Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 47
2.
ОглавлениеDie Kneipe „Zur Schildkröte“ war eine tief in den Felsen getriebene Grotte, ursprünglich eine Höhle, die dann aber nach und nach erweitert worden war und zu diesem Zeitpunkt mit ihren Nischen, Gängen, Abseiten, verborgenen Nebenräumen und Abstiegen in kellerartige Gewölbe wie ein Labyrinth wirkte.
Eine angenehme Kühle herrschte in diesem Labyrinth, dessen felsigen Wände zum Teil mit Salpeter bereift waren.
Der Mann, der diesen unterirdischen Felsbau beherrschte, hieß schlicht und einfach Diego und war ein Schlitzohr von ganz besonderer Güte. Seine Vergangenheit kannte niemand, sie spielte auch keine Rolle, denn hier galten andere Gesetze als drüben in der Alten Welt.
Abgesehen davon, daß sich der Fettwanst Diego am An- und Verkauf mästete und über Waren aller Art verfügte, wurden hier auch Nachrichten gehandelt, die für die Karibik-Wölfe in vielfältiger Weise interessant waren. Woher Diego seine Informationen bezog, wußte niemand. Vermutlich existierte ein Spitzelsystem, das wie ein Netz die Karibik überspannte und Nachrichten von Insel zu Insel übermittelte.
Wichtig waren immer die Informationen aus Havanna, wo die großen spanischen Geleitzüge zusammengestellt wurden, bevor sie nach Spanien zurücksegelten.
Diego gab und verkaufte Tips. Das war so eine Art Nachrichtenbörse für die Karibik-Wölfe. Das sicherte dem Fettwanst aber auch einen Status der Unantastbarkeit, den sogar der wüste, nun verblichene Caligu hatte respektieren müssen.
Diego war kein Gewaltmensch, aber ein mit allen Wassern gewaschener Kaufmann, auf den die Kaperfahrer so oder so angewiesen waren.
In Auseinandersetzungen, wie sie in jeder Kneipe üblich sind, griff Diego prinzipiell nicht ein. Er wahrte strickte Neutralität, hinter seinem Tresen war neutraler Boden. Wer sich an dem Dicken vergriff – was in den letzten Jahren allenfalls zwei-, dreimal geschehen war, mußte damit rechnen, von der Gilde der Karibik-Wölfe geächtet, wenn nicht sogar ins Jenseits befördert zu werden. Das waren ungeschriebene Gesetze.
Diese Kneipen-Grotte also steuerte Siri-Tong, die Rote Korsarin, an, um neue Männer anzuheuern. In ihrem Gefolge befanden sich Hasard, Ed Carberry, Stenmark, Smoky, Matt Davies und Sam Roscill.
Hasard wäre am liebsten wieder umgekehrt, nachdem er mit einem kurzen Rundblick die Typen gemustert hatte, die an diesem Nachmittag die Grotte bevölkerten.
Vielleicht waren ein paar gute Männer darunter, aber die Mehrzahl gehörte seiner Ansicht nach zu der Kategorie der Galgenvögel, Halsabschneider, Spitzbuben und Schnapphähne.
Der ölige Fettwanst hinter dem Tresen – Diego – erinnerte den Seewolf an Nathaniel Plymson, den Wirt der „Bloody Mary“ in Plymouth. Die Männer hinter den Theken solcher Spelunken schienen auf der ganzen Welt einander ähnlich zu sein.
Ed Carberry schnüffelte angewidert und murmelte: „Mann, ist das ein Bums hier, was, wie? Hier stinkt’s nach dreckigen Kanalratten, ungewaschenen Rübenschweinen und nach Ärger.“
Hasard grinste. „Du sagst es.“
Die Gespräche der Kerle waren verstummt, als Siri-Tong und die sechs Männer die „Schildkröte“ betreten hatten. Die sechs Männer beachtete kaum jemand, dafür konzentrierten sich die Blicke auf Siri-Tong und tasteten sie ab wie die Fangarme eines Riesenkraken. Was diese Blikke besagten, war von schamloser Eindeutigkeit.
