen. Wie Dan O’Flynn die Lage einschätzte, würden sie auch innerhalb der nächsten Stunden nicht aus dem Reich der Träume zurückkehren.

Während Dan zu Sobocan hinüberwinkte, zog Batuti den beiden Derwischen die Messer und Krummsäbel aus dem Gürtel. Auch die beiden Musketen, die neben der Feuerstelle lagen, fanden sein Interesse.

„Sehr gut!“ flüsterte Sobocan, als er die beiden Seewölfe erreicht hatte. „Aber weiter jetzt und bemüht euch, so leise wie möglich zu sein. Das Verlies wird bestimmt bewacht.“

Wenig später tasteten sich die drei Männer die grobbehauenen Stufen hinunter, die in ein kühles und feucht riechendes Kellergewölbe führten. Während sie sich in der Dunkelheit mit einer Hand an der Wand abstützten, um keine Stufe zu verfehlen, hielten sie in der anderen Hand ihre Schußwaffen. Dan und Batuti hatten die Musketen der Besinnungslosen und Sobocan noch eine schußbereite Pistole.

Bald verriet ihnen ein flackernder Lichtschein, daß sie sich ihrem Ziel näherten. Nachdem die letzte Treppenstufe hinter ihnen lag, erkannten sie einen Gang, der ungefähr zehn Yards vor ihnen nach rechts abzweigte.

Sobocan, der vorausgegangen war, verhielt seine Schritte.

„Wir sind da“, flüsterte er. „Sie haben wahrscheinlich Öllampen entzündet.“

„Wir werden sie überraschen“, erwiderte Dan O’Flynn im Flüsterton. „Wenn alles gutgeht, sperren wir sie mit ihren Kumpanen, die oben im Hof liegen, ein.“

Vorsichtig schoben sich die drei Männer an die Abzweigung des Ganges heran. Leise Stimmen waren zu hören. Die Wächter schliefen also nicht, sondern waren in eine Unterhaltung vertieft. Für einen Moment hielten Sobocan und die Seewölfe den Atem an. Aber sie konnten nur zwei Stimmen unterscheiden.

Dan und Batuti packten ihre Musketen schußbereit. Es folgte ein kurzes Kopfnicken, dann hechteten sie blitzschnell um die Ecke.

„Keine Bewegung!“ sagte Dan O’Flynn mit schneidender Stimme. Gleich Batuti hatte er seine Muskete im Anschlag.

Die beiden Derwische, die vor einer riesigen Holztür auf geflochtenen Matten hockten, starrten die beiden Seewölfe an, als seien sie Gespenster.

„Keine falsche Bewegung“, wiederholte Dan in spanischer Sprache. „Steht langsam auf, nehmt die Hände über den Kopf und versucht nicht, nach euren Waffen zu greifen!“

Die beiden bärtigen Männer schienen den Ernst der Situation zu begreifen. Langsam, fast zögernd, erhoben sie sich von ihren Matten.

„Sobocan!“ stieß einer mit heiserer Stimme hervor, als er den jungen Türken erkannte, der hinter Dan und Batuti aufgetaucht war.

„Ja, ich bin es“, antwortete Sobocan in der Landessprache. „Und ich habe keinen Grund, euch zu verschonen, wenn ihr nicht tut, was euch gesagt wird.“ Mit wenigen Schritten erreichte er die beiden Überrumpelten und entwaffnete sie mit flinken Händen. „Schaut nach euren Kameraden, sie müßten hier drin sein“, sagte er zu den beiden Seewölfen und hielt die Wächter in Schach.

Während Batuti den schweren Riegel zurückschob, griff Dan nach einer der beiden Öllampen.

Mit einem quietschenden Geräusch schwang die schwere Holztür zurück. Vorsichtig trat Dan O’Flynn mit der Lampe in der Hand in das Verlies – und da sah er sie!

Teils hockten und teils lagen sie, wie Pakete zusammengeschnürt, in dem dunklen Raum. Und sie waren hellwach. Niemand von ihnen hatte an Schlaf gedacht, seit sie wußten, was die Derwische noch für diese Nacht geplant hatten. Auch die Schüsse waren ihnen nicht entgangen, die vor einiger Zeit schwach aus der Ferne zu hören gewesen waren. Manch einer von ihnen sah sich im Geist auf der „Isabella“, bis ihn die zusammengebundenen Hände und Füße an die Hilflosigkeit seiner Lage erinnerte.

Der Profos, der am Boden hockte und den breiten Rücken gegen eine Wand gelehnt hatte, öffnete als erster den Mund.

„Ach du heiliger Bimbam!“ stieß er hervor. „Bist du’s, Dan, oder bist du nur ein Geist?“

„Hast du schon mal schwarzes Geist gesehen, Mister Carberry, Sir?“ Das grinsende Gesicht Batutis tauchte über der Schulter Dan O’Flynns auf.

„Bei allen blatternarbigen Kakerlaken!“ sagte Edwin Carberry. „Sie sind es tatsächlich. Wie seid ihr hier eingedrungen, und was habt ihr mit den Rübenschweinen vor der Tür getan?“

„Das erzählen wir euch später“, erwiderte Dan mit strahlendem Gesicht. Ihm war ein tonnenschwerer Stein vom Herzen gefallen, als er gesehen hatte, daß alle wohlauf waren. „Batuti wird euch zunächst von euren Fesseln befreien. Wir müssen alle so rasch wie möglich aus diesem Loch heraus. Die Derwische haben die ‚Isabella‘ angegriffen.“

„Wir wußten, daß sie dies planten“, sagte der Seewolf, „aber wir konnten nichts dagegen tun. Zunächst wollten sie die ‚Isabella‘ entern, dann sollten wir aus dem Weg geräumt werden. Ihr seid wirklich zur rechten Zeit erschienen. Wir alle haben euch zu danken.“

„Schon gut, Sir“, sagte Dan O’Flynn verlegen. „Ihr habt uns auch schon aus der Klemme geholfen.“

Dank des scharfen Messers Batutis waren alle Männer rasch von ihren Fesseln befreit.