Vielleicht kannten ein paar der Kerle die Rote Korsarin und ihren Ruf als verwegene Freibeuterin. Sicherlich auch hatte sich längst herumgesprochen, wer den schrecklichen Caligu auf seine letzte Reise geschickt hatte. Schließlich war die Hure Maria Juanita wieder auf Tortuga und zeugte mit ihrem entstellten Gesicht für die Wildheit des Piraten-Duells. Aber das alles hielt kaum einen der Galgenvögel davon ab, Siri-Tong als das zu betrachten, was sie war – ein rassiges Vollblutweib.
Wie immer trug Siri-Tong ihre rote Bluse, die am Hals zwei Knöpfe geöffnet war, obwohl einer weiß Gott gereicht hätte. Diese Bluse enthüllte auf raffinierte Weise mehr, als sie verbarg.
Ed Carberry hatte noch auf der Schlangen-Insel zu Matt Davies gesagt, er gehe jede Wette ein, daß man auf ihren Brüsten Läuse knacken könne. Der Profos wollte damit auf die Härte dieser hübschen weiblichen Attribute hinweisen. Matt Davies hatte darauf verzichtet, die Wette anzunehmen, denn die hätte er verloren, obwohl der Verlust der Wette dennoch ein Gewinn gewesen wäre, wenn er zwecks Feststellung der Behauptung Carberrys diese Läuse in natura und am oder besser auf dem Objekt hätte knacken dürfen. Aber das war ja wohl nur ein Traum, wie ihn alle Männer der „Isabella“ träumten.
Um so wütender, grimmiger oder verbissener reagierten diese sechs Männer einschließlich des Seewolfes jetzt in der Kneipen-Grotte, als sie die geilen Blicke der Galgenvögel sahen und ihre obszönen Bemerkungen hörten. Da war eben dieser feine Unterschied. Sie hatten Siri-Tong zu ihrem Schutz hierherbegleitet und mußten Blicke und Bemerkungen naturgemäß als persönliche Beleidigungen empfinden, ganz abgesehen von einer gewissen Eifersucht, die sie hegten, aber niemals offen zugegeben hätten.
Einen ziegenbärtigen Zwerg, der mit hervorquellenden Augen Siri-Tongs Brüste auffraß, wischte Ed Carberry einfach von dem Hocker, auf dem das Männchen saß. Damit war für sie ein Tisch frei, den der Zwerg allein besetzt hatte. Im übrigen stand der Tisch dicht am Eingang zur Grotte, und dort war die Luft besser.
Der Zwerg landete irgendwo im Halbdämmer der hinteren Grotte, wo sich allerlei Gänge auftaten.
Siri-Tong selbst tat, als sehe und höre sie nichts. Sie verhandelte am Tresen mit Diego, der vor Glück zerschmolz und ihr versprach, die Kunde sofort zu verbreiten, daß die Rote Korsarin gute Männer suche.
„Wünschen Sie sonst noch etwas, Madame?“ fragte er.
„Wein“, erwiderte Siri-Tong knapp.
„Sofort, Madame.“ Der Fettwanst verbeugte sich hinter dem Tresen. Dann lehnte er sich über die Platte und flüsterte vertraulich: „Darf man fragen, wer der schwarzhaarige Riese ist, der Madame begleitet?“
„Der Seewolf.“
Der Fettwanst prallte zurück, als habe er eine Ohrfeige erhalten. Dann bekreuzigte er sich und murmelte ehrfürchtig: „Heilige Mutter Gottes, der Seewolf.“
Siri-Tong lächelte amüsiert und sagte: „Vergessen Sie den Wein nicht, Diego.“
Damit verließ sie den Tresen, schwenkte die Hüften durch die Grotte und setzte sich zu Hasard und seinen Männern.
„Was ist das für ein fetter, qualliger Kerl?“ fragte der Profos wütend.
„Das ist Diego“, erwiderte Siri-Tong, „ein Mann, ohne den wir hier nicht leben könnten, mein Freund. Und ich rate jedem, sich nicht mit ihm anzulegen. Nicht weil er gefährlich sein könnte, sondern weil wir uns bei ihm mit allem versorgen können, was wir brauchen, auch auf Kredit, und weil er sehr genau über alles informiert ist, was sich in der Karibik tut, vor allem, was die Spanier betrifft.“
„Qualle bleibt Qualle“, sagte Ed Carberry bissig, wurde aber friedlicher, als Diego selbst den Wein und Becher brachte und erklärte, diese und die weiteren Zechen gingen auf seine Rechnung, und es sei ihm eine Ehre, den Seewolf und seine Männer in der „Schildkröte“ begrüßen zu dürfen.
Als er sich diskret zurückzog, grinste Sam Roscill, der Karibik-Pirat gewesen war, bevor Hasard ihn in seine Crew aufgenommen hatte. Er kannte den Dicken.
„Er meint es ehrlich, der Dicke“, sagte er. „Und wenn er die Zeche übernimmt, dann will er damit ausdrücken, daß wir seine Freunde sind. Und ich darf betonen, daß nicht jeder sein Freund ist, der hier aufkreuzt.“
„Na, denn Prost“, sagte Hasard und hob den Becher. Er blickte Siri-Tong in die dunklen Augen und stellte wieder einmal fest, daß die Rote Korsarin verlegen wurde – wie immer, wenn er sie anschaute, hol’s der Teufel!
Der Wein war erstklassig, was man von den meisten Kerlen, die hier herumlungerten und glotzten, nicht behaupten konnte.
Hasard sagte: „Madame, ich befürchte, daß Sie hier kaum einen geeigneten Mann finden werden – oder wir sitzen in einer Woche noch hier herum und kriegen lange Bärte. Ed Carberry meinte vorhin, diese ‚Schildkröte‘ sei ein Bums. Wenn ich mich hier so umsehe, dann halte ich das noch für stark untertrieben.“
„So?“ sagte Siri-Tong spitz. „Und wie würden Sie die ‚Schildkröte‘ nennen, verehrter Mister Killigrew?“
Hasard lächelte. „Einen Saustall, verehrte Miß Siri-Tong!“
Seine Männer grinsten.
Siri-Tong wurde so rot wie ihre Bluse, setzte sich kerzengerade auf – und schwieg.
„Ich wollte Sie nicht beleidigen“, sagte Hasard.
„Das können Sie auch gar nicht“, erwiderte sie eisig.
„Na, dann ist ja alles in Ordnung“, sagte Hasard, „so wie der Wein, der ist sogar in allerbester Ordnung. Darf ich mir noch einen Vorschlag erlauben?“
„Bitte sehr“, sagte Siri-Tong kühl.
„Sie sollten sich hier an die Wand setzen.“
„Und warum?“
„Weil man mit der Wand im Rükken gesünder lebt, Madame. Sie gibt Dekkung, verstehen Sie? Man braucht sich also nur um die Front zu kümmern, die man vor sich hat. Hinten haben wir ja leider keine Augen.“
„Ich bleibe hier sitzen“, erklärte Siri-Tong von oben herab. „Sparen Sie sich Ihre Belehrungen.“
„Es war ja auch nur ein Vorschlag“, sagte Hasard, ohne eine Miene zu verziehen, und fügte hinzu: „Ich wollte Ihnen Ärger ersparen, der fängt nämlich genau in diesem Moment an.“
Der Kerl war vierschrötig, hatte ein Nußknackergesicht von brutaler Härte und Arme, die so lang waren, daß er sich mühelos und ohne sich bücken zu müssen die Waden kratzen konnte.
Er schlingerte auf Siri-Tong zu, die mit dem Rücken zu ihm saß, und klatschte ihr seine Pranke aufs Hinterteil. Zweifellos war er angetrunken.