„Nach der versteckten Beute werden wir später sehen“, entschied Philip Hasard Killigrew. „Zunächst wird die ‚Isabella‘ unsere Hilfe brauchen.“

Damit war jeder einverstanden.

Die beiden besinnungslosen Wächter, die noch oben im Innenhof der Moschee lagen, wurden heruntergeholt und zusammen mit ihren beiden Kumpanen, die Sobocan mit der Pistole in Schach gehalten hatte, in das Verlies gesperrt.

„Bei Allah, der Scheich wird uns auspeitschen lassen“, jammerte einer von ihnen.

„Das hast du Gauner auch verdient“, erwiderte Al Conroy. „Euch Burschen schadet es nicht, wenn ihr ab und zu mal die Hucke voll kriegt!“ Dann schob er den schweren Riegel vor.

Die Pistolen und Krummsäbel der Wachen wurden mit in den Innenhof genommen, und dort wurden die wenigen zur Verfügung stehenden Waffen unter alle Männer verteilt.

Nachdem sich die Seewölfe davon überzeugt hatten, daß sich keine weiteren Derwische in der Festung befanden, rüsteten sie sich zum Abmarsch.

Doch dabei wurden sie von der Stimme Dan O’Flynns jäh unterbrochen. Seine scharfen Augen hatten eine Reihe von Lichtpunkten entdeckt, die sich der Moschee von der Küste her näherten.

„Sie kehren zurück!“ sagte Dan. „Und sie scheinen in ziemlicher Eile zu sein.“

„Wenn sie so rasch zurückkehren“, sagte der Seewolf, „dann kann das nur bedeuten, daß sie sich bei der ‚Isabella‘ eine Abfuhr geholt haben. Und warum auch nicht! Schließlich sind unsere Leute schon mit anderen Burschen fertig geworden als mit tanzenden Derwischen.

„Werden wir auf sie warten, Sir?“ fragte Luke Morgan ungeduldig.

Hasard nickte.

„Jetzt, da der Kampf vorüber ist, wird man uns an Bord nicht so dringend brauchen. Am besten, wir bereiten diesem Salih und seinem Gesindel den passenden Empfang. Danach sollten wir die Burschen ins Verlies sperren, bis wir die Beute abtransportiert haben. Dort unten können sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, wenn sie nichts besseres zu tun haben.“

Die Männer waren begeistert von diesem Vorschlag.

Als eine Stunde später, im ersten Morgengrauen, Ibrahim Salih mit seinem Haufen in den Hof der Moschee marschierte, bemerkte er die Falle, in die er hineintappte, erst, als es bereits zu spät war.

Die verhaßten „Giaurs“ griffen von allen Seiten an und im Nu war auf dem Tanzplatz der Derwische eine wilde Prügelei im Gange.

Es wurde eine schwarze Nacht für Ibrahim Salih und seine Anhänger. Zuerst hatten sie sich bei der „Isabella“ eine kräftige Abfuhr geholt, und jetzt, nachdem sie zurückgekehrt waren, um Geiseln zu nehmen, bezogen die völlig Überraschten die wohl kräftigste Tracht Prügel, die sie je erhalten hatten.

Die Seewölfe fegten wie ein Wirbelwind durch den Innenhof der Felsenmoschee. Nachdem der rundliche Naci Bekanntschaft mit der Stiefelspitze Edwin Carberrys geschlossen hatte, geriet Ibrahim Salih selbst in die Fäuste des Profoses.

„Trab an, du geiernasiges Rübenschwein!“ fauchte Carberry. „Jetzt kannst du deine Reiterscharen aufmarschieren lassen, von denen der kleine Fettwanst vorgelesen hat. So was wie ihr könnte nicht mal auf einem quiekenden Schwein durch die Gegend reiten. Jetzt kannst du gleich das Beten anfangen, denn ich werde dir höchstpersönlich die Haut in Streifen von deinem karierten Affenarsch ziehen!“

Was der Profos mit seinem derben Lieblingsspruch meinte, kriegte Ibrahim Salih augenblicklich zu spüren. Edwin Carberry war jedenfalls davon überzeugt, daß der Ober-Derwisch den ganzen nächsten Tag damit beschäftigt sein würde, seine Knochen zusammenzulesen.

Der Kampf war bald entschieden, und die Derwische erhielten Gelegenheit, ihren Kumpanen unten in dem feuchten Verlies Gesellschaft zu leisten. Auch Ibrahim Salih blieb der Weg in sein eigenes Gefängnis nicht erspart. Selbst die übelsten Höllenstrafen, die er den Seewölfen androhte, vermochten ihn nicht davor zu bewahren.

Die Seewölfe brachen sofort zur „Isabella“ auf. Den „Beutekeller“ der Derwische wollte Hasard erst dann ausräumen lassen, wenn es hell geworden war. Bei Dunkelheit wäre es zu zeitraubend, das Zeug durch die Felsen zu transportieren. Sie würden im Verlauf des Vormittags zur Felsenmoschee zurückkehren. Bis dahin würde Ibrahim Salih und seinen Schnapphähnen nichts anderes übrigbleiben, als in dem dunklen Kellergewölbe auszuharren.

Luke Morgan und Matt Davies waren vom Seewolf dazu bestimmt worden, als Wachtposten zurückzubleiben.

Seewölfe Paket 13

Подняться наверх