„Hinten ist eine Nische frei!“ grölte er. „Und ’ne Matratze liegt auch drin, mein Vögelchen, und da werden wir beide mal einen wilden Ritt ausprobieren!“
Die Kerle hinten in der Grotte brüllten vor Lachen.
Siri-Tong war schneeweiß geworden – vor berstender Wut. Sie saß, als hätte sie einen Ladestock verschluckt.
„Übernimm du ihn, Ed“, sagte Hasard lässig. „Bring ihm Manieren bei, diesem Dreckskerl.“
Der Vierschrötige stutzte und stierte Hasard an.
„Halts Maul“, sagte er, „hier red ich!“
„Genau das ist schon zuviel“, sagte Hasard verächtlich, wechselte den Blick und sah seinen Profos an. Jetzt klirrte in seiner Stimme unterdrück-te Wut. „Brauchst du vielleicht eine schriftliche Einladung, Mister Carberry?“
Der eisenharte Mann mit dem zernarbten Gesicht stand langsam auf und lächelte verzückt – es sah aus, als fletsche ein Wolf die Zähne.
„Sir“, sagte er, „ich wollte den Anfang nur so richtig mal genießen, was, wie? Natürlich bring ich diesem Lümmel Manieren bei, nichts tue ich lieber! Dem zieh ich seinen Affenarsch streifenweise ab, verlaß dich drauf, Sir – Entschuldigung, Madame, würden Sie vielleicht doch die Güte haben, den Platz zu wechseln? Der alte Carberry braucht ’ne Menge Raum, wenn er gleich mit diesem Drecksack da die Dielen aufwischt!“
Siri-Tong flutschte hinüber zur Wand.
Der Vierschrötige glotzte und schob den Kopf vor.
„Was’n hier los?“ murrte er.
Carberry nahm genau Maß und feuerte seine Rechte ab, eine eisenharte Rechte mit der Kraftentfaltung eines explodierenden Pulverfasses. Sie zerquetschte dem Vierschrötigen den Magen.
Noch bevor er grün werden und Luft holen konnte, zerplatzte Carberrys Linke unter seinem Nußknackerkinn – mit verheerenden Folgen. Das Kinn stand plötzlich schief.
Aber das sah man erst, als sich der Kerl beim Tresen wieder hochrappelte, wohin ihn Carberrys Hieb befördert hatte.
Carberry streichelte seine Rechte, als sei sie ein Wickelkind. Er grinste glücklich, weil er schon etwas Dampf hatte ablassen können.
Leider hatte der Vierschrötige Schwierigkeiten mit seinem Gleichgewicht und war so gar nicht voller Saft und Kraft. Dabei wollte er zuviel gleichzeitig tun und war glattweg überfordert – Kinn einrenken, Balance halten, fluchen – was nicht klappte –, den Mageninhalt herunterwürgen, den narbengesichtigen Carberry anpeilen, um wenigstens einmal zurückschlagen zu können, alles das war einfach zuviel.
Seinen geplanten „Ritt“ auf der Matratze hatte der Vierschrötige längst vergessen. Vielleicht spürte er auch in seinem jetzt dumpfen Hirn, daß er sich einen Stiefel angezogen hatte, der für ihn ein paar Nummern zu groß war. Jedenfalls zog er es plötzlich vor, sich an der Theke entlang in das Dämmer der hinteren Grotte zu tasten.
Carberry knurrte und war mit zwei, drei langen Schritten bei ihm. Er riß ihn herum, stemmte ihn gegen die Theke und nagelte ihn dort fest, erbittert, unbarmherzig, gnadenlos. Er zerschlug dem Nußknacker das Mark in den Knochen. Was davon übrigblieb, schleppte er wie einen zerknautschten Mehlsack über die Dielen nach draußen.
Diego hatte die Ellbogen auf den Tresen gestützt und sah zu. Er hatte schon viel erlebt in seiner „Schildkröte“, aber das hier war eine Demonstration von Kraft und Willen gewesen, wie sie auf Tortuga selten geboten wurde, obwohl sich hier nur Kerle ein Stelldichein gaben, die mit dem Teufel einen unheiligen Pakt geschlossen hatten.
Der Dicke ahnte, daß die Sturmflut noch folgen würde, und räumte schon mal vorsorglich den Tresen leer.
Was der Vierschrötige gewollt hatte, wollten noch sieben andere – und die traten gleichzeitig an, um den sechs Männern, die hier fremd waren, zu zeigen, woher der Wind auf Tortuga weht. Außerdem lockte als Preis dieses spitzbrüstige Weib mit der schlanken Taille und den gerundeten Hüften – exakt das, was Männer dahin treiben konnte, verrückt zu werden oder die Sterne vom Himmel holen zu wollen oder mit ihrem Leben zu spielen. Dabei lautete eine uralte Weisheit, daß bei solchen Männern der Verstand in der Hose war, wo er nichts zu suchen hatte.
Diese sieben Kerle waren wie hitzige Köter, hatten nahezu blutunterlaufene Augen und nichts hätte sie bremsen können.
Die sechs Seewölfe standen geschlossen auf. Sie warteten nicht auf den Angriff, sondern griffen selbst an. Wer zuerst angreift, hatte Hasard einmal gesagt, reißt das Gesetz des Handelns an sich und diktiert den Kampfablauf.
Diego hielt die Luft an.
Siri-Tong blieb an der Wand sitzen, die mandelförmigen Augen zu Schlitzen geschlossen, das Gesicht eine Maske.
Vielleicht genoß sie es, daß Männer um sie kämpften. Wer wußte das schon! Frauen von der Extremklasse der Roten Korsarin waren sowieso ein Rätsel, das niemand zu lösen vermochte.
Hasard räumte einen Mann weg, indem er ihn blitzartig zu sich heranzog und mit dem Gesicht gegen seinen Schädel prallen ließ, den er wie ein Stier gesenkt hatte. Dem Mann brach die Nase, denn die war weicher als Hasards Schädeldecke. Ein Fußtritt beförderte den brüllenden Kerl vor den Eingang.
Matt Davies ging härter ’ran. Er schlitzte einem fetten Kerl, der am rechten Ohrläppchen einen Ring baumeln hatte, mit seiner scharfgeschliffenen Hakenprothese den Brustkasten auf, pickte dann den Haken wie einen Hühnerschnabel in den Ohrring und riß ihn mit einem kurzen, aber kräftigen Ruck nach unten. Damit hatte er einen Ring aus Gold, wie er später feststellte, und der fette Kerl ein ausgefranstes Ohrläppchen nebst aufgeschlitztem Brustkasten.
Der Mann rannte schreiend aus der Grotte.
Stenmark, der blonde Schwede, trat einem rattengesichtigen Schnapphahn vors Schienbein, und als sich der Kerl zusammenkrümmte, flog Stenmarks rechtes Bein hoch. Die Stiefelspitze traf genau auf den Punkt, nämlich unter das Rattenkinn. Die Wucht des Tritts streckte den Mann, katapultierte ihn über einen Tisch, und hinter dem Tisch bremste dann ein Felspfeiler den weiteren Flug. Der Felsen erwies sich als härter – eine Weisheit, die auch ein Vollidiot begreift, wenn’s gebumst hat.
Der Rattengesichtige verdrehte die Augen und sackte an dem Pfeiler zusammen. Schwere Gehirnerschütterung, würde Doktor Freemont aus Plymouth sagen.
Carberry, dieser Raufbold aus Passion, brauchte für seine überschüssige Kraft etwas mehr Betätigung. Er nahm sich gleich zwei von den lüsternen Rübenschweinen vor, denn die standen genau vor ihm. Seine Pranken schossen hoch, umwölbten die beiden Köpfe links und rechts und verhalfen ihnen dazu, auszuprobieren, wer den härteren Holzkopf hat. Der eine tauchte sofort weg, der andere kriegte glasige Augen und eine schmerzvolle Leichenbittermiene. Ein rechter Schwinger Carberrys verhalf ihm zu einer Spirale, einem zerdroschenen Ohr, dessen Knorpel brachen, und nach Vollendung der Spirale, die ihn nämlich zur Theke beförderte, zu einem jähen Zusammenbruch. Er knallte mit dem Kreuz gegen die Thekenkante und kippte röchelnd um.
Blieben nur noch zwei, mit denen sich Smoky, der Decksälteste der „Isabella“, und Sam Roscill, der schlanke Draufgänger, beschäftigten.
Smoky, erprobter Kämpfer in unzähligen Schlachten, bullig, zäh, rauhbeinig, nahm zwar einen Kopfteffer hin, der ihn nicht weiter erschütterte, zahlte dann aber zurück. Er ging an seinen Mann heran und hämmerte ihm wechselweise die Fäuste zwischen die Rippen. Der Kerl hatte das Gefühl, auf dem Bauch liegend von einem Tornado über ein Geröllfeld geblasen zu werden. Von einer Gegenwehr war schon gar nicht mehr die Rede. Da brachen ein paar Rippen, und die Luft pfiff aus den Lungen. Smoky beendete des Mannes Qualen mit einem Jagdhieb. Er schlug ihm die Faust wie einen Hammer auf die Schädeldecke. Damit war auch dieser Fall geklärt.
Sam Roscill hatte seinen Mann einfach unterlaufen, ausgehoben und wie einen nassen Sack auf die Steinstufen des Eingangs geworfen. Das Schicksal war gnädig und ersparte dem Kerl einen Genickbruch, aber das Genick hatte dennoch gelitten. Er war mit einem schiefen Kopf aus der Grotte getorkelt.
Das alles hatte kaum vier Minuten gedauert.
Smoky schleppte seinen Mann am Kragen nach draußen, Carberry folgte ihm, beide Kerle wie abgeschossene Hasen im Griff, Stenmark zog den Rattengesichtigen an den Füßen aus der Grotte und wischte mit ihm die Dielen auf. Da Hasards, Matt Davies’ und Sam Roscills Gegner bereits das Weite gesucht hatten, war mit dem Hinauswurf der vier anderen nunmehr die Kampfstätte geräumt.
„Heilige Mutter Gottes“, sagte der dicke Diego andächtig, „es stimmt, was man von diesen Seewölfen erzählt. Ich wollte es nicht glauben, aber jetzt habe ich es mit meinen eigenen Augen gesehen. Gott gnade Spanien.“
Der narbengesichtige Carberry tauchte vor dem Tresen auf und grinste den Dicken an.
„Hör zu, du Plumpudding von Tortuga“, sagte er. „Dein Wein ist Spitzenklasse, aber was wir jetzt brauchen, das ist ein harter Rum, der uns wieder friedlich stimmt und vergessen läßt, was hier für Scheißkerle und Affenärsche das große Maul aufreißen und unsittliche Reden führen.“
Der Fettwanst strahlte.
„Ihr kriegt Rum, den besten, den ich habe“, sagte er. „Ich muß ihn nur aus dem Keller holen.“
„In Ordnung“, sagte Carberry, kniff ein Auge zu, griff in die Tasche und rollte eine herrliche Perle über den Tresen.
Diego riß die Augen auf und betrachtete das Ding. Er verstand was von Perlen. Diese hier war ein Prachtexemplar.
Aber dann sagte er beinahe empört: „Heute seid ihr meine Gäste, ich will keine Bezahlung.“
„Das geht klar“, erwiderte Carberry, „aber du sollst mir ein Fäßchen Rum reservieren. Unsere Leute an Bord sollen schließlich nicht verdursten. Und dann meine ich, daß eine Freundschaftsgabe die andere wert ist, oder?“
„Sie sind ein nobler Mann, Senor“, sagte Diego und kassierte die Perle.
Das hatte allerdings noch niemand zu dem Profos gesagt. Er fühlte sich, als habe er den Ritterschlag erhalten.